Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 1 Große Anfrage mit Antwort der Landesregierung Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Was tut die Landesregierung, um das Insektensterben zu stoppen, und wann werden Bienengifte wie Neonicotinoide verboten? Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, eingegangen am 22.02.2018 - Drs. 18/408 an die Staatskanzlei übersandt am 28.02.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Vorbemerkung der Fraktion Die Gruppe der Insekten ist so artenreich wie keine andere in der Tierwelt. 70 % aller Tierarten in Deutschland sind Insekten. Für das Biosystem Erde sind sie überlebenswichtig. Allein die Bestäubungsleistung ist unersetzbar. Rund 80 % der 2 000 bis 3 000 heimischen Nutz- und Wildpflanzen sind auf Bienen als Bestäuber angewiesen. Eine Studie des Nationalen Institutes für Agrarforschung (INRA) und des Zentrums für Wissenschaftliche Forschung (CNRS) aus Frankreich sowie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) beziffert den ökonomischen Nutzen durch diese Bestäuber auf etwa 150 Milliarden Euro pro Jahr. Das entspricht knapp einem Zehntel des Gesamtwerts der Weltnahrungsmittelproduktion. Die Wissenschaftler schätzten außerdem die Schäden , die durch das Fehlen von bestäubenden Insekten entstehen würden, auf 190 bis 310 Milliarden Euro pro Jahr. Der volkswirtschaftliche Nutzen der Bestäubungsleistung übersteigt den Wert der Honigproduktion um das 10- bis 15-Fache. Allein in Deutschland wird er auf mehrere Milliarden Euro geschätzt. Eine Vielzahl von Studien zeigt nun einen dramatischen Rückgang der Insektenpopulation in Europa . Öffentliche Aufmerksamkeit erhielt eine Studie des Entomologischen Vereins Krefeld, die den Insektenschwund in Deutschland seit der Wende 1989 dokumentiert. Demnach ist die Insekten-Biomasse in den letzten drei Jahrzehnten um über 70 % geschrumpft. Eine im Wissenschaftsjournal PLoS One veröffentlichte Studie vom 18.10.2017 zu massivem Insektenschwund selbst in Naturschutzgebieten („More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas“) bestätigt den Insektenschwund in Deutschland an über 60 Standorten: „Der Rückgang bei Fluginsekten in Schutzgebieten wurde als Trend über alle untersuchten Standorte hinweg erkannt. Dieser Verlust ist nicht spezifisch für bestimmte Biotoptypen, er betrifft vielmehr das ganze Offenland. Die ermittelten Biomasseverluste betragen für die Sommerperiode 81,6 % (79,7 bis 83,4 %) und für die Vegetationsperiode von April bis Oktober 76,7 % (74,8 bis 78,5 %). Die Verluste in der Sommerperiode sind höher, da die Insektenbiomasse in diesen Monaten am höchsten ist. Die Ergebnisse bestätigen auch, dass die bekannten Rückgänge von Artengruppen wie Schmetterlingen , Wildbienen und Nachtfaltern einhergehen mit den drastischen Biomasseverlusten bei Fluginsekten . Dies betrifft nicht nur seltene und gefährdete Arten, sondern die gesamte Welt der Insekten .“ Dave Goulson, Co-Autor der Studie an der britischen Sussex University, zeigte sich beunruhigt über diese Entwicklungen: „Insekten machen etwa zwei Drittel allen Lebens auf der Erde aus. Wie es scheint, machen wir große Landstriche unbewohnbar für die meisten Formen des Lebens und befinden uns gegenwärtig auf dem Kurs zu einem ökologischen Armageddon. Bei dem derzeit eingeschlagenen Weg werden unsere Enkel eine hochgradig verarmte Welt erben.“ Als Bedrohung für Insekten werden sowohl der Lebensraumverlust als auch Insektengifte wie die Gruppe der Neonicotinoide genannt. Führende Wissenschaftler wie der Neurobiologe Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 2 Prof. Dr. Randolf Menzel von der FU Berlin halten sie wegen ihrer sublethalen Wirkung für besonders bienengefährlich: „Bei den Bienen, die mit Neonics belastete Futterstellen besucht hatten, fanden viele nicht zum Stock zurück, und bei denen, die es schafften, war der Heimflug signifikant länger . Sie konnten offenbar ihr Landschaftsgedächtnis nicht mehr ausreichend nutzen. Im Labor haben wir dann getestet, wie gut sich Bienen an bestimmte Düfte erinnern. Wurden sie zuvor mit den Neonicotinoiden Clothianidin oder Thiacloprid oder dem im Handel käuflichen Pflanzenschutzmittel Calypso, das Thiacloprid enthält, gefüttert, war nicht nur die Gedächtnisbildung, sondern auch der Gedächtnisabruf sehr viel schlechter.“ Insekten haben einen Gehirnbereich, den Pilzkörper, der ihr komplexes Verhalten steuert. Hier sitzen auch die Eingänge der Sinnesorgane. Zur Übertragung sind Moleküle im Einsatz, deren Funktion Neonicotinoide stören. Bei höheren Dosen ist dies tödlich, bei sehr niedrigen Dosen beeinträchtigt dies die Gehirnprozesse. Wahrnehmen, Lernen, Erinnern, Orientieren, Navigieren, Kommunizieren - all dies funktioniert nicht mehr richtig. Daneben stören Neonics das Immunsystem der Insekten, die Entwicklung von Larven, den Energiestoffwechsel und wirken sogar auf das Erscheinungsbild der Gene. Übrigens nimmt die Pflanze aus dem gebeizten Samen nur 2 bis 20 % des Insektizids auf, die übrigen 80 bis 98 % belasten Böden und Gewässer - und damit die dort lebende Tierwelt. Und sie reichern sich dort über Jahre an. Wenn die Pflanzen gespritzt werden, ist die Situation ähnlich negativ. Nach Prof. Menzel sind die europäischen Prüfvorgaben für die Zulassung von Pestiziden nicht auf dem neuesten Stand der Wissenschaft, daher werden Garten-Spritzmittel mit Neonicotinoiden immer noch als „nicht bienengefährlich“ gekennzeichnet. Prof Menzel führt dazu aus: „Dabei wird nämlich nur die Sterberate festgestellt (LD50) und nicht die nicht tödlichen Effekte. Die Hersteller nutzen zudem oft Studien mit fragwürdiger Methodik. Unsere Versuche mit Honigbienen haben gezeigt , dass die Gifte bereits in viel geringerer Dosis eine fatale Wirkung entfalten. Selbst bei korrekter Anwendung nach Herstellerempfehlung ist die Giftdosis so hoch, dass sie Bienen töten kann. Dass sich ausgerechnet Deutschland als Sitz des Hauptherstellers Bayer mit einem Verbot von Neonicotinoiden schwertut, ist nicht weiter verwunderlich. Frankreich hat ein Zeichen gesetzt und den Einsatz von Neonicotinoiden ab 2018 unter strengste Kontrolle gesetzt. Ihr Einsatz ist dann nur noch möglich, wenn ein massiver Schädlingsbefall nachgewiesen ist. Ein vorbeugender Einsatz ist dann immer verboten. Darüber hinaus haben französische Wissenschaftler ermittelt, dass der um 80 % reduzierte Einsatz von Neonicotinoiden bei 80 % der Betreiber zu keinen negativen ökonomischen Auswirkungen geführt hat.“ (Quelle: https://baden-wuerttemberg.nabu.de/tiere-und-pflan zen/insekten-und-spinnen/insektensterben/23739.html). Der Rückgang der Insekten hat weitreichende Folgen für unsere Böden, die Bestäubung und das gesamte Ökosystem. Nach Angaben der EU ist die Zahl der Vögel in Deutschland und Europa drastisch gesunken. Vogelarten, die in Agrarlandschaften leben, sind besonders betroffen. Die Zahl der Brutpaare in landwirtschaftlichen Gebieten ist in der EU zwischen 1980 und 2010 um 300 Millionen zurückgegangen. Das entspricht einem Verlust von 57 %. Die Nationale Biodiversitätsstrategie verfolgt das Ziel, den Artenschwund bis zum Jahr 2020 zu stoppen. Bislang ist allerdings nicht erkennbar, wie dies erreicht werden soll. Vorbemerkung der Landesregierung Die biologische Vielfalt wird ganz wesentlich (ca. 70 %) von der Insektenvielfalt gebildet. In Deutschland leben über 33 000 Insektenarten, aber weniger als 1 000 Wirbeltierarten (Vögel, Säugetiere , Fische, Reptilien, Amphibien). Dies zeigt gleichzeitig auch, dass Insekten für unsere Ökosysteme von zentraler Bedeutung sind (z. B. Nahrungskette, Bestäubung, Nährstoffkreisläufe (Abbau von organischem Material und Bodenbildung), Gewässerreinigung, biologische Schädlingskontrolle ). Verschiedene Studien in Deutschland zeigen teilweise dramatische Rückgänge in der Insektenbiomasse von bis zu 80 %. Dieses Phänomen ist sowohl in der „Normallandschaft“ als auch in Schutzgebieten festzustellen. Der Insektenrückgang bedeutet sicherlich nicht nur einen großen Verlust an Biodiversität, sondern ist auch für die von den Insekten erbrachte Ökosystemleistung entscheidend. Weltweit werden Blütenpflanzen einschließlich Nutzpflanzen zu über 80 % von In- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 3 sekten bestäubt. Neben dieser Bestäubungsleistung (z. B. Obst-, Gemüse- und Ackeranbau) haben Insekten auch in der Bodenökologie (Humusbildung) für den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit eine sehr entscheidende Funktion. Nicht zuletzt bilden gerade die Insekten und andere Gliederfüßer sowie Reptilien und Amphibien die fundamentale Nahrungsbasis besonders für Vögel und Fledermäuse . Der Insektenrückgang von Arten und Individuen wirkt sich zeitverzögert negativ auf nachgelagerte Stufen der Nahrungskette (Kaskaden-Effekt) aus, was auch heute schon insbesondere durch Bestandsrückgänge und z. T. -einbrüche bei den Vögeln festzustellen ist. Erstmals wurde 2017 eine großangelegte Insektenstudie des Entomologischen Vereins Krefeld (Hallmann et al., 2017: More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas) in der Fachzeitschrift PloS ONE publiziert, welche über knapp drei Jahrzehnte Insektenbiomassen vergleicht, drastische Rückgänge feststellt und dadurch großes öffentliches Interesse erregte. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen in Deutschland haben sich mit bestimmten Insektengruppen beschäftigt, wobei der Fokus dabei häufig auf ausgewählten Artengemeinschaften und Lebensraumtypen lag. Feststellen lässt sich, dass mit Blick auf Veränderungen im Auftreten und in der Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften Insekten bisher nur sporadisch Gegenstand langfristiger Untersuchungen waren. Zu dieser Situation kommt erschwerend hinzu, dass viele Insektenarten nur aufwendig bestimmbar und Experten und Expertinnen rar sind. Innerhalb der Europäischen Union sind die Mitgliedsstaaten durch die beiden Naturschutzrichtlinien (FFH-Richtlinie 92/43/EWG und EU-Vogelschutzrichtlinie 79/409 EWG) verpflichtet, regelmäßig Auskunft über den Erhaltungszustand bestimmter Arten und Lebensraumtypen zu geben. Unter den zu beobachtenden und damit regelmäßig zu erhebenden Arten befinden sich jedoch nur wenige aus der Gruppe der Insekten. Diese sind zudem in Niedersachsen selten und meist nur punktuell verbreitet (z. B. Eremit, Heldbock, Vogelazurjungfer, Spanische Flagge), sodass sich über das Monitoring dieser Arten keine Aussagen und Schlüsse zum allgemeinen Rückgang von Insekten generieren lassen. Derzeit wird in Zusammenarbeit von Bund und Ländern unter Mitwirkung Niedersachsens versucht, die immense Wissens- und Datenlücke mittels eines neu zu konzipierenden Monitorings zu schließen : Der Bund erarbeitet im Zuge dessen bis Frühjahr 2019 einen Methoden-Leitfaden zur standardisierten Erfassung von Insekten in Deutschland. Ein bundeseinheitliches, systematisch und langfristig angelegtes Monitoring soll eine Vergleichbarkeit der ermittelten Ergebnisse gewährleisten mit dem Ziel, Schlussfolgerungen über mögliche Rückgangsursachen zu ermöglichen. Aus diesen Erkenntnissen können - und sollen auch in Niedersachsen - zielgerichtete Maßnahmen zur besseren Förderung der Insektendiversität erarbeitet und umgesetzt werden. Die für den Insektenrückgang verantwortlichen Ursachen sind nach derzeitigem Kenntnisstand vielfältig und komplex. Aus den bisher bekannt gewordenen Ergebnissen kann angenommen werden, dass zwei Faktorenkomplexe als entscheidend für den Insektenrückgang angesehen werden, erstens der Verlust an Lebensräumen und zweitens die qualitative Verschlechterung von Insekten- Lebensräumen. Es bedarf dringend weitergehender wissenschaftlicher Untersuchungen, welche Faktoren innerhalb dieser beiden Komplexe maßgeblich für die beobachteten Rückgänge sind. Aber schon die heutige Erkenntnislage über den Insektenrückgang zwingt auch ohne abschließende Ursachenermittlung zum sofortigen Handeln. Das Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutzhat bereits im letzten Jahr einen Arbeitskreis bestehend aus Expertinnen und Experten einschlägiger wissenschaftlicher Einrichtungen gegründet und das Thema „Insektensterben“ umfassend thematisiert. Mit daraus gewonnenen Erkenntnissen hat Niedersachsen über die Umweltministerkonferenz (UMK) erfolgreich den Bund aufgefordert, den o. g. Leitfaden zum Insektenmonitoring zu erarbeiten. Über diese Länderinitiative wird der Bund ebenfalls aufgefordert, sich für strengere Zulassungsverfahren von Pestiziden in Deutschland und der EU einzusetzen. Ferner wird zur Umsetzung von Insekten- und Biodiversitätsschutzmaßnahmen eine bessere Finanzausstattung der Länder durch den Bund gefordert. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 4 Darüber hinaus hat Niedersachsen den Bund im Rahmen der UMK aufgefordert, ein umsetzungsfähiges Konzept zum Aufbau eines wissenschaftlichen Monitoringzentrums zur Biodiversität sowie ein „Bundes-Aktionsprogramm Insektenschutz“ zu erarbeiten. Die Landesregierung wird ein Aktionsprogramm für den Erhalt der Insektenfauna innerhalb eines Jahres erarbeiten. In Vorbereitung befindet sich aktuell ferner eine an Kommunen gerichtete Kampagne zur Sicherung, Rückgewinnung und Gestaltung insektenfreundlicher öffentlicher Flächen (z. B. Wegraine). Hier befinden sich in Niedersachsen große Flächenpotenziale, welche gleich mehrere wichtige Funktionen erfüllen: Wegraine sind Lebens- und Rückzugsräume und zugleich Verbindungselemente zur Vernetzung von Biotopen. Den Städten und Gemeinden in ganz Niedersachsen kommt für die Umsetzung eine Schlüsselrolle zu. Ferner sollen „Best-Practice“-Beispiele zusammengestellt werden, damit diese in der Folge ideengebend im ganzen Land vermehrt umgesetzt werden können. Einen wesentlichen Beitrag zur Förderung von Insekten können und müssen auch die über den ELER programmierten Agrarumweltmaßnahmen (AUM) leisten. In der laufenden Förderperiode werden mit Unterstützung der EU über 17 000 ha ein- und mehrjährige Blühstreifen und -flächen gefördert, die sich auch positiv auf Insekten auswirken sollten. Darüber hinaus werden im Rahmen der AUM weitere spezielle Artenschutzmaßnahmen für hochgradig bedrohte Ackerwildkräuter, Vogel - und Säugetierarten angeboten, die aufgrund ihrer Ausgestaltung (u. a. kein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und eingeschränkte Düngung) förderlich für Insekten sind. Gleiches gilt für den Ökolandbau, der inzwischen auf über 90 000 ha betrieben wird. Ziel wird es sein, auf der Basis des aktuellen Wissenstandes die bestehenden Agrarumweltmaßnahmen mit Blick auf die neue Förderperiode im Sinne des Insektenschutzes und zum Erhalt der Biodiversität zu verbessern und weiter zu optimieren. Auch im investiven Bereich schafft Niedersachsen durch verschiedene Maßnahmen insektenfreundliche Bedingungen. Flächenkäufe im Rahmen noch laufender und geplanter LIFE-Projekte (z. B. für Wiesenvögel und atlantische Sandlandschaften) schaffen in Verbindung mit gezielten Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen die Voraussetzung für eine reichhaltige Insektenfauna. Die Landesregierung nimmt insofern das zu beobachtende Phänomen des Insektensterbens sehr ernst, nimmt die notwendige Ursachenforschung in Angriff und wird auf Basis der neuen Erkenntnisse ein sowohl kurz- als auch langfristig greifendes Maßnahmenprogramm gegen das Insektensterben und für den Erhalt der biologischen Vielfalt erarbeiten und konsequent in die Umsetzung bringen. Dies vorangestellt, beantwortet die Landesregierung die Große Anfrage wie folgt: I. Monitoring und Stand des Wissens 1. Wie wird die Entwicklung der Insektenbestände in Niedersachsen erfasst? Die landesweite kontinuierliche Entwicklung von Insektenarten oder -artengruppen in Niedersachsen wird weder vom Land selbst noch von anderen Stellen systematisch erfasst. In eingeschränkter Weise wurden und werden Erfassungen zu verschiedenen, jeweils spezifischen Fragestellungen durchgeführt. Die meisten Erfassungen sind jedoch räumlich und zeitlich begrenzt und erlauben daher nur sehr eingeschränkt Aussagen zu (insbesondere langfristigen) Entwicklungen. Ein Überblick über die in Niedersachsen vorkommenden Insektenarten lässt sich durch die Auswertung des Niedersächsischen Tierarten-Erfassungsprogramms, das es seit 1977 gibt, erreichen. Das Programm beruht auf den Meldungen ehrenamtlicher und professioneller Artkartierer. Es liefert allgemeine Kenntnisse über die in Niedersachsen vorkommenden Arten und erlaubt für viele Arten eine Einordnung in qualitative Kategorien wie „häufig“ oder „selten“. 2. Gibt es eine belastbare Datenbasis zur Entwicklung der Insektenbestände in Niedersachsen ? Nein, bisher nicht (siehe dazu Frage 1). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 5 3. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Entwicklung der Artenzahlen, Individuenzahlen und Gesamtmasse der Insektenbestände in Niedersachsen in den letzten 30 Jahren? Für viele Insektengruppen ist die Zahl der in Niedersachsen vorkommenden Arten noch nicht bekannt . Der Landesregierung liegen deshalb keine Kenntnisse über die Entwicklung der Artenzahlen vor. Aussagen zu Individuenzahlen und zur Gesamtmasse der Insektenbestände sind nicht möglich (s. auch Antwort zu Frage 1). 4. Ist in den Indikatoren der niedersächsischen Nachhaltigkeitsstrategie ein Indikator zur Entwicklung der Insektenbestände enthalten? Die niedersächsische Nachhaltigkeitsstrategie enthält keinen Indikator zur Entwicklung der Insektenbestände . Nach Recherchen des Landesamtes für Statistik liegen derzeit noch keine geeigneten oder regelmäßig verfügbaren bundeseinheitlichen Daten zum Sachverhalt vor, die Voraussetzung für die Entwicklung eines entsprechenden Indikators sind. Das Bundesamt für Naturschutz hat angekündigt , erstmals eine systematische und flächendeckende Messung der Insektenbestände aufbauen zu wollen. 5. Was erwartet die Landesregierung bezüglich der zukünftigen Entwicklung der Insektenbestände ? Die Insekten sind die artenreichste Klasse an Organismen und machen überschlägig 70 % aller Tierarten in Deutschland aus. Gleichzeitig sind sie die Gruppe mit den vielseitigsten ökologischen Ansprüchen und Leistungen. Die Zahl der Querverbindungen zwischen den verschiedenen Mitgliedern der Gruppe selbst, aber auch zu allen anderen biotischen und abiotischen Elementen der Biosphäre ist nicht überschaubar. Die Insekten insgesamt werden - wie schon bisher - auf alle natürlichen und anthropogenen Veränderungen von Natur und Landschaft rasch und differenziert reagieren . Das äußert sich z. B. durch die Zunahme mancher Arten und die Abnahme anderer Arten. Insofern ist die zukünftige Entwicklung der Insektenbestände im Detail kaum prognostizierbar. 6. Warum sind die Insektenbestände auch in Naturschutzgebieten eingebrochen? Naturschutzgebiete sind rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen zum Schutz von Natur und Landschaft bestimmte menschliche Aktivitäten geregelt sind. Die getroffenen Regelungen dienen der Erreichung der in der Verordnung genannten Schutzziele. Darüber hinaus sind Naturschutzgebiete jedoch ganz „normale“ Teile der Biosphäre und von allen großräumigen Entwicklungen mitbetroffen. Weil in Naturschutzgebieten bestimmte Handlungen, die für Insekten nachteilig sind, nicht durchgeführt werden dürfen, sind die Ursachen für das Einbrechen der Insektenbestände auch außerhalb dieser Gebiete zu suchen. 7. Welche Schlüsselarten sind für die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme besonders wichtig? Insekten haben in allen Ökosystemen Niedersachsens diverse Funktionen, etwa als Konsumenten von Pflanzenmaterial oder als Nahrung für z. B. Vögel. Alle diese Funktionen sind für die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme wichtig, und die Übernahme einer dieser Funktionen kann eine Art als Schlüsselart definieren. In der Öffentlichkeit wird die Funktion der Insekten als Bestäuber von Blüten - etwa von wirtschaftlich bedeutsamen Pflanzen - besonders wahrgenommen. Diese „Aufgabe“ wird besonders von Hautflüglern, z. B. Wildbienen, wahrgenommen, in geringerem Umfang von Fliegen, Käfern und Schmetterlingen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 6 8. Gibt es eine belastbare Datenbasis zur Entwicklung der Bestände dieser Schlüsselarten in Niedersachsen? Nein, bisher nicht (siehe auch die Antworten zu Fragen 1, 2 und 7). 9. Welche Studien zu den Ursachen des Insektensterbens sind der Landesregierung bekannt , und zu welchen Ergebnissen kamen diese? Obwohl von herausragender Bedeutung, gibt es zum Rückgang bisher nur sehr wenige Langzeitstudien , welche deskriptiv den Rückgang in der Biomasse und in den Individuenzahlen bei Insekten in der bundesdeutschen und niedersächsischen Insektenfauna belegen. Dabei handelt es sich u. a. um folgende Studien: 1. Hallmann et al. (2017): More than 75 % decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. PLOS ONE 2. Schwenninger, H. & Scheuchl, E. (2016): Rückgang von Wildbienen, mögliche Ursachen und Gegenmaßnahmen (Hymenoptera, Anthophila). - Mitteilungen des Entomologischen Vereins Stuttgart 51 (1): 21-23. 3. Habel et al. (2015): Butterfly community shifts over 2 centuries. - Conservation Biology 30 (4) 2016: 754-762. DOI: 10.1111/cobi.12656. 4. Wesche et al. (2014): Diversitätsverluste und faunistischer Wandel in ausgewählten Insektengruppen des Grünlands seit 1950. Natur und Landschaft 89: 417-421. 5. Wenzel et al. (2006): The severe decline of butterflies on western German calcareous grasslands during the last 30 years: A conservation problem. Biological Conservation 128: 542-552 6. Biesmeijer et al. (2006): Parallel Declines in Pollinators and Insect-Pollinated Plants in Britain and the Netherlands. Science 313: 351-354 7. Schuch et al. (2012): Long-term decline in the abundance of leafhoppers and planthoppers (Auchenorrhyncha) in Central European protected dry grasslands. Biological Conservation 149 (1):75-83. 8. Schuch et al. (2012): Long-term population trends in three grassland insect groups: a comparative analysis of 1951 and 2009. Journal of Applied Entomology 135(5):321-331 9. Maes et al. (2001): Butterfly diversity loss in Flanders (north Belgium): Europe’s worst case scenario? Biological Conservation 99: 263-276 Nach diesen Studien ist grundsätzlich anzunehmen, dass es Lebensraumveränderungen im weitesten Sinne sein dürften, die zu Veränderungen im Auftreten von Arten und in der Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften führen. Lebensraumveränderungen sind durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt, angefangen von einer veränderten Bewirtschaftungspraxis landwirtschaftlicher Nutzflächen bis hin zu strukturellen Veränderungen (z. B. Flächenversiegelung, Verlust an bestimmten Biotopstrukturen ). Die o. g. sowie weitere Studien zeigen in Summe einen deutlichen Insektenrückgang sowohl in Biomasse als auch in der Individuenzahl. Die Diversität (Artenvielfalt) zeigt ein uneinheitliches Bild, generell werden jedoch die Artengemeinschaften einheitlicher, und spezialisierte Arten nehmen ab. 10. Vor dem Hintergrund, dass das Umweltministerium 2017 ein Fachgespräch zum Insektensterben durchgeführt hat: Zu welchen Ergebnissen hat die Beratung der Wissenschaftler und Praktiker geführt, und was hat die Umweltministerkonferenz dazu beschlossen ? Im Jahr 2017 fanden im Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz zwei Fachgespräche zum Thema Insektenrückgang statt. Die Diskussionsschwerpunkte der Fachgespräche lagen auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Insektenrückgang und wie ein Insektenmonitoring konzipiert werden müsse, um repräsentative Datensätze zu erhalten. Der Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 7 Expertenkreis war sich darüber einig, dass die Datengrundlage zu Insekten auf Bundes- und Landesebene als unzureichend zu klassifizieren ist, wobei der dramatische Insektenrückgang in der Landschaft nicht infrage gestellt wurde. Es bestand große Einigkeit darin, ein Insektenmonitoring nach bundesweit einheitlicher Methodik umzusetzen, um Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu erzielen . Auf der Umweltministerkonferenz (UMK) im November 2017 wurde die Bundesregierung um Bericht zu laufenden Untersuchungen und den aktuellen Kenntnisstand über das Insektensterben unter besonderer Berücksichtigung einiger Insektizide gebeten. Ferner wurde darum gebeten, dass die Bundesregierung beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) einen Methodenleitfaden für ein Insektenmonitoring beauftragt sowie ein nationales Monitoringprogramm für die Erfassung der Insektenfauna in Deutschland installiert und gleichzeitig die Ursachen für den Insektenrückgang erforscht. Zudem sollen erste Ad-hoc-Maßnahmen zur Förderung der Insektenvielfalt und -biomasse erarbeitet werden. Die UMK hält ein faktorenbezogenes Monitoring für erforderlich, um belastbare Hinweise auf die Hauptrückgangsursachen zu bekommen. Ausdrücklich hält die UMK die konsequente Anwendung und Kontrolle des geltenden Rechts im Vollzug der Richtlinie 2009/128/EG Anhang III des Aktionsrahmens über die nachhaltige Nutzung von Pestiziden (§ 3 Abs. 1 S. 1 PflSchG) für erforderlich. 11. Inwiefern plant die Landesregierung, diese Beratungen mit Experten fortzuführen? Die Landesregierung setzt die Arbeit mit dem im Jahr 2017 gegründeten Arbeitskreis „Insekten“ anlassbezogen fort. Im Zuge der anstehenden Entwicklung und Ausgestaltung des niedersächsischen Insekten-Monitoringprogramms wird die Expertise des Gremiums wieder einbezogen. 12. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Entwicklung der Artenzahlen, Individuenzahlen und Gesamtmasse speziell von Bienen und Hummeln in Niedersachsen in den letzten 30 Jahren? Zu (Wild-) Bienen und Hummeln liegen lediglich nicht-systematische Kenntnisse zum Vorkommen diverser Arten vor. Aussagen zu Individuenzahlen und zur Gesamtmasse der Insektenbestände sind nicht möglich (s. auch Antwort zu Frage 1). 13. Welche heimischen Bienen-, Wespen- und Hummelarten gibt es in Niedersachsen bzw. sind bereits ausgestorben? In Niedersachsen wurden bislang 341 Wildbienenarten nachgewiesen. Laut Roter Liste (Stand 2002) sind davon 46 Arten ausgestorben oder verschollen. Hummeln (Gattung Bombus) gehören zu den Wildbienen. Von den 21 niedersächsischen Hummelarten sind 3 ausgestorben oder verschollen . „Wespen“ sind eine sehr große und - zoologisch gesehen - uneinheitliche Tiergruppe. Zu den „Wespen“ gehören u. a. Faltenwespen, Goldwespen, Schlupfwespen, Blattwespen usw. Über diese zahlreichen Wespenarten Niedersachsens liegen keine systematischen Informationen vor. 14. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, um einen rechtlichen Schutzstatus der Honigbiene zu erreichen? Die Honigbiene ist ein klassisches (landwirtschaftliches) Nutztier, weil es im Vergleich z. B. zu den Wildbienen vom Menschen wirtschaftlich genutzt wird. Die Bundesartenschutzverordnung gilt ausdrücklich nicht für domestizierte Arten. Man kann davon ausgehen, dass es sich bei wildlebenden Honigbienenvölkern um entflogene/geschwärmte Völker von Imkern handelt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 8 15. Plant die Landesregierung, die heimische Dunkle Honigbiene („Heidebiene“), die für die Bestäubung bestimmter heimischer Pflanzen unersetzlich ist, als vom Aussterben bedrohte Nutztierart anzuerkennen? Bei der sogenannten „Dunklen Honigbiene“ („Heidebiene“) muss berücksichtigt werden, dass es eben nicht nur die eine Dunkle Biene gibt. Von der Dunklen Biene existierten in Europa zumindest noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts über 100 Unterrassen. In der Norddeutschen Region war die ‘Haidbiene’ bzw. Heidebiene (Apis mellifera mellifera lehzeni) vorherrschend. Die heute verbreitete genetische Variante, die als „Dunkle Biene“ bezeichnet wird, entspricht nicht der ursprünglich in der hiesigen Region beheimateten Biene. Die Honigbienenart Apis mellifera ist nicht vom Aussterben bedroht, solange Imker Bienenvölker führen und vor allem die Varroamilbe bekämpfen. 16. Welcher Anteil der heimischen Insektenarten ist als gefährdet eingestuft? 1 432 Insektenarten sind in eine Gefährdungskategorie der Roten Listen Niedersachsens eingestuft . Derzeit gibt es für 11 Insektengruppen des Landes Niedersachsen Rote Listen, die insgesamt 3 536 Insektenarten betrachten. Die Gesamtzahl der Arten in Niedersachsen ist nicht bekannt. 17. Wie viele heimische Insektenarten stehen auf der Roten Liste des Landes Niedersachsen ? Siehe Antwort zu Frage 16. 18. Für welchen Anteil der Insektenarten auf der Roten Liste wird eine weitere Verschlechterung der Bestandsentwicklung erwartet? Hierzu liegen keine Kenntnisse vor. 19. Wann wurden die Roten Listen für heimische Insektenarten zuletzt aktualisiert? Die derzeit elf Roten Listen für Insektengruppen Niedersachsens wurden zuletzt zwischen 1996 und 2010 aktualisiert. 20. In welchem Turnus werden die Roten Listen für Insektenarten aktualisiert? Es wird generell angestrebt, die Roten Listen etwa alle zehn Jahre zu aktualisieren. Verschiedene Faktoren, von erhöhten Anforderungen an die Ausgestaltung der Roten Listen bis zur Verfügbarkeit von Spezialisten, können diese Zeitplanung beeinflussen. Derzeit ist nur eine der elf Roten Listen für Insektengruppen Niedersachsens und Bremens weniger als zehn Jahre alt (Libellen). 21. Welche Auswirkungen hat das Insektensterben auf die Ökosysteme? Insekten kommen in allen Ökosystemen Niedersachsens vor und füllen extrem unterschiedliche Nischen aus (siehe Antworten zu Fragen 5 und 7). Alle diese Funktionen sind für die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme wichtig. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Insektensterben zu Verschiebungen im Artenspektrum mit Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme führt. Über Art und Ausmaß liegen keine Kenntnisse vor. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 9 22. Welche wissenschaftlichen Vorhaben zur Erfassung der Artenvielfalt von Insekten unterstützt die Landesregierung? Derzeit werden keine wissenschaftlichen Vorhaben zur Erfassung der Insektenbiodiversität mit Landesmitteln unterstützt. 23. Welche wissenschaftlichen Vorhaben zu den Ursachen des Insektensterbens unterstützt die Landesregierung? Im Kontext des Insektensterbens hat die Landesregierung im Zeitraum 2009 bis 2013 eine Studie zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Schadinsekten und Nützlinge im Freilandgemüseanbau finanziert. 24. Welche wissenschaftlichen Vorhaben zu Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt von Insekten unterstützt die Landesregierung? Titel des Vorhabens Einrichtung Laufzeit Höhe der Landesbeteiligung in Euro Förderung des vorbeugenden biologischen Pflanzenschutzes durch Optimierung der funktionalen Biodiversität (im Rahmen des Kompetenznetzwerks „Wertschöpfungskette Gartenbau“) Leibniz Universität Hannover 2011-2015 700.000 Entwicklung innovativer Verfahren für die Anlage multifunktionaler extensiver Dachbegrünung Hochschule Osnabrück 2016-2019 122.200 Optimierung von Verfahren zur Anlage mehrjähriger Blühstreifen mit heimischen Wildpflanzen und Entwicklung standortangepasster Samenmischungen unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen des Ökolandbaus Hochschule Osnabrück 2015-2016 62.000 Optimierung von Verfahren zur Anlage mehrjähriger Blühstreifen mit gebietsheimischen Wildpflanzen Hochschule Osnabrück 2017-2020 140.000 Forschungsprofessur: UrbanRest - Bedeutung naturnaher Begrünungsverfahren für die Renaturierung urban-industrieller Lebensräume Hochschule Osnabrück 2013-2016 300.000 Kooperation mit dem Grünflächenamt der Stadt Braunschweig zur Förderung von Wildbienen in der Stadt Braunschweig im Rahmen des Biodiversitätsprogramms „Förderung der biologischen Vielfalt in der Stadt Braunschweig“ des Umweltministeriums TU Braunschweig 2018-2022 2,75 Mio. II. Ursachen 25. Inwiefern sieht die Landesregierung Ursachen des Artenschwunds in der Intensivierung der Landwirtschaft? Der Rückgang von Insekten, u. a. die Bedrohung zahlreicher Wildbienenarten (in Niedersachsen sind ca. 60 % bedroht), ist ein seit vielen Jahren andauernder Prozess. Dessen Ursachen sind vielfältig und wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt. Unter anderem durch die Intensivierung der Landwirtschaft wurde der Lebensraum auch für Insekten verändert und weniger vielfältig, z. B. durch eine Verminderung von Nährpflanzen. Hervorzuheben sind daneben der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und der Verlust potenzieller Habitate und/oder deren Isolierung beziehungsweise das Verschwinden von Landschaftselementen (Hecken, Feldraine, Gehölze). Weitere Ursachen liegen offenbar in Luftverschmutzung, Lichtsmog, Versiegelung von Flächen und Klimawandel, vgl. Fragen 1, 12, 13 und 16. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 10 26. Inwiefern sieht die Landesregierung einen Zusammenhang zwischen dem Artenschwund und der Veränderung von Landschaftsstrukturen? Insbesondere die fortschreitende Versiegelung der Böden und Verluste an artenspezifischen Lebensräumen führen offenbar zur Reduzierung der Biodiversität. 27. Wie hat sich der Anteil von naturschutzrechtlich geschützten Gebieten an der niedersächsischen Landesfläche in den letzten 30 Jahren entwickelt? Im Rahmen der Landesweiten Schutzgebietsdokumentation wird im NLWKN seit 1981 die Entwicklung des prozentualen Flächenanteils von Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten sowie der naturschutzrechtlich streng geschützten Gebiete (Naturschutzgebiete sowie ausgewählte Teilflächen von Nationalparken und Biosphärenreservaten) dokumentiert. Seit 1981 hat sich der Anteil der „Streng geschützten Gebiete“ in Niedersachsen kontinuierlich erhöht und liegt nunmehr bei 9,2 % der Gesamtfläche Niedersachsens (rund 492 000 ha). Zuzüglich der im Zuge der Sicherung von Natura 2000 bisher ausgewiesenen Landschaftsschutzgebiete, die also einen Schutzzweck haben, der sich auf Lebensstätten und Lebensräume bestimmter Tier- und Pflanzenarten bezieht (61 Gebiete, rund 238.000 ha, 4,46 % der Landesfläche), erhöht sich der Wert insgesamt auf aktuell rund 730 000 ha und 13,7 % der Landesfläche einschließlich der 12-Seemeilen -Zone (Stand 03/2018). Mit Stand vom 31.12.2017 verfügt Niedersachsen über eine Gesamtfläche an Landschaftsschutzgebieten (LSG) von 1 029 625 ha, wobei LSG mit räumlichen Überlagerungen von Naturschutzgebieten nicht berücksichtigt sind (ca. 19,3 % der Landesfläche). Da Landschaftsschutzgebiete außerhalb von Natura 2000 vorwiegend dem Schutz des Landschaftsbildes dienen und die Verordnungen i. d. R. keine relevanten Auflagen für die Land- und Forstwirtschaft enthalten, sind sie bei der Auswertung zu „streng geschützten Gebieten“ nicht einbezogen worden. Nicht einbezogen worden sind außerdem Naturdenkmale flächenhafter Ausdehnung (ND) sowie gesetzlich geschützte Landschaftsbestandteile (GLB), deren Anteil an der Landesfläche bei weniger als 0,1 % liegt. Viele dieser Schutzobjekte und geschützten Biotope liegen innerhalb streng geschützter Gebiete. 28. Wie hat sich der Anteil der für Verkehrsinfrastruktur genutzten Fläche in Niedersachsen in den letzten 30 Jahren entwickelt? Zum Stichtag 01.01.1987 betrug die Gesamtlänge der Straßen des überörtlichen Verkehrs in Niedersachsen 27.947 km. Davon entfielen auf Bundesautobahnen 1 129 km, auf Bundesstraßen 4 953 km, auf Landesstraßen 8 724 km und auf Kreisstraßen 13 141 km. Zum Stichtag 01.01.2017 betrug die Gesamtlänge der Straßen des überörtlichen Verkehrs in Niedersachsen 28 035 km. Davon entfielen auf Bundesautobahnen 1 444 km, auf Bundesstraßen 4 676 km, auf Landesstraßen 8 243 km und auf Kreisstraßen 13 672 km. Grundlage der Beantwortung ist das offizielle Straßenverzeichnis der überörtlichen Straßen, das von der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) geführt wird. Ein Flächenverbrauch durch den Bau von Straßen wird nicht statistisch geführt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass neu versiegelte Flächen im Rahmen der naturschutzfachlichen Betrachtung bei der Planfeststellung im Verhältnis 2 bis 3 durch Entsiegelung oder dauerhafte Sicherung als Naturfläche kompensiert werden müssen. 29. Wie hat sich der Anteil der versiegelten Fläche in Niedersachsen in den letzten 30 Jahren entwickelt? In der Flächenerhebung werden keine Daten zum Anteil der „versiegelten Fläche“ erhoben. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 11 In den Umweltökonomischen Gesamtrechnungen der Länder (UGRdL) gibt es einen Indikator „versiegelte Fläche“, der aus den Daten der Siedlungs- und Verkehrsfläche geschätzt wird. Dieser Indikator besteht seit dem Jahr 2000 und ist ein offizielles Kriterium im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie /n der Bundesregierung/Länder. Leider gibt es keine Rückrechnungen für die Zeit vor 2000. Daher kann hier auch nur der Zeitraum seit 2000 betrachtet werden. Im Rahmen der UGRdL wurden Berechnungen zu der versiegelten Fläche innerhalb der SuV im Zeitraum 2000 bis 2015 durchgeführt. Die versiegelte Fläche beläuft sich danach in Niedersachsen auf 3041 km² im Jahr 2015. Die versiegelte Fläche hat zwischen 2000 und 2015 in Niedersachsen um 10,4 % zugenommen. Die Berechnung ist auch im Internet unter dem folgenden Link veröffentlicht : http://www.ugrdl.de/tab54.htm. 30. Wie hat sich der Anteil der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Niedersachsen in den letzten 30 Jahren entwickelt? In der folgenden Tabelle sind der Anteil der landwirtschaftlich genutzten Fläche und der Anteil von Grünland an der Landwirtschaftsfläche in Niedersachsen aufgeführt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 12 Landwirtschaftsfläche in Niedersachsen 1986 bis 2016 in Hektar Ergebnisse der Flächenerhebungen nach Art der tatsächlichen Nutzung (Stichtag 31.12. des Vorjahres ) Jahr Bodenfläche insgesamt Darunter Frage 30 Frage 31 Landwirtschaftsfläche Anteil der Landwirtschaftsflä - che an der Bodenfläche Anteil von Grünland an der Landwirtschaftsfläche gesamt darunter Ackerland Grünland 1 2 3 4 5 6 Hektar Prozent 1986 4 743 886 3 039 857 1 621 715 1 246 180 64,1 41,0 1987 4 743 861 3 030 617 1 629 382 1 234 468 63,9 40,7 1988 4 743 929 3 019 013 1 639 995 1 222 007 63,6 40,5 1989 4 734 320 2 995 587 1 675 245 1 181 785 63,3 39,5 1990 4 734 779 2 988 018 1 686 278 1 165 319 63,1 39,0 1991 4 735 098 2 982 387 1 690 369 1 155 379 63,0 38,7 1992 4 734 745 2 974 285 1 694 901 1 147 733 62,8 38,6 1993 4 735 187 2 969 216 1 695 597 1 142 401 62,7 38,5 1994 4 754 318 2 979 523 1 703 080 1 144 264 62,7 38,4 1995 4 762 373 2 969 322 1 707 276 1 131 617 62,3 38,1 1996 4 761 056 2 958 935 1 709 010 1 121 369 62,1 37,9 1997 4 761 227 2 952 894 1 712 924 1 111 472 62,0 37,6 1998 4 761 336 2 946 500 1 711 465 1 107 940 61,9 37,6 1999 4 761 361 2 940 436 1 712 952 1 100 404 61,8 37,4 2000 4 761 429 2 932 039 1 712 290 1 093 244 61,6 37,3 2001 4 761 570 2 924 898 1 716 010 1 083 436 61,4 37,0 2002 4 761 655 2 918 350 1 716 614 1 077 160 61,3 36,9 2003 4 761 808 2 911 989 1 719 686 1 069 776 61,2 36,7 2004 4 761 836 2 906 451 1 722 669 1 061 710 61,0 36,5 2005 4 761 972 2 897 943 1 725 759 1 053 649 60,9 36,4 2006 4 762 429 2 891 154 1 727 514 1 046 649 60,7 36,2 2007 4 762 503 2 885 518 1 726 507 1 042 142 60,6 36,1 2008 4 762 547 2 879 918 1 729 579 1 033 459 60,5 35,9 2009 4 762 661 2 874 317 1 737 697 1 017 420 60,4 35,4 2010 4 763 498 2 867 444 1 749 080 999 453 60,2 34,9 2011 4 761 288 2 859 353 1 755 442 985 174 60,1 34,5 2012 1) 4 761 360 2 864 545 1 757 520 988 269 60,2 34,5 2013 1) 4 761 378 2 858 645 1 763 395 978 458 60,0 34,2 2014 1) 4 761 407 2 855 159 1 767 530 970 296 60,0 34,0 2015 1) 4 761 482 2 851 001 1 772 005 961 627 59,9 33,7 2016 1) 4 761 585 2 845 935 1 775 115 954 604 59,8 33,5 1) Rückrechnung aus dem Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem (ALKIS) Quelle: Landesamt für Statistik 31. Wie hat sich der Anteil von Grünland an der landwirtschaftlich genutzten Fläche in den letzten 30 Jahren entwickelt? Siehe Antwort zu Frage 30. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 13 32. Wie hat sich der Anteil von extensiv genutztem Grünland in den letzten 30 Jahren entwickelt ? Zum Vorkommen der extensiv genutzten Grünlandtypen gibt es keine landesweiten Daten. Der FFH-Bericht ist diesbezüglich nicht aussagefähig, da der bei weitem überwiegende Teil des Extensivgrünlands keinem FFH-Lebensraumtyp entspricht. Auch zu den FFH-Lebensraumtypen im Grünland selbst liegen keine Zeitreihen aus den letzten 30 Jahren vor. 33. Wie hat sich der Anteil des artenreichen Grünlands in den letzten 30 Jahren entwickelt? Die Ergebnisse der landesweiten Biotopkartierung (aufgenommen in den Jahren 1984 bis 2003) umfassen ca. 52 000 ha artenreiches Grünland mit gefährdeten Biotoptypen des Feucht- und Nassgrünlands, Bergwiesen, Magerrasen und des mesophilen Grünlands. Zu einem späteren Zeitpunkt konnten nur in den FFH-Gebieten und in einigen kleineren Bereichen außerhalb von FFH- Gebieten Wiederholungsaufnahmen durchgeführt werden. Eine Auswertung der Daten ist bislang nicht erfolgt. Zudem wäre die Entwicklung des Extensivgrünlands in diesen Schwerpunktgebieten des Naturschutzes nicht repräsentativ für die landesweite Entwicklung. Das landesweite Bodendauerbeobachtungsprogramm, welches die Entwicklung auf 70 vorwiegend landwirtschaftlichen Flächen sehr genau erfasst, kann für die Fragestellung leider keine ausreichenden Ergebnisse liefern, da hier nur 20 Grünlandflächen untersucht werden, unter denen sich auch Sonderflächen wie Parkrasen befinden. (LBEG 2012, Tagungsband 20 Jahre Bodendauerbeobachtung , Geober. 23, Hannover). Aussagekräftiger sind die Untersuchungen zum HNV-Indikator (High Nature Value Farmland Indikator ). Hierzu liegen Ergebnisse zur Entwicklung über einen Zeitraum von neun Jahren vor. HNV- Flächen sind Flächen der Agrarlandschaft, die nach bestimmten Kriterien festgelegte hohe Wertigkeiten für die Biodiversität aufweisen. Untersucht werden 100 ha große Probeflächen, deren Lage einer vom BfN nach dem Zufallsprinzip gezogenen Flächenstichprobe entspricht. Aktuell werden bundesweit ca. 1 300 Probeflächen regelmäßig aufgenommen. Die mithilfe eines spezifischen Hochrechnungsverfahrens ausgewerteten Ergebnisse liefern für die Bundesrepublik statistisch abgesicherte Aussagen. In Niedersachsen werden 122 Probeflächen untersucht. Die HNV-Flächen im Grünland können als (relativ) artenreiches oder extensiv genutztes Grünland angesehen werden. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass der Anteil von Flächen der Agrarlandschaft mit erhöhtem Naturwert (HNV-Flächen) bundesweit im Zeitraum 2009 bis 2017 von 13,1 % in den untersuchten Probeflächen auf 11,4 % gesunken ist. Das ist eine Abnahme der HNV-Flächen um 12,8 % innerhalb von neun Jahren. Dabei sind alle Nutzungstypen (Grünland, Acker, Landschaftselemente und Brachen) sowie alle Wertigkeiten (HNV-Wert I bis III) einbezogen. Bei ausschließlicher Betrachtung des Grünlands haben die Flächen mit erhöhtem Naturwert bundesweit um 8,4 % abgenommen . In Niedersachsen liegt die Abnahme der HNV-Flächen allerdings mit 23,3 % im gleichen Zeitraum weit über dem Bundesdurchschnitt. Auch der Rückgang der Grünlandflächen mit hohem Naturwert ist im Vergleich mit dem bundesdeutschen Gesamtwert überdurchschnittlich hoch. Tabelle: Ergebnisse des bundesweiten HNV-Monitorings: (Erklärung der Abkürzungen: FL: Flächen mit hohem Naturwert (= HNV-Flächen), El: Landschaftselemente mit hohem Naturwert, Gr: Grünlandflächen mit hohem Naturwert, Ac: Ackerflächen mit hohem Naturwert, Br: Brachen mit hohem Naturwert) Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 14 Tabelle: Ergebnisse des HNV-Monitorings für Niedersachsen und das gesamte Bundesgebiet: (Darstellung links: Niedersachsen, rechts: Bundesrepublik) 34. Wie hat sich die für Streuobstwiesen genutzte Fläche in den letzten 30 Jahren entwickelt ? Es wird auf die Antwort der Landesregierung in der Drucksache 18/461 auf die Kleine Anfrage zur schriftichen Beantwortung zum Thema Streuobstwiesen verwiesen. 35. Wie hat sich Stickstoffausbringung auf landwirtschaftlichen Böden in Niedersachsen in den letzten 30 Jahren entwickelt? Hierzu liegen der Landesregierung keine statistischen Daten über 30 Jahre vor. Es wird auf die Nährstoffberichte der Landwirtschaftskammer Niedersachsens verwiesen. Hieraus ergeben sich für die Jahre 2012 bis 2016 folgende Zahlen: Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 15 Jahr N-Ausbringung aus Tierhaltung nach Abzug von Stall und Lagerverlusten * „N-Ausbringung aus pflanzl. Input in Biogasanlagen *“ Summe N- Ausbringung aus Tierhaltung und pflanzl. Input in BGA N-Zufuhr aus Mineraldünger ** Summe 2012 257.040 t 49.344 t 306.384 t 293.638 t 546.353 t 2013 265.760 t 54.799 t 320.559 t 284.861 t 549.363 t 2014 265.498 t 57.580 t 323.078 t 319.904 t 586.555 t 2015 266.502 t 54.925 t 321.427 t 267.193 t 532.411 t 2016 275.394 t 55.905 t 331.299 t 294.994 t 568.336 t Mittel 266.039 t 54.511 t 320.549 t 292.118 t 556.604 t *) Berechnungen aus dem Nährstoffbericht **) nach Destatis Fachserie 4 36. Wie hat sich der Einsatz von Herbiziden und Pestiziden in den letzten 30 Jahren in Niedersachsen entwickelt? Zum konkreten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in den vergangenen 30 Jahren liegen für Niedersachsen keine Daten vor. Annäherungsweise können die Inlandsabsatzzahlen Deutschlands, die vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) jährlich zusammengestellt werden, verwendet werden (s. nachfolgende Tabelle). Es sei darauf hingewiesen, dass Pestizide im korrekten Sprachgebrauch auch Biozide (z. B. Desinfektionsmittel, Mäuse- und Rattenbekämpfungsmittel etc.) mit einschließen. Die Summe der Absatzmengen enthält jeweils den Wirkstoff-Ansatz inerter Gase im Vorratsschutz. Da sich inerte Gase sowohl in der Anwendungsweise (keine Anwendung im Freiland) als auch in der Wirkstoff-Charakteristik (z. B. CO2 Anwendung) stark von den anderen Pflanzenschutzmittel- Wirkstoffen unterscheiden, ist auch die Wirkstoffabsatzsumme abzüglich der Menge inerter Gase dargestellt Der Absatz inerter Gase stieg im Vergleich zu den anderen Pflanzenschutzmitteln in den vergangenen Jahren überproportional an. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 16 Absatzmengen Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln in Deutschland* in [t] Summe * Summe ohne inerte Gase* Summe nur neue Bundes - länder Herbizide einschl. Safener Fungizide Insektizide , Akarizide und Synergisten sonstige ohne inerte Gase inerte Gase 1987 36366 36366 k.A. 21520 10241 1260 3345 0 1988 36774 36774 k.A. 21754 10299 1194 3527 0 1989 65726 65726 31100 18892 10810 1338 3586 0 1990 61647 61647 28500 16970 10985 1525 3667 0 1991 46943 44330 10000 18999 9759 1288 4284 2613 1992 41070 37910 7500 15707 9368 934 4401 3160 1993 32430 29119 3500 12696 7660 1016 4247 3311 1994 29769 26732 14834 7698 969 3231 3037 1995 34531 30467 16065 9652 861 3889 4064 1996 35085 32079 16541 10404 791 4343 3006 1997 34647 30706 16485 9397 755 4069 3941 1998 38883 33644 17269 10530 1037 4808 5239 1999 35403 30231 15825 9702 953 3751 5172 2000 35594 30328 16610 9641 845 3232 5266 2001 33663 27885 14942 8246 740 3957 5778 2002 34678 29531 14328 10129 742 4332 5147 2003 35755 30164 15350 10033 779 4002 5591 2004 35131 28885 15923 8176 1082 3704 6246 2005 35494 29512 14698 10184 827 3803 5982 2006 38786 31819 17015 10251 813 3740 6967 2007 40744 32683 17147 10942 1092 3502 8061 2008 43420 34664 18626 11505 909 3624 8756 2009 38757 30162 14619 10922 1030 3591 8595 2010 40844 31425 16675 10431 941 3378 9419 2011 43865 33067 17955 10474 883 3755 10798 2012 45527 33814 19907 9066 1117 3724 11713 2013 43765 32551 17896 10387 940 3328 11214 2014 46103 34515 17887 12669 1061 2898 11588 2015 48132 34273 16336 12539 1026 4372 13859 2016 46921 32255 15046 12145 817 4247 14666 *1987-1988 nur alte Bundesländer, 1989-1993 incl. der zusätzlich in den neuen Bundesländern verfügbaren Mengen Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit 37. Wie hat sich speziell der Einsatz von Neonicotinoiden in den letzten 30 Jahren in Niedersachsen entwickelt? Zum konkreten Einsatz von Neonicotinoiden in den vergangenen 30 Jahren liegen für Niedersachsen keine Daten vor. Annäherungsweise können die Inlandsabsatzzahlen Deutschlands, die vom BVL jährlich zusammengestellt werden, verwendet werden (s. nachfolgende Tabelle). 1993 wurde der Wirkstoff Imidacloprid als erstes Neonicotinoid in Deutschland zugelassen. Weitere Insektizide aus dieser Wirkstoffgruppe folgten 2002 (Thiacloprid), 2004 (Thiamethoxam und Clothianidin) und 2005 (Acetamiprid). Die zugelassenen Indikationen beschränkten sich bis 2005 im Wesentlichen Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 17 auf die Anwendung als Saatgutbeizen in Getreide, Mais, Zuckerrüben, Raps, Kartoffeln und Gemüse . Dabei wurde mit Ausnahme von Zuckerrüben und Raps nur ein geringer Anteil der jeweiligen Gesamtfläche der Fruchtarten mit Neonicotinoiden behandelt. Ab 2002 wurden auch Indikationen zur Spritzapplikation zugelassen. 2009 wurde aufgrund des Bienenschadens im Rheingraben der Einsatz der Neonicotinoide Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin im Mais zur Saatgutbeizung verboten. In Getreide gibt es seit 2008 ebenfalls keine Zulassung dieser Wirkstoffe zur Saatgutbeizung . Durch Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung vom 25.11.2013 wurde die Anwendung nicht nur in Getreide, sondern auch im Haus und Kleingarten und in vielen anderen landwirtschaftlichen Fruchtarten verboten. Durch Verordnung wurde im Juli 2015 auch der Import von gebeiztem Wintergetreide-Saatgut verboten. Seit dem Herbst 2014 darf darüber hinaus Rapssaatgut nicht mehr mit Neonicotinoiden behandelt werden. Der Ständige Ausschuss für Pflanzen , Tiere, Lebensmittel und Futtermittel hat am 27. April 2018 einem Vorschlag der Europäischen Kommission zugestimmt, die Verwendung der drei neonicotinoiden Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam im Pflanzenschutz weiter einzuschränken. Pflanzenschutzmittel mit diesen Wirkstoffen dürfen künftig nur noch in festen Gewächshäusern und zur Behandlung von Saatgut, das im Gewächshaus angebaut wird, angewendet werden. Die entsprechenden Pflanzen dürfen später nicht im Freien ausgepflanzt werden, sondern müssen bis zur Ernte bzw. Verwertung im Gewächshaus bleiben. Die als bienenungefährlich eingestuften Wirkstoffe Thiacloprid und Acetamiprid werden zur Bekämpfung von Schädlingen in Raps, Kartoffeln, Getreide, Gemüse und im Obstbau eingesetzt. Absatzmengen Neonicotinoid-Wirkstoffe* in Pflanzenschutzmitteln in Deutschland in [t] Jahr Summe Summenklasse ** Jahr Summe Summen - klasse** 1987 0 2002 25-100 1988 0 2003 100-250 1989 0 2004 100-250 1990 0 2005 25-100 1991 0 2006 108 1992 0 2007 282 1993 0 2008 258 1994 0 2009 280 1995 25-100 2010 257 1996 25-100 2011 295 1997 25-100 2012 342 1998 25-100 2013 200 1999 25-100 2014 208 2000 25-100 2015 204 2001 25-100 2016 173 * Acetamiprid, Clothianidin, Imidacloprid, Thiacloprid und Thiamethoxam ** Für die Jahre 1995 bis 2005 kann die Absatzmenge der Neonicotinoid-Wirkstoffe nur als Mengenklasse angegeben werden, da ansonsten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Zulassungsinhaber offenbart würden. Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 18 38. Wie hat sich speziell der Einsatz von Glyphosat in den letzten 30 Jahren in Niedersachsen entwickelt? Zum konkreten Einsatz von Glyphosat in den letzten 30 Jahren liegen für Niedersachsen keine Zahlen vor. Der Einsatz von Glyphosat im Ackerbau, Obstbau und auf Grünland erfolgt in Deutschland und in Niedersachsen innerhalb der zugelassenen Indikationen. Auf der Basis bundesdeutscher Zahlen wird davon ausgegangen, dass u. a. aufgrund der ausgeweiteten pfluglosen Bodenbearbeitung auch für Niedersachsen der Einsatz in den vergangenen Jahren angestiegen ist und seit etwa drei Jahren rückläufig verläuft. Absatzmengen Glyphosat als Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln in Deutschland* in [t] Jahr Glyphosat (t) Jahr Glyphosat (t) Jahr Glyphosat (t) 1987 282 1997 2.601 2007 6.292 1988 439 1998 2.672 2008 7.608 1989 458 1999 2.565 2009 3.960 1990 605 2000 3.275 2010 5.007 1991 1.192 2001 3.467 2011 5.359 1992 709 2002 4.246 2012 5.981 1993 1.093 2003 3.496 2013 5.065 1994 1.164 2004 4.008 2014 5.426 1995 1.421 2005 4.854 2015 4.315 1996 1.986 2006 4.845 2016 3.780 39. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über Rückstände von Neonicotinoiden in Böden und Gewässern? In Deutschland waren bzw. sind derzeit fünf Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide in der Anwendung. Es sind dies Imidacloprid (seit 1993), Thiacloprid (seit 2002), Clothianindin und Thiamethoxam (seit 2004) sowie Acetamiprid (seit 2005). Hinsichtlich der Abbaueigenschaften sind Acetamiprid und Thiacloprid mit einem DT Wert von 50 (DT = disappearence time; der Zahlenwert 50 steht für eine Reduktion der ursprünglich vorhandenen Menge um 50 % (Halbwertszeit)) als nicht persistent im Boden einzustufen (DT50: bis zu 18 Tage). Dagegen sind die Wirkstoffe Clothianindin , Imidacloprid und Thiamethoxam als persistent einzustufen (DT50: bis zu 545 Tage), wobei die Angaben zur Persistenz der Wirkstoffe in der Literatur sehr variabel sind und weiten Spannen unterliegen. Die Anwendung der Insektizide erfolgt als Saatgutbeizung im Ackerbau bei Rüben (Zucker- und Futterrüben) und Kartoffeln. Bei Spritzanwendungen werden Acetamiprid und Thiacloprid mit erweitertem Kulturbereich angewendet. In Böden ist aufgrund der physikochemischen Eigenschaften und der direkten Einbringung bei Saatgutbeizen vor allem für die Wirkstoffe Clothianindin, Imidacloprid und Thiamethoxam ein Vorkommen nach der Anwendung zu erwarten. Diese Annahme wird durch eine in Ost-England durchgeführte Studie von Jones et al. (2014) bestätigt. Der Landesregierung liegen derzeit keine Kenntnisse über Rückstände von Neonicotinoiden in Böden vor. Es ist im Rahmen der Bodendauerbeobachtung geplant, auch bodenzoologische Untersuchungen durchzuführen, um Auswirkungen von Restmengen der Neonicotonide auf die Bodenfauna bewerten zu können. Für Oberflächengewässer ist mit der aktuellen Oberflächengewässerverordnung (OGewV 2016) bisher nur ein Wirkstoff (Imidacloprid) aus der Insektizidgruppe der Neonicotinoide gesetzlich geregelt (als flussgebietsspezifischer Schadstoff in Anlage 6) und mit einer entsprechenden Umweltqualitätsnorm (UQN) als Bewertungsgrundlage versehen. Die Jahresdurchschnitts-Umweltqualitätsnorm (JD-UQN) für Imidacloprid liegt im Binnenbereich bei 0,002 µg/l und die zulässige Höchstkonzentration (ZHK-UQN) bei 0,1 µg/l. Für Übergangsgewässer und Küstenbereiche gilt eine JD-UQN von 0,0002 µg/l und ZHK-UQN von 0,01 µg/l. Im Rahmen der 2. Aktualisierung der Bestandsaufnahme für den 3. Bewirtschaftungszeitraum der EG-WRRL wird/wurde Imidacloprid in der Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 19 Wasserphase landesweit an 141 verschiedenen Messstellen untersucht (2016-2018). Die bisher vorliegenden Ergebnisse sind im Folgenden dargestellt: Im Jahr 2016 wurde die JD-UQN an 12 von 30 Messstellen (MST) überschritten (davon ein Übergangsgewässer ). An sieben weiteren Messstellen wurde die halbe JD-UQN erreicht. WRRL 2016 Gewässer Fuhse Innerste Leine Leine Neue Aue Oker MST Peine Sarstedt Neustadt Reckershausen Ehlershausen Gr. Schwülper JD in µg/l 0,006 0,0031 0,0025 0,0025 0,0066 0,0026 Gewässer Oker Rhume Weser Fuhse Elbe* Elbe MST Ohrum Northeim Hemeln Wathlingen Grauer Ort Schnackenburg JD in µg/l 0,0022 0,0023 0,0027 0,0051 0,0051 0,0068 * Übergangsgewässer (JD-UQN 0,0002 µg/l) Im Jahr 2017 wurde die JD-UQN an 21 der 57 beprobten MST überschritten (davon 6 Übergangsbzw . Küstengewässer). An 17 weiteren Messstellen wurde mindestens die halbe JD-UQN erreicht. WRRL 2017 Gewässer Aller Aller Aper Tief Delme Ems Hunte Hunte MST Brenneck enbrück Oldau Detern Holzkamp Hilter Colnrade Hoopen JD in µg/l 0,0025 0,0024 0,0035 0,0023 0,0020 0,0032 0,0195 Gewässer Hunte Hunte Ilmena u Jade Leine Rhume Schunter MST Reithörne Tungel n Fahrenholz Hohenberge Leineturm Lindau Glentorf JD in µg/l 0,0046 0,0045 0,0021 0,0025 0,0185 0,2465 0,0031 Gewässer Schunter Weser* Elbe* Elbe* Ems* Nordsee* Nordsee* MST Harxbüttel Brake Geesthacht Cuxhav en Gandersum Emshörn Tonne 11 JD in µg/l 0,0030 0,0020 0,0041 0,0011 0,0017 0,00021 0,00023 * Übergangs- bzw. Küstengewässer (JD-UQN 0,0002 µg/l) Im Rahmen der WRRL-Untersuchungen 2018 wird Imidacloprid derzeit quartalsweise an 56 Messstellen bestimmt. Zusätzlich zu den gesetzlichen Vorgaben, die direkt aus der OGewV resultieren, wurden die in Deutschland (mit Einschränkungen) zugelassenen Neonicotinoide in mehreren Sondermessprogrammen innerhalb verschiedener Projekte, v. a. mit lokalem bzw. regionalem Bezug, untersucht . Die entsprechenden Berichte sind auf den Internetseiten des NLWKN veröffentlicht. Die Ergebnisse werden hier für die Neonicotinoide noch einmal zusammengefasst. Im Rahmen orientierender Untersuchungen im Jahr 2013 wurden die Konzentrationen der Neonicotinoide Imidacloprid, Thiamethoxam, Clothianidin, Acetamiprid und Thiacloprid an vier Messstellen in stark landwirtschaftlich geprägten Gebieten (Feldwirtschaft und Obstanbau) erfasst. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 20 Pflanzenschutzmitteluntersuchungen 2013 Max. Konzentration in µg/l Imidacloprid Thiamethoxam Clothianidin Acetamiprid Thi-acloprid Fuhse/Peine 9,2 <0,005 0,007 <0,005 13 Bruchgraben /Borsumer Pass 0,006 <0,005 0,012 <0,005 0,008 Schöpfwerkkanal/ Hollern (Altes Land) <0,005 <0,005 <0,005 0,036 0,19 Steinkirchener Neuwettern (Altes Land) 0,017 <0,005 <0,005 0,01 0,058 Die (ab 2016 geltende) JD-UQN (0,002 μg/l) für Imidacloprid wurde in der Fuhse mit einem Mittelwert von 1,2 μg/l überschritten, der Maximalwert lag bei 9,2 μg/l. Gleiches gilt für die ZHK-UQN (0,1 µg/l), welche dreimal überschritten wurde. Innerhalb des Untersuchungszeitraums wurden alle weiteren Wirkstoffe, mit Ausnahme von Thiamethoxam, mehrmals nachgewiesen. Im Rahmen dieses Projektes erfolgte auch eine Untersuchung auf den Thiacloprid-Metaboliten M30/YRC2894. Vereinzelt waren Positivbefunde zu verzeichnen, mit einer maximal gemessenen Konzentration von 0,047 μg/l (Fuhse). Im Jahr 2015 wurden zusätzliche Sedimentproben an diesen vier Messstellen entnommen. An einer Messstelle (Fuhse/Peine) konnte dabei Thiacloprid mit einem Gehalt von 18 µg/kg TS bestimmt werden. Im Rahmen eines Ermittlungsmonitorings an der Haaren wurden im Jahr 2014 ebenfalls Imidacloprid, Thiamethoxam, Clothianidin, Acetamiprid und Thiacloprid an drei Gewässermessstellen sowie in Sedimentkern-, Boden- und Torfmoorproben im Umfeld einer dieser Messstellen untersucht . Ermittlungsmonitoring Haaren 2014 Max. Konzentration in µg/l Imidacloprid Thiamethoxam Clothianidin Acetamiprid Thiacloprid Haaren / Uhlhornsweg 0,068 0,081 0,13 <0,005 0,023 Haaren / Petersfehn 0,25 0,12 0,36 <0,005 0,043 Haaren / Staulinie 0,022 0,012 0,032 <0,005 0,027 Für Acetamiprid lagen alle Werte unterhalb der Bestimmungsgrenze (BG). Durchgängig positive Befunde lagen für Imidacloprid (Bereich 0,008-0,085 µg/l) und - mit einer Ausnahme - auch für Clothianidin (Bereich 0,009-0,05 µg/l) vor. Für Thiacloprid und Thiamethoxam gab es vereinzelte Positivbefunde (Bereich 0,006-0,033 µg/l). In den Sedimentkern-, Boden- und Torfmoorproben wurde nur für Thiacloprid in einem Sedimentkern (0-10 cm Horizont) ein Gehalt von 21 µg/kg (BG = 10 µg/kg) bestimmt. Im Zuge weiterführender Pflanzenschutzmitteluntersuchungen an der Fuhse wurden im Jahr 2015 an drei von vier Messstellen zu allen Messzeitpunkten Positivbefunde für Imidacloprid festgestellt (max. Konzentration 0,017 µg/l). Thiacloprid wurde an diesen drei Messstellen ebenfalls mehrfach gefunden (max. Konzentration 0,016 µg/l). Seit November 2017 werden diese Untersuchungen im Rahmen eines investigativen Einzugsgebietsmonitorings ausgeweitet und Pflanzenschutzmittelwirkstoffe (u. a. Imidacloprid und Thiacloprid) an ca. 50 Messstellen entlang der Fuhse analysiert. Seit 2016 werden im Rahmen der „Altes Land Pflanzenschutzverordnung (AltLandPflSchV)“ an fünf Messstellen im Alten Land Wasserproben u. a. auf Imidacloprid, Thiamethoxam, Clothianidin, Acetamiprid und Thiacloprid untersucht. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 21 Altes Land 2016/2017 Max. Konz. in µg/l Imidacloprid Thiamethoxam Clothianidin Acetamiprid Thiacloprid Jahr 2016 2017 2016 2017 2016 2017 2016 2017 2016 2017 MST 1 0,045 0,021 <0,005 <0,005 <0,005 <0,005 0,046 0,15 0,038 0,18 MST 2 <0,005 <0,005 <0,005 <0,005 <0,005 <0,005 0,046 0,1 0,033 0,022 MST 3 0,057 0,007 <0,005 <0,005 <0,005 <0,005 0,017 0,026 0,016 0,034 MST 4 0,074 0,007 <0,005 <0,005 <0,005 <0,005 0,009 0,008 0,059 0,023 MST 5 <0,005 <0,005 <0,005 <0,005 <0,005 <0,005 0,016 <0,005 0,031 0,1 Die Werte für Thiamethoxam und Clothianidin lagen bisher alle unterhalb der BG. Acetamiprid und Thiacloprid wurden an allen Messstellen gefunden (max. Konzentration >0,1 µg/l). Imidacloprid wurde an drei Messstellen bestimmt (max. Konzentration 0,076 µg/l) und gleichzeitig die JD-UQN an diesen Messstellen in beiden Jahren überschritten. Im Jahr 2018 werden die Untersuchungen auf neun Messstellen ausgeweitet. Im Grundwasser werden Neonicotinoide nach Erhebungen der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser von 2016 zu Mikroschadstoffen in Gewässern nur sehr selten gefunden. So wurden etwa Thiacloprid und Thiamethoxam in sieben bzw. drei Bundesländern an insgesamt 789 bzw. 217 Messstellen untersucht. Keiner der beiden Stoffe konnte im Grundwasser nachgewiesen werden. Der Wirkstoff Imidacloprid wurde im Zeitraum von 2009 bis 2012 in sechs Bundesländern im Grundwasser untersucht und an zehn Messstellen nachgewiesen. An acht Messstellen lag die Konzentration im Bereich oberhalb der Bestimmungsgrenze (bis 0,05 µg/L) und an zwei Stellen im Konzentrationsbereich zwischen 0,05 und 0,1 µg/L. Imidacloprid liegt lediglich auf Rang 77 der am häufigsten im Grundwasser nachgewiesenen Wirkstoffe und Metaboliten. Im Hinblick auf mögliche Grundwasserbelastungen durch Neonicotinoide in Niedersachsen wurden im Zeitraum von 2007 bis 2016 Untersuchungen auf Imidacloprid (451 Analysen), Thiacloprid (263 Analysen), Thiacloprid-Sulfonsäure (Metabolit M30/YRC2894) sowie Clothianidin (41 Analysen) durchgeführt. Die Messwerte lagen sämtlichst unterhalb der jeweiligen Bestimmungsgrenze. Die in Niedersachsen nicht zugelassenen Wirkstoffe Dinotefuran und Nitenpyram wie auch die zugelassenen Wirkstoffe Thiamethoxam und Acetamiprid sollen künftig im Zuge der schon bestehenden Grundwasseranalysen berücksichtigt werden. 40. Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Artenvielfalt von Insekten? Insekten kommen in allen Ökosystemen Niedersachsens vor und besetzen die unterschiedlichsten Nischen (s. Antwort zu Frage 21). Entsprechend unterschiedlich wird ein Klimawandel auf die Artenvielfalt von Insekten wirken; er wird manche Arten fördern, andere benachteiligen und auf wieder andere kaum Auswirkungen haben. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass ein Klimawandel insgesamt Verschiebungen im Artenspektrum auslösen wird, was einerseits zum Verlust heimischer Arten und andererseits zum Auftreten von für Niedersachsen neuen Arten führen kann. Beides kann aus der Sicht des Naturschutzes problematisch sein. Gleichzeitig ist mit Veränderungen in der Verbreitung innerhalb Niedersachsens zu rechnen. Über das Ausmaß dieser Veränderungen liegen keine gesicherten Kenntnisse vor. Unabhängig von derartigen Verschiebungen begünstigt ein wärmeres Klima Insekten. Gut zu erkennen ist dies bei Betrachtung der Insektendiversität von den Erd-Polen in Richtung Äquator. 41. Wie wirken Neonicotinoide auf Bienen und andere Insekten? Neonicotinoide sind Insektizide und wie auch viele andere Insektizidwirkstoffe Nervengifte, die an jeweils bestimmten Bereichen die Nervenfunktion stören (blockieren/überaktivieren). Die Gefährdung von Bienen und anderen Insekten durch Insektizide ist abhängig von der Dosierung. Mit zunehmender Konzentration treten von keinen Effekten (No-Effect-Level, keine sichtbaren oder messbaren Schädigungen) über subletale Effekte (z. B. chronische Vergiftungen) bis hin zu akuten Vergiftungen auf. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 22 42. Wird die Auffassung von Prof. Menzel geteilt, dass Neonicotinoide eine große Gefahr für Bienen darstellen? Insektizide, so auch Neonicotinoide, sind nicht harmlos für Bienenarten. Zahlreiche Untersuchungen liegen zu Honigbienen, nur wenige zu jeweils einer Hummel- sowie einer Mauerbienenart und keine zu den weiteren mehreren Hundert Wildbienenarten vor. Der Beurteilung als bienengefährlich oder nicht bienengefährlich liegen entsprechende GLP- Prüfstudien von Labor-, Tunnel-(Zelt-), Freilandversuchen sowie In-vitro-Larventests nach Richtlinien der European and Mediterranean Plant Protection Organization (EPPO), Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) und European Food Safety Authority (EFSA) zugrunde, und sie bezieht sich nur auf die Honigbiene. Im Hinblick auf die Verwendung der drei bienengefährlichen neonicotinoiden Wirkstoffe Clothianidin , Imidacloprid und Thiamethoxam kommt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in ihrem Bericht vom 28.02.2018 über die aktuelle wissenschaftliche Bewertung aller neuen Daten, Studien und Informationen zu dem Schluss, dass die weit überwiegende Mehrzahl der Anwendungen von neonicotinoid-haltigen Pflanzenschutzmitteln ein Risiko für Wild- und Honigbienen darstellt. Insofern wird die Auffassung von Herrn Prof. Menzel in Hinsicht auf Freilandanwendungen dieser drei neonicotinoiden Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam aus Sicht des MU geteilt . Im Übrigen können differenzierte Ergebnisse zu dieser Fragestellung auf der Internetseite des LA- VES Institut für Bienenkunde Celle unter https://www.laves.niedersachsen. de/tiere/bienenkunde/ bienenkunde-73177.html abgerufen werden. 43. Wie viel Prozent der angeordneten Ausgleichsmaßnahmen in Niedersachsen sind nach Kenntnis der Landesregierung drei Jahre nach der Anordnung umgesetzt? Es wird angenommen, dass mit „Ausgleichsmaßnahmen“ zum einen naturschutzrechtliche Ausgleichs - und Ersatzmaßnahmen gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG sowie bauplanungsrechtliche Flächen und Maßnahmen im Sinne des § 1a Abs. 3 des Baugesetzbuches gemeint sind. Zum Umsetzungsgrad liegen der Landesregierung keine repräsentativen Informationen vor. Im Übrigen wird auf die Antwort der Landesregierung in der Drucksache 18/699 auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung in der Drucksache 18/501 „Werden Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in die Natur in Niedersachsen korrekt umgesetzt?“ verwiesen. 44. Was sind gegebenenfalls die Ursachen für eine mangelnde Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen in den Kommunen? Hierzu liegen der Landesregierung keine repräsentativen Informationen vor. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage in der Drucksache 18/699 verwiesen. 45. Inwiefern hat gegebenenfalls Personalmangel in den unteren Naturschutz- und Baubehörden mit einer mangelnden Umsetzung und Kontrolle von Ausgleichsmaßnahmen zu tun? Auf die Antwort zu Frage 44 wird Bezug genommen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 23 46. Was wird die Landesregierung unternehmen, damit Ausgleichsmaßnahmen künftig umgesetzt werden? Sofern bekannt wird, dass Maßnahmen nicht oder nicht zeitnah umgesetzt wurden, werden die Zulassungs - bzw. Aufsichtsbehörden - wie bisher - im Rahmen ihrer Zuständigkeiten in Zusammenarbeit mit den Naturschutzbehörden tätig. Ist eine Maßnahme im eigenen Wirkungskreis einer Gemeinde betroffen, kann die Kommunalufsichtsbehörde aufgrund fachbehördlicher Hinweise tätig werden. Soweit erforderlich, werden seitens der obersten Landesbehörden fachaufsichtliche Hinweise an nachgeordnete Behörden gegeben. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage in der Drucksache 18/699 verwiesen. 47. Welche Auswirkungen hat Lichtverschmutzung (künstliches Licht in der Dunkelheit) auf nachtaktive Insekten? Die Wirkungen von künstlichem Licht in der Dunkelheit auf nachtaktive Insekten hängen von verschiedenen Faktoren ab. Die wesentlichen Eigenschaften des Lichts sind hierbei die Farbe, die Stärke und die Leuchtdauer. Langwelliges Licht (rot bis infrarot) ist weniger wirksam als kurzwelliges (blau oder violett bis ultraviolett). Im Allgemeinen ist eine starke Lichtquelle sehr viel wirksamer als eine schwache, Kurzfristig aufleuchtendes Licht (etwa die Scheinwerfer eines Fahrzeugs) ist weniger wirksam als stationäres (etwa durch Wohnbebauung, Reklametafeln oder Industrieanlagen). Künstliches Licht in der Dunkelheit bewirkt bei nachtaktiven Insekten vor allem Störungen in der Orientierung. Dies betrifft alle Lebensaspekte, vom Finden der Nahrung über das Vermeiden von Fressfeinden oder das Finden von Sexualpartnern bis hin zur Ausbreitung im Lebensraum. Im Extremfall fallen komplette Aktivitätsphasen einfach weg. 48. Wie hat sich die Lichtverschmutzung in Niedersachsen in den letzten 30 Jahren entwickelt ? Zur Entwicklung der Lichtverschmutzung in Niedersachsen liegen über den Gesamtzeitraum der letzten 30 Jahre keine Daten vor. Über den Zeitraum von 2012 bis 2016 gibt es jedoch eine Veröffentlichung von Kyba et al. (Kyba et al.: Changes in outdoor lighting in Germany from 2012-2016, IJSL (2017) 112 ff). Die Auswertung von Satellitendaten ergab eine Zunahme der Strahldichte in Niedersachsen. Sie erhöhte sich von 2012 bis 2016 um 10 %. Auch liegt die Zunahme der beleuchteten Fläche über denselben Zeitraum bei über 12 %. 49. Was wird die Landesregierung unternehmen, um Lichtverschmutzung zu minimieren? In der Veröffentlichung „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 08.10.2012 werden in Kapitel 6 und Anhang 1 Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung der Störwirkung von Lichtimmissionen und auch zum Schutz von Insekten dargelegt. Unter anderem werden folgende Maßnahmen angeführt und erläutert: 1. Vermeidung heller, weitreichender künstlicher Lichtquellen in freien Landschaften, 2. Lichtlenkung ausschließlich in die Bereiche, die künstlich beleuchtet werden müssen, 3. Wahl von Lichtquellen mit für Insekten wirkungsarmem Spektrum, 4. Verwendung von vollständig geschlossenen staubdichten Leuchten, 5. Begrenzung der Betriebsdauer auf die notwendige Zeit. Diese Hinweise des LAI sind unter aktiver Zuarbeit der niedersächsischen Umweltverwaltung entwickelt und den zuständigen Behörden zur Anwendung empfohlen worden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 24 III. Folgen Vogelwelt 50. Wie haben sich die Vogelbestände in Niedersachsen in den letzten 30 Jahren entwickelt ? Nach der aktuellen Roten Liste der in Niedersachsen und Bremen gefährdeten Brutvögel (2015), in der die Bestandstrends für die vorangegangenen 25 Jahre dargestellt sind, sind mehr als die Hälfte der 212 niedersächsischen Brutvogelarten vom Erlöschen bedroht, stark gefährdet, gefährdet oder in der sogenannten Vorwarnliste aufgeführt. Nur rund 44 % der Arten gelten als ungefährdet. Während einige Arten stabile oder positive Bestandsentwicklungen aufweisen, oftmals aufgrund langjähriger und umfassender Artenschutzmaßnahmen (z. B. Weißstorch, Wanderfalke, Uhu), zeigen sich bei vielen anderen Arten deutlich negative Entwicklungen. Davon am stärksten betroffen sind die Arten von Trockenbiotopen/Sonderstandorten und die Arten der Agrarlandschaft (Wiesen- und Feldvogelarten). So ist beispielsweise die Bekassine, deren Lebensräume feuchtes Grünland oder intakte Moore sind, in den vergangenen 25 Jahren in ihrem Bestand um rund 80 % zurückgegangen . Ähnlich ungünstige Bestandsentwicklungen sind beim ehemals weit verbreiteten Rebhuhn als typische Art der Feldflur zu verzeichnen. Weitere häufige Arten wie z. B. Feldlerche, Kiebitz, Bluthänfling und sogar der Star verzeichnen starke Rückgänge um über 50 % innerhalb der letzten 25 Jahre. Die in die Vorwarnliste aufgenommenen Arten Goldammer und Stieglitz machen deutlich, dass mittlerweile auch weit verbreitete Arten von signifikant negativen Bestandsentwicklungen betroffen sind. 51. Inwiefern sieht die Landesregierung einen Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Insektenbestände und dem Rückgang der Vogelbestände? Knapp die Hälfte der niedersächsischen Brutvogelarten ernährt sich von Insekten und Spinnentieren . Nicht alle diese Arten weisen gleiche Bestandsentwicklungsmuster auf. Daher ist davon auszugehen , dass zwischen Rückgang von Insektenbeständen und Vogelbeständen keine monokausalen Zusammenhänge bestehen. Die Rückgangsursachen sind in der Regel multifaktoriell begründet (z. B. Situation im Überwinterungsgebiet, Zugstrategie, Nahrungssituation, Veränderungen der Bruthabitate, Gefährdungssituation/Beeinträchtigung der Lebensräume). Der Nahrungssituation kommt jedoch eine zentrale Bedeutung zu, da sich nur Brutpaare in guter körperlicher Verfassung erfolgreich fortpflanzen können. Ferner gilt, dass nur wenn ausreichend Nahrung für die Aufzucht des Nachwuchses vorhanden ist, dieser auch überleben kann. Bei den insektenfressenden Vogelarten zeigen sich markante Bestandsrückgänge im Zeitraum der letzten 25 bzw. 12 Jahre. Während bei Betrachtung des Bestandstrends über 25 Jahre etwa 30 % der Arten einen Bestandsrückgang zeigen, sind es über den Zeitraum der letzten 12 Jahre fast 50 %. Die Vermutung liegt nahe, dass ein Insektenrückgang ein wesentlicher Grund sein könnte, weshalb viele insektenfressende Vogelarten deutliche Bestandsrückgänge aufweisen. Dies bleibt jedoch durch Untersuchungen zu belegen. 52. Wie haben sich die Wiesenvogelarten in Niedersachsen in den letzten 30 Jahren entwickelt ? Niedersachsen weist im Verhältnis zu seinem Flächenanteil in Deutschland überproportional hohe Brutvorkommen der typischen Wiesenlimikolen (Kiebitz, Großer Brachvogel, Uferschnepfe, Bekassine , Rotschenkel) auf. Daher hat Niedersachsen im bundesweiten Kontext eine besondere Verantwortung für den Erhalt und die Entwicklung der Bestände dieser Arten. Die Brutbestände der Wiesenlimikolen sind in Niedersachsen seit vielen Jahren rückläufig. Landesweit weisen Kiebitz, Uferschnepfe, Bekassine und Rotschenkel seit 1990 sehr starke Bestandsabnahmen um deutlich mehr als 50 % auf, beim Großen Brachvogel sind landesweit starke Bestandsrückgänge seit 1990 um deutlich mehr als 20 % festzustellen. Auch wiesenbrütende Kleinvögel wie Wiesenpieper und Braunkehlchen zeigen seit 1990 sehr starke Bestandsabnahmen um deutlich mehr als 50 %. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 25 53. Welche weiteren Studien aus Mitteln des Landes - auch durch Bezuschussung der Landwirtschaftskammer oder aus Mitteln der Jagdabgabe - erfolgten im Zusammenhang mit Insekten, Bestäubungsleistungen etc.? Welche Ergebnisse hatten sie? Aus Mitteln des Landes wurden zwei spezielle Studien im Zusammenhang mit Insekten und Bestäubungsleistungen im LAVES Institut für Bienenkunde teilfinanziert: 1.) Vorhaben 03OE126, „Erschließung und Management adäquater Bestäuber zur Ertragsoptimierung und Qualitätssicherung im Erdbeer- und Kulturheidelbeeranbau“ (Laufzeit 01.04.2004 - 29.02.2008, gefördert durch das BMEL im Rahmen des „Bundesprogramms Ökologischer Landbau ). Die Ergebnisse können dem Jahresbericht 2007 des LAVES-Instituts für Bienenkunde Celle entnommen werden. 2.) Vorhaben PGI 313-06.01-11OE016 im Rahmen der CORE organic II Projekte „BICOPOLL - Targeted precision biocontrol and pollination enhancement in organic cropping systems“ (Laufzeit 01.12.2011 - 30.11.2014, gefördert durch die BLE). Die Ergebnisse sind dem Jahresbericht 2014 LAVES-Instituts für Bienenkunde Celle zu entnehmen. Es wird darauf hingewiesen, dass das Land das LAVES-Institut für Bienenkunde Celle unterstützt. Die Aufgaben des Bieneninstitutes (imkerliche Beratung und Kurse, Ausbildungsstätte für Imker, Berufsschule für Imker, Untersuchungstätigkeit, Entwicklung und Forschung, Öffentlichkeitsarbeit) sind auf der Homepage des ML (https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/bienenblog/ bieneninstitut_celle/das-bieneninstitut-celle-135662.html und des LAVES https://www. laves. niedersachsen.de/tiere/bienenkunde/bienenkunde-73177.html) dargestellt. 54. Wie haben sich die Fledermausbestände in Niedersachsen in den letzten 30 Jahren entwickelt? Wie in den meisten Regionen Mitteleuropas sind die niedersächsischen Fledermausbestände in den 1960er- und 1970er-Jahren durch den Einsatz persistenter organischer Schadstoffe (DDT und andere) dramatisch eingebrochen. Dies hat bis zum lokalen Aussterben von Arten geführt. Seitdem haben sich die Bestände der anpassungsfähigeren Arten zwar etwas erholt, erreichen aber nicht die Zahlen vor dem Zusammenbruch. Anspruchsvolle Arten, wie etwa die Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros), sind nach wie vor ausgestorben oder zumindest hoch bedroht. 55. Inwiefern sieht die Landesregierung einen Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Insektenbestände und dem Rückgang der Fledermausbestände? Fledermäuse ernähren sich ausschließlich von Insekten, sind durch einen Rückgang ihrer Nahrungsgrundlage also direkt betroffen. Weiterhin akkumulieren sie als langlebige Prädatoren von Insekten vielfach Pestizide, wobei die Toleranz von Fledermäusen gegenüber den aktuell eingesetzten Pestiziden unzureichend untersucht ist. IV. Folgen Landwirtschaft 56. Wie hoch ist volkswirtschaftlich die Bestäubungsleistung durch Insekten in Niedersachsen ? Basierend auf den Schätzungen der Bestäubungsleistungen von Honigbienen in Deutschland ist für Niedersachsen ein Wert von ca. 250 Millionen Euro pro Jahr anzunehmen. 57. Wie hat sich die Honigproduktion in Niedersachsen in den letzten 30 Jahren entwickelt ? Honigernten sind stark von den jeweiligen Witterungsverhältnissen und damit von der Entwicklung von Blütenpflanzen (Nektarproduktion) und Pflanzenlauspopulationen (Honigtauproduktion) abhängig . Grundsätzlich besteht daher eine nicht unerhebliche Oszillation der Erntemengen über die Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 26 Zeitachse. Die Auswertung der Ernteergebnisse des LAVES-Instituts für Bienenkunde Celle zeigt, dass sich in den vergangenen 30 Jahren eine deutliche Ertragssteigerung/Bienenvolk ergeben hat. Diese beruht u. a. auf der Zunahme des Rapsanbaus über diese Zeitspanne sowie der deutlichen Vergrößerung des Angebotes im Stadtbereich (u. a. sehr wesentlich die Größenzunahme der Bäume ). Bei einer Erntemenge von etwa 10 kg/Bienenvolk und 83 705 Bienenvölkern errechnet sich eine Erntemenge von ca. 837 t für das Jahr 1987. Im Jahr 2017 betrug die Anzahl der Bienenvölker in Niedersachsen 105 601. Bei einer Erntemenge von etwa 25kg/Bienenvolk errechnet sich eine Erntemenge von etwa 2 640 t. 58. Wie hat sich die Zahl der Nutzbienenvölker und Imkerinnen und Imker in den letzten 30 Jahren entwickelt? Die Entwicklung der Imkerzahlen und Honigbienenvölker in Niedersachsen von 1987 bis 2017 stellt sich tabellarisch wie folgt dar. Jahr Völker inkl. Völker nicht organisierter Imker* Völker organisierter Imker Imker inkl. nicht organisierter Imker * Organisierte Imker 1987 83.705 69.754 8.643 7.202 1997 66.756 55.630 8.296 6.913 2007 73.216 61.013 8.143 6.785 2017 105.601 88.001 14.371 11.976 *Für Imker und Völker aus der nicht organisierten Imkerei wird ein Zuschlag von 20% angenommen Aus der vorstehenden Tabelle wird deutlich, dass sowohl die Zahl der Imker als auch die der Völker in den letzten 30 Jahren in Niedersachsen einen erheblichen Zuwachs verzeichnet haben. Dies ist dem steigenden gesellschaftlichen Interesse zuzuschreiben. Zudem erfolgt seit 2011 eine Förderung der Neu-Imker, bei der der Erwerb von zwei bis neun Völkern mit max. 50 Euro/Volk unterstützt wird und zu der erwünschten flächendeckenden Imkerei beiträgt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 27 59. Welchen Mehraufwand infolge des Insektensterbens haben insbesondere die Obstbauregionen in Niedersachsen wie das Alte Land bei der Bestäubung? In der Obstbauregion Altes Land und anderen Obstbauregionen Niedersachsens herrscht nach Kenntnis der Landesregierung kein Mangel an bestäubenden Insekten, sodass dort ein Mehraufwand bei der Bestäubung nicht besteht. Anhand der in den zurückliegenden Jahren an der Niederelbe erfassten Daten zur Biodiversität im Obstbau wird davon ausgegangen, dass sich die Biodiversität u. a. bezüglich der Insekten und die Bestäubungsleistungen in den letzten Jahren erhöht bzw. verbessert haben. Ein systematisches Monitoring im ESTEBURG-Obstbauzentrum Jork zur Biodiversität im Obstbau erfolgt zurzeit in dem 2016 begonnenen Projekt „Potenziale und Praxisprogramm zur Erhöhung der ökologischen Vielfalt in Erwerbsobstanlagen und Streuobstwiesen“ mit dem Kurztitel „Ökologische Vielfalt in Obstanlagen “. Hierbei handelt es sich um ein Projekt im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). Für die Obstbauregion Niederelbe/Altes Land ist ergänzend festzuhalten, dass die freiwillige Vereinbarung der Obstbauern mit den ortsansässigen Imkern sowie den wandernden Imkern zur Bieneneinwanderung im Alten Land, die seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert wird, für eine sehr gute Bestäubung der Obstblüten sorgt. Nach dieser Vereinbarung erfolgen in der Zeit der Obstblüte während des täglichen Bienenfluges keine Pflanzenschutzmaßnahmen durch die Obstbauern. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass in den Obstbaubetrieben der Niederelbe nur bienenschonender Pflanzenschutz praktiziert wird. Auch der seit fast 30 Jahren im Alten Land aus wissenschaftlichen Versuchsanstellungen an der Obstbauversuchsanstalt Jork (OVA) entwickelte integrierte Pflanzenschutz im Obstbau, der über die Beratung des Obstbauversuchsrings des Alten Landes (OVR) in die Obstbaubetriebe hineingetragen und dort praktiziert wird, trägt dazu bei, dass dort kein Mangel an bestäubenden Insekten zu verzeichnen ist. 60. Welche Schäden hat der Mangel an Insekten für die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft in Niedersachsen? Nach Kenntnis der Landesregierung herrscht in Niedersachsen kein Mangel an bestäubenden Insekten . V. Blühstreifen 61. Wie hat sich die Förderung von Blühstreifen von Landwirten als Agrarumweltmaßnahme in Niedersachsen in den letzten zehn Jahren entwickelt (Fläche und Fördersumme)? Die im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen angelegten ein- und mehrjährigen Blühstreifen haben sich in den letzten zehn Jahren insgesamt wie folgt entwickelt: Jahr Fläche in ha Fördersumme in Tsd. € 2008 7.869 4.107 2009 7.695 4.329 2010 7.509 4.037 2011 10.015 5.382 2012 9.054 4.854 2013 9.503 5.104 2014 9.539 5.131 2015 14.508 9.709 2016 15.036 10.384 2017 15.511 11.126 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 28 Die Fläche gibt die im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen tatsächlich angelegten Blühstreifen wieder. Als Fördersumme ist der Betrag aufgeführt, der anhand der tatsächlich festgestellten Fläche und vor möglichen Strafabzügen ermittelt wurde (ohne Sanktionen bzw. Kürzungen). 62. Wie viele Hektar Fläche in Niedersachsen werden seit der Einführung mit Imkerbonus (Kooperation mit Imkern) beantragt und bewilligt? Seit 2015 wird ein „Imkerbonus“ in Höhe von zusätzlich 100 Euro/ha für einjährige Blühstreifen angeboten . Der überwiegende Anteil der einjährigen Blühstreifen wurde seitdem in Kooperation mit Imkern angelegt: einjährige Blühstreifen davon mit Imkerbeteiligung Jahr Anträge Fläche (gesamt) in ha Anträge Fläche (beantragt) in ha Fläche (bewilligt) in ha 2015 3.057 14.120 1.487 8.500 8.064 2016 3.141 14.260 1.687 9.402 8.724 2016 3.215 14.429 1.931 10.507 9.930 63. Wie hat sich die Förderung der Imkerei in den letzten zehn Jahren entwickelt? Die Imkereiförderung in Niedersachsen hat sich in den Jahren 2008 - 2017 wie folgt entwickelt: Kalenderjahr EU-Förderung Landesmaßnahmen gesamt 2008 204.000,00 € 75.000,00 € 279.000,00€ 2009 205.000,00 € 86.000,00 € 291.000,00 € 2010 236.000,00 € 71.000,00 € 307.000,00 € 2011 246.000,00 € 115.000,00 € 361.000,00 € 2012 245.000,00 € 92.000,00 € 337.000,00 € 2013 246.000,00 € 98.000,00 € 344.000,00 € 2014 255.000,00 € 108.000,00 € 363.000,00 € 2015 254.000,00 € 112.000,00 € 366.000,00 € 2016 254.000,00 € 138.000,00 € 392.000,00 € 2017 306.000,00 € 136.000,00 € 442.000,00 € 64. Werden weiterhin Mittel für neue Blühstreifenflächen bereitgestellt? Wenn ja, wie viel? Bei der Anlage von Blühstreifen im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen handelt es sich um freiwillige Leistungen der Landwirte. Der Umfang der zukünftig benötigten Mittel hängt von der Anzahl der gestellten Anträge und der angemeldeten Fläche ab und ist deshalb derzeit nicht absehbar. Bislang konnten sämtliche eingegangenen Anträge, die die Fördervoraussetzungen erfüllen, auch bewilligt werden. Eine Änderung dieses Vorgehens ist nach derzeitigem Stand nicht beabsichtigt. 65. Bleibt der Imkerbonus von 100 Euro pro ha? Der Imkerbonus ist als Bestandteil des ELER-Programms von der EU genehmigt und soll bis zum Ende dieser Förderperiode beibehalten werden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 29 66. Wird, wie von der CDU-Landtagsfraktion gefordert, der späteste Aussaattermin bei einjährigen Blühstreifen vom 15. April generell auf Ende Mai verschoben? Der 15. April als spätester Aussaattermin für einjährige Blühstreifen ist explizit im ELER-Programm genannt, nur in Ausnahmefällen kann die Aussaat später erfolgen. Eine generelle Verschiebung dieses Termins ist nicht vorgesehen. Zukünftig wird jedoch jährlich anhand der Witterungsbedingungen geprüft, ob gegebenenfalls eine Verschiebung des spätest möglichen Aussaattermins durch eine Einzelentscheidung des Ministeriums möglich ist. 67. Welchen Beitrag kann die Zusammensetzung von Blühpflanzenmischungen zum Naturschutz leisten, und inwiefern berücksichtigt die Landesregierung dies? Die Zusammensetzung der Blühpflanzenmischungen hat einen direkten Einfluss auf das Nektarund Pollenangebot und damit auf das Nahrungsangebot für Insekten. Durch die Beteiligung eines Imkers oder der Naturschutzbehörden bei der Anlage des Blühstreifens und der Auswahl des Saatgutes wird davon ausgegangen, dass der naturschutzfachliche Wert der Fläche zunimmt. Deshalb wird für eine solche Beteiligung eine höhere Zahlung gewährt. Mit der Förderrichtlinie ist ein Katalog von zulässigen Pflanzen vorgegeben, aus denen die Blühmischung zusammengestellt werden kann. So kann jeder Teilnehmer am Blühstreifenprogramm eine Mischung wählen, die an die Standortbedingungen angepasst ist und den konkreten Anforderungen an den Blühzeitraum sowie das Nahrungsangebot gerecht wird. Der Katalog der zulässigen Pflanzen wurde unter Beteiligung der Naturschutzbehörden aufgestellt. Bei der Erstellung wurde insbesondere darauf geachtet, dass die ausgewählten Pflanzen eine möglichst lange Blühdauer bzw. eine gute Pollen- und/oder Nektarverfügbarkeit erwarten lassen. VI. Fördermittel 68. Welcher Anteil der EU-Agrarmittel wird für den Erhalt der Artenvielfalt eingesetzt? Gemäß der Verordnung (EU) Nr.1306/2013 ist die Gewährung von Agrar-/Direktzahlungen (Zahlungen der „1. Säule“ der GAP der EU) auch an die Einhaltung von Vorschriften in den Bereichen Umweltschutz, Klimawandel, guter landwirtschaftlicher Zustand der Flächen, Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze sowie Tierschutz geknüpft. Diese Verknüpfung wird als „Cross Compliance “ bezeichnet. Die Cross Compliance-Regelungen umfassen – sieben Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichem und ökologischem Zustand (GLÖZ) und – 13 Regelungen zu den Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB); diese Fachrechts- Regelungen bestehen auch unabhängig von Cross Compliance. Für den Erhalt der Artenvielfalt sind insbesondere die Grundanforderungen an die Betriebsführung GAB2 (Vogelschutz) und GAB3 (FFH) von Bedeutung, weiterhin die Einhaltung des GLÖZ- Standards 7 (Keine Beseitigung von Landschaftselementen sowie Schnittverbot). Die Einhaltung dieser Vorschriften ist für den Erhalt von Rückzugsbereichen für Pflanzen und Tiere in der Kulturlandschaft sowie zur Biotopvernetzung und damit auch für den Erhalt der Artenvielfalt von erheblicher Bedeutung. In Niedersachsen sind in den letzten Jahren jeweils rund 780 Millionen Euro jährlich als Prämienzahlungen aus der 1. Säule an landwirtschaftliche Betriebsinhaber geflossen. Sofern die o. g. Anforderungen sowie weitere Anforderungen aus den Bereichen Natur,- Wasser- und Bodenschutz nicht eingehalten wurden, sind im Rahmen von Cross Compliance Kürzungen u. a. der Direktzahlungen vorgenommen worden. Betriebsinhaber, die ein Anrecht auf eine Zahlung im Rahmen der Basisprämienregelung haben, müssen auf allen ihren beihilfefähigen Flächen bestimmte dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden, das sogenannte „Greening“, einhalten. Dafür kann auf Antrag eine gesonderte Prämie - die sogenannte Greeningprämie - beantragt werden. Diese beträgt je Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 30 beihilfefähiger Fläche mit aktivierten Zahlungsansprüchen ca. 87 Euro/ha. Die Einhaltung der Anforderungen müssen bereits durch die Beantragung der Basisprämie beachtet werden. Das Auszahlungsvolumen für 2017 (ca. 44 000 Antragsteller) betrug ca. 230 Millionen Euro. Für die Greeningprämie wird nach EU-Recht 30 % der Obergrenze für Direktzahlungen verwendet. Für die Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität über die 2. Säule der GAP (Fokus Area 4a) wurden im Jahr 2017 ca. 55,8 Millionen Euro an EU-Mitteln ausgezahlt. Für die gesamte Förderperiode 2014 bis 2020 haben diese Maßnahmen einen Anteil von 385,3 Millionen Euro an EU-Mitteln. In 2017 wurden damit 52,5 % der ELER-Zahlungen für Biodiversitätsmaßnahmen ausgezahlt. Für die gesamte Förderperiode sind 34,4 % der ELER-Mittel für den Erhalt der Biodiversität vorgesehen. 69. In welchem Umfang stellt die Landesregierung Fördermittel für den Erhalt der Artenvielfalt von Insekten zur Verfügung? Das Land stellt keine gesonderten Fördermittel (Landesmittel) im Rahmen von Förderprogrammen für den Erhalt der Artenvielfalt von Insekten zur Verfügung. Bestehende Förder- bzw. Finanzierungsinstrumente kommen auch dem Erhalt der Artenvielfalt von Insekten zugute, ohne direkt darauf ausgerichtet zu sein. Dieses betrifft insbesondere die Landesfinanzierung von Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen in Naturschutz- (NSG) und Natura-2000-Gebieten gemäß § 15 Abs. 3 NAGBNatschG. Entsprechendes gilt auch für die Finanzierung von Maßnahmen des „GAK (Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes) nicht-produktiver investiver Naturschutz “ (z. B. Entwicklung von Streuobstwiesen und Offenlandlebensräumen) außerhalb der Kulissen „Natura 2000“, NSG, Nationalparke sowie Biosphärenreservate aus Bundes- und Landesmitteln . Unter Maßgabe des Landeshaushalts kommen daneben auch Landeskofinanzierungen von Maßnahmen im Rahmen des Bundesprogramms biologische Vielfalt (BPBV), des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) mit der Förderrichtlinie „Landschaftswerte“ oder auch von EU- LIFE-Projekten in Betracht, die neben der Erreichung der eigentlichen Projektziele (z. B. Stärkung der Wiesenvogelpopulation, Verbesserung der Erhaltungszustände von FFH-Lebensraumtypen im Rahmen des IP-LIFE Atlantische Sandlandschaften) den Erhalt der Artenvielfalt von Insekten fördern . Ferner gewährt das Land in der EU-Förderperiode 2014 bis 2020 unter finanzieller Beteiligung der EU und des Bundes auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) Zuwendungen zur Durchführung von flächenbezogenen und investiven Vorhaben zur Sicherung des „europäischen, ökologischen Netzes Natura 2000“ sowie zum Erhalt und zur Verbesserung der Biologischen Vielfalt. Bei den flächenbezogenen Vorhaben handelt es sich insbesondere um die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) die durch ihre Ausgestaltung (insbesondere den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und Düngung) einen positiven Einfluss auf die Artenvielfalt von Insekten haben. Im Programm für die Entwicklung im ländlichen Raum (PFEIL) sind für die AUKM Biodiversität für die Programmlaufzeit ca. 238,5 Millionen Euro vorgesehen. Zu den investiven Vorhaben zählen spezielle Artenhilfsmaßnahmen, die dem Erhalt der Vielfalt von Insekten dienen. Es handelt sich dabei konkret um die ELER-Fördermaßnahmen „Spezieller Artenund Biotopschutz (SAB)“ und „Erhalt und Entwicklung von Lebensräumen und Arten der ländlichen Landschaften (EELA)“. Für die Durchführung der Vorhaben und Projekte steht im Rahmen von PFEIL ein Gesamtmittelvolumen von rund 38,4 Millionen Euro bereit. Darüber hinaus fördert die Landesregierung über das Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen (KÖN) in Visselhövede zurzeit das dreijährige Projekt „Ökolandbau - für mehr Blütenreichtum und Biodiversität in der Agrarlandschaft“. Der Zuwendungszweck des Projekts besteht z. B. in der Unterstützung der Landwirte bei der Anlage von blütenreichen Biotopen, der Erarbeitung von In- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 31 formationsmaterial zum Thema „Blütenreichtum“ und in der Durchführung entsprechender Exkursionen , Workshops und Umweltbildungsveranstaltungen auf Biobetrieben. 70. Welche Fördermöglichkeiten bestehen für Landwirte? Landwirte haben insbesondere die Möglichkeit, die Teilnahme an den ELER-Maßnahmen zu beantragen . Als Bewirtschafter von Flächen oder als Betriebsinhaber sind sie auch berechtigt, an den Agrarumweltmaßnahmen teilzunehmen. 71. Welche Fördermöglichkeiten bestehen für Kommunen? Unter Berücksichtigung der Ausführungen zu Frage Nr. 69 können von den Unteren Naturschutzbehörden (UNBen) jährlich Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen (z. B. in bestehenden Schutzgebieten ) zur jährlichen Landesprioritätenliste mit Finanzierung gemäß § 15 Abs. 3 NAGBNatschG angemeldet und unter Maßgabe des Haushalts finanziert werden. Förderungen von Maßnahmen der Kommunen im Rahmen des „GAK investiver Naturschutz“ sind nach Maßgabe der Regelungen des GAK-Rahmenplans (Förderbereich 4 Buchst. H) ebenfalls möglich. In Ergänzung der Ausführungen zu Frage 69 hinsichtlich der investiven EU-Fördermaßnahmen „SAB“ und „EELA“ ist festzustellen, dass Kommunen zum Kreis der Zuwendungsempfänger zählen und somit entsprechende Zuwendungen für Vorhaben zum Erhalt der Artenvielfalt von Insekten gewährt werden können. Kommunen sind von der Teilnahme an den AUKM ausgeschlossen. 72. Welche Fördermöglichkeiten bestehen für Verbände? Unter Berücksichtigung der Ausführungen zu Nr. 69 sind Förderungen von Maßnahmen von Verbänden im Rahmen des „GAK nicht-produktiver investiver Naturschutz“ nach Maßgabe der Regelungen des GAK-Rahmenplans (Förderbereich 4 Buchst. H) möglich. Dagegen kommt eine Finanzierung von Maßnahmen im Rahmen des § 15 Abs. 3 NAGBNatschG nicht in Betracht. Die Förderung der naturschutzfachlichen Vor-Ort-Betreuung von Schutzgebieten durch ökologische Stationen der Naturschutzverbände gemäß Nummer 2.1.1 Buchst. e der Richtlinie NAL (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Maßnahmen des Natur- und Artenschutzes und der Landschaftspflege) kann unter Berücksichtigung der Ausführungen zu Nr. 69 gegebenenfalls zum Erhalt der Artenvielfalt von Insekten beitragen. In Ergänzung der Ausführungen zu Frage 69 hinsichtlich der investiven EU-Fördermaßnahmen „SAB“ und „EELA“ ist festzustellen, dass nach Naturschutzrecht anerkannte Naturschutzverbände zum Kreis der Zuwendungsempfänger zählen und somit entsprechende Zuwendungen für Vorhaben zum Erhalt der Artenvielfalt von Insekten gewährt werden können. Als Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter von Flächen sind sie berechtigt, an den AUKM teilzunehmen . 73. Inwiefern wird die Wirksamkeit dieser Programme für den Erhalt der Artenvielfalt überprüft ? Die Wirksamkeit der im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen angebotenen Förderprogramme wird durch entsprechende Wirkungskontrollen überprüft. Dabei werden gezielte Erhebungen auf den Förderflächen zu bestimmten Zielarten wie z. B. Vögel, Insekten, Pflanzenarten u. a. vorgenommen und mit Flächen verglichen, die nicht der Förderung unterliegen. Diese Erhebungen werden durch den NLWKN durchgeführt bzw. beauftragt und in einem Bericht zusammengestellt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 32 Gleichzeitig besteht nach den EU-Vorgaben die Verpflichtung, die angebotenen Maßnahmen durch eine unabhängige Stelle zu evaluieren. Diese Evaluierung übernimmt das Thünen-Institut des Bundes , die Ergebnisse werden im Rahmen des ELER-Programms veröffentlicht. VII. Pestizide 74. Teilt die Landesregierung die Auffassung des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes , dass es „bienenungefährliche“ Pestizide nicht gibt und dass diese werbende Bezeichnung irreführend ist? Für die Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln bezüglich der Gefährlichkeit für Honigbienen nach (VO(EG)1107/2009 - Anhang II 3.8.3. - 2. Spiegelstrich, sowie PflSchG) ist maßgeblich, dass ein Wirkstoff bzw. Pflanzenschutzmittel „keine unannehmbaren akuten oder chronischen Auswirkungen auf das Überleben und die Entwicklung des Bienenvolkes hat.“ Wenn diese Forderung erfüllt ist, erhält das Pflanzenschutzmittel die Einstufung B4 „nicht bienengefährlich“. „Das Mittel wird bis zu der höchsten durch die Zulassung festgelegten Aufwandmenge oder Anwendungskonzentration , falls eine Aufwandmenge nicht vorgesehen ist, als nicht bienengefährlich eingestuft (NB6641).“ Dies bedeutet aber nicht, dass es auf keinen Fall zu Verlusten einzelner Flugbienen kommen darf, die mit dem Spritzmittel konfrontiert wurden. Beim Begriff „nicht bienengefährlich“ handelt es sich um eine offizielle Auflage zur Kennzeichnung seitens der Zulassungsbehörde Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) im Einvernehmen mit dem Julius-Kühn-Institut (JKI) und nicht um eine werbende Bezeichnung . 75. Wie steht die Landesregierung zur Forderung nach einem sofortigen Glyphosat- Verbot? Der Wirkstoff Glyphosat ist auf EU-Ebene für weitere fünf Jahre zugelassen. Die nationalen Zulassungsverlängerungen der glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittel (PSM) stehen dieses Jahr im Dezember an. Die zuständigen Bundesbehörden haben die Anwendungsbestimmungen der zugelassenen Pflanzenschutzmittel zu überprüfen und gegebenenfalls deren Verwendung anzupassen. Die festgelegten Anwendungsbestimmungen gelten dann auch für Niedersachsen. Auf öffentlichen Wegen und befestigten Plätzen dürfen Pflanzenschutzmittel mit Einzelfallgenehmigung durch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen eingesetzt werden. Das Ministerium für Ernährung , Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Landwirtschaftskammer Niedersachsen im Mai 2015 per Erlass angewiesen, „bis auf Weiteres keine Genehmigungen für die Anwendung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel auf Nichtkulturland“ zu erteilen. Laut Erlass kann in begründeten Einzelfällen von dieser Verfahrensweise abgewichen werden. Grundsätzlich wird die neue Landesregierung an diesem Verfahren festhalten. Die kommenden fünf Jahre müssen verstärkt genutzt werden, um mögliche Alternativen zur Nutzung von Glyphosat zu entwickeln. 76. Setzt sich die Landesregierung gegen die Wiederzulassung der drei Neonikotinoid- Insektizide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam ein? Der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel hat am 27. April 2018 einem Vorschlag der Europäischen Kommission zugestimmt, die Verwendung der drei neonicotinoiden Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam im Pflanzenschutz weiter einzuschränken . Pflanzenschutzmittel mit diesen Wirkstoffen dürfen künftig nur noch in festen Gewächshäusern und zur Behandlung von Saatgut, das im Gewächshaus angebaut wird, angewendet werden . Die entsprechenden Pflanzen dürfen später nicht im Freien ausgepflanzt werden, sondern müssen bis zur Ernte bzw. Verwertung im Gewächshaus bleiben. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 33 Die entsprechenden Durchführungsverordnungen sind bereits am 19.06.2018 in Kraft getreten. Danach müssen die Mitgliedstaaten innerhalb von drei Monaten die Zulassungen der Pflanzenschutzmittel mit diesen Wirkstoffen beenden oder entsprechend den neuen Vorgaben ändern. Die Frage nach einer Wiederzulassung der drei genannten Neonicotinoide stellt sich daher aktuell nicht mehr. 77. Setzt sich die Landesregierung für ein generelles Verbot der Gruppe der Neonicotinoide ein, wie es Wissenschaftler empfehlen? Insektizide, so auch Neonicotinoide, sind nicht harmlos für Bienen und andere Insekten. Neonicotinoide sind wie auch viele andere Insektizidwirkstoffe Nervengifte, die an jeweils bestimmten Bereichen die Nervenfunktion stören (blockieren/überaktivieren). Die Gefährdung von Insekten wie Bienen durch Insektizide ist abhängig von der Dosierung. Mit zunehmender Konzentration treten von keinen Effekten (No-Effect-Level, keine sichtbaren oder messbaren Schädigungen) über subletale Effekte (z. B. chronische Vergiftungen) bis hin zu akuten oder letalen Vergiftungen auf. Vgl. hierzu die Antwort der Landesregierung in der Drucksache 18/730 auf die Kleine Anfrage zur mündlichen Beantwortung Nr. 21 „Hat die Landesregierung eine klare Position zu als bienengiftig eingestuften Neonicotinoiden?“. Sollten nach wissenschaftlichen Erkenntnissen weiterhin Risiken für Bienen und andere Insekten durch Neonicotinoide bestehen, wird sich die Landesregierung für weitere Verbote einsetzen. 78. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass ein Verbot weiterer Neonicotinoide kaum wirtschaftliche Folgen hätte, aber für die Insektenvielfalt ein Gewinn wäre? Eine Bewertung des Einflusses von Insektiziden auf Insektenarten und -biomasse erweist sich ohne Berücksichtigung anderer Einflussfaktoren auf die Biodiversität und deren Wechselwirkungen als schwierig und ist methodisch bisher kaum zu ermitteln. Es muss jedoch verallgemeinernd von einer negativen Wirkung vor allem für an Kulturpflanzen lebende Insektenarten ausgegangen werden. Insektizide werden zur Förderung der Kulturpflanzen eingesetzt und die toxische Wirkung auf Schadinsekten ist durch den Einsatz von Insektiziden gewünscht . In der Zulassung werden z. B. Wiedererholungsprozesse berücksichtigt, welche die negativen Effekte einer Insektizidbehandlung zeitlich begrenzen. Für zukünftige Zulassungsverfahren von Pestiziden muss jedoch auch im Voraus deren exaktes Wirken (kurz- und langfristige Folgen) nicht nur auf Schadorganismen untersucht und bekannt sein. Da Neonicotinoide vor allem zur Beizung des Saatgutes eingesetzt werden bzw. wurden und es keine vergleichbaren Mittel gibt, kann davon ausgegangen werden, dass Verbote negative wirtschaftliche Folgen haben. 79. Welche wirtschaftlichen Schäden durch das Teilverbot von Neonicotinoiden kann die Landesregierung beziffern? Aufgrund der nicht vorhersagbaren Entwicklung der Populationsdynamik von Schädlingen in der Zukunft sind konkrete Aussagen zu möglichen Schäden im Vorfeld nicht zu quantifizieren. Beispielsweise haben milde Winter in den vergangenen Jahren immer wieder zu kritischen Situationen mit Virusinfektionen in verschiedenen Fruchtarten geführt. Insbesondere die Gruppe der Blattläuse in ihrer Funktion als Virusvektoren stellt durch ein Überleben in den Wintermonaten ein hohes Risiko für Ertragsverluste, z. B. in Zuckerrüben, dar. 80. Hat die Landesregierung dazu auch von den Pestizidherstellern unabhängige Schätzungen ? Nein. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 34 81. Ist der Erlass der rot-grünen Landesregierung an die Landwirtschaftskammer, demzufolge Schulungen für die Sachkundeprüfung von Landwirten zu Pestiziden nur von Personen durchgeführt werden, die in „keinerlei wirtschaftlichem Abhängigkeitsverhältnis zu Herstellern von Pflanzenschutzmitteln stehen“, weiterhin in Kraft? Ja, der Erlass ist weiterhin in Kraft. 82. Kann die Landesregierung garantieren, dass die Sachkundeschulung in der Vergangenheit nur von Personen durchgeführt wurde, die nicht gleichzeitig auch in wirtschaftlichen Beziehungen zu Spritzmittelherstellern stehen? Fortbildungsveranstaltungen zur Pflanzenschutzsachkunde, die in Niedersachsen durchgeführt werden, müssen grundsätzlich nach § 7 der Pflanzenschutzsachkunde-VO vom Pflanzenschutzamt der Landwirtschaftskammer anerkannt sein. Hersteller von Pflanzenschutzmitteln, die für berufliche Verwender zugelassen sind, führen in Niedersachsen keine von der Landwirtschaftskammer anerkannten Fortbildungsveranstaltungen im Pflanzenschutz durch. 83. Warum bietet die Landesregierung keine Schulungen zum Verzicht auf Pestizide an? Grundlage aller niedersächsischen Fortbildungsmaßnahmen und Schulungen im Pflanzenschutz ist die Einhaltung des Integrierten Pflanzenschutzes. Alle Schulungen enthalten auch Empfehlungen zum Verzicht auf Pflanzenschutzmittel. 84. Wie fördert die Landesregierung unabhängig vom ökologischen Landbau den Verzicht auf Pestizide? Im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen (s. auch Frage 68) werden neben dem ökologischen Landbau zahlreiche Förderprogramme angeboten, in denen der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel untersagt ist. Dabei handelt es sich insbesondere um die Schaffung von Blüh- und Schonstreifen auf Ackerland, die Maßnahmen auf Dauergrünland sowie den Schutz besonderer Biotope . Für 2017 wurde über diese Maßnahmen eine Fläche von insgesamt 74 500 ha mit einem Betrag von ca. 24,5 Millionen Euro gefördert. 85. Wird von den Straßenbaubehörden beim Straßenbegleitgrün auf Pestizide wie in England generell verzichtet? Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben des Pflanzenschutzgesetzes . Hiernach ist der Einsatz solcher Mittel außerhalb von Flächen, die weder landwirtschaftlich noch forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt werden, grundsätzlich untersagt. Ausnahmen können unter bestimmten Voraussetzungen und Gründen, z. B. Gesundheitsgefährdung des Menschen oder Schutz des Naturhaushaltes, beim zuständigen Pflanzenschutzamt beantragt werden. Grundsätzlich wird das Ziel angestrebt, den Einsatz von Pestiziden auf Flächen der Straßenbauverwaltung zu vermeiden. Zu diesem Zweck wurden in 2017 verschiedene pflanzenschutzmittelfreie Verfahren (z. B. Heißwasser-, Heißschaum- und mechanische Verfahren mittels Krautbürste ) auf Verkehrsflächen der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) getestet. Ein Abschlussergebnis soll voraussichtlich im Herbst 2018 vorgelegt werden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 35 VIII. Bienenfreundliche Flächen 86. Unterstützt die Landesregierung das Bündnis pestizidfreier Kommunen? Finanziell wird das Bündnis pestizidfreier Kommunen nicht unterstützt. Im Übrigen können die Beratungsangebote der Landwirtschaftskammer genutzt werden. 87. Begrüßt die Landesregierung, wenn Kommunen ihre Flächen ohne Einsatz von Pesitziden bewirtschaften? Ja, die Landesregierung begrüßt es, wenn Kommunen ihre Flächen ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmittel pflegen. 88. Wie unterstützt die Landesregierung die Kommunen, Hobbygärtner etc. bei der Schaffung bienenfreundlicher Grünflächen? Es wird auf die Broschüre „Bienen brauchen Blütenvielfalt - mach mit!“ des LAVES-Instituts für Bienenkunde Celle aus 2012 verwiesen. Seit Jahren, insbesondere seit dem Sommer 2017 erhält das LAVES-Institut für Bienenkunde Celle zahlreiche Anfragen zu diesem Thema aus den unterschiedlichsten Bereichen. Vorträge von Mitarbeitern des IB Celle wurden vor Ausschüssen von Kommunen , Landwirten etc. gehalten. In dem Gemeinschaftsprojekt „Netzwerk Wildbienenschutz“ vom LAVES-Instituts für Bienenkunde Celle und des BUND Niedersachsen wurden in verschiedenen Projekten Aspekte zu dieser Thematik umgesetzt (www.netzwerk-wildbienenschutz.de). Für die Schaffung bienenfreundlicher Grünflächen im besiedelten Bereich besteht ferner die Möglichkeit , Projekte im Sinne des Fördergegenstandes 2.3.4 der Richtlinie „Landschaftswerte“ zu beantragen (siehe auch Antwort zu Frage 69). Die Förderung richtet sich insbesondere an Kommunen , Verbände und Vereine, Stiftungen, Universitäten und Hochschulen mit für die biologische Vielfalt zu entwickelnden Flächen sowie Unternehmen mit zur Förderung der biologischen Vielfalt herrichtbaren Betriebsgeländen. 89. Achtet die Landesregierung bei ihren Pflegemaßnahmen auf den Insektenschutz? Soweit es sich um Straßenbegleitgrün im Zuständigkeitsbereich der NLStBV handelt, erfolgt die Pflege nach den Vorgaben des „Merkblatts für den Straßenbetriebsdienst, Teil: Grünpflege, Ausgabe 2006“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen im Benehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Es stellt eine bundesweit einheitliche Handlungsanleitung für die Grünpflege dar und betrachtet ebenso ökologische Aspekte, die dem Insektenschutz förderlich sind. Hierzu zählen vor allem angepasste Mahdzeiträume und Schnitthöhen. In Bezug auf die Unterhaltung von Gewässern hat das Land Niedersachsen im vergangenen Jahr einen Leitfaden für die artenschutzkonforme Unterhaltung im Niedersächsischen Ministerialblatt veröffentlicht (https://www.nlwkn.niedersachsen.de/startseite/naturschutz/tier_und_pflanzenartenschutz/leitfaden _artenschutz_und_gewaesserunterhaltung_/leitfaden-artenschutz-und-gewaesserunterhaltung- 154402.html). 90. Wird zugunsten der Insekten überlegt, Mahdtermine auszudünnen und zu verschieben? Verschiedene Untersuchungen zeigen einen großen Einfluss von Mäharbeiten und nachgelagerten Arbeitsschritten auf das Vorkommen von Insekten und anderen Tierarten. Die Terminierung und die Häufigkeit des Mähens im Jahresverlauf haben nachgewiesenermaßen Einfluss auf die floristische Zusammensetzung von Grünlandflächen und damit auch auf viele Tierarten incl. Insekten. Wie Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 36 hoch das Tötungsrisiko für Insekten durch die Mahd ist, hängt maßgeblich von der verwendeten Mähmethode (z. B. Trommelmäher, Traktor-Balkenmäher oder handbetriebene Mähgeräte), der Anzahl an nachgelagerten Ernteschritten sowie der Arbeitsgeschwindigkeit des Gesamtprozesses ab. Humpert et al. (2010) beziffert durch o. g. Faktoren die Verlustraten bei Tieren auf Werte zwischen 5 und 80 % pro Mähvorgang. Die in der heutigen Landwirtschaft verwendeten großen Mähgeräte mit nachfolgenden Arbeitsschritten, die innerhalb kurzer Zeit durchgeführt werden, haben häufig massive Verluste bei Insektenarten zur Folge. Viele Insektenarten des Grün- und Ackerlandes sind in ihrem Lebenszyklus an eine eher extensive landwirtschaftliche Nutzung angepasst. Die folgende Abbildung zeigt, wie sich über die letzten hundert Jahre der Mähzeitpunkt des ersten Grasschnitts im Jahr kontinuierlich ins Frühjahr verschoben hat. Abb. Zeitpunkt des 1. Schnittes im Grünland von 1910 bis heute (Quelle: NLWKN). Besonders in Naturschutzgebieten mit wertvollen Grünlandgesellschaften und Wiesenvogelvorkommen legen die Verordnungen vielfach eine extensive Nutzung (z. B. mit Einschränkungen in der Weideviehdichte, dem Zeitpunkt der ersten Mahd, dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln) fest. Dafür erhalten die Bewirtschafter vom Land einen Erschwernisausgleich. Außerhalb dieser Schutzgebiete wird über finanzielle Förderanreize (z. B. über Agrarumweltmaßnahmen, s. Frage 68) versucht , einen nachhaltigen Schutz von Pflanzen und Tieren zu erreichen. 91. Werden von den Straßenbaubehörden beim Straßenbegleitgrün Pestizide eingesetzt? Wenn ja, in welchem Umfang? Grundsätzlich wird hierzu auf die Antwort zu Frage 85 verwiesen. Nur in Einzelfällen werden im Zuständigkeitsbereich der NLStBV von den regionalen Geschäftsbereichen Ausnahmegenehmigungen beim Pflanzenschutzamt der Landwirtschaftskammer Niedersachen beantragt. Bekannt sind zwei im Januar 2018 beim Pflanzenschutzamt in Hannover gestellte Anträge des Geschäftsbereiches Gandersheim für den Einsatz zur Bekämpfung der invasiven Herkulesstaude. 92. Gibt es Gespräche mit dem Verkehrsministerium, das Straßenbegleitgrün insektenfreundlicher anzulegen? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Bereits seit 2015 verwendet die NLStBV gemäß § 40 Abs. 4 des Bundesnaturschutzgesetzes zur Eingrünung von Straßennebenflächen ausschließlich gebietseigenes Saatgut nach den Empfehlungen der Forschungsgesellschaft für Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau e. V. Dieses zeichnet sich durch eine hohe Artenvielfalt an Kräutern und einen höheren Blütenreichtum im Vergleich zu den Standardmischungen aus und dient damit auch dem Insektenschutz. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die Informationsbroschüre „Bienen brauchen Blütenvielfalt - mach mit!“ und das „Netzwerk Wildbienenschutz“ (s. Antwort zu Frage 88). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 37 93. Werden die Kommunen beraten, für mehr insektenfreundliche Begrünung zu sorgen? Im Rahmen der fachlichen Beratungen zum Fördergegenstand 2.3.4 (Anlage und Aufwertung naturnaher Biotope und Landschaftselemente u. a. in urbanen Bereichen, die die Biodiversität im Siedlungsraum fördern sowie den Wasserhaushalt und das Stadtklima verbessern) der Richtlinie „Landschaftswerte“ wird auf den naturschutzfachlichen Mehrwert solcher Flächen und die entsprechenden Fördermöglichkeiten hingewiesen. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die Informationsbroschüre „Bienen brauchen Blütenvielfalt - mach mit!“ und das „Netzwerk Wildbienenschutz“ (s. Antwort zu Frage Nr. 88). IX. Handlungsbedarf 94. Steht die Landesregierung zu dem Ziel der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt , den Verlust der Artenvielfalt bis zum Jahr 2020 zu stoppen? Die Landesregierung hält grundsätzlich an dem Ziel der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt fest, den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen. Allerdings sind die Defizite in diesem Bereich nach wie vor groß. Deshalb bedarf es unabhängig vom Ziel für das Jahr 2020 zusätzlicher Anstrengungen auf allen Ebenen und in möglichst allen Politikfeldern, um eine Trendwende zu erreichen. 95. Nach Einschätzung der Landesregierung: Wie kann dieses Ziel erreicht werden? Siehe Antwort zu Frage 96. 96. Welche Maßnahmen gegen das Insektensterben sieht die niedersächsische Naturschutzstrategie vor? Die Niedersächsische Naturschutzstrategie verfolgt über verschiedene Maßnahmen auch die Ziele eines dauerhaften Insektenschutzes. Zu benennen sind hier u. a.: 1. Sicherung und Erhaltung von Lebensräumen wie Heiden, Magerrasen und Äckern, Gewässern und Mooren etc., 2. eine konsequente Weiterentwicklung und Sicherung der Natura-2000-Ziele, 3. eine Reduktion von Stoffeinträgen. Zur Bewahrung der biologischen Vielfalt ist eine umfangreiche Datengrundlage über Arten und Lebensräume sowie zu Veränderungen nötig. Hierfür wird ein Monitoring für Insekten aufgebaut werden (s. Frage 10, 20 und 97). 97. Plant die Landesregierung, das Monitoring der Insektenpopulation zu verbessern, und, wenn ja, wie? Derzeit wird vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) ein Monitoring-Leitfaden für Insekten konzipiert. Diese Ergebnisse sollen abgewartet werden, damit eine standardisierte bundeseinheitliche Methodik zur Erfassung von Insekten sichergestellt ist. Die Datensätze der Länder können nur so miteinander verglichen werden, um Rückschlüsse auf Ursachen und für mögliche Fördermaßnahmen von Insekten erkennen und entwickeln zu können. Darüber hinaus sollten dieses Jahr konzeptionelle Vorarbeiten zum Aufbau eines landesweiten Insektenmonitoring erfolgen, welches nach Bekanntgabe der BfN-Leitlinie im Jahr 2019 begonnen werden soll. 98. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung in der Naturschutzpolitik zum Schutz der Insekten? Für einen nachhaltigen Schutz von Insekten sind die in der Antwort zu Frage 96 definierten Ziele der Naturschutzstrategie konsequent weiter anzustreben. Darüber hinaus kommt neben der Siche- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 38 rung von für Insekten bedeutsamen Lebensräumen und Landschaftsstrukturen auch der Neuanlage solcher Lebensräume eine große Bedeutung zu. Bereits laufende Maßnahmen im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen werden im Hinblick auf ihre Effektivität evaluiert, um sie für die nächste Förderperiode verbessern zu können. Auf Basis der Ergebnisse des Insektenmonitorings wird die Landesregierung ein Maßnahmenkonzept entwickeln, das Eingang finden soll in die zu konzipierenden Agrarumweltmaßnahmen der kommenden EU-Förderperioden. 99. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung in der Landwirtschaftspolitik zum Schutz der Insekten? Im Rahmen des ELER-Programms PFEIL werden für Landwirte bereits Anreize geschaffen, z. B. ihre Landwirtschaft auf ökologische Anbauverfahren umzustellen, auf synthetische Pflanzenschutzmittel und Dünger zu verzichten oder spezielle Blühstreifen zum Schutz der Insekten anzulegen . PFEIL bietet zudem weitere umweltbezogene Förderangebote, die für den Schutz und die Entwicklung von Lebensräumen genutzt werden können, wovon in der Regel auch Insektenpopulationen profitieren dürften. Dieses Instrumentarium soll auch weiterhin wichtiger Bestandteil der Landwirtschaftspolitik bleiben. 100. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung bei der Verwendung von Finanzmitteln der Gemeinsamen Agrarpolitik zum verstärkten Schutz der Insekten? Für den erkennbaren Handlungsbedarf steht der Landesregierung das ELER-Programm PFEIL mit vielfältigen Fördermöglichkeiten zur Verfügung (vgl. Antwort zu Frage 99). Die Kommissionsmitteilung zur Zukunft der GAP nach 2020 zeigt zudem, dass auch in der neuen Förderperiode der Schutz und Erhalt der Biodiversität eine große Rolle in der EU-Förderung spielen wird. Somit kann man auch weiterhin davon ausgehen, dass ein wesentlicher Anteil an EU-Mitteln für die genannten Maßnahmen zur Verfügung stehen dürfte 101. Welche Alternativen zum Einsatz von Glyphosat sind der Landesregierung bekannt? Es gibt Alternativen zum Einsatz von Glyphosat. Da Glyphosat in der Regel auf unbestellten Ackerflächen eingesetzt wird, kann eine Unkrautbekämpfung auf diesen Flächen z. B. mechanisch durchgeführt werden. Neben dem Pflug können nicht bodenwendende Arbeitsgeräte (z. B. Grubber oder Scheibenegge) eingesetzt werden. 102. Welche Alternativen zum Einsatz von Neonicotinoiden sind der Landesregierung bekannt ? Für die Neonicotinoide Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin gibt es als Ersatz für die Beizen z. Z. nur sehr begrenzte Alternativen. Zur Drahtwurmbekämpfung im Mais wird aktuell mit dem Wirkstoff Thiacloprid gebeiztes Saatgut eingesetzt. Die Wirkung ist jedoch schwächer als bei den o. g. Neonicotinoiden. Obwohl in Deutschland zz. keine Zulassung für Thiacloprid in dieser Indikation vorliegt, ist es rechtlich möglich, dass behandeltes Saatgut aus EU-Mitgliedstaaten mit einer bestehenden Zulassung für Thiacloprid-Präparate eingeführt und ausgesät werden kann. In anderen Fruchtarten gibt es dagegen keine Alternativen zur Beizung, sodass auf Spritzapplikationen ausgewichen wird, z. B. zur Begrenzung von Virusinfektionen in Zuckerrüben. Die als bienenungefährlich eingestuften Wirkstoffe Thiacloprid und Acetamiprid haben dagegen in vielen Fruchtarten (Kartoffeln, Raps, Getreide, Obstbau, Gemüsebau) eine Zulassung zur Bekämpfung verschiedenster Schädlinge. Beispiele für Indikationen sind Rapsglanzkäfer, Blattläuse und Kartoffelkäfer, Getreide- und Spargelhähnchen, Kirschessigfliege im Obstbau usw. Pflanzenschutzmittel mit diesen Wirkstoffen sind unverzichtbare Bausteine zur Umsetzung einer Antiresistenzstrategie und damit von großer Bedeutung für die Erhaltung der Wirksamkeit von Insektiziden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 39 Grundsätzlich soll durch eine konsequente Umsetzung des Integrierten Pflanzenschutzes eine Reduktion von Pflanzenschutzmaßnahmen auf das unbedingt notwendige Maß erreicht werden. Dies setzt allerdings zwingend voraus, dass ausreichend Bekämpfungsalternativen im Fall von Schädlingsgradationen zur Verfügung stehen. 103. Welchen Beitrag kann eine Ausweitung des Ökolandbaus zum Schutz der Artenvielfalt leisten? Die Umstellung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung auf ökologischen Landbau kann zu einer Wiederherstellung der Standort- bzw. Habitatbedingungen bestimmter gefährdeter Pflanzen- und Tierarten der Agrarökosysteme beitragen. Die Verbesserungen basieren auf den spezifischen und gesetzlich kontrollierten Produktionsweisen des ökologischen Landbaus. Diese Produktionsweisen bzw. Einschränkungen kommen wild lebenden Pflanzen- und Tierarten landwirtschaftlicher Nutzflächen zugute. Nachweise und Metastudien belegen das Aufwertungspotenzial der Umstellung auf ökologische Bewirtschaftung. Die ober- und unterirdische Kleintierfauna auf Acker und Grünland wird in der Regel arten- und individuenreicher. Die Landnutzungsänderung bedingt durch geringere Erträge wird durch diese Betrachtung nicht berücksichtigt. 104. Welche Handlungsmöglichkeiten haben Städte und Kommunen, um die Artenvielfalt von Insekten zu stärken? Die Städte und Gemeinden haben insbesondere in der Bauleitplanung Möglichkeiten, die Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu unterstützen. Bauleitpläne sollen nämlich „dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln“ (§ 1 Abs. 5 BauGB). Der Schutz der Artenvielfalt und insoweit auch der Insekten ist Teil dieser Aufgabe. Dies bedeutet mehr als nur neue Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft abzuwenden und zu kompensieren oder die artenschutzrechtlichen Schädigungs- und Störungsverbote zu beachten. Die vorausschauende Berücksichtigung der artenschutzrechtlichen Verbote sowie die Anwendung der Vorschriften über die Vermeidung und Kompensation von Eingriffsfolgen sind also nur ein Teil der Erwartungen des Naturschutzes und der Landschaftspflege an die Bauleitplanung. Den Städten und Gemeinden eröffnet sich auf diesem Gebiet ein großes Potenzial für den Schutz der Artenvielfalt . Hierzu zählt auch die Verpflichtung des § 2 Abs. 4 BNatSchG, bei der Bewirtschaftung der gemeindeeigenen Flächen die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege in besonderer Weise zu berücksichtigen. Auch ist auf die Möglichkeiten hinzuweisen, die sich den Städten und Gemeinden hinsichtlich der Kompensation neuer bauleitplanerisch vorbereiteter Eingriffe eröffnen. Dazu zählen – die angemessene Berücksichtigung der Eingriffsregelung schon in der Flächennutzungsplanung , – die Bevorratung von Flächen und Maßnahmen zum Ausgleich, – die Durchführung des Ausgleichs außerhalb der Baugebiete im öffentlichen Raum und nicht beispielsweise auf Hausgrundstücken, auf denen die Kompensation nur schwer gewährleistet werden kann, – die Realisierung dieser Maßnahmen anstelle und auf Kosten der Vorhabensträger und Investoren , – die Aufstellung von Landschafts- und Grünordnungsplänen zur Vorbereitung oder Ergänzung der Bauleitplanung. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1347 40 Im Rahmen der Dorfentwicklung können Kommunen entsprechende Konzepte (Grünkonzept im Dorfentwicklungsplan) bis hin zum Biotopverbund und zur Biotopvernetzung mit der umgebenden Landschaft entwickeln. Ferner können sie insektenfreundliche Biotope (Grünflächen, Blühstreifen etc.) anlegen sowie öffentliche Gebäude und Freiräume entsprechend gestalten und gebenenfalls eine Förderung erhalten. Im Rahmen des Modellvorhabens Dorfökologie wurden hierfür wertvolle Hinweise erarbeitet. Grundsätzlich sind Kommunen im Rahmen von Projektförderungen gehalten, standortgerechte und heimische Pflanzen sowie insektenfreundliche Leuchtkörper und Leuchtmittel z. B. bei der Straßenbeleuchtung zu verwenden. Dies gilt im weitesten Sinne im Übrigen auch für ILE (Integriertes ländliches Entwicklungskonzept). 105. Wie steht die Landesregierung zu dem Ziel der nationalen Biodiversitätsstrategie, 2 % der Landesfläche als Wildnisgebiete zu sichern. Die Landesregierung hält an dem Ziel der nationalen Biodiversitätsstrategie fest, 2 % der Landesfläche als Wildnisgebiete dauerhaft zu sichern. 106. Welchen Beitrag können Biotopverbünde zum Schutz der Artenvielfalt leisten? Ein Biotopverbund aus gut geschützten Kernflächen, Trittsteinbiotopen und Vernetzungsstrukturen ist zwingende Voraussetzung für die Erhaltung der Artenvielfalt. Die Funktionsfähigkeit der Trittsteinbiotope und Verbundachsen hängt allerdings vom Zustand der umliegenden Landschaft ab. 107. Was versteht die Landesregierung unter einem Biotopverbund? Der Begriff „Biotopverbund“ ist im Bundesnaturschutzgesetz durch die §§ 20 und 21 definiert: Es handelt sich um ein Netz verbundener Biotope bestehend aus Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselementen. Der Biotopverbund dient der dauerhaften Sicherung der Populationen wild lebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten, Biotope und Lebensgemeinschaften sowie der Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen. Er soll auch zur Verbesserung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ beitragen. 108. Wie will die Landesregierung Biotopverbünde fördern? Mit dem derzeit in Neuaufstellung befindlichen Niedersächsischen Landschaftsprogramm (aktueller Stand: 13.04.1984) erstellt die Landesregierung die gutachterliche fachlich-konzeptionelle Grundlage für den landesweiten Biotopverbund. Überregional bedeutsame Kerngebiete des landesweiten Biotopverbundes (u. a. bestehende Schutzgebiete und bestimmte Förderkulissen des Naturschutzes, prioritäre Fließgewässerabschnitte und Wasserkörper für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie) sowie Querungshilfen von landesweiter Bedeutung sind bereits in der zeichnerischen Darstellung des Landes- Raumordnungsprogramms Niedersachsen (LROP) als Vorranggebiete Biotopverbund festgelegt und damit raumordnerisch gesichert. Die Träger der Regionalplanung haben diese in die Regionalen Raumordnungsprogramme zu übernehmen und räumlich zu konkretisieren (Abschnitt 3.1.2 Ziffer 02 Satz 4 LROP). Sie sollen die Kerngebietskulisse ergänzen und haben geeignete Habitatkorridore zur Vernetzung von Kerngebieten festzulegen - jeweils auf Basis naturschutzfachlicher Konzepte, wie z. B. Landschaftsrahmenpläne (Abschnitt 3.1.2 Ziffer 04 ROP). Die Landesregierung fördert konkrete Maßnahmen zum Aufbau von Biotopverbünden u. a. im Rahmen bestehender Naturschutzfördermaßnahmen (z. B. Agrarumweltmaßnahmen und investive Naturschutzmaßnahmen im Rahmen des ELER oder EFRE) oder der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der Fließgewässerentwicklung. (Verteilt am 06.08.2018) Drucksache 18/1347 Große Anfrage mit Antwort der Landesregierung Was tut die Landesregierung, um das Insektensterben zu stoppen, und wann werden Bie-nengifte wie Neonicotinoide verboten?