Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1215 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte, Imke Byl und Julia Willie Hamburg (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Zwischenfall bei GE Healthcare in Braunschweig-Thune: Wie will die Landesregierung künftig die Öffentlichkeit informieren? Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte, Imke Byl und Julia Willie Hamburg (GRÜNE), eingegangen am 31.05.2018 - Drs. 18/992 an die Staatskanzlei übersandt am 04.06.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 01.07.2018, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung der Abgeordneten Am 22. November 2017 ereignete sich bei der Firma GE Healthcare Buchler in Braunschweig-Thune ein Störfall. Zu der Antwort der Landesregierung auf unsere Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung vom 16.01.2018 (Drs. 18/300) haben wir folgende Nachfragen. Vorbemerkung der Landesregierung Im Rahmen der Beurteilung des Zwischenfalls vom 22.11.2017 und der zukünftigen Vermeidung haben Vertreter des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (MU) vor Ort in Begleitung des zugezogenen Sachverständigen nach § 20 AtG eine Bewertung der Handhabungsabläufe vorgenommen. Hieraus sind Empfehlungen hinsichtlich der Arbeitsschritte und der eingesetzten Gerätschaften abgeleitet worden. Die Umsetzung der Empfehlungen wurde unter Zuziehung des Sachverständigen nach § 20 AtG vom MU aufsichtlich begleitet. GE Healthcare Buchler GmbH & Co. KG hat darüber hinaus eigene Maßnahmen ergriffen. Diese wurden ebenfalls geprüft und aufsichtlich begleitet. Weiterhin wurden von der GE Healthcare Buchler GmbH & Co. KG kurzfristige und mittelfristige Maßnahmen abgeleitet, die vom zugezogenen Sachverständigen geprüft wurden. Nach Umsetzung aller Maßnahmen wird durch die GE Healthcare Buchler GmbH & Co. KG ein Abschlussbericht erstellt, der die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen gegen eine Wiederholung bewertet. 1. Liegt dem Umweltministerium inzwischen eine abschließende Einstufung des Unfalls nach INES vor, und wenn ja, welche? Wenn nein, wann ist dies zu erwarten? Das Bundesministerium für Umwelt, Energie und nukleare Sicherheit ist zuständig für die Einstufung nach INES, hat diese jedoch noch nicht vorgenommen. Ein Termin hierfür ist dem MU nicht bekannt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1215 2 2. Wann und durch wen wurde die in Antwort 13 beschriebene Abgabe von radioaktivem Jod-131 an die Umgebung veranlasst, und auf welchen Bewertungsgrundlagen wurde diese Entscheidung getroffen? Die Abgabe von Jod-131 wurde nicht veranlasst, sondern wurde durch den unbeabsichtigten Handhabungsfehler versursacht. 3. Ist es mit der vorhandenen technischen Ausstattung des Unternehmen GE Healthcare Buchler möglich, eine solche Abgabe an die Umgebung, die die festgelegten Tagesabgabewerte überschreitet, zu verhindern? Eine vollständige Rückhaltung der radioaktiven Stoffe ist in einem solchen Fall nicht möglich. Die Raumluft des Produktionsbereiches wird über einen Kamin abgeleitet, der über einen Schwebstofffilter verfügt. Die Luft der Produktionsboxen wird über einen Kamin mit Aktivkohlefilterung geleitet . 4. Welche Möglichkeiten der Dekontamination hat die Feuerwehr Braunschweig, und warum wurden diese bei dem Zwischenfall nicht genutzt? Das Erfordernis zur Dekontamination bestand lediglich für einen eng begrenzten Bereich innerhalb des Produktionsbereiches. Das Betriebspersonal ist für Maßnahmen zur Dekontamination ausgebildet , verfügt über die dafür notwendigen Betriebsmittel und Strahlenschutzausrüstungen und konnte unmittelbar nach dem Ereignis alle erforderlich Maßnahmen durchführen. Die Feuerwehr Braunschweig wurde nicht hinzugezogen, da außerhalb des Betriebsgeländes kein Erfordernis für eine Dekontamination bestand. Die Feuerwehr Braunschweig verfügt über die Möglichkeiten zur Dekontamination nach der Feuerwehr-Dienstvorschrift 500 „Einheiten im ABC - Einsatz“. 5. Verfügt die Feuerwehr über Schutzausrüstung, um bei Dekontaminierungsarbeiten eine Strahlenbelastung der handelnden Personen zu vermeiden? Die Feuerwehr Braunschweig verfügt über die Schutzausrüstung zur Dekontamination nach der Feuerwehr-Dienstvorschrift 500 „Einheiten im ABC - Einsatz“. Die Auswahl der Schutzausrüstung erfolgt nach der DGUV Information 205-014 „Auswahl von persönlicher Schutzausrüstung für Einsätze bei der Feuerwehr“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). 6. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, bei ähnlichen Zwischenfällen in Zukunft zu vermeiden, dass die mit der Dekontaminierung betrauten Personen erhöhten Personendosen ausgesetzt sind? Durch die ergriffenen Strahlenschutzmaßnahmen wurde erreicht, dass die Strahlenexposition der Mitarbeiter deutlich unter den Grenzwerten der Strahlenschutzverordnung lag. Die Dekontaminationsmaßnahmen wurden ziel- und sachgerecht durchgeführt. 7. Ist in der von den Firmen eingereichten Störfall-Analyse ein Störfall, wie er sich am 22.11.2017 ereignete, berücksichtigt? Die Störfallanalyse deckt Ereignisse mit deutlich größerer Freisetzung ab. 8. Wenn ja, wie hoch sind die dort für einen solchen Störfall ermittelten Radionuklid-Freisetzungen (Angabe bitte in Becquerel)? Siehe Antwort zu Frage 7. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1215 3 9. Wie, wann und durch wen wurde die vom Umweltministerium benannte verschüttete Aktivitätsmenge von 341 GBq ermittelt? Die Betreiberin ermittelte die Aktivität aus den Messungen der Dosisleistung und berichtete diese Werte in dem Zwischenbericht vom 11.01.2018. 10. Wie, wann und durch wen wurde die vom Umweltministerium benannte freigesetzte Aktivitätsmenge von 21,7 MBq ermittelt? Die Betreiberin ermittelte die Aktivität durch Messung am 23.11.2017. 11. Wie bewertet die Landesregierung eine Abwägung, nach der die radioaktive Belastung eines verschließbaren Raums gezielt durch Ablassen der radioaktiv belasteten Luft in die Umgebung gesenkt wird, obwohl eine kurzfristige Evakuierung der dort befindlichen Personen möglich ist? Eine gezielte Abgabe von Aktivität in die Umgebung hat nicht stattgefunden. Eine Evakuierung der dort befindlichen Personen war zu keinem Zeitpunkt erforderlich. 12. Wie groß war das Fassungsvermögen des Behälters, aus dem das Jod-131 verschüttet wurde, und wie hoch war dessen Füllmenge (Milliliter) zum Zeitpunkt der Entnahme aus genannter Produktionsbox? Das Fassungsvermögen des Behälters betrug 750 ml. Die Füllmenge betrug ca. 150 ml. 13. Wie hoch war die Aktivität von Jod-131 im gesamten betroffenen Abfallbehälter? Die Aktivität im Abfallbehälter war vor dem Ausschleusungsvorgang noch nicht bestimmt worden. 14. Wie hoch war die Aktivität von Jod-131 in der betroffenen Produktionsbox? In der Schleuse befand sich zu dem Zeitpunkt ausschließlich der betroffene Abfallbehälter. 15. Wodurch wurde der Abfallbehälter beim Ausschleusen aus der Produktionsbox gequetscht ? Der Abfallbehälter wurde durch die Tür des Transportwagens gequetscht. 16. Trifft es zu, dass der Behälter zum Zeitpunkt der Freisetzung nicht bzw. nicht dicht verschlossen war, und, falls ja, weshalb wurde der Behälter nicht vor der Ausschleusung sicher verschlossen? Der Abfallbehälter war bestimmungsgemäß mit einem Stopfen verschlossen. 17. Sofern der Behälter vor der Ausschleusung nicht verschlossen war, entspricht dies dem üblichen sowie genehmigten Vorgehen? Siehe Antwort zu Frage 16. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1215 4 18. Mit welchen bestehenden Sicherheitsvorkehrungen (physikalisch, technisch, durch Vorschriften, Betriebsbeschreibungen etc.) soll eine Freisetzung von Radioaktivität durch menschliche Fehler verhindert werden, und warum konnten diese den Zwischenfall nicht verhindern? Ein speziell geformtes Tablett sorgt für eine sichere Positionierung des Abfallbehälters während des Transportvorgangs. Dieses Tablett wurde nicht verwendet. 19. Wie groß ist die maximal mögliche Aktivität radioaktiver Flüssigkeiten in Behältern, bei denen ein einfacher menschlicher Fehler (z. B. Quetschen der Flasche, Umstoßen, Fallenlassen ) zur Freisetzung führen kann, und wodurch ist diese Aktivität begrenzt? Die maximal verwendete Aktivität an Jod-131 als Rohstoff beträgt 2,85 TBq. Der radioaktive Abfall am Ende des Produktionsprozesses enthält nur einen Bruchteil dieser Aktivität. 20. Mit welchen Sicherheitsvorkehrungen soll ausgeschlossen werden, dass ein ähnlicher Unfallhergang zur Freisetzung noch größerer Aktivitätsmenge führen kann? Als Sofortmaßnahme werden zukünftig keine Lösungen mehr direkt in den Abfallbehälter gegeben. Radioaktive Lösungen werden in dicht verschlossenen Gefäßen in den Abfallbehälter überführt, sodass eine zweite Barriere besteht. Zudem ist das Transporttablett gemäß einer Betriebsanweisung der GE Healthcare Buchler GmbH & Co. KG zwingend zu verwenden und die Verwendung zu dokumentieren. Diese Sofortmaßnahmen werden vom MU und dem zugezogenen Sachverständigen als geeignet bewertet, um eine Wiederholung eines solchen Ereignisses zu verhindern. 21. Sieht die Landesregierung infolge des Zwischenfalls vom 22.11.2017 Nachbesserungsbedarf bei den Sicherheitsvorkehrungen? Zur weiteren Erhöhung des Sicherheitsniveaus wurden von GE Healthcare Buchler GmbH & Co. KG die im Folgenden aufgeführten zusätzlichen Maßnahmen vorgesehen: - Um die Position des Abfallbehälters visuell zu überprüfen wird ein Spiegel in die Schleuse eingebaut. - Das Tablett zur sicheren Positionierung wird mit einer umlaufenden Sicke versehen, damit es zusätzlich als Wanne fungieren kann und wird weiterhin mit einem saugfähigen Flies versehen . - Zu Ausschleusungsvorgängen wird gemäß § 34 StrlSchV eine Strahlenschutzanweisung erstellt und durch den Strahlenschutzverantwortlichen in Kraft gesetzt. Sie enthält Festlegungen von Richtwerten bezüglich der Oberflächenkontamination, Direktstrahlung und Abluftaktivität sowie Regelungen für die Abarbeitung von besonderen Vorkommnissen. Die Mitarbeiter werden entsprechend der Betriebsanweisung unterwiesen. Diese Unterweisung wird dokumentiert . Die oben genannten Maßnahmen sind vom zugezogenen Sachverständigen als ausreichend bewertet worden, um das Sicherheitsniveau zu erhöhen. 22. Welche Empfehlungen enthält der Leitfaden der SSK zur Information der Öffentlichkeit von 2009 für Zwischenfälle mit Freisetzung von Radioaktivität? Der Leitfaden enthält u. a. die Abschnitte „Zusammenarbeit mit Institutionen und Medien“, „Informationen der Öffentlichkeit über die Medien“, „Direkte Ansprache der Bevölkerung“ sowie „Methoden und Wege zur Kommunikation mit der Bevölkerung“. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1215 5 23. Ist die Antwort auf die Fragen 26 und 27 der Drs. 18/300 so zu verstehen, dass die Bevölkerung nur dann sofort informiert wird, wenn eine Überschreitung des 10mSv/7Tage-Eingreifrichtwerts eintritt? Nein, sollte sich ein Betriebszustand einstellen, der eine massive Freisetzung von radioaktiven Stoffen zur Folge haben könnte, würde analog zu einem Voralarm eine Information der Bevölkerung erfolgen. 24. Hält die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass sich Informationen über Soziale Medien und Online-Berichterstattung heute schnell verbreiten, die Empfehlungen der SSK noch für zeitgemäß und, falls nein, wo sieht die Landesregierung Überarbeitungsbedarf ? Nach Auffassung des MU enthält der Leitfaden der SSK ein geeignetes Konzept, die Bevölkerung sicher und vertrauenswürdig zu informieren. Dieses stellt einen Gegenpol zu den sozialen Medien dar, in denen sich „negative Gefühle wie Angst, Paranoia, Neid und Hass schneller verbreiten als positive Gefühle“ (Welt am Sonntag, 03.06.2018). 25. Auf welcher Grundlage entscheidet die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass die Ausbreitungsberechnungen zur Belastung der Umgebung dem Umweltministerium erst zwei Tage nach dem Störfall vorlagen, bei einem Störfall über die Information der Bevölkerung ? Die Ausbreitungsberechnung sowie die Entnahme und Analyse der Bodenproben dienten lediglich der Beweissicherung. Im vorliegenden Fall war bereits bei Feststellung der freigesetzten Aktivität klar, dass keine Grenzwerte für die Umgebung und der Bevölkerung gemäß StrSchV überschritten werden. Die Entscheidung über die Information der Bevölkerung ist eine Einzelfallentscheidung, wobei als Grundlage die Empfehlungen der SSK dienen können. (Verteilt am 05.07.2018) Drucksache 18/1215 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte, Imke Byl und Julia Willie Hamburg (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Zwischenfall bei GE Healthcare in Braunschweig-Thune: Wie will die Landesregierung künf-tig die Öffentlichkeit informieren?