Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1013 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stefan Wenzel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums namens der Landesregierung Leistungsfähigkeit der Steuerverwaltung bei der grenzübergreifenden Steuererhebung und Fahndung Anfrage des Abgeordneten Stefan Wenzel (GRÜNE), eingegangen am 02.05.2018 - Drs. 18/800 an die Staatskanzlei übersandt am 07.05.2018 Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums namens der Landesregierung vom 01.06.2018, gezeichnet Reinhold Hilbers Vorbemerkung des Abgeordneten Am 04.04.2018 berichtete die Süddeutsche Zeitung über brachliegende Daten in der deutschen Steuerverwaltung: „Insgesamt kann die deutsche Steuerverwaltung wegen erheblicher IT-Probleme die gemeldeten Daten von 898 146 deutschen Steuerpflichtigen, die im Ausland leben, nicht bearbeiten . Die Einkünfte dieser Steuerpflichtigen summieren sich auf mehr als 55 Milliarden Euro, die Kontostände auf 71 Milliarden Euro.“ Niedersachsen fungiert laut Minister Hilbers beim automatischen internationalen Datenaustausch als zentraler Ansprechpartner des Bundes, der alle Auslandsdaten annimmt, hat aber laut „Blickpunkt Niedersachsen“ Probleme mit der Anwendungssoftware und der Personalausstattung, insbesondere im Bereich IuK und bei der Implementierung des Verfahrens für den Datenexport, den Datenimport und den Datenaustausch. Anträge zur Verstärkung des Personals in der Steuerverwaltung mit dem Nachtragshaushalt 2018 wurden von der Koalitionsfraktion der SPD und ihrem Juniorpartner CDU abgelehnt. Eigene Vorschläge zur Personalverstärkung hat der Minister nicht eingebracht. Vorbemerkung der Landesregierung Die zunehmende Globalisierung und die damit einhergehende Öffnung der Kapital-, Waren- und Dienstleistungsmärkte haben zu neuen Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Steuerumgehung , Gewinnverlagerung und Steuerhinterziehung geführt. In den letzten Jahren wurden daher der zwischenstaatliche Informationsaustausch in Steuersachen auf Ebene der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Europäischen Union (EU) und in diversen bilateralen Abkommen deutlich erweitert und insbesondere ein automatischer Informationsaustausch vereinbart. Aufgrund der EU-Amtshilferichtlinie 2011/16/EU vom 15.02.2011 (EUAHiRL) tauschen die EU-Mitgliedstaaten - erstmalig für das Steuerjahr 2014 - automatisch Informationen über bestimmte Arten von Einkommen und Vermögen (sogenannte EARL-Daten) aus. Die Finanzkonteninformationen, die nach dem Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) und dem Common Reporting Standard (CRS) automatisch ausgetauscht werden, liefern die Finanzinstitute der an diesem Informationsaustausch teilnehmenden Staaten. Die FATCA-Daten werden erstmalig seit dem Steuerjahr 2014 ausschließlich mit den USA ausgetauscht, der weltweite Austausch von Finanzkonteninformationen nach CRS begann für das Steuerjahr 2016 mit 50 Staaten und hat sich für das Steuerjahr 2017 auf 101 Staaten - darunter u. a. auch die Schweiz und Liechtenstein - ausgeweitet. Die von Deutschland (DE) an die anderen Staaten jährlich zu einem fest definierten Termin nach vorgeschriebenem Muster gelieferten EARL-, FATCA- und CRS-Informationen werden als Datenexport , die aus anderen Staaten in DE eingehenden Informationen als Datenimport bezeichnet. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1013 2 Die Übersendung der Daten erfolgt unabhängig davon, ob die Doppelbesteuerungsabkommen eine Besteuerung im Empfängerstaat der Informationen vorsehen. Daher kann die Landesregierung ohne konkrete Prüfung des steuerlichen Einzelfalls durch die Finanzämter auch nicht beurteilen, ob die in dem Zeitungsbericht der Süddeutschen Zeitung vom 04.04.2018 aufgeführten Informationen zu einem steuerlichen Mehrergebnis führen oder die Bürgerinnen und Bürger die daraus resultierenden zu versteuernden Einkünfte bereits im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung angegeben haben. Die Landesregierung geht grundsätzlich von der Steuerehrlichkeit der Bürgerinnen und Bürger aus und stuft diese neuen, der Steuerverwaltung bisher nicht vorliegenden Daten als Kontrollmaterial ein. Dieses ist unter Risiko- und Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten zu überprüfen. Eine risikoorientierte Überprüfung, ob die aus dem Ausland übermittelten Informationen bereits Bestandteil einer Einkommensteuerveranlagung waren, lässt sich im Hinblick auf die Menge der jährlich zu erwartenden Dateneingänge nur mit Automationsunterstützung durchführen. Eine personelle Überprüfung der Steuerfälle durch die Bediensteten der Finanzämter ist erforderlich, sobald sich eine bisher unterbliebene Berücksichtigung der übermittelten Informationen aufgrund der technischen Vorprüfung abzeichnet. Diese personelle Prüfung ist aufwendig, weil sie neben der Ermittlung des Sachverhalts und der steuerlichen Relevanz in DE vor allem auch die Prüfung der einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen im Hinblick auf die Steuerberechtigung erfordert. Angesichts des demografischen Wandels, der auch vor den Steuerverwaltungen der Länder keinen Halt macht, sind die automationstechnischen Unterstützungsprozesse im Finanzressort voranzutreiben . Alle 16 Länder haben sich im Vorhaben KONSENS zusammengeschlossen, um einheitliche Softwareprodukte zu entwickeln, zu betreiben und einzusetzen. Dabei werden diverse Softwarekomponenten in den sogenannten fünf Steuerungsgruppenländern entwickelt, zu denen neben Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen auch Niedersachsen gehört. Grundlage dieser Entwicklung sind die zwischen Bund und Ländern (in Form von Lastenheften) abgestimmten fachlichen, organisatorischen und technischen Anforderungen. Entsprechend der Pressemitteilung des Finanzministeriums vom 16.04.2018 ist Niedersachsen Auftrag nehmendes Land und damit verantwortlich für das KONSENS-Verfahren InKA (Informations - und Kommunikationsaustausch mit dem Ausland). Bei „InKA“ handelt es sich um ein Automationsverfahren , das in der Abteilung IuK des Landesamts für Steuern Niedersachsen (LStN) angesiedelt ist. Das Verfahren wurde anlässlich der Umsetzung der EUAHiRL ins Leben gerufen und später u. a. um die Aufgabenbereiche FATCA und CRS erweitert. Die Besonderheit besteht darin, dass das Verfahren InKA keine Softwareprodukte entwickelt, sondern eine ausschließlich koordinierende Funktion hat. „InKA“ betrachtet alle Auslands-Datenausgänge und -eingänge einheitlich und entwickelt entsprechende Verfahrensabläufe für den Umgang mit den Daten. Seine Konzepte münden im KONSENS- Verbund regelmäßig in konkrete Umsetzungsaufträge für die Erstellung von Softwareprodukten. Im Bereich des automatischen internationalen Datenaustausches fungiert das Verfahren InKA zudem als zentraler Ansprechpartner für den Bund, der alle Auslandsdaten annimmt. Eine Aufgabe im Bereich des Datenimports ist die Erarbeitung und Abstimmung der Länderanforderungen für die Datenweiterleitung des Bundes an die Länderfinanzbehörden. Zu einer der wesentlichen Anforderungen an die Aufbereitung der Daten durch den Bund vor deren Weiterleitung an die Länder gehört die Zuordnung des aus dem Ausland eingehenden Kontrollmaterials zu einem konkreten Steuerfall in DE mittels Identifikationsnummer (Id-Nr.) oder bundeseinheitlicher Finanzamtsnummer (BuFA-Nr.). Nur so ist eine Zuordnung des Kontrollmaterials zum zuständigen Land und zuständigen Finanzamt möglich. Die erforderlichen automationstechnischen Unterstützungsprozesse auf Seiten des Bundes werden aktuell entwickelt. Die Entwicklung verläuft planmäßig. Länderseitig werden die Daten nach deren Weiterleitung durch den Bund über Kontrollmitteilungsverfahren angenommen und unter den o. g. Risikogesichtspunkten für eine weitere Auswertung in den Ländern aufbereitet. Für die technische Umsetzung dieses KONSENS-Verfahrens RMS-KMV zeichnet Nordrhein-Westfalen verantwortlich. Die Entwicklung aller erforderlichen Komponenten Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1013 3 soll zum 30.06.2019 abgeschlossen sein. Eine Datenannahme auf Länderseite wird bereits zum Termin der Datenübermittlung durch den Bund möglich sein. 1. Was hat das Finanzministerium veranlasst, um eine zeitnahe Bearbeitung der o. g. Daten von Steuerpflichtigen aus dem Ausland sicherzustellen? Niedersachsen steht dem Bund im KONSENS-Verbund mit dem Verfahren InKA als zentraler Ansprechpartner zur Verfügung. Dies gilt über die aus dem Ausland in DE eingehenden Daten hinaus auch für die von DE an die anderen EU-Staaten zu liefernden EARL-Daten. Niedersachsen hat maßgeblich dazu beigetragen, dass DE seiner Lieferverpflichtung aus der EU-Amtshilferichtlinie nachkommen konnte. 2. Wie lange wird die Bearbeitung der o. g. Daten beim Bundeszentralamt für Steuern und bei den Bundesländern jeweils dauern? Die Dauer der Bearbeitung der bisher beim Bund vorliegenden Auslandsdaten kann die Landesregierung aktuell noch nicht abschätzen. Entscheidend hierfür ist zum einen die Quote der automatisiert ausgesteuerten Steuerfälle, bei denen die Auslandsdaten bisher nicht berücksichtigt wurden. Die Qualität der in diesen Fällen übermittelten Daten hat maßgeblichen Einfluss auf den Sachverhaltsermittlungsaufwand in den Finanzämtern. Auf die Qualität der eingehenden Daten haben jedoch weder der Bund noch die Länder Einfluss, sondern nur der jeweils sendende Staat. Aber auch in den Fällen, in denen die Finanzämter eine finale Auswertung der EARL- und FATCA- Daten des Jahres 2014 nicht bis zum 31.12.2019 (Ende der regulären Festsetzungsfrist bei Abgabe der Steuererklärung in 2015) abschließen können, gehen DE bzw. Niedersachsen nicht zwingend Steuermehreinnahmen verloren. Im Falle einer bisherigen steuerlichen Nichtberücksichtigung dürfte, insbesondere bei werthaltigen Beträgen, regelmäßig eine leichtfertige Steuerverkürzung oder eine Steuerhinterziehung vorliegen. In diesen Fällen endet die Festsetzungsfrist erst nach fünf bzw. zehn Jahren - also (frühestens) zum 31.12.2020 bzw. 31.12.2025. Für die CRS-Erstdaten tritt Festsetzungsverjährung frühestens mit Ablauf des 31.12.2021, bei leichtfertiger Steuerverkürzung und Steuerhinterziehung mit Ablauf des 31.12.2022 bzw. 31.12.2027 ein. Ungeachtet dessen sind die Regelungen in der Abgabenordnung zur Anlaufhemmung (bedeutsam bei Erklärungsabgabe in 2016 oder später und bei Nichtabgabe) sowie zur Ablaufhemmung (beispielsweise bei Vorliegen eines Rechtsbehelfs oder aufgrund einer Außenprüfung) zu beachten, aufgrund derer sich der Eintritt der Festsetzungsverjährung - auch in Fällen der leichtfertigen Steuerverkürzung /Steuerhinterziehung - ebenfalls verschiebt. Nach Auffassung der Landesregierung ist unter diesen Umständen eine zeitgerechte Auswertung der Auslandsdaten gesichert. 3. Wie sind mögliche Verjährungsfristen terminiert? Hinweis auf die Antwort zu Frage 2 4. Wie groß ist aktuell das Personalfehl in der niedersächsischen Steuerverwaltung aufgrund der aktuellsten Personalbedarfsrechnung? Der durch die Personalbedarfsberechnung (PersBB) für die Steuerverwaltung ermittelte Bedarf wird durch das zur Verfügung stehende Personal nicht in vollem Umfang gedeckt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der ermittelte Personalbedarf nur eine rechnerische Orientierungsgröße für die sachgerechte Verteilung des verfügbaren Personals liefert. Die Differenz beträgt derzeit nach der PersBB 2017 gegenüber der Personalzuweisung ca. 6,3 %, d. h. rund 676 Vollzeiteinheiten (VZE). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1013 4 Nachrichtlich: PersBB 2013 gegenüber der Personalzuweisung ca. 9,3 %, d. h. rund 1 027,00 Vollzeiteinheiten (VZE), PersBB 2014 gegenüber der Personalzuweisung ca. 5,5 %, d. h. rund 575,00 Vollzeiteinheiten (VZE)1, PersBB 2015 gegenüber der Personalzuweisung ca. 5,8 %, d. h. rund 615,00 Vollzeiteinheiten (VZE), PersBB 2016 gegenüber der Personalzuweisung ca. 5,8 %, d. h. rund 609,00 Vollzeiteinheiten (VZE). Die aktuelle Prognose zur voraussichtlichen Personalentwicklung geht davon aus, dass alle vorhandenen Ausbildungskapazitäten und finanziellen Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, um den Personalbestand und damit die Funktionsfähigkeit der Steuerverwaltung erhalten zu können . 5. Wie verteilt sich das Personalfehl auf die 57 Finanzämter, die sechs Finanzämter für Großbetriebsprüfung, die vier Finanzämter für Fahndung und Strafsachen und die Steuerakademie? Die Personalverteilung auf die niedersächsischen Finanzämter richtet sich nach dem durch die Personalzuweisung ermittelten Verteilungsschlüssel. Die 57 Veranlagungsfinanzämter sind danach zz. rechnerisch durchschnittlich um 2,5 v. H. unterbesetzt. In den Sonderfinanzämtern liegt die Unterbesetzung bei den Finanzämtern für Großbetriebsprüfung bei durchschnittlich 10 v. H. und bei den Fahndungsämtern bei durchschnittlich 15,00 v. H. Diese Zustandsbeschreibung ist immer nur eine Momentaufnahme, die permanenten Veränderungen (durch Personalabgänge und Zugänge im Rahmen der Verteilung von fertig ausgebildetem Personal) unterliegt. Für die Steuerakademie wird keine Bedarfsberechnung durchgeführt. Die Personalausstattung richtet sich im Wesentlichen nach der Anzahl der aus- und fortzubildenden Beschäftigten und wird entsprechend den Anforderungen angepasst. 6. In welcher Höhe ist vom Finanzminister bislang eine Personalverstärkung für die 57 Finanzämter, die sechs Finanzämter für Großbetriebsprüfung, die vier Finanzämter für Fahndung und Strafsachen und die Steuerakademie zum Haushalt 2019 eingeplant worden? Vorbehaltlich des Beschlusses der Landesregierung zum Haushaltsplan wird über eine Verstärkung des Personals aufgrund von Aufgabenzuwächsen entschieden, wenn sich Mehrbedarfe nach Art und Umfang absehen lassen. Bei den künftigen Aufgaben im Bereich des internationalen Steuerrechts ist derzeit noch nicht klar, wieviel Mehrarbeit der internationale Datenaustausch in den niedersächsischen Finanzämtern auslösen wird. Für 2019 werden die Mehrbelastungen als eher gering eingeschätzt. 1 Insbesondere durch die Zuständigkeitsverlagerung der Kfz-Steuer auf den Bund hat sich für 2014 eine Minderung des Personalbedarfs ergeben, sodass sich die Differenz zwischen Bedarf und Zuweisung auch deutlich vermindert hat. (Verteilt am 06.06.2018) Drucksache 18/1013 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stefan Wenzel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums Leistungsfähigkeit der Steuerverwaltung bei der grenzübergreifenden Steuererhebung und Fahndung