Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1241 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Försterling (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Begünstigt ein Antibiotikamangel Resistenzen? Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Försterling (FDP), eingegangen am 05.06.2018 - Drs. 18/1038 an die Staatskanzlei übersandt am 07.06.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 29.06.2018, gezeichnet Dr. Carola Reimann Vorbemerkung der Abgeordneten Einem am 31. Mai 2018 veröffentlichten „White Paper“ der „ACCESS TO MEDICINE FOUNDATI- ON“ (https://accesstomedicinefoundation.org/media/atmf/Antibiotic-Shortages-Stockouts-and-Scar city_Access-to-Medicine-Foundation_31-May-2018.pdf) zufolge sind Antibiotikaresistenzen teilweise auch auf Lücken in der Versorgungskette zurückzuführen. Hierzu wird ausgeführt, dass bei geringerer Verfügbarkeit eines Antibiotikums kleinere Dosen oder aber ein weniger passgenaues Medikament verschrieben werden würde, was Resistenzen begünstige. Ein Beispiel hierfür sei das gängige Antibiotikum benzathine penicillin G (BPG), welches zwar unter 2 US-Dollar pro Einheit koste, aber seit 2015 zeitweise in 39 von 114 Ländern, darunter auch Deutschland, nicht erhältlich war. Vorbemerkung der Landesregierung Wie die Fragesteller anführen, wurde das „White Paper“ von der „Access to Medicine Foundation“ erstellt. Sie ist eine unabhängige Non-Profit-Organisation mit Sitz in den Niederlanden. Ziel ist es, den Zugang zu Arzneimitteln in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu fördern, indem man die Pharmaindustrie dazu anregt, dabei eine größere Rolle zu spielen. In dem angeführten White Paper erfolgt eine Analyse der derzeitigen Produktions- und Vermarktungssituation für Antibiotika. Hierbei werden technische und ökonomische Aspekte angeführt, die dazu beitragen, dass auf diesem Markt nur noch wenige Hersteller und Distributoren aktiv sind, und in der Folge Produktions- oder Lieferausfälle dazu führen können, dass Antibiotika nicht verfügbar sind. Im weiteren Verlauf des Papers werden Vorschläge und Empfehlungen formuliert, wie die Situation verbessert werden kann. Diese Empfehlungen adressieren vor allem die pharmazeutischen Unternehmen. Die Verantwortung politischer Organisationen wird ebenfalls thematisiert. Da es sich um internationale Prozesse handelt und einkommensschwache Regionen und Staaten am stärksten betroffen sind, werden hierbei vor allem die internationalen Gesundheitsorganisationen angesprochen, z. B. WHO, UNICEF etc. Die Rolle der politischen Organisationen, also auch der Staaten, wird hierbei vor allem darin gesehen, Anreize für die Industrie zu schaffen, dies z. B. dadurch, dass die Verkaufspreise angehoben werden, damit die Produktion und Versorgung der Märkte für die Unternehmen attraktiver werden. Es werden auch weitere Verantwortlichkeiten/Optionen von Staaten Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1241 2 angesprochen, z. B. die Distributionskette zu verbessern, die aber für Deutschland nicht relevant sein dürften. 1. Teilt die Landesregierung die Schlussfolgerungen der Studie? Primäre Zielrichtung des Berichtes ist es, Wege aufzuzeigen, die medizinische Grundversorgung im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Antibiotika in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sicherzustellen. Die Entwicklung von Resistenzen wird als ein möglicher Effekt mit angesprochen, ist jedoch nicht die zentrale Aussage des Papiers und wird auch nicht mit weiterer Literatur hinterlegt. Grundsätzlich werden Antibiotikaresistenzen durch einen zu hohen Einsatz von Antibiotika gefördert. Der Aussage, wie sie in der deutschen Fassung der Pressemitteilung zusammengefasst wird: „Engpässe sind auch mit AMR verbunden, da Ärzte auf weniger wirksame Behandlungen zurückgreifen müssen. Das führt dazu, dass Infektionen schlechter geheilt werden können, und das wiederum ermöglicht Bakterien ihre Abwehrkräfte anzupassen.“ kann vor diesem Hintergrund nicht gefolgt werden. Es ist jedoch denkbar, dass bei einem Mangel an Antibiotika bestimmter Wirkklassen ersatzweise und medizinisch gesehen unnötigerweise auf solche mit breitem Wirkspektrum zurückgegriffen wird. Dies könnte dann zu einer höheren Resistenzlage führen. Besonders problematisch kann dies dann werden, wenn Antibiotika frei zugänglich sind, wie dies in vielen Staaten der Fall ist. Daher ist vielmehr die Feststellung der Pressemitteilung bedeutsam: „…das Nachfragewachstum kommt hauptsächlich aus ärmeren Ländern. Zwischen 2000 und 2015 ist die weltweite Nachfrage nach Antibiotika um 65 % gestiegen. Vier der sechs Länder mit den höchsten Antibiotika- Verbrauchsraten waren Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen.“ Inwiefern diese Zunahme der Nachfrage mit einer besseren medizinischen Versorgung einhergeht, die unabdingbare Voraussetzung für eine zielgerichtete Antibiotikatherapie ist, ist dem Bericht nicht zu entnehmen. Neben der Forderung nach besserem Zugang zu Pharmaka wäre dies für die Begrenzung von Antibiotikaresistenzen in jedem Fall sinnvoll. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt im internationalen Kontext als Gründe der Förderung von Resistenzen an, dass Antibiotika zu häufig, falsch, ohne medizinische Indikation bzw. ohne ärztliche Verordnung eingenommen werden. Zentrale Botschaften der WHO, um Infektionen zu vermeiden, sind daher: Bessere Standardhygiene, sauberes Wasser, gute Abwasser- und Abfallentsorgung , Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen und Impfungen. Als Botschaften an einzelne Personen: Antibiotika nur einnehmen, wenn sie medizinisch verordnet sind, entsprechend der Empfehlung einnehmen und Antibiotika nicht mit anderen Personen teilen und Reste bei einer erneuten Erkrankung nicht wieder verwenden. Diese Grundsätze, gute Hygiene und zielgerichtete Antibiotikatherapie, sind unter den neun Handlungsfeldern 1 zentrale Elemente der „Gemeinsamen niedersächsischen Strategie gegen Antibiotikaresistenz “. 2. Ist ihr bekannt, von welchen Antibiotikamängeln Niedersachsen seit 2015 betroffen war (wenn ja, bitte nach Zeit und Mittel angeben)? Der Landesregierung ist eine besondere Betroffenheit Niedersachsens bei Lieferengpässen von Antibiotika nicht bekannt. 1 Antibiotikaeinsatz - Surveillance - Hygiene - Aus-, Fort- und Weiterbildung - Information - Umwelt - For- schung - Vernetzung und Kooperation - Rahmenbedingungen Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1241 3 Damit die Fachöffentlichkeit über Lieferengpässe von Arzneimitteln frühzeitig informiert wird, gibt es seit 2013 ein Register bei der zuständigen Bundesoberbehörde, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelzulassung/Arzneimittelinformationen/Lieferengpa esse/_node.html;jsessionid=30F5C78AC23AFF6468094913B3270E8A.1_cid344 Die Meldungen erfolgen durch die Pharmazeutischen Unternehmer und basieren auf der im Pharmadialog erklärten Selbstverpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen für versorgungsrelevante Arzneimittel. Ein Lieferengpass ist eine über voraussichtlich 2 Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann. Nach der Liste der gemeldeten Lieferengpässe des BfArM sind seit 2015 Lieferengpässe insbesondere aufgetreten bei Antibiotika mit den Wirkstoffen: - Ampicillin + Sulbactam, - Sultamicillin, - Piperacillin-Natrium, Tazobactam-Natrium, - Erythromycinethylsuccinat, - Phenoxymethylpenicillin-Kalium, - Sulfadiazin, - Streptomycinsulfat. 3. Die Studie sieht die Lösungsmöglichkeiten bei den Anbietern. Gibt es aus Sicht der Landesregierung dennoch Maßnahmen, mit denen lokal in Niedersachsen oder Deutschland solche Engpässe verhindert werden könnten, und wenn ja, welche? Seit 2016 findet regelmäßig im BfArM ein Jour Fixe zu Liefer- und Versorgungsengpässen unter Beteiligung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), der Fachkreise und einer Vertreterin bzw. eines Vertreters der Länder aus der Arbeitsgruppe für Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusionswesen- und Betäubungsmittelwesen (AG AATB) der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) statt. Der Jour Fixe hat das Ziel, die Versorgungslage zu beobachten und zu bewerten und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Da Lieferengpässe bundesweit bis weltweit auftreten können und die pharmazeutischen Unternehmer und die Hersteller in der Regel europaweit bzw. in Drittländern ansässig sind, ist eine Verbesserung der Situation nur unter Beteiligung aller Fachkreise möglich. Niedersachsen kann also derartige Probleme nicht allein lösen. Nicht jeder Lieferengpass führt zwangsläufig zu einem Versorgungsengpass. Bei einem Versorgungsengpass ist ein Arzneimittel nicht verfügbar und es steht kein vergleichbares Arzneimittel ersatzweise zur Verfügung. Häufig gibt es Alternativarzneimittel. Das BfArM führt seit 2015 eine Liste akut versorgungsrelevanter Wirkstoffe. Die Liste wird regelmäßig aktualisiert und im Jour Fixe engmaschig beobachtet. Durch Änderung des Arzneimittelgesetzes wurde es den Krankenhausapotheken oder krankenhausversorgenden Apotheken ermöglicht, zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Patientinnen und Patienten, auch Arzneimittel aus dem Ausland einzuführen. Außerdem kann im Falle des Mangels eines Arzneimittels, das zur Vorbeugung oder Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen benötigt wird, nach Bekanntmachung durch das BMG, gestattet werden, dass die Versorgung mit einem entsprechenden Arzneimittel aus einem anderen EU-Land erfolgen kann. Im Juni 2018, in der 91. Sitzung der Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Gesundheit der Länder (GMK) wurde über Steuerungsinstrumente für versorgungsrelevante Arzneimittel beraten. Danach sollen Steuerungsinstrumente für versorgungsrelevante Arzneimittel geprüft werden. Das BMG wird gebeten zu prüfen, inwieweit eine Notwendigkeit ge- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1241 4 setzlicher Änderungen oder anderer Maßnahmen besteht. Außerdem strebt die GMK den Ausbau der Beteiligung der Gesundheitsministerien der Länder am Pharma-Dialog der Bundesregierung an, insbesondere in der Arbeitsgruppe, die sich mit Aspekten der Forschung und Entwicklung von Antibiotika und Diagnostik sowie mit Anreiz- und Kooperationsmodellen befasst. Ein weiteres, für die Bundesländer besonders wichtiges Thema bildet die Antibiotikaproduktion bzw. -versorgung. (Verteilt am 09.07.2018) Drucksache 18/1241 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Försterling (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Begünstigt ein Antibiotikamangel Resistenzen?