Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1227 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dana Guth (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung Nachfrage zu Drucksache 18/920 Anfrage der Abgeordneten Dana Guth (AfD), eingegangen am 04.06.2018 - Drs. 18/1008 an die Staatskanzlei übersandt am 06.06.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 03.07.2018, gezeichnet Barbara Otte-Kienast Vorbemerkung der Abgeordneten Auf die Nachfrage der Abgeordneten Dana Guth, wem eine Ausnahmegenehmigung zum betäubungslosen Schächten erteilt wurde, antwortete die Landesregierung in der Drucksache 18/727 wörtlich: „Eine Benennung der Betriebe kann aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erfolgen.“ Die Nachfrage der Abgeordneten, auf welcher Grundlage die Landesregierung in diesem Fall die Auskunft ablehnt, beantwortete die Landesregierung mit dem Hinweis auf das Recht jeder Person auf informationelle Selbstbestimmung gemäß § 1 NSDSG (Drucksache 18/920). Vorbemerkung der Landesregierung Die Nachfrage der Abgeordneten Dana Guth, wem eine Ausnahmegenehmigung zum betäubungslosen Schlachten erteilt worden ist, berührt das Grundrecht einer betroffenen Person auf freie Entfaltung der Persönlichkeit insoweit, als im Rahmen dessen die Befugnis gewährleistet ist, selbst über die Preisgabe und Verwendung der persönlichen Daten zu bestimmen. 1. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass § 1 NSDSG auch auf juristische Personen Anwendung findet? In der Frage Nr. 43 der Drucksache 18/920, Teilfrage 1, fragte die Fragestellerin nach einer „konkreten gesetzlichen Norm“, die gegen die Veröffentlichung des Betriebsnamens spricht. Hierauf antwortete die Landesregierung am 18.5.2018, dass für jede Person das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gilt. Das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ wurde richterrechtlich vom Bundesverfassungsgericht entwickelt. Eine „konkrete gesetzliche Norm“ im Sinne eines formell mit diesem Inhalt oder Titel erlassenen Parlamentsgesetzes gibt es nicht. Allerdings ist dieses Rechtsinstitut mittlerweile in Deutschland einhellig in Rechtsprechung und Lehre akzeptiert. Es gilt laut OVG Lüneburg (Beschluss vom 15.5.2009, NJW 2009, S. 2697) auch für juristische Personen. Der Inhalt des Begriffs „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ war in Niedersachsen zum Zeitpunkt der Antwort in § 1 Satz 1 des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes (NDSG) in der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Fassung legaldefiniert, nämlich als „Recht einer jeden Person (…), selbst über die Preisgabe und Verwendung ihrer Daten zu bestimmen“. Auf diese Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1227 2 Legaldefinition im Rahmen einer „konkreten gesetzlichen Norm“, wie es in der seinerzeitigen Frage hieß, hat die Landesregierung hingewiesen, als sie an ihre Antwort „vgl. § 1 des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes“ anschloss. Mit Wirkung vom 25.5.2018 wurde das Niedersächsische Datenschutzgesetz umfassend neu gefasst, da es infolge der gleichzeitig EU-weit in Kraft getretenen Datenschutzgrundverordnung nun hierzu nur noch ergänzende Regelungen trifft. § 1 NDSG hat in seiner ab 25.5.2018 geltenden Fassung innerhalb des Datenschutzrechts eine andere gesetzessystematische Funktion erhalten; die nun dort geregelten Bestimmungen betreffen teilweise auch juristische Personen des öffentlichen Rechts und des Privatrechts. Die oben zitierte Legaldefinition ist an dieser Stelle in § 1 NDSG seit dem 25.5.2018 inhaltlich nicht mehr enthalten. In der Sache ist die Antwort vom 18.5.2018 gleichwohl im Kern weiterhin zutreffend: Die Grundlage für die Auskunftsverweigerung ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Recht gilt grundsätzlich für alle Personen, auch für juristische Personen. Lediglich der seinerzeit korrekte erläuternde Hinweis auf § 1 NDSG müsste nach dem heutigen Rechtsstand entfallen. 2. Welche Einschränkung des Auskunftsrechts der Abgeordneten gemäß Artikel 24 NV sieht die Landesregierung konkret im vorliegenden Fall? Die Erteilung der Auskunft tangiert ein schutzwürdiges Interesse Dritter. 3. Sieht die Landesregierung die Verletzung schutzwürdiger Interessen Dritter gemäß Artikel 24 Abs. 3 NV? Wenn ja, welche? Das schutzwürdige Interesse ist die drohende Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Es besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung zum Schlachten ohne Betäubung (§ 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG), wenn die erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen hierfür erfüllt sind. Allerdings ist das betäubungslose Schlachten in der gesellschaftlichen Wahrnehmung umstritten. Dabei spielen sowohl Aspekte des Tierschutzes als auch der Religionsfreiheit eine wichtige Rolle. Es ist davon auszugehen, dass zu diesem Thema auch sehr extreme Positionen vertreten werden. Im digitalen Zeitalter mit den vielfältigen Kommunikationsformen und sozialen Medien ist zu befürchten, dass Inhaber einer Ausnahmegenehmigung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG in das Zentrum der öffentlichen Auseinandersetzung geraten. Es drohen etwa Anfeindungen auch auf einer persönlichen Ebene. Betroffene haben, auch vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, ein schutzwürdiges Interesse, diesen Folgen einer öffentlichen Benennung im parlamentarischen Verfahren nicht ausgesetzt zu werden. Dieses Interesse überwiegt vorliegend das Auskunftsinteresse nach Art. 24 Abs. 1 NV, zumal tatsächliche Anhaltspunkte für ein rechtliches oder politisches Fehlverhalten der Landesregierung oder der ihr nachgeordneten Verwaltung, die dem Auskunftsinteresse an der Namensnennung ein zusätzliches Gewicht verleihen könnten, hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind. Vor diesem Hintergrund können der Name des Betriebs sowie Informationen, die dessen Identifizierung ermöglichen (z. B. örtlich zuständige Genehmigungsbehörde), nicht veröffentlicht werden. 4. Sofern die Landesregierung die Verletzung geschützter Interessen Dritter durch die Schranke des Artikel 24 Abs. 3 sieht, können diese auf andere Weise gewahrt werden z. B. durch die Mitteilung in nicht öffentlicher Sitzung oder einen entsprechenden Geheimhaltungsvermerk? Grundsätzlich ist es denkbar, in Fällen, in denen die öffentliche Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage wegen der nach Art. 24 Abs. 3 NV geschützten Interessen Dritter in Abwägung mit dem Informationsinteresse der Abgeordneten nicht möglich ist, stattdessen den Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1227 3 Fachausschuss in vertraulicher Sitzung auf Grundlage von § 93 Abs. 4 bis 6 der Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages zu unterrichten. Dies ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf Ausnahmefälle beschränkt. Zum einen deshalb, weil alle Abgeordneten grundsätzlich untereinander gleich zu behandeln sind und insofern eine Privilegierung der Mitglieder des Fachausschusses aus den Umständen des Einzelfalls verfassungssystematisch begründungsbedürftig ist. Zum anderen stellt die Herstellung von Öffentlichkeit eine wesentliche Funktion der Abgeordneten dar. Diese Funktion können sie im Anschluss an eine Unterrichtung in vertraulicher Sitzung im Hinblick auf die vertraulich gegebene Information naturgemäß nicht wahrnehmen. Von daher gibt es nur einen eng begrenzten Anwendungsbereich, in dem Informationen im Interesse einer zwingend erforderlichen systematischen Überwachung der Regierungstätigkeit einigen Abgeordneten bekannt gegeben werden müssen, ohne dass diese sie weitergeben können (vgl. Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 7.11.2017, Az. 2 BvE 2/11, Rn. 203 ff.). Für die hier in Rede stehende Benennung des Firmennamens in vertraulicher Sitzung sind solcherart besondere Umstände weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. 5. Ist die Landesregierung der Auffassung, ihrer Begründungspflicht der Auskunftsverweigerung in der Drucksage 18/920 nachgekommen zu sein und die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte dargelegt zu haben? 6. Inwieweit ist die Landesregierung in der Drucksage 18/920 ihrer Verpflichtung nachgekommen, die Entscheidung über die Ablehnung der Auskunft für die Abgeordnete nachvollziehbar darzulegen? 7. Inwieweit ist die Landesregierung ihrer Darlegungspflicht gemäß Artikel 24 Abs. 3 Satz 2 in der Drucksache 18/920 nachgekommen, ihre Entscheidung unter Beachtung der Wechselwirkung von Verfassungsrecht und einfachem Recht darzulegen? Die Fragen 5 bis 7 werden gemeinsam beantwortet: Die Landesregierung legt diese Fragen so aus, dass sie nicht darauf gerichtet sind, ob die drei Teilfragen in der Drucksache 18/920 entsprechend dem dortigen konkreten Fragewortlaut (1. konkrete gesetzliche Norm, 2. zuständige Veterinärbehörden, 3. Form der Anweisung an den nachgeordneten Bereich) korrekt beantwortet wurden. Die Landesregierung geht vielmehr davon aus, dass es der Fragestellerin um die Begründung der Auskunftsverweigerung in der im Fragevorspann zitierten Antwort in Drucksache 18/727 auf die Kleine Anfrage in Drucksache 18/543 geht. Die Landesregierung hatte es seinerzeit für offensichtlich gehalten, dass in diesem Bereich Firmennamen nicht im Rahmen einer öffentlichen Drucksache verkündet werden können, und sich daher auf eine sehr kurze Begründung beschränkt. Es hat sich nunmehr gezeigt, dass diese kurze Form der Begründung nicht ausreichend war. Die Ablehnung der Auskunft wird daher nun in der o. g. Teilantwort 3 ausführlich begründet. (Verteilt am 09.07.2018) Drucksache 18/1227 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dana Guth (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung Nachfrage zu Drucksache 18/920