Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1464 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Imke Byl (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Raus aus dem Klimakiller Kohle - Wie setzt sich die Landesregierung für einen Kohleausstieg in Niedersachsen ein? Anfrage der Abgeordneten Imke Byl (GRÜNE), eingegangen am 04.07.2018 - Drs. 18/1321 an die Staatskanzlei übersandt am 25.07.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 20.08.2018, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung der Abgeordneten Deutschland hat sich international und national zum Klimaschutz und zur Einhaltung von Klimaschutzzielen verpflichtet. Auch die Landesregierung engagiert sich im Klimaschutz, wie u. a. der vom letzten Umweltminister Stefan Wenzel einberufene Runde Tisch Energiewende sowie die in der letzten Legislatur gegründete Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen zeigen. Doch das Klimaschutzziel, in Deutschland bis 2020 eine Minderung der Treibhausgasemissionen von 40 % gegenüber 1990 zu erreichen, wird verfehlt. Die Minderung wird voraussichtlich weniger als 32 % betragen (https://www.tagesschau.de/inland/klimaziele-schulze-101.html, abgerufen am 03.07.2018). Um das Klimaziel einer Treibhausgasminderung von 55 % 2030 noch zu erreichen, ist daher eine Lücke zu füllen. Dennoch halten Unternehmen und kommunale Energieversorger auch in Niedersachsen am Energieträger Kohle fest. So wird z. B. ein neues Kohlekraftwerk in Stade gegen Proteste lokaler Initiativen geplant (https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/luene burg_heide_unterelbe/Kohlekraftwerk-in-Stade-darf-gebaut-werden,stade718.html, abgerufen am 03.07.2018). 1. Welchen Anteil an den in Niedersachsen entstehenden Treibhausgasemissionen haben Braun- und Steinkohle? Das Landesamt für Statistik erstellt regelmäßig Energie- und CO2-Bilanzen für Niedersachsen, in denen die energiebedingten CO2-Emissionen in Niedersachsen aufgeführt werden. Die aktuelle Energie- und CO2-Bilanz, die im November 2017 veröffentlicht wurde, enthält Daten bis zum Jahr 2015. Danach wurden im Jahr 2015 in Niedersachsen CO2-Emissionen aus dem Primärenergieverbrauch in Niedersachsen in Höhe von 66,0 Millionen Tonnen emittiert. Hiervon entfielen auf die Steinkohlenutzung 14,9 Millionen Tonnen CO2 (22,6 %) und auf die Braunkohlenutzung 2,7 Millionen Tonnen CO2 (4,1 %). Anzumerken ist, dass sich aufgrund der zwischenzeitlichen Überführung des Braunkohlekraftwerks Buschhaus in die Sicherheitsbereitschaft die Kohlenutzung in Niedersachsen seit 2015 deutlich verändert hat, sodass ein deutlich rückläufiger Trend bei den CO2-Emissionen aus der Kohlenutzung zu erwarten ist. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1464 2 2. Welchen Anteil an der in Niedersachsen verbrauchten Kohle hat die aus Übersee importierte Braunkohle, Braunkohle aus deutschen Braunkohlerevieren, aus Übersee importierte Steinkohle, Steinkohle aus deutschen Steinkohlerevieren (bitte nach diesen vier Kategorien sowie Herkunftsregionen aufschlüsseln)? Nachfolgend werden die bundesweiten Einfuhrmengen dargestellt. Der Import und die Verteilung der Kohle obliegen der kohleverarbeitenden Industrie. Welcher Anteil der importierten Kohle auf Niedersachsen entfällt, lässt sich daher nicht zweifelsfrei bestimmen. Steinkohle Ausweislich des von der Branche getragenen Vereins „Statistik der Kohlewirtschaft e. V.“ lag der bundesweite Importanteil der Steinkohle im Jahr 2016 bei über 90 %. Es wurden 44,8 Millionen Tonnen Steinkohle nach Deutschland importiert und 3,85 Millionen Tonnen im Inland gefördert. Die Herkunftsländer sind in der nachfolgenden Tabelle 1 aufgeführt. Land 2016 In 1 000 t Belgien/Luxemburg 90 Niederlande 31 Großbritannien 1 Polen 2 306 Tschechische Republik 311 Russland 15 932 USA Kanada 9 037 Südafrika 1 285 Australien 6 659 Kolumbien 8 194 Sonstige außereuropäische Länder 956 Gesamteinfuhr 44 802 Inlandsförderung 3 849 Gesamt 48 651 Tabelle 1: Bundesweite Kohleimporte im Jahr 2016 Quelle: Statistik der Kohlenwirtschaft e. V. Braunkohle Nach Angaben des Bundesverbands Braunkohle (DEBRIV) und der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen ist der Primärenergieverbrauch der Braunkohle in vollem Umfang der Inlandsförderung zuzurechnen. Im Jahr 2016 wurden in den Braunkohlerevieren in Deutschland insgesamt 171,6 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert. Die Aufteilung auf die einzelnen Reviere ist in der nachfolgenden Tabelle 2 aufgeführt. Revier 2016 In Mio. t Rheinland 90,5 Helmstedt 1,1 Lausitz 62,3 Mitteldeutschland 17,7 Gesamt 171,6 Tabelle 2: Braunkohleförderung in Deutschland im Jahr 2016 Quelle: Statistik der Kohlenwirtschaft e.V. Die Braunkohle aus dem Helmstedter Revier wurde im Kraftwerk Buschhaus eingesetzt. Das Revier ist ausgeerzt. Soweit weitere Braunkohle im Kraftwerk Buschhaus verbrannt wurde, wurde sie nach Betreiberangaben aus dem mitteldeutschen Revier bezogen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1464 3 3. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung zu den Arbeitsbedingungen im Kohleabbau in den Herkunftsländern der in Niedersachsen verbrannten Kohle, gerade unter Berücksichtigung der internationalen Standards der ILO sowie der Menschenrechte, vor? 4. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung zu Renaturierungs- und Umweltschutzmaßnahmen in den Abbauregionen der in Niedersachsen verbrannten Kohle vor? 5. Wenn keine Kenntnisse vorliegen, was plant die Landesregierung, um auch international Verantwortung für die mit der Kohlenutzung, insbesondere dem Abbau, im Zusammenhang stehenden Schäden an Mensch und Umwelt zu übernehmen? Die Fragen 3 bis 5 werden aufgrund des sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Landesregierung liegen keine eigenen Informationen über die Abbaubedingungen in den Ländern vor, aus denen Kohle nach Deutschland exportiert wird. Die Gewinnung der Rohstoffe findet unter den politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen der jeweiligen Produktionsländer statt. Eine pauschale Aussage zu den Abbaubedingungen ist daher nicht möglich. Der Abbau von Rohstoffen stellt zudem stets einen Eingriff in den Naturraum dar. Die Regelung der Umweltauswirkungen bzw. der Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung dieser Umweltauswirkungen sowie deren Durchsetzung liegt ebenfalls in der Zuständigkeit der jeweiligen Abbauländer . 6. Wie steht die Landesregierung zum von dem Chemieunternehmen DowChemicals angestrebten und deutschlandweit einzigen geplanten Neubau eines Kohlekraftwerks bzw. „integrierten Industriekraftwerks“ in Stade? Zu dieser Frage hat Umweltminister Lies im Rahmen von TOP 38 der Plenarsitzung des Landtags am 22.06.2018 bereits ausführlich Stellung genommen: „Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Byl, die Diskussion über das Kohlekraftwerk in Stade wird seit vielen Jahren geführt. Ich will gleich zu Beginn sagen, dass es heutzutage keinen Investor geben wird, der ein Kohlekraftwerk baut, ob vor oder nach der Entscheidung der Klimakommission. Ein neues Kohlekraftwerk wird dort nicht entstehen. Was das Unternehmen Dow dort vorhat, ist etwas ganz anderes. Dow will ein Industriekraftwerk bauen, das auf unterschiedlichen Quellen basiert, auf fossilen, aber auch auf erneuerbaren Quellen . Die Idee ist, im dortigen Kraftwerkbereich vom ausschließlichen Einsatz der Kohle wegzukommen . Das Unternehmen baut allerdings nicht selber, sondern braucht einen Partner. Einen Neubau von Kohlekraftwerken wird es nicht geben. Davon können wir nach der Diskussion, in der wir uns befinden, überzeugt sein. Der Kohleausstieg wird nicht erst in 30 Jahren erfolgen, sondern irgendwann erkennbar da sein. Was es aber geben kann, ist die kombinierte Form eines Kraftwerks, in dem man sowohl mit fossilen Energieträgern, also Gas oder Kohle, als auch mit Erneuerbaren, z. B. Wind oder Wasserstoff, arbeiten kann. Das halte ich auch für einen klugen Weg. Denn wir müssen immer daran denken, dass die ganze Struktur auch wirtschaftlich sein muss. Und da ist es mir lieber, schrittweise zu erneuern , als gar nichts zu machen. Und deswegen, wie gesagt, finde ich, dass der Weg, kein Kohlekraftwerk , sondern ein intelligentes Industriekraftwerk zu planen, bei dem man auch über fossile Zusatzbeheizung nachdenkt, ein guter Weg ist. Dadurch wird sicherlich mehr Erneuerung geschaffen , als wenn man sagt: entweder zu 100 % oder gar nicht!“ Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1464 4 7. Was unternimmt die Landesregierung, um in Niedersachsen den Kohleausstieg voranzutreiben ? 8. Wie bringt sich die Landesregierung in die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ des Bundes vor dem Hintergrund der internationalen und nationalen Klimaschutzziele ein? Die Fragen 7 und 8 werden aufgrund des sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. In Niedersachsen ist der Kohlausstieg bereits eingeleitet. Das einzige Braunkohlekraftwerk in Niedersachsen (Kraftwerk Buschhaus, 352 MW Netto-Nennleistung) wurde in die sogenannte Sicherheitsbereitschaft überführt und wird Ende 2020 endgültig stillgelegt. Der Konzern Volkswagen hat zudem am 08.03.2018 angekündigt, die vier mit Kohle betriebenen Kraftwerksblöcke (insgesamt 400 MW Netto-Nennleistung) am Standort Wolfsburg bis 2022 durch Gaskraftwerke zu ersetzen. Damit werden die aktuell in Niedersachsen vorhandenen Kohlekraftwerkskapazitäten bereits in absehbarer Zukunft um rund 20 % zurückgehen (Datenquelle: Kraftwerksliste der BNetzA, Stand 02/2018). Aus Sicht der Landesregierung ist es zugleich erforderlich, den Beitrag der Kohlenutzung zur Stromerzeugung und Versorgungssicherheit durch einen verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien und innovativer Speicherkonzepte wie z. B. Power-to-Gas adäquat zu ersetzen. Daher setzt sich die Landesregierung gegenüber der Bundesregierung dafür ein, dass die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vorgesehenen Sonderausschreibungen für Wind und Photovoltaik schnellstmöglich umgesetzt werden und die Nutzung innovativer Speicherkonzepte sowie die hierfür erforderlichen regulatorischen Rahmenbedingungen möglichst umgehend im Rahmen von Reallaboren der Energiewende erprobt werden. Zudem muss der Strukturwandel in den besonders vom Kohleausstieg betroffenen Regionen sozial und wirtschaftlich verträglich ausgestaltet werden. Umweltminister Lies setzt sich als Vertreter Niedersachsens in der von der Bundesregierung einberufenen Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ für die vorgenannten Ziele ein. (Verteilt am 23.08.2018) Drucksache 18/1464 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Imke Byl (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Raus aus dem Klimakiller Kohle - Wie setzt sich die Landesregierung für einen Kohleausstieg in Niedersachsen ein?