Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1346 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) - Gewichtung der Belästigungsfaktoren Anfrage des Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke (CDU), eingegangen am 27.06.2018 - Drs. 18/1209 an die Staatskanzlei übersandt am 05.07.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 02.08.2018, gezeichnet In Vertretung Frank Doods Vorbemerkung des Abgeordneten Nach den Vorgaben der Geruchsimmissions-Richtlinie des Landes Niedersachsen vom 23. Juli 2009 hat bei der Beurteilung von Tierhaltungsanlagen eine belästigungsabhängige Gewichtung der Immissionswerte zu erfolgen. Dabei tritt die belästigungsrelevante Kenngröße IGb an die Stelle der Gesamtbelastung IG. Um die belästigungsrelevante Kenngröße IGb zu berechnen, die anschließend mit den Immissionswerten für verschiedene Nutzungsgebiete zu vergleichen ist, wird die Gesamtbelastung IG mit dem „Faktor fgesamt“ multipliziert. Durch dieses spezielle Verfahren der Ermittlung der belästigungsrelevanten Kenngröße ist sichergestellt, dass die Gewichtung der jeweiligen Tierart immer entsprechend ihrem tatsächlichen Anteil an der Geruchsbelastung erfolgt, unabhängig davon, ob die über Ausbreitungsrechnung oder Rasterbegehung ermittelte Gesamtbelastung IG größer, gleich oder auch kleiner der Summe der jeweiligen Einzelhäufigkeiten ist. Gemäß den Auslegungshinweisen zur Ziffer 4.6 der GIRL kann für Tierarten, die nicht im Rahmen des Projektes „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“ untersucht wurden, kein Gewichtungsfaktor angegeben werden. In diesem Fall ist ein Belästigungsfaktor von 1 anzugeben und zu verwenden . Der Belästigungsfaktor von 1 gilt somit für z. B. Legehennen, Mastbullen im reinen Bestand, Pferden oder der Lagerung von Silage ohne Rinderhaltung. Infolge der o. g. Regelungen wurden daher Pferde und Mastbullen in der Vergangenheit negativer als Mastschweine bewertet und die Silagelagerung an einer Biogasanlage bei gleicher Silagequalität anders als in der Milchviehhaltung . In der Studie „Erstellung von Polaritätenprofilen für das Konzept Gestank und Duft für die Tierarten Mastbullen, Pferde und Milchvieh“ der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden -Württemberg (2017) wurden die Tierarten Pferde, Mastbullen sowie Silagelagerung hinsichtlich der Belästigungswirkung untersucht. Im Ergebnis wurden die Gerüche von Pferden, Mastbullen-, Milchviehställen und Silagelagerungen als gleichwertig bewertet. Zusammenfassend ist aufgrund der durchgeführten Messungen davon auszugehen, dass sowohl Pferde und Mastbullen als auch die Silagelagerung mit dem gleichen Belästigungsfaktor (Tabelle 4 der GIRL) wie Milchvieh und Rinder zu bewerten sind. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1346 2 Vorbemerkung der Landesregierung In Baden-Württemberg und Bayern wurde 2016 und 2017 ein Projekt1 zur „Erstellung von Polaritätenprofilen für das Konzept Gestank und Duft für die Tierarten Mastbullen, Pferde und Milchvieh“ durchgeführt. Das durchgeführte Projekt hatte zum Ziel, statistisch abgesichert gemäß der Richtlinie VDI 3940 Blatt 4 erstellte Polaritätenprofile für Mastbullen und Pferde mit den Profilen des Milchviehs zu vergleichen, um die tierartspezifischen Gewichtungsfaktoren von Pferden und Mastbullen auf Plausibilität zu prüfen. Aufgrund des Projektes ergaben sich neue Erkenntnisse im Hinblick auf die tierartspezifischen Gewichtungsfaktoren für Mastbullen und Pferde. 1. Hält die Landesregierung die oben erwähnte ungleiche Gruppierung der Belästigungsfaktoren von Milchvieh-, Pferde-, Mastbullenställe und Silage für erforderlich? Die Geruchsimmissions-Richtlinie beinhaltet in ihrer aktuellen Fassung eine Tabelle mit tierartspezifischen Gewichtungsfaktoren für Mastgeflügel (Puten, Masthähnchen), Mastschweine und Sauen sowie Milchkühe mit Jungtieren. Dabei kann der tierartspezifische Gewichtungsfaktor für Milchkühe mit Jungtieren auch für Mastbullen und Mastkälber zur Anwendung kommen, sofern diese nur unwesentlich (< 50 % der Gesamttiermasse) zur Geruchsimmissionsbelastung beitragen. Die tierartspezifischen Gewichtungsfaktoren wurden aus dem Verbundprojekt „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“ der Bundesländer Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen , Nordrhein-Westfalen und Sachsen zur Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft abgeleitet . Gegenstand des Projektes war die systematische Untersuchung des Wirkungszusammenhangs zwischen Geruchsbelastung und Belästigungsreaktion der Anwohnerinnen und Anwohner in der Umgebung landwirtschaftlicher Anlagen. Dabei wurde festgestellt, dass das Belästigungspotenzial von Tierhaltungsgerüchen in Abhängigkeit von der Tierart unterschiedlich ist. In der Untersuchung wiesen die Gerüche von Mastgeflügel das größte Belästigungspotenzial auf, gefolgt von den Gerüchen aus der Schweinehaltung und der Rinderhaltung. Auf Basis der im Projekt ermittelten Expositions -Wirkungsbeziehungen wurden die tierartspezifischen Gewichtungsfaktoren in Tabelle 4 der GIRL abgeleitet. Die Silagelagerung ist in der GIRL in diesem Zusammenhang nicht explizit berücksichtigt . Im Projekt „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“ wurde Silagelagerung (Maissilage ) nur im engen räumlichen Zusammenhang mit den Stallanlagen auf der Hofstelle untersucht. Sie diente ausschließlich der Fütterung der Rinder. Der Silagegeruch konnte in diesen Fällen nicht von den Stallgerüchen unterschieden werden. Dementsprechend kann diese Art der Silage mit dem Gewichtungsfaktor für Milchkühe mit Jungtieren bewertet werden. Für Silage, die sich in größerer Entfernung und nicht mehr auf dem Hofgelände befindet, kann dieser Gewichtungsfaktor nicht zur Anwendung kommen. Für Mastbullen gibt es in Niedersachsen eine über die LAI-Fassung der GIRL hinausgehende Konkretisierung für die Anwendung des tierartspezifischen Gewichtungsfaktors. Im Einführungserlass zur GIRL vom 23.07.2009 ist die Anwendung der Faktoren so definiert, dass der tierartspezifische Gewichtungsfaktor für Milchkühe mit Jungtieren generell für Mastbullen mit Maissilagefütterung herangezogen werden kann. Entsprechend dem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz vom 11.12.2015 schließt dies eine generelle Anwendung des Faktors für Mastbullen mit Grassilagefütterung aus. Für im Projekt nicht oder nicht hinreichend untersuchte Tierarten wie z. B. Legehennen, Enten oder Pferde wurde in der GIRL kein Faktor festgelegt, da es dazu keine ausreichende Datengrundlage gab. Für diese Tierarten wird daher keine Gewichtung vorgenommen bzw. der Faktor 1 angesetzt. In der Beurteilungspraxis führt dies für die Tierarten, für die keine Expositions- Wirkunghsuntersuchungen vorliegen, wie z. B. Pferde, zu Unstimmigkeiten bei der Bewertung. Ein Beispiel dafür stellt ein Beschluss des Bayrischen VGH (Az. 15 CS 13.1910 aus 2014) dar, der eine schlechtere Bewertung der Gerüche aus Pferdehaltungen (Faktor 1) gegenüber Gerüchen der Schweinehaltung (Faktor 0,75) infrage stellt. 1 LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg: Erstellung von Polaritätenprofilen für das Konzept Gestank und Duft für die Tierarten Mastbullen, Pferde und Milchvieh. http://www4.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/272444/ (05.07.2018) Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1346 3 Vor diesem Hintergrund wurde in Baden-Württemberg und Bayern 2016 und 2017 ein Projekt zur „Erstellung von Polaritätenprofilen für das Konzept Gestank und Duft für die Tierarten Mastbullen, Pferde und Milchvieh“ durchgeführt. Die Methodik in dieser Untersuchung unterscheidet sich von der im Verbundprojekt „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“. Eine vergleichbare Untersuchung des Expositions-Wirkungszusammenhangs für Pferde war praktisch nicht möglich, da die Stallanlagen und Tierbestände in der Pferdehaltung im Verhältnis zu konventionellen Stallanlagen bei Geflügel oder Mastschweinen erheblich kleiner sind. Die kleineren Anlagengrößen führen zu im Verhältnis geringeren Emissionsmassenströmen, was zusammen mit der örtlichen Struktur dazu führt, dass im Umfeld dieser Pferdehaltungen nicht ausreichend exponierte Anwohner existieren, die für eine Wirkungsuntersuchung erforderlich sind. Das in Baden-Württemberg und Bayern durchgeführte Projekt hatte zum Ziel, statistisch abgesichert , gemäß der Richtlinie VDI 3940 Blatt 4 (Bestimmung der hedonischen Geruchswirkung; Polaritätenprofile ) erstellte Polaritätenprofile für Mastbullen und Pferde mit den Profilen des Milchviehs zu vergleichen, um die tierartspezifischen Gewichtungsfaktoren von Pferden und Mastbullen auf Plausibilität zu prüfen. Die wesentlichen Ergebnisse des Projektes sind: Mastbullengerüche weisen eine ähnliche Ausprägung bei den Polaritätenprofilen auf wie das Milchvieh . Die Profile zeigen eine starke Korrelation und auch die hedonische Bewertung beider Tierarten bestätigt diesen Zusammenhang. Pferdegerüche zeigen im Vergleich zu Milchkühen und Mastkälbern eine stärkere Korrelation zum Duft-Profil bzw. eine geringere Korrelation zum Gestank-Profil. Dies trifft auf die Gerüche aus der Pferdemistlagerung jedoch nicht zu. Die Datenbasis für die Bewertung von Silage aus dem Projekt ist nicht ausreichend. Auf Basis dieser Ergebnisse wird die nachfolgend dargestellte Anwendung der tierartspezifischen Gewichtungsfaktoren für Milchvieh-, Pferde- und Mastbullenställe sowie Silage als angemessen angesehen: - Gerüche aus der Mastbullenhaltung sollten mit einem tierartspezifischen Gewichtungsfaktor von 0,5 bewertet werden. - Pferdegerüche sollten den tierartspezifischen Gewichtungsfaktor 0,5 erhalten. Die Lagerung von Pferdemist ist durch diesen tierartspezifischen Gewichtungsfaktor nicht abgedeckt. Hier ist ein Gewichtungsfaktor von 1 heranzuziehen. - Die Datenbasis für die Bewertung von Silage aus dem Projekt ist nicht ausreichend. Für die Bewertungspraxis ist daher keine Änderung erforderlich. Dementsprechend wird die Lagerung von Maissilage auf der Hofstelle mit dem Faktor 0,5 bewertet. Für Grassilage ist ein Faktor von 1,0 vorzusehen, ebenso wie für die Silagelagerung in größerer Entfernung zur Hofstelle. Die Erkenntnisse aus dem Projekt sind in Bezug auf die Bewertung von Pferden und Mastbullen auch in den Novellierungsprozess der TA Luft eingeflossen. Die Fassung des TA-Luft-Entwurfs vom 07.04.2017, welche im Anhang 7 die GIRL enthält, beinhaltet bereits einen tierartspezifischen Gewichtungsfaktor von 0,5 für Mastbullen und Pferde. Für Pferde- und Mastbullenställe sollte zukünftig der tierartspezifische Gewichtungsfaktor von 0,5, und somit der gleiche Faktor wie für Milchvieh, zur Anwendung kommen. Bei der Silagelagerung ist die Anwendung des Faktors abhängig von der Art der Silage (Mais- oder Grassilage) und dem Ort der Lagerung. 2. Falls nein, wann will die Landesregierung die Gruppierung anpassen? Die neuen Erkenntnisse aus dem Projekt im Hinblick auf die tierartspezifischen Gewichtungsfaktoren sind bereits in den Novellierungsprozess der TA Luft eingeflossen. Mit Inkrafttreten der TA Luft werden diese neuen Erkenntnisse dann umgesetzt werden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1346 4 3. Wie begründet die Landesregierung ihr Vorgehen, wenn eine Anpassung der Gewichtung von Belästigungsfaktoren nicht vorgesehen ist? Siehe Antwort zur Frage 2. (Verteilt am 03.08.2018) Drucksache 18/1346 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) - Gewichtung der Belästigungsfaktoren