Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1216 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Stefan Wenzel, Anja Piel, Dragos Pancescu und Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE) Antwort des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung Mehrjährige Finanzplanung der Europäischen Union: Hat die Landesregierung eine Haltung zur Fehlsteuerung bei den Agrarsubventionen? Anfrage der Abgeordneten Stefan Wenzel, Anja Piel, Dragos Pancescu und Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE), eingegangen am 28.05.2018 - Drs. 18/986 an die Staatskanzlei übersandt am 04.06.2018 Antwort des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 26.06.2018, gezeichnet Barbara Otte-Kienast Vorbemerkung der Abgeordneten Meppener Tagespost, 27.06.2017, zu Agrarsubventionen: „Auch in der Region West-Niedersachsen und Bremen taucht unter den Spitzenempfängern kein Landwirt auf. Hinter DMK und der Molkerei Ammerland folgen die Gartenbauzentrale aus Papenburg (2,38 Millionen Euro), der Erzeugergroßmarkt Langenförden (ELO) aus Vechta (2,37 Millionen Euro), die Pilzland Vertriebs GmbH aus Visbek (knapp 2 Millionen Euro), das Unternehmen Meyer Gemüseverarbeitung aus Twistringen (1,3 Millionen Euro) und der Schlachthof Danish Crown in Essen (1,11 Millionen Euro).“ Unter den Top Zehn der Subventionsempfänger in Deutschland finden sich demnach beispielsweise auch Interfood aus den Niederlanden sowie die zum Müller-Konzern gehörende Sachsenmilch GmbH aus Leppersdorf (5,68 Millionen Euro). Die „Obereigentümer“ der Firmen werden zudem nicht genannt. Der Haushaltsplan der EU stellt für Subventionen der europäischen Agrarwirtschaft zwei Fonds zur Verfügung: für die erste Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und für die zweite Säule den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER). Während aus dem EGFL Direktzahlungen fließen und Maßnahmen zur „Regulierung oder Unterstützung der Agrarmärkte“ finanziert werden sollen, will die EU mit dem ELER die Entwicklung des ländlichen Raums fördern. ELER-Mittel fließen allerdings nur, wenn sie mit weiteren nationalen Mitteln von Bund, Ländern und Kommunen kofinanziert werden. Im Jahr 2016 flossen in Deutschland Subventionen in Höhe von 6,4 Milliarden Euro an 331 000 Begünstigte. (EURACTIV, 26.07.2017) Aus der ersten Säule, die den allergrößten Teil der Subvention ausmacht, werden Direktzahlungen auch an Betriebsinhaber vorgenommen, die nicht aktiv wirtschaftende Bauern sind. Auf den Pachtflächen, die in Niedersachsen allein 53 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausmachen, findet zudem eine Überwälzung der Subvention auf den Flächeneigentümer statt. Dem aktiv wirtschaftenden Bauern auf Pachtland wird dadurch in der Regel ein entsprechend höherer Pachtpreis abverlangt. Zudem wird der reine Erwerb von Acker- und Grünland subventioniert, vielfach durch Investoren, die beim Kauf von Betrieben mit Land auch die Grunderwerbsteuer umgehen können. Allein durch die Direktzahlungen an Flächeneigentümer wird bei durchschnittlichen Bodenpreisen ein Ertrag der Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1216 2 Investition von ca. 1 bis 1,6 % p. a. generiert. Auch hierdurch werden selbst wirtschaftende bäuerliche Betriebe einer zusätzlichen Konkurrenz am Bodenmarkt ausgesetzt. Im Zuge der Mittelfristigen Finanzplanung der EU besteht die Chance, Fehlsubventionen zu beseitigen und im gleichen Atemzug selbst wirtschaftende bäuerliche Betriebe, Natur und Landschaftsschutz zu stärken, wenn die zweite Säule der Agrarförderung gestärkt wird und die erste Säule gekürzt , von Fehlsubventionen befreit oder abgeschafft wird. Vorbemerkung der Landesregierung Basierend auf ihrem Vorschlag für den mehrjährigen Finanzrahmen für 2021-2027 hat die EU- Kommission am 01.06.2018 eine Reihe von Verordnungsentwürfen vorgelegt, die den Rechtsrahmen für die Gemeinsame Agrarpolitik in diesem Zeitraum vorgeben sollen. Diese Vorschläge bilden für die Landesregierung die Basis für die politische Diskussion über die Zukunft der GAP. Zu den in den Vorbemerkungen der Abgeordneten genannten Agrarzahlungen werden nachstehende Erläuterungen gegeben: Die genannten Molkerei- und Schlachtunternehmen haben im EU-Haushaltsjahr 2016 EU-Mittel aus den Marktordnungsmaßnahmen Öffentliche Intervention und Private Lagerhaltung erhalten. Im Rahmen der Intervention werden bestimmte lagerfähige Erzeugnisse von der Interventionsstelle angekauft, gelagert und wieder verkauft, sobald die Agrarmärkte es zulassen. Diese Maßnahme dient in erster Linie der Stabilisierung des Binnenmarktes und der Stützung der Erzeugerpreise bei ungünstiger Marktlage. Im EU-Haushaltsjahr 2016 wurde die öffentliche Intervention besonders im Milchsektor genutzt, um die stark unter Druck geratenen Milchpreise zu stützen. Bei den Zahlungen handelt es sich um die Bezahlung für gelieferte Waren an die Verkäufer der Erzeugnisse oder die vertragsgemäße Vergütung erbrachter Lagerleistungen. Bei der Privaten Lagerhaltung wird Unternehmen , die landwirtschaftliche Produkte selbst einlagern, eine Beihilfe zu ihren Lagerkosten gewährt . Ziel ist es, bei ungünstiger Marktlage die Erzeugerpreise durch vorübergehenden Entzug der Ware vom Markt zu stabilisieren. Aus diesem Grund ist die Beihilfegewährung an die Einhaltung bestimmter Mindestlagerzeiten gebunden. Die Gartenbauzentrale aus Papenburg, der Erzeugergroßmarkt Langenförden (ELO) und die Pilzland Vertriebs GmbH aus Visbek sind nach EU-Recht anerkannte Erzeugerorganisationen im Sektor Obst und Gemüse (VO (EU) Nr. 1308/2013). Erfüllt ein Zusammenschluss von mindestens 15 Obst- bzw. Gemüseerzeugern bestimmte Voraussetzungen, kann eine Erzeugerorganisation (EO) gebildet werden. Diese erstellt operationelle Programme mit drei- bis fünfjähriger Laufzeit. Das operationelle Programm wird zu je 50 % über Beiträge der Erzeuger und Beihilfen aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) finanziert. Gefördert werden Aktionen und Maßnahmen zur Stärkung der Marktposition und Wettbewerbskraft von Erzeugerorganisationen. Die Meyer Gemüsebearbeitung GmbH hat ELER-Mittel aus der Maßnahme „Verarbeitung und Vermarktung“ erhalten. Mit dieser Maßnahme, die Bestandteil des niedersächsischen PFEIL- Programms ist, werden Investitionen gefördert, die zu einer wettbewerbsfähigen, nachhaltigen, umweltschonenden, tiergerechten und multifunktionalen Land- und Ernährungswirtschaft beitragen. 1. Wie setzt sich die Landesregierung für die Beseitigung von Agrardirektzahlungen an Konzerne, Industrie und andere außerlandwirtschaftliche Unternehmen ein? Keines der in den Vorbemerkungen der Abgeordneten genannten Unternehmen hat 2016 Direktzahlungen erhalten. Stattdessen sind die in den Vorbemerkungen der Landesregierung erläuterten Mittel aus der 1. und 2. Säule der GAP gezahlt worden. Empfänger von flächenbezogenen Direktzahlungen sind die Bewirtschafter der Flächen, sofern diese die Beihilfevoraussetzungen erfüllen. Das können natürliche Personen ebenso sein wie juristische Personen. Bewirtschafter kann also ein Landwirt oder eine Landwirtin, aber auch eine GmbH oder ein Naturschutzverein sein. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1216 3 Bis zum Inkrafttreten der sogenannten Omnibus-Verordnung galt die EU-Vorgabe, dass nur „aktive Betriebsinhaber“ Direktzahlungsmittel erhalten sollen. Diese Regelung war wenig zielführend, denn die Umsetzung inkl. der Kontrolle war auf der einen Seite sehr aufwändig und hat auf der anderen Seite kaum zu Förderausschlüssen geführt. Mit Blick auf die neue EU-Förderperiode ab 2021 wird die Diskussion über Empfänger von Direktzahlungen erneut geführt werden. Ziel muss es sein, eine eindeutige und gerichtsfeste, aber auch verwaltungsmäßig praktikable Regelung zu finden. 2. Durch welche Maßnahmen bzw. Forderungen zur Verstärkung der zweiten Säule setzt sich die Landesregierung für eine deutliche Unterstützung der bäuerlichen Landwirtschaft und des Natur- und Landschaftsschutzes ein? Die Niedersächsische Landesregierung hält die vorgeschlagenen Kürzungen in der 2. Säule für problematisch angesichts der großen Herausforderungen, vor denen Landwirtschaft und ländlicher Raum in Niedersachsen derzeit stehen. Die Legislativvorschläge der EU-Kommission sind allerdings sehr komplex und weisen an verschiedenen Stellen Interdependenzen zwischen den beiden Säulen auf. So sind beispielsweise sowohl in der ersten als auch in der zweiten Säule der GAP Umwelt- und Klima-Maßnahmen angelegt . Eine politische Festlegung der Landesregierung zu den einzelnen Aspekten der Reformvorschläge wird erst erfolgen, wenn die jeweiligen Wirkungszusammenhänge und finanziellen Auswirkungen klar erkennbar sind. 3. Wie setzt sich die Landesregierung für eine Kappungsgrenze bei Direktzahlungen an Großbetriebe ein? Zum heutigen Zeitpunkt gibt es noch keine Festlegung der Landesregierung hinsichtlich einer Kappungsgrenze bei Direktzahlungen an Großbetriebe. (Verteilt am 05.07.2018) Drucksache 18/1216 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Stefan Wenzel, Anja Piel, Dragos Pancescu und Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE) Antwort des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Lan-desregierung Mehrjährige Finanzplanung der Europäischen Union: Hat die Landesregierung eine Haltung zur Fehlsteuerung bei den Agrarsubventionen?