Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1244 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Was genau ist eigentlich der „BAMF-Skandal“? Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE), eingegangen am 30.05.2018 - Drs. 18/988 an die Staatskanzlei übersandt am 04.06.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 05.07.2018, gezeichnet In Vertretung Stephan Manke Vorbemerkung des Abgeordneten Am 20. April 2018 berichtete die Süddeutsche Zeitung: „Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wird offenbar von einem Korruptionsskandal eingeholt. Eine leitende Mitarbeiterin der Behörde soll in mehr als 1 200 Fällen Asyl gewährt haben, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht gegeben waren. (…) Viele der Antragsteller sollen Jesiden gewesen sein.“ Die Außenstelle Bremen sei formal für die Antragssteller nicht zuständig gewesen, die Leiterin habe über die Anträge in Eigenregie offenbar dennoch entschieden. Laut Tagesschau.de vom 20. April 2018 haben die Ermittlungen ihren Ursprung genommen, als eine Familie aus Niedersachsen kurz vor ihrer geplanten Abschiebung einen positiven Asylbescheid aus Bremen erhalten habe. Diesen habe das Verwaltungsgericht Hannover zwischenzeitlich für nicht rechtens erklärt, woraufhin sich Innenminister Pistorius in einem Brief an das BAMF über die Unregelmäßigkeiten bei Bremer Asylanträgen beschwert habe. Es sei aufgefallen, dass Bremen im Bundesvergleich eine überaus hohe Schutzquote von 96 % vorzuweisen gehabt habe; im Vergleich zu anderen Ländern mit durchschnittlich 62 %. Am 25.05.2018 berichtete Tagesschau.de, ein Vertreter der Inneren Mission in Bremen habe es als „Irrsinn“ bezeichnet, dass die Bremer BAMF-Außenstelle auf Anordnung des Innenministeriums bis auf weiteres keine Asylbescheide mehr ausstellen darf. Die Verfahren würden sich erheblich verzögern . Die Asylsuchenden in Bremen müssten in der nächsten Zeit nach Angaben des BAMF mit Bussen in das etwa 80 km entfernte Ankunftszentrum in Bad Fallingbostel (Niedersachsen) gefahren werden. Vorbemerkung der Landesregierung Sowohl die Durchführung der Asylverfahren aller asylsuchenden Personen als auch die Entscheidung über Asylanträge obliegen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat gehört. Gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) entscheidet das BAMF über Asylanträge und ist nach Maßgabe dieses Gesetzes auch für ausländerrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen zuständig. Die Entscheidung über den Asylantrag ist gemäß § 6 Satz 1 AsylG in allen Angelegenheiten verbindlich, in denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung des internationalen Schutzes rechtserheblich ist. Das Bundesamt entscheidet über Asylanträge auf der Grundlage des Asylgesetzes , des Aufenthaltsgesetzes sowie europäischer Richtlinien und Verordnungen. Im Rahmen des Asylverfahrens werden die Voraussetzungen für die Zuerkennung von internationalem Schutz Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1244 2 (Flüchtlingsschutz und subsidiärer Schutz), das Vorliegen politischer Verfolgung im Sinne des Grundgesetzes sowie Abschiebungsverbote geprüft. Die Landesregierung verfügt über keine eigenen asylrechtlich relevanten Erkenntnisse über entsprechende Herkunftsländer, Asylgründe und entsprechende Fallzahlen. 1. Wer sind die Jesiden, woher stammen sie mehrheitlich, wo und wie werden sie hauptsächlich verfolgt, und wie hoch ist ihre Anerkennungsquote jeweils in den einzelnen Bundesländern und im Bundesdurchschnitt jeweils in den Jahren 2015, 2016 und 2017? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Dies gilt auch in Bezug auf die religiöse Minderheit der Jesiden, deren ursprüngliche Hauptsiedlungsgebiete im nördlichen Irak, in Nordsyrien und in der südöstlichen Türkei liegen. 2. Wie hoch fiel die Anerkennungsquote für Geflüchtete aus dem Irak und Syrien jeweils für die einzelnen Jahre 2014 bis 2017 aus? Die Anerkennungsquoten für Geflüchtete aus dem Irak und Syrien für das Bundesgebiet können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: 2014 2015 2016 2017 2018 (Januar bis April) Irak 73,95 % 88,59 % 70,23 % 56,14 % 31,69 % Syrien 89,35 % 96,02 % 97,95 % 91,54 % 76,80 % Diese Zahlen ergeben sich aus der offiziellen monatlichen Antrags-, Entscheidungs- und Bestandsstatistik des BAMF. 3. Wie haben die Bundesregierung und die Landesregierung auf die massenhafte Tötung, Vergewaltigung und Versklavung von Jesidinnen und Jesiden im Jahr 2014 und die Gründung eines Kalifats durch den sogenannten Islamischen Staat im Nordwesten des Irak und im Osten Syriens reagiert, und welche Rolle spielen diese Vorgänge bei der Anerkennung von Schutz- oder Asylansprüchen? Die Reaktion der Bundesregierung ist der Landesregierung nicht bekannt. Das Land Niedersachsen hat am 28.07.2015 eine Anordnung zur Aufnahme besonders schutzbedürftiger Frauen und Kinder aus dem Nordirak nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erlassen . Der begünstigte Personenkreis umfasste alleinstehende Frauen, gegebenenfalls mit ihren minderjährigen Kindern, sowie Minderjährige, die sich im Gebiet der Region Kurdistan-Irak aufgehalten haben und Opfer traumatisierender Erfahrungen (insbesondere sexueller Gewalt) im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Syrien und im Irak geworden sind. Insgesamt wurden 69 Personen (31 Frauen und 38 Kinder) aufgenommen. Bezüglich der Frage nach der Rolle der in der Fragestellung genannten Vorgänge bei der Anerkennung von Schutz- oder Asylansprüchen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 4. Stimmt es, dass nach den Vorgaben des BAMF religiöse Minderheiten aus dem Irak auf der Liste der Gruppen mit sogenannter positiver Prognose geführt wurden und in den Jahren 2015 bis 2017 grundsätzlich anzuerkennen waren? Falls Nein, bitte klarstellen. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1244 3 5. Wie viele Geflüchtete aus dem Irak und Syrien haben jeweils in den einzelnen Jahren 2015 bis 2017 vom BAMF einen Dublin-Bescheid oder einen Drittstaaten-Bescheid erhalten ? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 6. Wie viele Geflüchtete aus Syrien und dem Irak wurden jeweils in den einzelnen Jahren 2015 bis 2017 ins europäische Ausland überstellt? In der nachfolgenden Tabelle ist die Anzahl der Syrer/Iraker für die Jahre 2015 bis 2017 dargestellt, die im Dublin Verfahren in einen anderen EU-Staat überstellt wurden. 2015 2016 2017 Syrien 12 32 29 Irak 3 21 63 (Quelle: LKA-Statistik) 7. Wie sieht das Verfahren des BAMF, insbesondere die Zuständigkeitsverteilung auf die Länder, hinsichtlich der Bearbeitung von Asylanträgen aus? Wie hat sich dieses Verfahren in den Jahren 2015 und 2016 gegenüber vorher verändert? Bis 2015 hat das BAMF jedes Herkunftsland je nach Aufkommen des Landes einer oder mehreren Außenstellen zugeordnet. Mit der Einführung der Ankunftszentren 2015 wurden die Herkunftsländer nur noch dort zur Bearbeitung freigegeben. An allen Außenstellen, die nicht an einem Ankunftszentrum liegen, war eine Bearbeitung dann technisch nicht mehr möglich. Grundsätzlich bearbeiten alle Ankunftszentren alle Herkunftsländer, wobei Herkunftsländer mit sehr geringem Aufkommen auf mindestens drei Ankunftszentren verteilt sind. Für detaillierte Auskünfte wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 8. Wie hat sich die Landesregierung vor den Jahren 2015/2016, in diesen Jahren und danach zu diesem Verfahren positioniert, und wo sah bzw. sieht die Landesregierung bei diesem Verfahren Optimierungsbedarf? Grundsätzlich begrüßt die Landesregierung alle Maßnahmen, die der zuständige Bund unternimmt, um die Asylverfahren rechtssicher und ohne Qualitätseinbußen zu beschleunigen. Hierzu zählen exemplarisch die Einführung der Personalisierungsinfrastrukturkomponenten zur Identifizierung der Asylsuchenden und die Einführung der Ankunftszentren. Niedersachsen gehörte mit dem Ankunftszentrum Bad Fallingbostel-Oerbke im Jahr 2016 dabei zu den bundesweiten Vorreitern. Kritisch hingegen sieht die Landesregierung dagegen das Verfahren, dass die Anhörung der betroffenen Person und die Entscheidung über den Asylantrag in dem genannten Zeitraum nicht mehr von der gleichen Person durchgeführt wurden. 9. War es ab 2016 aufgrund der hohen Antragszahlen üblich, dass Asylsuchende bei anderen BAMF-Standorten angehört wurden, um die überlasteten BAMF-Standorte zu unterstützen ? In wie vielen Fällen fand diese Praxis in den Jahren seit 2016 jeweils statt? Bitte, falls keine bundesweiten Zahlen genannt werden können, zumindest Zahlen zu niedersächsischen BAMF-Standorten nennen. Ja, solche Fälle sind vorgekommen. Konkrete Zahlen hierzu kann nur das zuständige BAMF nennen . Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1244 4 10. Inwiefern wurde die Linie des BAMF Bremen hinsichtlich der Beurteilung der Rechtslage vom niedersächsischen Oberverwaltungsgericht Lüneburg inhaltlich bestätigt? Hält die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass das OVG die Ansicht vertritt, dass anerkannte Flüchtlinge in Bulgarien keine menschenwürdigen Existenzbedingungen vorfinden und ihnen deshalb in Deutschland Abschiebungshindernisse zuzubilligen seien, eher die Gewährung von Abschiebungsschutz für skandalös oder die tatsächlich erfolgte Abschiebung einer Jesidin mit drei Kindern aus Niedersachsen unter Inkaufnahme einer Familientrennung? Die Landesregierung sieht keinen Zusammenhang zwischen den Geschehnissen in der Außenstelle des BAMF in Bremen und der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts. Die Landesregierung tritt dafür ein, dass die Vorgänge beim BAMF vollumfänglich aufgeklärt werden . Darüber hinaus nimmt die Landesregierung zu einem spekulativen Vergleich abstrakter Sachverhalte keine Stellung. 11. In welchem Umfang erwartet die Landesregierung Verfahrensverzögerungen aufgrund des Ausfalls der BAMF-Stelle Bremen? Laut Ankündigung des BAMF, dass die bisherigen Fälle der BAMF-Außenstelle Bremen nunmehr zusätzlich in der Außenstelle Bad Fallingbostel-Oerbke bearbeitet werden sollen, sind keine Verfahrensverzögerungen zu erwarten. Die Ankunftszentren sind grundsätzlich zur Bewältigung eines größeren Zugangs konzipiert. Nach Angaben des BAMF werden nun maximal bis zu 30 Fälle pro Woche bis voraussichtlich Ende August 2018 zusätzlich in Bad Fallingbostel-Oerbke bearbeitet. Angesichts der derzeitigen Zugangszahlen ist daher nicht von Verfahrensverzögerungen auszugehen . 12. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, solche Verfahrensverzögerungen zu vermeiden oder zu reduzieren? Siehe Antwort zu Frage 11. 13. In welcher Größenordnung und für welchen Zeitraum werden Asylsuchende, für die eigentlich die Bremer BAMF-Stelle zuständig wäre, nach Fallingbostel kommen? Siehe Antwort zu Frage 11. 14. Welche Auswirkungen des BAMF-Stelle-Ausfalls in Bremen erwartet die Landesregierung sonst noch für Niedersachsen und Asylsuchende in Niedersachsen, und welche Maßnahmen wird die Landesregierung diesbezüglich ergreifen? Keine. Im Übrigen siehe Antwort zu Frage 11. (Verteilt am 11.07.2018) Drucksache 18/1244 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung