Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1212 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stefan Wirtz (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Windenergieanlagen in der Gemeinde Emmerthal Anfrage des Abgeordneten Stefan Wirtz (AfD), eingegangen am 04.06.2018 - Drs. 18/1015 an die Staatskanzlei übersandt am 06.06.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 29.06.2018, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung des Abgeordneten In der Gemeinde Emmerthal (Landkreis Hameln-Pyrmont) werden acht Windenergieanlagen des Typs Vestas V 136 mit einer Gesamthöhe von 217 m errichtet (https://www.hameln-pyrmont. de/media/custom/2749_754_1.PDF?1482933357, abgerufen am 22.05.2018). In der unmittelbaren Umgebung der Windenergieanlagen befinden sich mehrere 110-KV- und 380- KV-Freileitungen, welche von einem nahegelegenen Umspannwerk ausgehen. Das Kernkraftwerk Grohnde speist mittels der 380-KV-Freileitung über das Umspannwerk in das Landesnetz seine Leistung ein. Vier der Windenergieanlagen unterschreiten den nach DIN EN 50341-2-4 (VDE 0210-2-4):2016- 04/1/ geforderten Mindestabstand (drei Rotordurchmesser) zwischen der Turmachse der Windenergieanlage und dem nächstliegenden ruhenden Leiter der Freileitungen. Der Abstand zwischen Turmachse und Freileitung ist geringer als die Errichtungshöhe der Windkraftanlagen. Das Umweltamt Hameln-Pyrmont verhängte daher im Genehmigungsbescheid schwingungsdämpfende Maßnahmen für die vier betroffenen Anlagen. Diese Maßnahmen zielen auf die Verhinderung der Anregung der Freileitungen durch die Nachlaufströmung der Windkraftrotoren ab. Im Falle eines Turmfalls oder Rotorblattbruches bei einer der vier Windkraftanlagen besteht die Gefahr, dass die Freileitungen vom Turm der Windkraftanlage oder von Rotorblättern getroffen und beschädigt werden. Dies könnte zu einem Kurzschluss führen. Befände sich das Kernkraftwerk Grohnde zu diesem Zeitpunkt im Revisions- oder Stillstandsbetrieb nach Abschaltung, könnte die Eigenversorgung nicht mehr gewährleistet sein, und der Notstromfall tritt ein. Vorbemerkung der Landesregierung Im Genehmigungsverfahren zur Errichtung von Windenergieanlagen in Emmerthal wurde das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz von der Genehmigungsbehörde um eine Einschätzung gebeten, ob Auswirkungen auf die Sicherheit des Kernkraftwerkes Grohnde möglich sind. Die Prüfungen haben ergeben, dass die kerntechnische Sicherheit aufgrund der Auslegung des Kernkraftwerkes gegen mögliche Störungen der Netzanbindung nicht betroffen ist. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1212 2 1. Inwieweit ergibt sich nach Auffassung der Landesregierung ein Problem für die Reaktorsicherheit des Kernkraftwerks Grohnde durch eine etwaige Beschädigung der Freileitung als Folge von Turmfall oder Rotorblattbruch der erwähnten vier Windenergieanlagen ? Die Reaktorsicherheit ist nicht betroffen. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 2. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der 380-KV-Freileitung um eine Stromhaupttrasse handelt: Inwieweit ergibt sich nach Auffassung der Landesregierung durch die geringen Abstände der vier in der Vorbemerkung beschriebenen Windenergieanlagen zur 380-KV-Freileitung eine Gefährdung der Stromversorgung? Die Rechtsgrundlage für die Errichtung und den Betrieb von Hoch- und Höchstspannungsleitungen zur Versorgung der Allgemeinheit mit Strom in Deutschland bildet das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) vom 07.07.2005 (BGBl. I S. 1970, ber. S. 3621), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 6 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20.07.2017 (BGBl. I S. 2808). Nach § 49 Abs. 1 und 2 EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik wird vermutet, wenn bei Anlagen zur Erzeugung, Fortleitung und Abgabe von Elektrizität die technischen Regeln des VDE eingehalten worden sind. Die deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) sind nach dem EnWG für einen sicheren Betrieb des Netzes verantwortlich. Hierzu haben sich die ÜNB in enger Kooperation im Verband der Netzbetreiber (VDN) dazu verpflichtet, technische Mindestanforderungen zu definieren, die bei Zugang und Nutzung der Netze von allen Netzteilnehmern zu erfüllen sind. Die technischen Regeln orientieren sich an den objektiven Erfordernissen eines störungsfreien Betriebes des Übertragungsnetzes und sind im sogenannten Transmission Code 2007, „Netz und Systemregeln der deutschen ÜNB“, näher beschrieben. Darüber hinaus wurden Regeln vereinbart, nach denen Konstruktion und Betriebsweise dieser Systeme in jedem Augenblick so sein müssen, dass ein Ausfall eines Elements niemals zu einer Unterbrechung der Stromversorgung insgesamt führen darf (n-1 Kriterium). Ein n-1- sicherer Netzbetrieb ist in der jeweiligen Regelzone des Netzbetreibers dann gegeben, wenn nach dem Ausfall eines Netzbetriebsmittels und ohne Netzeingriff dauerhafte Grenzwertverletzungen (Spannung, Strom, Kurzschlussleistung), Versorgungsunterbrechungen bzw. Folgeereignisse (z. B. Schutzauslösungen) ausgeschlossen sind. Die Regeln gelten zwar nur für das deutsche Netz, da dieses aber in das Europäische Verbundnetz eingebunden ist, wurden auch die technischen Anforderungen des Verbandes Europäischer Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) berücksichtigt. Insoweit ist das deutsche Höchstspannungsnetz weitgehend redundant ausgelegt, um den Ausfall eines Versorgungsstranges ohne die Gefährdung der gesamten Stromversorgung sicherzustellen . Im vorliegenden Fall wurden in Bezug auf die geringen Abstände der Windenergieanlage zur 380-KV-Freileitung im Zuge des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens Auflagen des Übertragungsnetzbetreibers TenneT vom künftigen Betreiber der Windenergieanlage gefordert, um die gesetzlichen und technischen Anforderungen an die Sicherheit der Energieversorgung zu erfüllen. Soweit die schwingungsdämpfenden Maßnahmen an der besagten Freileitung vor der Inbetriebnahme der Windenergieanlage realisiert werden, kann eine Gefährdung der Stromversorgung durch den Bau der vier Windenergieanlagen (WEA) in der Nähe der 380-KV-Freileitung aus Sicht der Landesregierung damit ausgeschlossen werden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1212 3 3. Vor dem Hintergrund, dass schwingungsdämpfende Maßnahmen lediglich die Anregung der Freileitungen durch die Nachlaufströmung der Windenergieanlagen verhindern : Hält die Landesregierung diese Maßnahmen für ausreichend, um das gesamte Risiko , das sich aus dem geringen Abstand der Windenergieanlagen zu den Freileitungen ergibt, auszuschließen? Die Risikobewertung erfolgte im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zur Errichtung der besagten Windenergieanlage in der Gemeinde Emmerthal. Die Gutachter des Übertragungsnetzbetreibers TenneT kommen in ihrer Stellungnahme im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu dem Schluss, dass schwingungsdämpfende Maßnahmen an der Höchstspannungsleitung ausreichen, um die Sicherheit der betroffenen Höchstspannungsleitung auch nach der Errichtung der WEA zu gewährleisten. Hinsichtlich des Umspannwerkes Grohnde kommen die Gutachter der TenneT zu dem Schluss, dass durch den Betrieb der WEA keine besondere Gefährdung des Umspannwerkes gegeben ist. Soweit die vorgeschlagenen Maßnahmen der Gutachter umgesetzt werden, schließt sich die Landesregierung dieser Auffassung uneingeschränkt an. 4. Vor dem Hintergrund, dass Betreiber von Kernkraftwerken die Pflicht haben, alle potenziellen Risiken vom Kernkraftwerk abzuhalten, um den Schutz der Allgemeinheit zu gewährleisten (§ 7 d des Atomgesetzes): Wären nach Auffassung der Landesregierung im vorliegenden Falle nicht mindestens Abstände unerlässlich, die die Gesamthöhe der Windenergieanlagen überschreiten? Die in § 7 d AtG beschriebene Betreiberpflicht für Maßnahmen zur weiteren Vorsorge gegen Risiken bezieht sich auf Maßnahmen innerhalb der Kraftwerksanlage. Im Hinblick auf Ausfälle der Netzanbindung - unabhängig davon, wodurch sie verursacht werden - ist bereits durch die Auslegung ausreichend Vorsorge getroffen worden. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 5. Für welche Zeitspanne kann die Notstromversorgung des Kernkraftwerks Grohnde den Betrieb des Kernkraftwerks aufrechterhalten? Der Betrieb des Kernkraftwerks Grohnde macht bei einer Unterbrechung der Netzversorgung mangels Einspeisemöglichkeiten keinen Sinn. Die Notstromversorgung dient dazu, die Anlage in einen sicheren Zustand zu überführen und insbesondere die Nachwärmeabfuhr langfristig sicher zu stellen. (Verteilt am 05.07.2018) Drucksache 18/1212 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stefan Wirtz (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Windenergieanlagen in der Gemeinde Emmerthal