Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1246 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Harm Rykena (AfD) Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung Nachfragen zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Islamistischer Extremismus an niedersächsischen Schulen“ (Drucksache 18/430) Anfrage des Abgeordneten Harm Rykena (AfD), eingegangen am 17.05.2018 - Drs. 18/943 an die Staatskanzlei übersandt am 23.05.2018 Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung vom 05.07.2018, gezeichnet In Vertretung der Staatssekretärin Michael Markmann Vorbemerkung des Abgeordneten Die Antworten der Landesregierung zu oben genannter Anfrage führen zu folgenden, weiteren Fragen an die Landesregierung. Vorbemerkung der Landesregierung Der Gemeinsame Runderlass. des MK, des MI und des MJ vom 01.06.2016 „Sicherheits- und Gewaltpräventionsmaßnahmen in Schulen in Zusammenarbeit mit Polizei und Staatsanwaltschaft“ befasst sich u. a. mit den Vorkommnissen politisch motivierter Kriminalität an Schulen und Verdachtsfällen extremistischen Verhaltens. Im Einzelnen heißt es in dem Runderlass: „Bei Erkennen von Anzeichen für delinquentes oder extremistisches Verhalten, einer Radikalisierung oder entsprechender Entwicklungen ist präventiv fachkundige Beratung in Anspruch zu nehmen .“ Anzeigepflichtig gegenüber der Polizei sind hingegen alle Fälle politisch oder religiös motivierter Kriminalität. Es obliegt insofern den Schulen, bei derartigen Ereignissen und Verdachtsfällen Fallkonferenzen einzuberufen und den Teilnehmerkreis zu bestimmen. Regelmäßig, aber nicht zwingend nehmen auch Mitarbeiter der örtlich zuständigen polizeilichen Staatsschutzdienststellen oder Fachkräfte der polizeilichen Prävention an solchen Fallkonferenzen teil. Dies voran gestellt, werden die aufgeworfenen Fragen wie folgt beantwortet. 1. Auf welche Art und Weise und unter welchen Bedingungen kommt es zu einer Veranlassung der nachrichtendienstlichen Aufklärung wegen des Verdachts des Islamismus oder (Neo-)Salafismus im schulischen Umfeld? Der niedersächsische Verfassungsschutz ist für die Beobachtung des Extremismus in Niedersachsen zuständig. Dabei können auch Erkenntnisse zu islamistischen/salafistischen Bestrebungen an Schulen bekannt werden. Eine gezielte nachrichtendienstliche Aufklärung im direkten schulischen Umfeld findet anlassunabhängig nicht statt. Darüber hinaus können weitergehende Informationen Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1246 2 öffentlich nicht mitgeteilt werden, da dies die Arbeitsweisen des Verfassungsschutzes offenlegen würde. 2. Wie oft gab es eine Veranlassung zur nachrichtendienstlichen Aufklärung aufgrund des Verdachts von Islamismus oder (Neo-)Salafismus im direkten schulischen Umfeld an niedersächsischen Schulen seit 2013? Auf die Beantwortung der Frage zu 1 wird verwiesen. 3. Wie viele und welche Schulen sind nach bisherigen Erkenntnissen von Islamismus und (Neo-)Salafismus bzw. durch die „Brennpunkte der salafistischen Szene“ betroffen? Dem niedersächsischen Verfassungsschutz und der niedersächsischen Polizei liegen lediglich Erkenntnisse zu Einzelfällen vor, in denen aufgrund von Hinweisen betreffender Schulen Sachverhalte mit möglichem islamistischen/salafistischen Hintergrund bzw. von Radikalisierungsprozessen einzelner Schülerinnen und Schüler zu prüfen waren. Hieraus lässt sich keine „Betroffenheit“ der einzelnen Schulen von Islamismus oder (Neo-)Salafismus ableiten. Nach Erkenntnis der niedersächsischen Sicherheitsbehörden gibt es über die genannten Einzelfälle hinausgehend weder Hinweise darauf, dass eine Schule in Niedersachsen von „Brennpunkten der salafistischen Szene“ betroffen ist, noch dass eine Schule selbst einen solchen Brennpunkt darstellt. 4. Wie hoch ist die Anzahl der einberufenen Fallkonferenzen bezüglich des Verdachts von Islamismus oder (Neo-)Salafismus, die seit 2013 von Lehrern und Schulleitungen bei den Beim Kultusministerium besteht kein vollständiges Bild über alle einberufenen Fallkonferenzen, da diese weder gemeldet werden müssen noch zentral erfasst werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass in der Schule in eigener Verantwortung entschieden werden kann, in welcher Form über mögliche Verdachtsfälle beraten wird und wie die weiteren Schritte gestaltet werden sollen. Zu nennen sind hier beispielsweise Klassenkonferenzen, Dienstbesprechungen, Beratungsgespräche mit außerschulischen Expertinnen und Experten etc. 5. An welchen Schulen wurden die Fallkonferenzen (ab 2013) aufgrund des Verdachts von Islamismus oder (Neo-)Salafismus einberufen (bitte mit Aufschlüsselung nach Jahr/Schulname/Standort der Schule/Fallzahlen)? Auf die Beantwortung zu Frage 4 wird verwiesen. 6. Wie hoch ist die Anzahl der von Schulleitungen und Lehrern bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebrachten Fälle, die wegen des Verdachts auf Islamismus oder (Neo-)Salafismus seit 2013 gestellt wurden (bitte mit Aufschlüsselung nach Jahr/Fallzahlen/Standort von Polizei oder Staatsanwaltschaft)? Politisch motivierte Kriminalität wird bundeseinheitlich im Kriminalpolizeilichen Meldedienst „Politisch motivierte Kriminalität“ (KPMD-PMK) erfasst. Eine Zuordnung zu einem Phänomenbereich erfolgt aufgrund weiterer Informationen zur Tat oder zum Täter. Zur Beantwortung der Frage wurden alle Straftaten ausgewertet, die dem Themenfeld „Islamismus /Fundamentalismus“ zugeordnet wurden, bei denen „Schule“ als „Art der Örtlichkeit“ im Vorgangsbearbeitungssystem NIVADIS eingetragen ist. Eine Auswertung aller Straftaten, die durch Schulleitungen oder Lehrerinnen und Lehrer angezeigt wurden, ist nicht möglich. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1246 3 Die genannte Auswertung ergibt eine Gesamtzahl von 16 Straftaten seit 2013. Die Aufschlüsselung nach Jahren und Polizeibehörde ergibt sich aus folgender Tabelle: 2013 2014 2015 2016 2017 2018* LKA Niedersachsen 0 0 0 0 1 0 PD Braunschweig 0 0 0 2 6 0 PD Hannover 0 0 0 1 0 0 PD Lüneburg 0 0 0 0 2 0 PD Oldenburg 0 0 1 1 1 0 PD Osnabrück 1 0 0 0 0 0 PD Göttingen 0 0 0 0 0 0 Summe 1 0 1 4 10 0 * Stand: 30.05.2018 7. Zu welchem Zweck werden in der Handreichung für Lehrkräfte, Schulleitungen und pädagogische Fachkräfte, die vom Kultusministerium 2017 veröffentlicht wurde, die Themen (Neo-)Salafismus und Islamismus zusammen mit Islamfeindlichkeit behandelt? Die vom Kultusministerium 2017 veröffentlichte Handreichung „Neo-Salafismus, Islamismus und Islamfeindlichkeit in der Schule - Wie kann Schule präventiv handeln?“ liefert Informationen sowie Empfehlungen für die pädagogische Praxis zum Umgang mit Neo-Salafismus, Islamismus und Islam - bzw. Muslimfeindlichkeit. Insbesondere geht es darum, wie man der islamistischen bzw. neosalafistischen Radikalisierung junger Menschen mit den Mitteln der pädagogischen Prävention entgegenwirken kann. Verschiedene Studien legen nahe, dass Islamisten bzw. Neo-Salafisten versuchen, Musliminnen und Muslime vermittelt über deren Erfahrungen von Ausgrenzung und Diskriminierung aufgrund ihres Muslimseins für ihre Zwecke zu gewinnen. Solche negativen Erfahrungen können junge Menschen unter Umständen zugänglicher für die Argumente von Extremistinnen und Extremisten machen . Daher kann das Erleben von Islam- bzw. Muslimfeindlichkeit als ein möglicher Faktor im Vorfeld einer Radikalisierung erachtet werden. Im Sinne einer mehrdimensionalen Islamismus- bzw. Neo-Salafismusprävention sollte daher auch der Herausbildung und Verfestigung islam- und muslimfeindlicher Einstellungen entgegengewirkt werden. Im Übrigen richten sich die Maßnahmen der politischen Bildung des Kultusministeriums gegen alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. 8. Wo, wie oft und mit welcher Anzahl von Teilnehmern (Schulleitungs- und Lehrpersonal) wurden Veranstaltungen zur Islamismus- und (Neo-)Salafismus-Prävention seit 2013 durchgeführt? Kultusministerium Das Kultusministerium veranstaltete am 09.12.2015 zusammen mit dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung in Hannover die Fachtagung „Neo-Salafismus, Islamismus und Islamfeindlichkeit in der Schule - Was kann unsere Schule dagegen tun“. Die Veranstaltung hatte rund 290 Teilnehmende. Am 11.12.2017 veranstaltete das Kultusministerium in Kooperation mit dem Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) in Hannover die Fachtagung „Gegen Neo- Salafismus und Muslimfeindlichkeit - Wie kann Schule präventiv wirken?“. Die Veranstaltung hatte ca. 110 Teilnehmende. Die Regionalabteilungen der Niedersächsischen Landesschulbehörde (NLSchB) führten 2015 bzw. 2016 in Kooperation mit verschiedenen Polizeidienststellen insgesamt sechs Veranstaltungen mit dem Titel „Umgang mit Islamismus im Kontext Schule - Unterstützungsangebote der NLSchB und der Polizei“ bzw. „Islamistischer Extremismus - Bedrohungen und Handlungsmöglichkeiten“ durch (in Braunschweig, Twistringen, Hildesheim, Cuxhaven, Achim, Delmenhorst). In Lüneburg wurde Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1246 4 ferner ein Fachtag zum Thema „Islam - Islamismus - Islamfeindlichkeit“ veranstaltet. Insgesamt wurden mit diesen Veranstaltungen ca. 420 Teilnehmende erreicht. Niedersächsischer Verfassungsschutz Zu den zentralen Aufgaben des niedersächsischen Verfassungsschutzes gehört die Informationsvermittlung über Extremismusphänomene. Neben kostenlosen Informationsmaterialien u. a. zum Rechts- und Linksextremismus sowie Islamismus/Salafismus stehen auf Anfrage Referentinnen und Referenten für Veranstaltungen, wie Vorträge, Seminare und Workshops, zur Verfügung. Der Referatsteil Prävention des niedersächsischen Verfassungsschutzes hat von 2013 bis Mai 2018 insgesamt 54 Veranstaltungen im schulischen Bereich durchgeführt. Dabei richteten sich 25 Veranstaltungen an Lehrpersonal/Schulleitung und 29 an Schülerinnen und Schüler. An den Veranstaltungen haben im angefragten Zeitraum 841 Schülerinnen und Schüler und 835 Lehrerinnen und Lehrer teilgenommen. Seit Etablierung der Kompetenzstelle Islamismusprävention Niedersachsen (KIP NI) im Jahr 2016 steigen die Anfragen und die Zahl der vom niedersächsischen Verfassungsschutz gestalteten Veranstaltungen im Bereich Islamismus/Salafismus stetig an. Analog zur Wanderausstellung „Gemeinsam gegen Rechtsextremismus“, die bereits seit vielen Jahren sehr erfolgreich primär an Schulen gezeigt wird, arbeitet der niedersächsische Verfassungsschutz derzeit an der Konzeption einer Ausstellung zum Islamismus/Salafismus, deren Zielpublikum ebenfalls Schülerinnen und Schüler bzw. junge Erwachsene sein wird. Niedersächsische Polizei Radikalisierungsprävention gehört zum Aufgabenschwerpunkt der seit Januar 2014 bestehenden Präventionsstelle PMK (PPMK) im Landeskriminalamt Niedersachsen, die seit Juli 2016 auch Bestandteil der durch Beschluss der Landesregierung geschaffenen Kompetenzstelle Islamismusprävention Niedersachsen (KIP NI) ist. Zur Radikalisierungsprävention gehören u. a. zielgerichtete Sensibilisierungsveranstaltungen für den schulischen Bereich zum Thema Islamismus/Salafismus. Es fanden unter fachlicher Flankierung der PPMK Sensibilisierungsveranstaltungen zum Thema Islamismus /Salafismus auf Anfrage von Schulen statt. Die Hauptzielgruppen sind Lehrkräfte sowie pädagogische Mitarbeiter der anfragenden Schulen. In diese Kategorie fallen im Erhebungszeitraum ca. 14 Veranstaltungen. Darunter befanden sich sowohl Schulen, die mit Radikalisierungsverdachtsfällen in der Schülerschaft konfrontiert gewesen sind, als auch Schulen, die im Sinne von Vorsorge/Prävention informieren wollten. Zum anderen fanden unter fachlicher Flankierung der PPMK Sensibilisierungsveranstaltungen im Kontext der NLSchB statt. Hauptzielgruppen waren hier u. a. Schulleiter, Dezernenten und diverse Organisationeinheiten der NLSchB. In diese Kategorie fallen im Erhebungszeitraum ca. zwölf Veranstaltungen , davon ca. sieben Schulleiterdienstbesprechungen in verschiedenen Regionen von Niedersachsen. Darüber hinaus fanden unter fachlicher Flankierung und/oder Initiative der PPMK weitere Sensibilisierungsveranstaltungen mit schulischem Bezug statt. Hierbei handelte es sich größtenteils um Lehrerfortbildungen, die auf gezielte Anregung der niedersächsischen Sicherheitsbehörden lokal /regional durchgeführt wurden und u. a. der Umsetzung des Medienpaketes des ProPK „Mitreden ! Kompetent gegen Islamfeindlichkeit, Islamismus und dschihadistische Internetpropaganda“ dienten. In diese Kategorie fallen im Erhebungszeitraum ca. 33 Veranstaltungen. Abschließend sind zahlreiche Veranstaltungen zu nennen, die auf lokaler Ebene von den Staatsschutzdienststellen , den Kontaktbeamten oder den Präventionsteams der Polizei an Schulen durchgeführt oder begleitet werden. Hierbei bildet, je nach Ausgestaltung, die Extremismusprävention den Schwerpunkt oder einen Teil der Veranstaltung. Eine zentrale Erfassung dieser Präventionsanstrengungen der örtlich zuständigen Polizeidienststellen erfolgt nicht. Eine seriöse Bezifferung ist daher nicht möglich. Die Anzahl der Teilnehmer an den vorgenannten Veranstaltungen kann nicht valide dargestellt werden. (Verteilt am 17.07.2018) Drucksache 18/1246 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Harm Rykena (AfD) Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums Nachfragen zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage „Islamistischer Extre-mismus an niedersächsischen Schulen“ (Drucksache 18/430)