Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1218 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Eva Viehoff (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Verordnung des Landschaftsschutzgebiets Kehdinger Marsch Anfrage der Abgeordneten Eva Viehoff (GRÜNE), eingegangen am 07.05.2018 - Drs. 18/822 an die Staatskanzlei übersandt am 11.05.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 21.06.2018, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung der Abgeordneten Am 5. März 2018 beschloss der Kreistag im Landkreis Stade die Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet Kehdinger Marsch, mit der die Anforderungen der EU-Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie erfüllt werden sollen. Die Richtlinie über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (Richtlinie 79/409/EWG) - oder kurz: Vogelschutzrichtlinie - wurde vom Rat der Europäischen Gemeinschaft mit dem Ziel erlassen, sämtliche im Gebiet der EU-Staaten natürlicherweise vorkommenden Vogelarten einschließlich der Zugvogelarten in ihrem Bestand dauerhaft zu erhalten und neben dem Schutz dieser wertvollen Arten auch die Bewirtschaftung der zu schützenden Flächen zu regeln. Nach der Verordnung des Landschaftsschutzgebiets Kehdinger Marsch ist es verboten, Grünland in eine andere Nutzung umzuwandeln, jedoch dürfen gegen giftige Pflanzen auf einer Fläche alle drei Jahre außerhalb der Brutzeit Herbizide eingesetzt werden. Die Verordnung verbietet das akustische Stören der Natur, jedoch ist das Vergrämen von Gänsen zur Vermeidung von Fraßschäden auf landwirtschaftlichen Flächen erlaubt. Vorbemerkung der Landesregierung Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung sind gem. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Fauna-Flora-Habitat-(FFH-)-Richtlinie, 92/43/EWG) (FFH-RL) zu besonderen Schutzgebieten zu erklären. Gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 4 der Richtlinie des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (79/409/EWG, die sogenannte Vogelschutzrichtlinie ) (VRL) erklären die Mitgliedstaaten insbesondere die für die Erhaltung der Arten des Anhangs I dieser Richtlinie zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu Schutzgebieten. In einer Schutzgebietsverordnung können lediglich Handlungen verboten oder eingeschränkt werden . Nicht möglich ist es, aktives Tun wie Pflege- bzw. Entwicklungsmaßnahmen vorzuschreiben. Neben den über die Schutzgebietsverordnung geregelten Nutzungsbeschränkungen sind daher i. d. R. weitergehende Maßnahmen (gegebenenfalls im Rahmen der Maßnahmenplanung) zu entwickeln und festzulegen. Diese können über vertragliche Regelungen bzw. Förderinstrumente umgesetzt werden. In Niedersachsen zuständig für die Ausweisung der Schutzgebiete sind die unteren Naturschutzbehörden ; die Schutzgebietsverordnungen sind durch den jeweils zuständigen Kreistag bzw. Rat der Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1218 2 Stadt zu beschließen. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Schutzgebietsverordnungen ist jeweils der konkrete Einzelfall unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und Erfordernisse zu betrachten. Inhaltlich ist dabei den fachlichen Anforderungen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Etwaige Nutzungseinschränkungen müssen also vom Schutzzwecke her unbedingt erforderlich sein. Bei der Festlegung von Ge- und Verbotsregelungen (inklusive Freistellungen) einer Landschaftsschutzgebietsverordnung ist besonders zu beachten, dass für die Erhaltung der Kultur- und Erholungslandschaft neben den naturschutzfachlichen Anforderungen und Erfordernissen u. a. auch die Nutzungsanforderungen der Landwirtschaft zu berücksichtigen sind (vgl. § 26 Abs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 1 BNatSchG). Die Regelungen der Verordnung müssen naturschutzfachlich erforderlich und vor dem Hintergrund der Nutzungsanforderungen für den o. g. Zweck angemessen sein. Hier ist somit von der zuständigen Naturschutzbehörde (hier Landkreis Stade) eine sachgerechte Abwägung vorzunehmen. Hinweise von betroffenen Grundeigentümern sowie von Interessenverbänden werden von Seiten des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (MU) als oberste Naturschutzbehörde vor allem im Hinblick auf Fragen mit grundsätzlicher Bedeutung überprüft, da eine abschließende rechtliche Bewertung dieser zumeist komplexen, von tatbestandlichen Fragen und ermessensgeleiteten Entscheidungen geprägten Verordnungen grundsätzlich nicht bezüglich aller einzelnen Regelungen möglich ist. Innerhalb der Grenzen des Landschaftsschutzgebiets „Kehdinger Marsch“ befinden sich Flächen im Eigentum der öffentlichen Hand. Vor allem im nordwestlichen Teilbereich wurden Flächen für Naturschutzzwecke angekauft (Landesnaturschutzflächen). Unabhängig von der Erforderlichkeit der hoheitlichen Sicherung sehen vertragliche Regelungen in Pachtverträgen für diese Flächen eine naturschutzkonforme Nutzung bereits heute vor. Die heute als Grünland genutzten Flächen sind überwiegend Flächen der öffentlichen Hand. Dies vorausgeschickt, beantwortet die Landesregierung die Fragen wie folgt: 1. Ist die beschlossene Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet Kehdinger Marsch mit der Erlaubnis, Gänse zu vergrämen und Herbizide einzusetzen, nach Einschätzung der Landesregierung vereinbar mit europäischem Recht, insbesondere mit den Zielen der EU-Vogelschutzrichtlinie (bitte mit Begründung)? Nach einer ersten Einschätzung der Fachbehörde für Naturschutz (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN)/Staatliche Vogelschutzwarte) werden Schutzzweck und Erhaltungsziele für die zahlreichen Brut- und Gastvogelarten, die als wertbestimmende Arten des EU-Vogelschutzgebiets V18 (Unterelbe) von herausragender Bedeutung sind (§ 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 sowie Anlage 2 der Verordnung des Landkreises Stade über das Landschaftsschutzgebiet „Kehdinger Marsch“ vom 05.03.2018, nachfolgend LSG-Verordnung genannt), trotz der weitreichenden Freistellung der Gänsevergrämung zur Abwehr von Fraßschäden auf landwirtschaftlichen Flächen (§ 5 Nr. 25 der LSG-Verordnung) grundsätzlich beachtet, vgl. § 3 der LSG-Verordnung. Die Verbotsregelungen und Freistellungen der Schutzgebietsverordnung zur Grünlandbewirtschaftung sind das Ergebnis eines vorausgegangenen Beteiligungs- und Abwägungsprozesses von naturschutzfachlichen Erfordernissen und Nutzungsbelangen, in den insbesondere Vertreter der Landwirtschaft eingebunden waren. Die Freistellungen des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln (§ 5 Nr. 24 der LSG-Verordnung) und Herbiziden zur Sanierung von Grünlandflächen bei erheblichen Fraßschäden (§ 5 Nr. 26 LSG-Verordnung) sind mit Einschränkungen verbunden, um naturschutzfachliche Anforderungen zu berücksichtigen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1218 3 2. Wird den wertbestimmenden Vogelarten und ihren Nahrungsgrundlagen mit der Verordnung der nötige Schutz geboten (bitte mit Begründung)? Allein auf Basis der vorliegenden vorläufigen Einschätzung der Fachbehörde für Naturschutz kann noch nicht abschließend geklärt werden, ob die LSG-Verordnung ausreichend geeignet ist, den wertbestimmenden Vogelarten angemessenen Schutz zu bieten. 3. Wird sich die Landesregierung gegenüber dem Landkreis für Veränderungen an der Verordnung einsetzen? Die Landesregierung wird das Ergebnis der - wegen des regelmäßig engen zeitlichen Rahmens für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung nur vorläufigen - Prüfung zum Anlass nehmen, diese Antwort auch dem Landkreis Stade zu übersenden. Im Übrigen berät das MU derzeit in hohem Umfang untere Naturschutzbehörden mit dem Ziel einer sachgerechten Umsetzung der bestehenden Natura-2000-Verpflichtungen. 4. Inwiefern hat die beschlossene Verordnung Auswirkungen darauf, ob Landwirte Naturschutzfördermittel und Agrarumweltmaßnahmen in Anspruch nehmen können? Die Verordnung des Landkreises Stade über das Landschaftsschutzgebiet „Kehdinger Marsch“ vom 05.03.18 hat keine Auswirkungen für die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit an Agrarumwelt - und Klimamaßnahmen (AUKM) nach § 28 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013. Die Freiwilligkeit nach § 28 Abs. 2 der VO ist nicht berührt. 5. Und wenn ja, welche Alternativen gibt es für den Landkreis bzw. die betroffenen Landwirte ? Entfällt (s. Antwort zu Frage 4). (Verteilt am 05.07.2018) Drucksache 18/1218 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Eva Viehoff (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Verordnung des Landschaftsschutzgebiets Kehdinger Marsch