Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/129 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Horst Kortlang (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Untersagung der Bauleitplanung der Stadt Brake durch das Landwirtschaftsministerium Anfrage des Abgeordneten Horst Kortlang (FDP), eingegangen am 06.12.2017 - Drs. 18/52 an die Staatskanzlei übersandt am 11.12.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 03.01.2018, gezeichnet Barbara Otte-Kinast Vorbemerkung des Abgeordneten Das Landwirtschaftsministerium hat der Stadt Brake mit Schreiben vom 27. November 2017 alle weiteren Verfahrensschritte zur Inkraftsetzung der 29. Änderung des Flächennutzungsplans und des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 73 „Am Stadion, südlich der Weserstraße“ aus raumordnerischen Gründen untersagt. Auf dem betreffenden Grundstück in Brake zwischen der Bundesstraße 212, der Weserstraße und der Straße „Am Stadion“ werden die Umsiedlung, Modernisierung und Erweiterung eines ca. 800 m entfernten Lidl-Marktes sowie die Neuansiedlung einer Aral-Tankstelle geplant. Die Weserstraße mit dem bestehenden Famila-Markt und den zahlreichen weiteren Einzelhandelsansiedlungen im direkten Umfeld ist der zentrale Versorgungsbereich für die Stadt Brake. Sie macht über 40 % der gesamten Einzelhandelsfläche der Stadt Brake aus. An diesem Standort hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein Angebot in allen Bereichen des periodischen und aperiodischen Bedarfs entwickelt . Der geplante Lidl-Standort befindet sich in Sichtweite des Famila-Marktes an der Hauptachse des innerstädtischen Verkehrs und in fußläufiger Erreichbarkeit der umliegenden Wohngebiete . Eine Einbindung in das Nahverkehrskonzept besteht. Nachbargemeinden haben im Erörterungsverfahren keine Bedenken geäußert. Der neue Lidl-Standort wird vom Rat der Stadt Brake einstimmig befürwortet. Daraufhin wurde die Planung für den Ausbau der Weserstraße auf das Bauvorhaben angepasst und ausgeschrieben. Um die entsprechenden Fördergelder für den notwendigen Ausbau der Straße zu erhalten, muss die Stadt noch im Dezember beginnen. Durch die Untersagung wird die Ausbauplanung blockiert, und die Stadt verliert ca. 1,5 Millionen Euro an Fördergeldern . Als Grund für die Untersagung gibt das Landwirtschaftsministerium die geplante Errichtung eines Einzelhandelsgroßprojektes außerhalb der städtebaulich integrierten Lage der Stadt Brake an, die eine Verletzung des Integrationsgebotes zur Folge habe. Darüber hinaus erfülle die Bauleitplanung der Stadt nicht die notwendigen Voraussetzungen, um die Anwendung der Ausnahmeregelung zum Integrationsgebot in Anspruch zu nehmen. Vorbemerkung der Landesregierung Die Stadt Brake (Unterweser) beabsichtigt mit ihrer Bauleitplanung die Ausweisung von zwei Sondergebieten zwecks Zulassung eines Lebensmitteldiscounters mit einer Verkaufsfläche von bis zu 1 500 m2 sowie einer öffentlichen Tankstelle inklusive Shop sowie Waschanlage. Anlass für die Planung ist laut Begründung des Bebauungsplans die Absicht eines Investors, auf den Flächen südlich der Weserstraße und östlich der Bundesstraße B 212 einen großflächigen Le- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/129 2 bensmitteldiscounter mit ca. 1 490 m2 Verkaufsfläche und eine Tankstelle zu errichten. Bezüglich des Lebensmitteldiscounters handelt es sich um eine Standortverlagerung von der ca. 800 m nordöstlich entfernten Fachmarktagglomeration Weserstraße an den Standort südlich der Weserstraße und östlich der Bundesstraße B 212. Die Stadt Brake stellt den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 73 auf, um die Ansiedlungsabsichten planungsrechtlich abzusichern. Die 29. Änderung des Flächennutzungsplans und der Vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 73 „Am Stadion, südlich der Weserstraße“ ermöglichen mit ihren Darstellungen bzw. Festsetzungen die Realisierung von Einzelhandelsgroßprojekten im Sinne des Landes-Raumordnungsprogramms (LROP). Die für Einzelhandelsgroßprojekte geltenden Ziele der Raumordnung gemäß Abschnitt 2.3 Ziffer 02 LROP sind gemäß § 4 Abs. 1 ROG von öffentlichen Stellen bei ihren raumbedeutsamen Planungen, wozu auch die Bauleitplanung zählt, zu beachten. Ferner sind gemäß § 1 Abs. 4 des Baugesetzbuchs (BauGB) Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Das heißt, die Darstellungen des Flächennutzungsplans und die Festsetzungen des Bebauungsplans müssen so formuliert sein, dass sie keine neuen Vorhaben ermöglichen, die gegen ein Ziel der Raumordnung verstoßen würden. Gemäß § 12 Abs. 1 des Raumordnungsgesetzes des Bundes (ROG) in Verbindung mit § 19 Abs. 3 Satz 2 des Niedersächsischen Raumordnungsgesetzes (NROG) kann das Ministerium für Ernährung , Landwirtschaft und Verbraucherschutz als oberste Landesplanungsbehörde raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen sowie die Entscheidung über deren Zulässigkeit gegenüber den in § 4 ROG genannten öffentlichen Stellen unbefristet untersagen, wenn Ziele der Raumordnung aus dem Landes-Raumordnungsprogramm entgegenstehen. Im Rahmen der Tatsachenermittlung hat das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als oberste Landesplanungsbehörde die Stadt Brake (Unterweser) mit Schreiben vom 27. November 2017 über eine möglicherweise notwendig werdende Untersagung der Bauleitplanungen informiert und um Stellungnahme hierzu gebeten. Die Stadt Brake (Unterweser) hat in der Folge um Fristverlängerung bis zum 1. Juni 2018 gebeten. Erst nach sachgerechter Würdigung der noch zu erstellenden schriftlichen Stellungnahme wird über eine Untersagung entschieden. In Vorbereitung der schriftlichen Stellungnahme hat auf Wunsch der Stadt Brake (Unterweser) am 8. Dezember 2017 ein erstes Gespräch mit Vertretern der Stadt Brake (Unterweser) und Herrn Staatssekretär Beckedorf sowie Vertretern der obersten Landesplanungsbehörde im Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz stattgefunden. Im Gespräch wurden die Sachverhalte und städtebaulichen Entwicklungsperspektiven dargelegt und weiterer Austausch vereinbart. In einem weiteren Gespräch voraussichtlich im Laufe des Februars 2018 soll es zwischen der Stadt Brake (Unterweser) und der obersten Landesplanungsbehörde zu einem Gedankenaustausch zur schriftlichen Stellungnahme kommen. 1. Befürwortet die Landesregierung die Untersagung aller weiteren Verfahrensschritte zur Inkraftsetzung des geänderten Flächennutzungsplans sowie des vorhabenbezogenen Bebauungsplans der Stadt Brake, wenn ja, warum? Wie in der Vorbemerkung ausgeführt, läuft zurzeit das Anhörungsverfahren, in dem die Stadt Brake (Unterweser) zu den im Anhörungsschreiben aufgeworfenen Punkten schriftlich Stellung beziehen wird. Erst nach sachgerechter Würdigung der noch zu erstellenden schriftlichen Stellungnahme wird über eine Untersagung entschieden. 2. Ist die Untersagung nach Auffassung der Landesregierung vor dem Hintergrund sinnvoll , dass es sich beim Umfeld der geplanten Bauvorhaben um den zentralen Versorgungsbereich der Stadt Brake handelt, und inwiefern besteht in diesem Zusammenhang eine Verletzung des Integrationsgebotes? In dem von der Stadt Brake (Unterweser) in Auftrag gegebenem „Einzelhandelskonzept für die Stadt Brake (Unterweser)“ der CIMA Beratung + Management GmbH von August 2016 werden folgende Versorgungsbereiche identifiziert: Zentraler Versorgungsbereich Innenstadt Brake, Nahversorgungszentrum Hammelwarden, Nahversorgungszentrum Golzwarden, Nahversorgungszentrum Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/129 3 Weserstraße und Fachmarktagglomeration Weserstraße. Das Einzelhandelskonzept stellt auch fest, dass sich mit dem Lebensmitteldiscounter Lidl und dem Getränkefachmarkt hol ab in der Fachmarktagglomeration Weserstraße Konkurrenzbetriebe zum benachbarten Nahversorgungszentrum Weserstraße befinden. Weiter wird ausgeführt, dass zur Stärkung und Verdichtung der Einzelhandelszentrenstruktur zentren- und nahversorgungsrelevante Sortimente in Brake prioritär dem zentralen Versorgungsbereich Innenstadt sowie in begrenztem Umfang den Nahversorgungszentren vorbehalten sein sollen und an sonstigen nicht-integrierten Standorten zentren- und nahversorgungsrelevanter Einzelhandel generell ausgeschlossen ist. Der Vorhabenbezogene Bebauungsplan ermöglicht mit seinen Festsetzungen ein Einzelhandelsgroßprojekt mit zentrenrelevantem Kernsortiment an einem Standort, der sowohl außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs und damit auch der städtebaulich integrierten Lage der Stadt Brake (Unterweser) als auch außerhalb der Nahversorgungszentren liegt. Das geplante Einzelhandelsgroßprojekt stellt überdies nachweislich einen Konkurrenzbetrieb für das bestehende Nahversorgungszentrum Weserstraße dar. Damit verstößt die Planung gegen das Integrationsgebot (Abschnitt 2.3 Ziffer 05) im LROP, das darauf abzielt, bei der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten die Funktionsfähigkeit der Innenstädte bzw. Ortsmitten/-kerne zu wahren und zu stärken. Die Stadt Brake (Unterweser) nimmt insofern für diese Planung die Anwendung der 2017 in das LROP neu eingeführten Ausnahmeregelung zum Integrationsgebot gemäß LROP 2.3 05 S. 3 in Anspruch. Die Ausnahmeregelung dient dazu, auch in den Fällen die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Drogeriewaren zu gewährleisten, in denen aus diversen Gründen Neuansiedlungen oder größere Erweiterungen von Einzelhandelsbetrieben in städtebaulich integrierten Lagen nachweislich nicht möglich sind (Abschnitt 2.3 Ziffer 95 Satz 3 LROP). Die vorliegende Bauleitplanung erfüllt indes nicht die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung, sodass der Bebauungsplan nicht mit dem Integrationsgebot gemäß Abschnitt 2.3 Ziffer 05 LROP als einem Ziel der Raumordnung vereinbar ist. 3. Ist die Untersagung nach Auffassung der Landesregierung vor dem Hintergrund sinnvoll , dass sich in den vergangenen Jahrzehnten im Umfeld des geplanten Standortes ein Angebot in allen Bereichen des periodischen und aperiodischen Bedarfs entwickelt hat? Siehe Antworten zu den Fragen 1 und 2. 4. Warum wurde die Untersagung der Änderung des Flächennutzungsplans und des vorhabenbezogenen Bebauungsplans, die im Februar sowie im Juli 2017 öffentlich ausgelegt wurden, zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen? Wie in der Vorbemerkung ausgeführt, läuft zurzeit das Anhörungsverfahren, in dem die Stadt Brake (Unterweser) zu den im Anhörungsschreiben aufgeworfenen Punkten schriftlich Stellung beziehen wird. Erst nach sachgerechter Würdigung der noch zu erstellenden schriftlichen Stellungnahme wird über eine Untersagung entschieden. Der Zeitpunkt der Anhörung ergab sich, weil das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als oberste Landesplanungsbehörde am 17. November 2017 sowie am 22. November 2017 von verschiedenen Marktteilnehmern, zum Teil vertreten durch Anwaltskanzleien, schriftlich über den am 12. Dezember 2017 geplanten Satzungsbeschluss über den Bebauungsplan informiert wurde. In den Schreiben wurden Zielverstöße gegen das LROP, insbesondere gegen die Ausnahmeregelung zum Integrationsgebot, geltend gemacht und um Prüfung der Planung gebeten. 5. Wann wurde im Landwirtschaftsministerium die Entscheidung getroffen, die Änderung des Flächennutzungsplans und des vorhabenbezogenen Bebauungsplans zu untersagen ? Siehe Antwort zu Frage 1. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/129 4 6. Wann hat sich das Landwirtschaftsministerium zum ersten Mal mit der geplanten Änderung des Flächennutzungsplans und des vorhabenbezogenen Bebauungsplans der Stadt Brake beschäftigt? Siehe Antwort zu Frage 4. 7. Hat es bezüglich der geplanten Änderung des Flächennutzungsplans und des vorhabenbezogenen Bebauungsplans der Stadt Brake im Landwirtschaftsministerium zu jedem Zeitpunkt die eindeutige Auffassung gegeben, dass diese zu untersagen sei, wenn nein, zu welchen Zeitpunkten hat es aus welchen Gründen andere Auffassungen gegeben ? Siehe Antwort zu Frage 1. (Verteilt am 10.01.2018) Drucksache 18/129 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Horst Kortlang (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Untersagung der Bauleitplanung der Stadt Brake durch das Landwirtschaftsministerium