Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1113 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Gender-Mainstreaming Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD), eingegangen am 07.05.2018 - Drs. 18/899 an die Staatskanzlei übersandt am 15.05.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 15.06.2018, gezeichnet Dr. Carola Reimann Vorbemerkung des Abgeordneten Das Land Niedersachsen hat sich zu Gender-Mainstreaming verpflichtet. Gemäß § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen ist Gender- Mainstreaming durchgängiges Leitprinzip. Es ist bei allen politischen und normgebenden Maßnahmen und im Verwaltungshandeln zu berücksichtigen. Vorbemerkung der Landesregierung Eine demokratische Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass jeder Mensch Gerechtigkeit, angemessene Teilhabe und Wertschätzung erfährt - unabhängig vom Geschlecht. Auf dem Weg zu dieser geschlechtergerechten Gesellschaft hat Niedersachsen das Grundprinzip Gender-Mainstreaming anerkannt. Gender-Mainstreaming ist der Prozess, durch den die nach Geschlechtern differenzierende Sichtweise in die Hauptausrichtung integriert und als Bestandteil der politischen und administrativen Konzepte aufgenommen wird. Die Definition von Gender-Mainstreaming angelehnt an die des Europarats von 1998 lautet: „Gender-Mainstreaming besteht in der (Re-)Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung der Entscheidungsprozesse, mit dem Ziel, dass die an politischer Gestaltung beteiligten Akteurinnen und Akteure den Blickwinkel der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in allen Bereichen und auf allen Ebenen einnehmen.“ Das englische Wort „gender“ bezeichnet das Geschlecht als soziale Kategorie - in Abgrenzung zum Wort „sex“ für die biologische Kategorie. Mit Gender sind die gesellschaftlichen Geschlechterrollen gemeint, die Vorstellungen und Erwartungen, wie Frauen und Männer sind bzw. sein sollten. Soziales Geschlecht drückt aus, dass Frauen und Männer kulturell und sozial unterschiedlich geprägt werden und Rollen und Eigenschaften annehmen, die anerzogen und weitergegeben werden. „Mainstream“ bedeutet wörtlich übersetzt Hauptstrom. In der praktischen Anwendung der Strategie Gender-Mainstreaming, also der Umsetzung in die Praxis, geht es darum zu reflektieren: – Wie wirkt sich das, was wir tun, planen und umsetzen auf Frauen und auf Männer aus? – Was bedeutet eine Maßnahme, ein Gesetz, eine Budgetkürzung für Frauen, für Männer? – Welche Wirkungen sind frühzeitig zu berücksichtigen? Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1113 2 Ein Meilenstein in der Einführung des Gender-Mainstreamings war die Festschreibung dieses Prinzips im April 2004 in der Geschäftsordnung der Landesregierung: „Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist durchgängiges Leitprinzip. Es ist bei allen politischen, Norm gebenden und verwaltenden Maßnahmen zu beachten (Gender-Mainstreaming)“. Gender-Mainstreaming ist somit seit vielen Jahren eine Querschnitts- und Daueraufgabe für die gesamte Landesverwaltung. 1. Wie hoch belaufen sich für 2018 die Aufwendungen im Landeshaushalt, die der Finanzierung von Maßnahmen des Gender-Mainstreaming dienen (bitte alle Haushaltstitel inklusive ihrer konkreten Höhe auflisten)? In den Einzelplänen der Landesregierung gibt es grundsätzlich keine Haushaltsstelle, die explizit Aufwendungen zur Finanzierung von Maßnahmen des Gender-Mainstreamings ausweist. Nichtsdestotrotz achtet die Landesregierung entsprechend der GGO im Verwaltungshandeln in vielfältiger Weise auf Gender-Mainstreaming-Aspekte. Beispielsweise ist das Thema Gender-Mainstreaming obligatorischer Bestandteil von Fortbildungsveranstaltungen . Das Themenfeld wird im Rahmen der vorhandenen Haushaltmittel auch über Einzelfortbildungen für Kolleginnen und Kollegen unterstützt. 2. Entstehen bei der Erstellung von Gesetzesentwürfen durch die Prüfung auf Einhaltung des Gender-Mainstreaming-Prinzips weitere Kosten (falls ja, bitte die Höhe und die entsprechenden Haushaltstitel angeben, bei denen die Kosten verbucht werden)? Nein. 3. Wie wird das Prinzip des Gender-Mainstreaming in den Schulen in Niedersachsen umgesetzt , etwa durch Rahmenpläne und Unterrichtsinhalte, Schulmaterialien und Schulbücher sowie durch eine entsprechende Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte? Gemäß § 2 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) zum Bildungsauftrag der Schulen sollen die Schülerinnen und Schüler in Schule u. a. befähigt fähig werden, die Grundrechte für sich und jeden anderen wirksam werden zu lassen, die sich daraus ergebende staatsbürgerliche Verantwortung zu verstehen und zur demokratischen Gestaltung der Gesellschaft beizutragen sowie ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Toleranz sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten. Die Schule hat den Schülerinnen und Schülern die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. Des Weiteren ist der Beschluss der Kultusministerkonferenz „Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung“ vom 06.10.2016 eine weitere Grundlage für die durch das Kultusministerium seit diesem Datum zu verantwortenden gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen. Der Unterricht in allgemeinbildenden Schulen wird auf der Grundlage von Kerncurricula erteilt, die fachbezogene Kompetenzen beschreiben, über die Schülerinnen und Schüler am Ende des Primarbereichs , des Sekundarbereichs I und des Sekundarbereichs II verfügen sollen. Die Thematisierung der Vielfalt sexueller Identitäten ist in allen bereits weiterentwickelten Kerncurricula für die allgemeinbildenden Schulen im Bildungsbeitrag grundsätzlich festgeschrieben. Insbesondere in den Kerncurricula der Fächer Werte und Normen (in allen Schulformen des Sekundarbereichs I sowie im Sekundarbereich II), katholische bzw. evangelische Religion (alle Schulformen des Sek. I- und Sek. II-Bereichs), islamische Religion (alle Schulformen des Sek. I-Bereichs), Politik (Hauptschule, Realschule, Oberschule), Politik-Wirtschaft (Gymnasium) sowie Geschichte (Gymnasium) finden sich fachbezogen weitere geschlechtsspezifische Aspekte, die das Prinzip des Gender-Mainstreamings beinhalten. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1113 3 Die Lehrkräfte haben auf dieser Grundlage die Aufgabe, den Unterricht in eigener pädagogischer Verantwortung derart zu gestalten, dass die fachbezogenen Kompetenzen erworben, die Bildungsstandards erreicht und dabei die Interessen der Schülerinnen und Schüler einbezogen werden. In diesem Sinne bereiten Schulen die Schülerinnen und Schüler auf das Leben vor. Die Berufliche Orientierung und Lebensplanung der oder des Einzelnen wird von Vorstellungen zu den Geschlechterrollen mitbestimmt. Deshalb schafft die Schule ein geschlechtersensibles Lernumfeld und sorgt für ein geschlechtersensibles Bildungsangebot. Sie stärkt damit die Heranwachsenden in ihrer Fähigkeit und Bereitschaft zum selbstbestimmten Leben. Ein wichtiger Beitrag der Schule zur gendersensiblen Bildung ist ein methodisch vielfältiger Unterricht , der unterschiedliche Schülerpersönlichkeiten gleichermaßen anspricht und ihnen nach ihren jeweiligen Begabungen und Interessen vergleichbare Erfolgschancen sichert. Darüber hinaus können zeitlich befristete Angebote speziell für Mädchen oder speziell für Jungen dazu beitragen, überkommene Prägungen zu überwinden und vermeintlich typische Interessen und Fähigkeiten des jeweils anderen Geschlechts bei sich selbst zu entdecken und zu fördern. Ein weiterer wichtiger Beitrag der Schule zu einer geschlechtersensiblen Bildung kann das Vorbild der Lehrkräfte sein, die selbst Rollenvielfalt vorleben und einseitigen Prägungen durch ihr Beispiel entgegentreten. Das vom Land Niedersachsen verfolgte Leitprinzip des Gender-Mainstreamings wird auch im berufsbildenden Bereich bei der Erstellung von curricularen Vorgaben berücksichtigt und findet Eingang in den Unterricht an berufsbildenden Schulen. Beispielsweise ist das Thema „Gender-Mainstreaming “ in den Rahmenrichtlinien für die Unterrichtsfächer evangelische und katholische Religion sowie Werte und Normen enthalten und wird in den entsprechenden Online-Materialien über beispielhafte Lernsituationen für die DQR-Niveaustufen 2 bis 4 umgesetzt. Die oben angeführten unter http://nline.nibis.de/evreligionbbs/menue/nibis.phtml für alle zugänglichen Online-Materialien werden von Lehrkräften rege genutzt. Darüber hinaus bieten die Rahmenrichtlinien der Fächer Deutsch und Politik sowie die Rahmenlehrpläne für alle Ausbildungsberufe Möglichkeiten der unterrichtlichen Behandlung des Themas Gender-Mainstreaming (z. B. im Rahmen der kritischen Analyse von Werbemitteln bzw. im Rahmen des Lernfeldes „Personalwirtschaftliche Aufgaben wahrnehmen“). Im berufsbildenden Bereich bedürfen nur die Schulbücher für die Unterrichtsfächer Religion und Politik/Geschichte einer Genehmigung. Von der Genehmigungspflicht ausgenommene Lehrbücher, Lernsoftware und unterrichtsbegleitende Materialien sind durch die Bildungsgangs- oder Fachgruppe darauf zu prüfen, ob sie den im Runderlass des Kultusministeriums vom 01.08.2014 geregelten Anforderungen genügen. Grundlage für die Ausbildung der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst ist die „Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst (APVO-Lehr)“ vom 13.07.2010 (Nds. GVBl. S. 288), zuletzt geändert durch Verordnung vom 02.03.2017 (Nds. GVBl. S. 57). Die im Vorbereitungsdienst zu erwerbenden Kompetenzen sind in der Anlage zur APVO-Lehr als Standards für einen Handlungsrahmen der Ausbildung formuliert. Der Erwerb von Kompetenzen im „Umgang mit Gender-Mainstreaming und Vielfalt“ findet in den verschiedenen Kompetenzbereichen im Rahmen der Ausbildung von Lehrkräften Niederschlag. So ist beispielsweise bei der Unterrichtsplanung darauf zu achten, dass die „geschlechterspezifische, soziale, kulturelle Heterogenität der Lerngruppe“ beachtet wird (1.1.3) und die angehenden Lehrkräfte „interkulturelle erzieherische Aspekte des Unterrichts, darunter auch kulturspezifische Differenzen“, zu berücksichtigen haben (2.1.5), um bei den Schülerinnen und Schülern den „Blick für Geschlechtergerechtigkeit“ zu schärfen und „Wahrnehmungsmuster auch im Hinblick auf Chancengleichheit der Geschlechter bewusst“ zu machen. Haltungen, die für die Sensibilisierung in Bezug auf „Gender-Mainstreaming“ im Schulalltag Voraussetzung sind, sind demgemäß bereits im Vorbereitungsdienst verankert. Darüber hinaus erwerben die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst fachbezogene Kompetenzen, die dem Konzept des Gender-Mainstreamings noch stringenter zuzuordnen sind, wobei die Ausbildung in den Unterrichtsfächern dabei in engem Bezug zu den niedersächsischen Kerncurricula steht. Im Rahmen der Lehrkräftefortbildung werden zum Thema Gender-Mainstreaming beispielhaft folgende Fortbildungen angeboten: „Vielfalt. Kompetent. Lehren. Geschlechterreflektierte und diskriminierungskritische Pädagogik im Schulkontext“ sowie „Werte und Normen I für den Sekundarbe- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1113 4 reich I: Fragen nach dem Ich“. In Fortbildungen zur Implementierung von neuen Lehrplänen wird das Prinzip des Gender-Mainstreaming ebenfalls aufgegriffen. Ob eine Fortbildungsmaßnahme von Lehrkräften wahrgenommen wird, entscheiden die Schulen in eigener Zuständigkeit. (Verteilt am ) (Verteilt am 20.06.2018) Drucksache 18/1113 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Gender-Mainstreaming