Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1277 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Frank Oesterhelweg, Martin Bäumer, Uwe Dorendorf, Axel Miesner, Laura Rebuschat und Dr. Frank Schmädeke (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Borkenkäfer im Nationalpark Harz Anfrage der Abgeordneten Frank Oesterhelweg, Martin Bäumer, Uwe Dorendorf, Axel Miesner, Laura Rebuschat und Dr. Frank Schmädeke (CDU), eingegangen am 22.06.2018 - Drs. 18/1211 an die Staatskanzlei übersandt am 06.07.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 16.07.2018, gezeichnet In Vertretung Frank Doods Vorbemerkung der Abgeordneten Der Harz als Ausflugs- und Urlaubsziel erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Dazu tragen nach Meinung der Akteure vor Ort viele Faktoren bei, beispielsweise die in den vergangenen Jahren getätigten Investitionen, neue Attraktionen und die Schönheit und Vielfalt von Natur und Landschaft. Der Nationalpark Harz spielt hier ausweislich der Einschätzung regionaler Tourismusexperten eine wichtige, positive Rolle. Zugleich mehren sich die kritischen Stimmen, die die zusammenbrechenden Fichtenbestände, vor allem verursacht durch Borkenkäferbefall, als kontraproduktiv für den erstarkenden Tourismus und die wirtschaftliche Erholung der Region ansehen. Andere bemängeln, dass wertvolles Fichtenholz in größerem Umfang verrottet, und sehen weder wirtschaftlich noch ökologisch Vorteile darin, sondern erhebliche Nachteile. Vorbemerkung der Landesregierung § 3 des Gesetzes über den Nationalpark „Harz (Niedersachsen)“ (NPGHarzNI) vom 19. Dezember 2005 bestimmt in Absatz 1: „Schutzzweck ist es, 1. für die gebietstypischen natürlichen und naturnahen Ökosysteme mit ihren charakteristischen Standortbedingungen auf mindestens 75 vom Hundert der Fläche des Gebietes einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik zu gewährleisten (Prozessschutz) und die natürliche Vielfalt an Lebensräumen, Lebensgemeinschaften und Tier- und Pflanzenarten des Harzes von den Hochlagen bis zur kollinen Stufe zu erhalten“. Diesem Schutzzweck entsprechend ist eine auf wirtschaftlichen Gewinn ausgerichtete Nutzung der Ressourcen des Nationalparks Harz ausgeschlossen. Abgestorbene oder umgefallene Bäume verbleiben in den Bereichen, die der Naturdynamik überlassen wurden, grundsätzlich an Ort und Stelle . Dort bieten tote, verrottende Bäume Schutz und Nährboden für eine hoch diverse Fauna und Flora und die nachwachsende Waldgeneration. Einen Sonderfall stellen im Nationalpark Harz die Flächen der sogenannten Entwicklungszone dar, hier wird mit Methoden der klassischen Forstwirtschaft die Initialzündung für einen Umbau ehemaliger einstufiger Fichten-Monokulturen in naturnahe Mischwälder gezielt vorangetrieben. Die dabei anfallenden Holzmengen werden einer regulären Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1277 2 Vermarktung zugeführt, die daraus erzielten Erlöse an die Landeskasse abgeführt. Dieser Prozess soll bis zum Jahre 2022 abgeschlossen werden; danach ist im Nationalpark Harz mit Einnahmen aus Holzverkauf nicht mehr zu rechnen. Eine direkte Investition der Einnahmen aus Holzverkauf aus dem Nationalpark Harz in Naturschutzprojekte ist nicht vorgesehen. Im Zuge der Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie, hier der Programmpunkt „Natürliche Waldentwicklung auf 10 % der Fläche der Landesforsten“ (NWE10), wurde per Kabinettsentscheid beschlossen, den entlang der Außengrenze des Nationalparks Harz, aber innerhalb desselben befindlichen Borkenkäferschutzstreifen von 500 m Breite auf das NWE-Kontingent der Landesforsten ebenso anzurechnen, wie die bereits existierenden Naturdynamikflächen des Nationalparks Harz. Dadurch entsteht eine Win-win-Situation: Rund 2 800 ha können im Nationalpark Harz sukzessive bis 2022 zusätzlich in die Naturdynamik übernommen werden und damit nahezu die gesamte Nationalparkfläche - und den u. a. mit einer wirtschaftlichen Zielsetzung arbeitenden Landesforsten wird die Ausweisung produktiver Forstflächen als NWE10-Fläche im gleichen Umfang erspart. Borkenkäferbekämpfung findet nach Abschluss dieses Projekts nur noch außerhalb des Nationalparks Harz statt. In der Übergangszeit unterstützt der Nationalpark Harz mit seinem auf diesem Gebiet besonders erfahrenen Personal die angrenzenden Forstämter der Niedersächsischen Landesforsten (NLF) und in enger Kooperation mit diesen bei der Umsetzung der Borkenkäferbekämpfung auf deren Flächen. 1. Geben die gesetzlichen Regelungen zum Nationalpark Harz die Möglichkeit, noch gesunde Fichtenbestände zu entnehmen, um die daraus erzielbaren Erträge wieder in Naturschutzprojekte zu investieren und benachbarte Bestände beispielsweise der AöR Niedersächsische Landesforsten vor Borkenkäferbefall zu schützen? Nein, siehe Vorbemerkungen der Landesregierung. 2. Ist die Landesregierung bereit, solche Möglichkeiten zu nutzen und in Abstimmung mit allen Beteiligten sowie den zuständigen Landesregierungen und Landtagen weitergehende Handlungsmöglichkeiten zu schaffen? Solche Möglichkeiten bestehen nach der Gesetzeslage nicht (siehe auch die Vorbemerkungen der Landesregierung). 3. Welche wirtschaftlichen Schäden entstehen durch die nicht erfolgte Nutzung jetzt abgängiger Fichtenbestände und welche durch die Schädigung bzw. den Befall benachbarter Bereiche? Innerhalb des Nationalparks Harz entstehen durch die nicht erfolgte Nutzung jetzt abgängiger Fichtenbestände und die Schädigung bzw. den Befall benachbarter Bereiche keinerlei wirtschaftliche Schäden, da der Nationalpark keine wirtschaftliche Zielsetzung hat und eine wirtschaftliche Nutzung der entsprechenden Bestände auch nicht vorgesehen ist (siehe Vorbemerkungen der Landesregierung ). Außerhalb des Nationalparks Harz werden befallene Fichten umgehend genutzt. Wirtschaftliche Schäden entstehen den Landesforsten in gleicher Weise wie bei jedem anderen Borkenkäferbefall : bedingt durch den Wertverlust des Holzes und die vorzeitige Ernte sowie die weniger planbaren forstlichen Maßnahmen. Dies ist aber eine Thematik, die den Fichtenanbau generell begleitet. 4. Welche ökologischen bzw. klimarelevanten Folgen hat einerseits die Verrottung der entsprechenden Bestände und welchen Effekt würde andererseits eine systematische Nutzung des nachwachsenden Rohstoffes Holz haben? Aus ökologischem Blickwinkel betrachtet ist die langsame Verrottung der abgestorbenen Bäume von hohem Wert. Das Totholz ist Lebensraum für viele Arten, vor allem Insekten, Vögel, Fledermäuse und Pilze, und gleichzeitig bietet es dem nachwachsenden Wald hervorragenden Schutz vor Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1277 3 zu starker Sonnenstrahlung und Schädigung durch das Schalenwild. Dadurch stellt es auch einen höheren Schutz vor Bodenerosion da, als dieser auf einer Freifläche gegeben wäre. In Bezug auf das Klima ist festzuhalten, dass der im Holz gespeicherte Kohlenstoff im Zuge der Verrottung nach und nach in Form von CO2 wieder an die Atmosphäre abgegeben wird. In Wäldern , die der natürlichen Dynamik unterliegen, ist die CO2-Bilanz langfristig ausgeglichen, d. h. sie speichern so viel, wie sie im Zuge der Verrottung abgeben. Beide Prozesse verlaufen hier sehr langsam. Eine „systematische Nutzung“ des Rohstoffs Holz hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Klimabilanz, eine solche ist im positiven Sinne nur für den Produktbereich gegeben, dessen Produkte langfristig erhalten bleiben (z. B. verbaut in Gebäuden oder Möbeln), im negativen Sinne für den Produktbereich, in dem das Holz energetisch genutzt wird. 5. Wie wirken sich die zu beobachtenden klimatischen Veränderungen auf die zu erwartenden Verbreitung des Borkenkäfers im Nationalpark Harz aus? Der Borkenkäfer, genauer gesagt die beiden Borkenkäferarten Buchdrucker und Kupferstecher, gehören als feste Bestandteile zum Ökosystem Fichtenwald. Ihre natürliche Aufgabe ist es, Absterbeprozesse zu beschleunigen und die Bäume für weitere, nachfolgende Destruenten vorzubereiten, sie sind die Initialzündung im Verrottungsprozess. Auf die Verbreitung der Borkenkäfer im Nationalpark Harz (und die umliegenden Fichtenforsten) hat die Klimaerwärmung keinerlei Auswirkung, da diese Käferarten überall ständig vorhanden sind. Klimatische Extreme, vor allem Stürme und lange Hitzeperioden, wirken sich aber erheblich auf die Populationsdynamik dieser Käfer aus: Stürme und Schneebruch produzieren viel bruttaugliches Material, in dem sich die Tiere vermehren können. Lange Trockenperioden bringen die Bäume in Wasserstress, senken damit deren Vitalität - und damit die Abwehrkraft -, sodass sie leichter von Borkenkäfern befallen werden können. 6. Welche Bekämpfungsmaßnahmen gegen ausufernden Borkenkäferbefall hält die Landesregierung in den Randbereichen des Nationalparks Harz sowie in den angrenzenden Bereichen mit forstwirtschaftlicher Nutzung für angemessen, und welche werden praktiziert ? In den verbleibenden, erst im Laufe der nächsten Jahre in die natürliche Waldentwicklung zu entlassenden Teilen des im Nationalpark Harz liegenden Borkenkäferschutzstreifens wird der stehende Bestand vom Nationalpark-Personal in der Borkenkäferflugperiode intensiv auf frischen Befall hin beobachtet. Wird ein solcher festgestellt, wird der betroffene Baum umgehend gefällt und ein Ausfliegen der darin befindlichen Käferbrut mit mechanischen Mitteln (schneller Abtransport aus dem Wald oder Entrinden) verhindert. Auch anfallendes Windwurfholz wird in diesen Bereichen in gleicher Weise aufgearbeitet. In den an den Bereich des Borkenkäferschutzstreifens, der bereits 2018 in die Naturdynamik entlassen wurde, angrenzenden Wirtschaftswäldern der Niedersächsischen Landesforsten wird einer weiteren Ausbreitung des Borkenkäferbefalls in ähnlicher Weise entgegengewirkt, wobei die erfahrenen „Borkenkäferjäger“ des Nationalparks Harz die Mitarbeiter des NLF-Forstamts aktiv unterstützen. In diesen Bereichen stehen für die Vernichtung der Käferbrut zusätzliche Instrumente (Chemieeinsatz) zur Verfügung. Seit der Gründung des Nationalparks Harz hat sich dieses Vorgehen gut bewährt und wird von der Landesregierung als angemessen angesehen und beibehalten. (Verteilt am 19.07.2018) Drucksache 18/1277 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Frank Oesterhelweg, Martin Bäumer, Uwe Dorendorf, Axel Miesner, Laura Rebuschat und Dr. Frank Schmädeke (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Borkenkäfer im Nationalpark Harz