Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1371 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg, Belit Nejat Onay, Dragos Pancescu, Anja Piel und Julia Willie Hamburg (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung Gefährderinnen und Gefährder in der Abschiebungshafteinrichtung Langenhagen? Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg, Belit Nejat Onay, Dragos Pancescu, Anja Piel und Julia Willie Hamburg (GRÜNE), eingegangen am 02.07.2018 - Drs. 18/1243 an die Staatskanzlei übersandt am 09.07.2018 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 09.08.2018, gezeichnet In Vertretung Detlev Rust Vorbemerkung der Abgeordneten In der Abschiebungshafteinrichtung Langenhagen der Justizvollzugsanstalt Hannover werden seit mehreren Jahren abzuschiebende Personen untergebracht. Die durchschnittliche Belegung liegt aktuell (bis 30.04.2018) bei 27 Gefangenen, bei jeweils 18 durchschnittlichen Verweiltagen (Drucksache 18/835, Frage 36). Seit einiger Zeit gibt es Diskussionen darüber, Abschiebehäftlinge verschiedener Länder in einzelnen Anstalten zu bündeln. Diese Diskussion ist insbesondere im Kontext der Ingewahrsamnahme ausreisepflichtiger Gefährderinnen und Gefährder erneut geführt worden . Auf eine entsprechende Anfrage für die Fragestunde des Landtages im Juni-Plenum erklärte die Landesregierung, dass derzeit in Langenhagen keine Personen untergebracht seien, die Gefährderinnen und Gefährder im polizeirechtlichen Sinne seien. Vorbemerkung der Landesregierung Die Abteilung Langenhagen der Justizvollzugsanstalt Hannover ist eine spezielle Hafteinrichtung im Sinne des § 62 a Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Es könnten maximal 42 männliche und sechs weibliche Abschiebungsgefangene aufgenommen werden. Im Hinblick auf die zunehmende Gewaltbereitschaft einzelner Abschiebungsgefangener können die vorhandenen 14 Doppelhafträume jedoch nur mit einer Person belegt werden. Abhängig von den Notwendigkeiten der Einzelunterbringung schwanken deshalb die tatsächlichen Unterbringungsmöglichkeiten. Nur sofern die Kapazitäten auskömmlich sind, werden in der Abteilung Langenhagen auch Abschiebungsgefangene aus anderen Bundesländern aufgenommen. Durch Artikel 1 Nr. 8 a des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20. Juli 2017 wurde § 62 a Abs. 1 Satz 2 AufenthG geändert. Nach § 62 a Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 AufenthG kann die Abschiebungshaft in sonstigen Haftanstalten (Justizvollzugsanstalten) vollzogen werden, wenn von der Ausländerin oder dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht. Die Abschiebungsgefangenen sind in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1371 2 1. Waren seit November 2017 Personen in der Abschiebehaft in Langenhagen untergebracht , für die andere Bundesländer zuständig waren? In der Abteilung Langenhagen waren in dem Zeitraum von November 2017 bis zum Stichtag 12.07.2018 insgesamt 135 Personen aus anderen Bundesländern untergebracht. 2. Waren bei den unter 1. Genannten Personen dabei, gegen die eine Ausweisungsverfügung nach § 58 a des Aufenthaltsgesetzes verhängt worden ist? Wenn ja, aus welchem Bundesland? Nein. 3. Waren bei den unter 1. genannten Personen dabei, gegen die zuvor wegen des Verdachts einer Mitgliedschaft oder Unterstützung einer inländischen oder ausländischen terroristischen Vereinigung oder der Vorbereitung einer schweren, staatsgefährdenden Gewalttat staatsanwaltschaftliche Ermittlungen liefen? Wenn ja, in welchem Bundesland und durch welche Staatsanwaltschaft? Zur Beantwortung der Frage im Hinblick auf Ermittlungen bei niedersächsischen Staatsanwaltschaften wäre ein händisches Einpflegen der Datensätze von 135 Personen für alle Staatsanwaltschaften in Niedersachsen in das Vorgangsverwaltungsprogramm web.sta erforderlich. Ein solches händisches Einpflegen kann innerhalb der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit und aufgrund des mit der Beantwortung verbundenen personellen und zeitlichen Aufwands ohne Zurückstellung der eigentlichen Aufgaben der Staatsanwaltschaften beziehungsweise des Zentralen IT-Betriebs Niedersächsische Justiz nicht geleistet werden. Etwaige Ermittlungen des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof oder von Staatsanwaltschaften anderer Bundesländer fallen nicht in den Verantwortungsbereich der Landesregierung. 4. Waren bei den unter 1. Genannten Personen dabei, die vom niedersächsischen oder einem anderen Verfassungsschutz als Anhänger des militanten Salafismus eingestuft worden sind? Wenn ja, durch welche Behörde? Fünf der unter 1. genannten Personen werden durch den Verfassungsschutzverbund dem Phänomenbereich Islamismus/Salafismus zugeordnet. 5. Waren bei den unter 1. Genannten Personen dabei, die dem Justizministerium als Anhänger des Salafismus oder einer anderen dschihadistischen Ideologie bekannt waren ? Wenn ja, aus welchem Bundesland? Dem Justizministerium ist keine der unter 1. genannten Personen als Anhängerin oder Anhänger des Salafismus oder einer anderen dschihadistischen Ideologie bekannt. In einem Fall wurde von der zuständigen Ausländerbehörde mitgeteilt, dass sich eine Person möglicherweise dem IS anschließen wolle. 6. Auf Grundlage welcher Vereinbarung jeweils und welcher Kostenübernahmeregelung wurden diese Personen jeweils in Langenhagen untergebracht? Die Aufnahme von Abschiebungsgefangenen aus anderen Bundesländern erfolgt nach Prüfung des Einzelfalls. Die Koordination der Anfragen liegt beim gemeinsamen Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr (ZUR). Neben den verfügbaren Kapazitäten ist die Aufnahme der Abschiebungsgefangenen aus anderen Bundesländern in der Regel an folgende Bedingungen geknüpft: Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1371 3 – Keine Aufnahme von Personen, die aufgrund von §§ 58 a, 62 Abs. 3 Nr. 1 a oder 62 Abs. 3 Nr. 5 i. V. m. 2 Abs. 14 Nr. 5 a AufenthG in Haft genommen werden oder bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 a Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 AufenthG, – Übernahme sämtlicher An- und Abfahrten der oder des Abschiebungsgefangenen nach und von Langenhagen sowie zum Flughaften zwecks Durchführung der Abschiebung durch das ersuchende Bundesland, – Bescheinigung der Hafttauglichkeit durch das ersuchende Bundesland und Mitteilung über eventuelle medizinische und psychiatrische Auflagen, – Übernahme der täglichen Haftkosten des ersuchenden Bundeslandes in Höhe von derzeit 220,19 Euro pro Hafttag, – Übernahme der Kosten des ersuchenden Bundeslandes für eine Ersatzbeschaffung bei einer Beschädigung oder Zerstörung von Eigentum der JVA Hannover (Haftraummöbel und anderes Inventar) durch die oder den Abschiebungsgefangenen, – Übernahme eventueller Behandlungs- und Krankenhauskosten durch das ersuchende Bundesland , – die Untersuchungshaft darf nicht neben der Abschiebungshaft angeordnet sein. Das Land Niedersachsen vertreten durch das Niedersächsische Justizministerium und der Freistaat Sachsen vertreten durch das Sächsische Staatsministerium des Innern haben am 28.03.2018 eine Verwaltungsvereinbarung über die Unterbringung von Abschiebungsgefangenen geschlossen. Danach werden dem Freistaat Sachsen bis zu fünf Haftplätze zur Unterbringung von männlichen und weiblichen Abschiebungsgefangenen zur Verfügung gestellt, für die im Freistaat Sachsen Abschiebungshaft oder in einem anderen Bundesland auf Antrag sächsischer Ausländerbehörden Abschiebungshaft angeordnet wurde. Weiterhin steht diese Vereinbarung unter dem Vorbehalt, dass unter Berücksichtigung der niedersächsischen Bedarfe freie Haftplätze verfügbar sind. Die für die übrigen Bundesländer geltenden Aufnahmebedingungen finden entsprechende Anwendung. 7. Welche besonderen Sicherheitsvorkehrungen wurden jeweils getroffen, um diese Personen sicher nach Langenhagen zu transportieren und dort sicher unterzubringen? Wie in der Antwort zu Frage 6 bereits ausgeführt, sind alle ersuchenden Bundesländer verantwortlich für den Transport der oder des Abschiebungsgefangenen nach Langenhagen und den weiteren Transport von Langenhagen zum Flughafen zwecks Durchführung der Abschiebung durch das ersuchende Bundesland. Insoweit werden besondere Sicherheitsvorkehrungen im Bedarfsfall auch durch das jeweilige ersuchende Bundesland angeordnet. Besondere Sicherheitsvorkehrungen in der Abteilung Langenhagen gibt es für Personen, an denen dort die Abschiebungshaft für andere Bundesländer vollzogen wird, im Regelfall nicht. In Einzelfällen können, wenn nach dem Verhalten der oder des Abschiebungsgefangenen oder aufgrund ihres oder seines seelischen Zustandes insbesondere die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder die Gefahr der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht, beschränkende Maßnahmen erforderlich werden. 8. Waren seit November 2017 Personen, für die Niedersachsen zuständig war, in anderen Bundesländern in Abschiebehafteinrichtungen untergebracht? Zur Beantwortung der Fragestellung wurden die 53 niedersächsischen Ausländerbehörden abgefragt . Es meldeten drei Ausländerbehörden, dass seit November 2017 jeweils eine Person aus ihrem Zuständigkeitsbereich in anderen Bundesländern in Abschiebungshafteinrichtungen untergebracht war. Bei den drei Personen handelte es sich nicht um Gefährder im polizei- und aufenthaltsrechtlichen Sinne. 48 Ausländerbehörden meldeten Fehlanzeige. Zwei Ausländerbehörden haben nicht geantwortet. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1371 4 9. Wenn ja, auf Grundlage welcher Vereinbarung und welcher Kostenübernahmeregelung ? Eine allgemeingültige Regelung über die Kostenübernahme existiert nicht und wird individuell vereinbart . Die Kostenübernahmezusage erfolgte in den drei Fällen individuell durch die Ausländerbehörden . 10. Wie werden die unter 1. genannten Personen in der Abschiebungshaftanstalt Langenhagen jeweils untergebracht (völlig oder teilweise getrennt von den Abschiebungshäftlingen , jeweils in Einzel- oder Mehrpersonenzellen)? Bei der Unterbringung der Abschiebungsgefangenen wird nicht nach Zuständigkeit der Bundesländer differenziert. Weibliche und männliche Abschiebungsgefangene werden in der Abteilung Langenhagen in räumlich getrennten Bereichen untergebracht. In der Abteilung Langenhagen werden zwei Unterkunftshäuser für Abschiebungsgefangene vorgehalten . In den beiden Häusern stehen 20 Einzelhaftplätze und 14 Doppelhaftplätze für Abschiebungsgefangene zur Verfügung. Das ergibt ein Haftplatzkontingent von insgesamt bis zu 48 Haftplätzen , wovon 42 Haftplätze für männliche und sechs Haftplätze für weibliche Abschiebungsgefangene vorgesehen sind. Jede oder jeder Abschiebungsgefangene hat unter dem Vorbehalt freier Haftraumkapazitäten einen Anspruch auf Unterbringung in einem Einzelhaftraum. 11. Über welchen Zeitraum halten sich die jeweils unter 1. genannten Personen in der Haftanstalt auf bzw. werden sich voraussichtlich aufhalten? Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in der Abschiebungshafteinrichtung Langenhagen in dem oben genannten Zeitraum von November 2017 bis zum 12.07.2018 der unter Nummer 1 Genannten betrug 24 Tage. Dabei betrug die kürzeste Aufenthaltsdauer einen Tag und die längste Aufenthaltsdauer 89 Tage. 12. Sind durch die Aufnahme von unter 1. genannten Personen oder aufgrund anderer Anlässe die Sicherheitsvorkehrungen in der Haftanstalt seit November 2017 erhöht worden , und wenn ja, wie und wodurch? Die Aufnahme von Abschiebungsgefangenen aus anderen Bundesländern hat nicht zu einer Erhöhung der Sicherheitsvorkehrungen geführt. Jedoch machen die zunehmende Gewaltbereitschaft einzelner Abschiebungsgefangener - unabhängig von der Zuständigkeit des Bundeslandes - sowie Funde von selbst hergestellten Stich- und Schlagwaffen konzeptionelle Anpassungen erforderlich. Einzelne Abschiebungsgefangene treten gegenüber den Bediensteten impulsiv und aggressiv auf und schrecken auch vor Gewaltanwendung gegen Bedienstete nicht zurück. Die liberale Vollzugsgestaltung der vergangenen Jahre lässt sich nicht mehr vollumfänglich aufrechterhalten. Die JVA Hannover hat daher die Hausordnung für die Abteilung Langenhagen überarbeitet und der Fachabteilung des Justizministeriums zur Abstimmung vorgelegt. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen . Gegenwärtig werden zur Erhöhung der Sicherheit durch personelle Präsenz in einem Unterkunftshaus drei statt bisher zwei Bedienstete in der Früh- und in der Spätschicht eingesetzt. Die technischen Sicherheitsvorkehrungen sind in der Abteilung Langenhagen seit November 2017 nicht erhöht worden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1371 5 13. Wird wegen der Aufnahme der unter 1. genannten Personen mehr Personal in der Abschiebungshaftanstalt Langenhagen in den unterschiedlichen Bereichen eingesetzt? Wenn ja, wie viel in welchen Bereichen? Wie bereits in der Antwort zu Frage 10 ausgeführt, werden Abschiebungsgefangene aus anderen Bundesländern nicht von Abschiebungsgefangenen aus Niedersachsen getrennt untergebracht. Insoweit kann auch der Personaleinsatz nicht gesondert erhoben werden. Die Personalbedarfsberechnung der Abteilung Langenhagen richtet sich nach der festgesetzten Belegungsfähigkeit. Nur wenn diese Belegungsfähigkeit überschritten wird, müsste personell nachgesteuert werden. Abschiebungsgefangene aus anderen Bundesländern werden nur aufgenommen , wenn die ohnehin ausgewiesenen Haftplatzkapazitäten auskömmlich sind. 14. Wer trägt die Kosten für die unter 1. genannten Personen aus anderen Bundesländern in welcher Höhe pro Häftling? Es wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. (Verteilt am 13.08.2018) Drucksache 18/1371 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg, Belit Nejat Onay, Dragos Pancescu, Anja Piel und Julia Willie Hamburg (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums Gefährderinnen und Gefährder in der Abschiebungshafteinrichtung Langenhagen?