Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1473 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Christian Meyer, Belit Onay und Helge Limburg (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung Bekommt eine syrische Flüchtlingsfamilie keinen Finderlohn? Anfrage der Abgeordneten Christian Meyer, Belit Onay und Helge Limburg (GRÜNE), eingegangen am 24.07.2018 - Drs. 18/1318 an die Staatskanzlei übersandt am 27.07.2018 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 24.08.2018, gezeichnet Brigitte Havliza Vorbemerkung der Abgeordneten Am 9. November 2017 berichtete der NDR über die syrische Flüchtlingsfamilie Jehah Abdullah. Im Mai 2017 hatte die Familie bei der Holzmindener Tafel für zwei Euro Bettwäsche gekauft und darin 14 000 Deutsche Mark entdeckt. Die Flüchtlingsfamilie gab das Geld als ehrliche Finder im Fundbüro der Stadt Holzminden ab. Vor Ort wird sich in Leserbriefen beklagt, dass die Stadt immer noch keine Entscheidung über einen Finderlohn getroffen hat, obwohl der ursprüngliche Besitzer innerhalb eines halben Jahres nicht auffindbar war. „Abdullah und ihre aus Syrien geflüchtete Familie entschieden daraufhin, das Geld lieber abzugeben und brachten es zum Fundbüro der Stadt. Was dann dort passiert, ist normalerweise geregelt: Meldet sich nach einem halben Jahr kein Eigentümer, gehört das Geld dem Finder, also der Familie von Jehan Abdullah. Doch kurz vor Ablauf der Frist meldet sich jetzt die Tafel und erhebt Anspruch auf das Geld. (…) Nachdem die Tafel Anspruch erhoben hat, werde die Angelegenheit jetzt im Rathaus überprüft, sagt Bernd Gill von der Stadt. Unter anderem solle geklärt werden, ob es sich bei dem Geld überhaupt um einen Fund handelt. Schließlich sei die Bettwäsche für zwei Euro gekauft worden. Die Tafel könne möglicherweise als Zwischeneigentümer gelten, so Gill. Sollte das so entschieden werden, darf die Familie von Jehan Abdallah weder das Geld behalten - umgerechnet immerhin knapp 7 160 Euro. Auch der gesetzlich festgeschriebene Finderlohn von ungefähr 215 Euro bliebe dann aus. Gill: „In diesem Fall wollen wir die Tafel dazu bewegen, doch eine Art Belohnung an die Familie zu zahlen (NDR-Online vom 09.11.2017)“. Der NDR brachte in einem Kommentar die Regelung eines Schatzfundes nach § 984 BGB ins Spiel: „Wird eine Sache, die so lange verborgen gelegen hat, dass der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist (Schatz), entdeckt und infolge der Entdeckung in Besitz genommen, so wird das Eigentum zur Hälfte von dem Entdecker, zur Hälfte von dem Eigentümer der Sache erworben, in welcher der Schatz verborgen war.“ Auf Nachfragen bei der Stadt, warum es so lange dauere, bis der Fall entschieden sei, wurde auf eine unklare Rechtslage verwiesen. Vorbemerkung der Landesregierung Zum Sachverhalt teilt die Stadt Holzminden mit, dass am 15.07.2017 ihr als zuständigem Fundbüro von dem Polizeikommissariat Holzminden eine Fundanzeige samt den dazugehörigen Objekten übermitteilt worden seien. Hierbei habe es sich um einen Bettbezug und um einen Umschlag mit 14 1 000-DM-Banknoten gehandelt. Diese Gegenstände seien von der Stadt Holzminden als Fundsa- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1473 2 che 83/2017 entgegengenommen worden. Polizeiliche Ermittlungen zur Eigentümerfeststellung seien der Stadt Holzminden nicht bekannt. Am 19.07.2017 habe der Leiter des Fachbereichs Bürgerservice der Stadt Holzminden Kontakt zur Holzmindener Tafel e. V. aufgenommen, da laut Fundanzeige der Finder dort den Bettbezug als Tischdecke käuflich erworben habe. Dies habe dem Zweck gedient herauszufinden, wer den Bettbezug gespendet habe. Eine Aussage über mögliche Spender des Bettbezugs habe aber nicht in Erfahrung gebracht werden können. Mit Schreiben vom 07.11.2017 habe die Holzmindener Tafel e. V. Ansprüche geltend gemacht, da sie sich als Zwischeneigentümerin betrachte. Aufgrund der Medienberichterstattung zu dem Fall hätten sich zwei Damen bei der Stadt Holzminden gemeldet, die der Holzmindener Tafel e. V. Bettwäsche gespendet hätten. Nach einem Abgleich der Beschreibungen mit der vorliegenden Bettwäsche habe ausgeschlossen werden können, dass eine der beiden Damen den maßgeblichen Bettbezug gespendet haben könnte. Derzeit befänden sich der Bettbezug und die 14 000 DM noch in der Verwahrung der Stadt Holzminden. 1. Wie ist die Rechtslage bei diesem Fund? Ist § 984 BGB zur Teilung der Fundsache anwendbar ? Die Landesregierung enthält sich einer Bewertung der Rechtslage des geschilderten Sachverhalts. Offenbar machen sowohl die Familie, die die Bettwäsche gekauft hat, als auch die Holzmindener Tafel e. . Ansprüche auf die Geldscheine geltend. Es ist nicht Aufgabe der Landesregierung, zivilrechtliche Fragestellungen zwischen Privaten zu bewerten oder zu klären. Die Aufgaben der für die Bestimmungen des Fundrechts zuständigen Behörde nimmt gemäß § 4 Nr. 11 der Allgemeinen Zuständigkeitsverordnung für die Gemeinden und Landkreise zur Ausführung von Bundesrecht (AllgZustVO-Kom) die Stadt Holzminden als Gemeinde wahr. Die Stadt Holzminden hat bisher nicht entschieden, wie sie mit den Geldscheinen, die ihr Fundbüro in Verwahrung genommen hat, umgehen wird. Eine Zuständigkeit der Landesregierung ist nicht ersichtlich . Allgemein ist auszuführen, dass das Fundrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sich in drei Teile gliedert: Die §§ 965 bis 977 BGB regeln die Rechtsverhältnisse an verlorenen und wiedergefundenen Sachen im Allgemeinen. Die §§ 978 bis 982 BGB stellen Sondervorschriften für den Fund bei Behörden oder in Verkehrsanstalten auf. § 983 BGB erstreckt die Regelung des Fundes in den Geschäftsräumen einer Behörde auf andere Fälle, in denen eine Behörde in den Besitz einer fremden Sache gelangt ist, ohne zu deren Aufbewahrung vertraglich verpflichtet zu sein oder den Empfangsberechtigten bzw. dessen Aufenthalt zu kennen. § 984 BGB normiert das Aneignungsrecht an einem Schatz. Wenn eine in einem Behältnis verborgene Sache jemandem ohne die Kenntnis der Sache übergeben wird, kommt die Anwendung der allgemeinen Vorschriften des Fundrechts (§§ 965 bis 977 BGG) nicht in Betracht. Verloren sind nämlich nur Sachen, die nach dem Besitzrecht besitzlos, aber nicht herrenlos sind. Der Besitzer des Behältnisses, in dem sich die verborgene Sache befindet, erhält aber regelmäßig nicht nur den Besitz an dem Behältnis, sondern auch an den in diesem verborgenen Gegenständen, womit diese nicht besitzlos sind. Nach § 854 BGB muss beim Besitzerwerb zwar ein sogenannter Besitzbegründungswille vorhanden sein. Dieser muss vor der Erlangung der tatsächlichen Gewalt von einem nach außen erkennbaren Sachbeherrschungswillen getragen sein, wobei ein genereller und nicht auf eine bestimmte Sache gerichteter Wille genügt (Palandt , Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Auflage, 2018, § 854 Rz. 4). Dies ist bei in Behältnissen verborgenen Gegenständen regelmäßig der Fall. Die Anwendung der Vorschrift des Schatzfundes (§ 984 BGB) bei Gegenständen, die in anderen verborgen sind, kommt nur in Betracht, wenn sich der Eigentümer der verborgenen Sache nicht mehr ermitteln lässt (vgl. Palandt, § 984 Rz. 1). Unerheblich ist, ob der Eigentümer der Sache tatsächlich gefunden wird. Entscheidend für die Anwendung der Vorschrift über den Schatzfund ist, ob es überhaupt möglich ist, einen solchen zu ermitteln. (vgl. Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2017, § 984, Rz. 2). Soweit konkrete Nachforschungen nach dem tatsächlichen Eigentümer angestellt werden können, ist diese Vorschrift mithin nicht einschlägig. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1473 3 2. Ist durch den Kauf der Bettwäsche nicht auch ihr Inhalt an die Flüchtlingsfamilie übergegangen ? Einer Bewertung des konkreten Falls enthält sich die Landesregierung aus den zu Frage 1 genannten Gründen. Generell anzumerken ist, dass sich die Frage, ob das Eigentum an den 14 1 000- DM-Scheinen auf den Käufer der Bettwäsche übergegangen ist, daran bemisst, ob zwischen dem Käufer und dem Verkäufer eine (zumindest konkludente) Einigung im Sinne des § 929 BGB erzielt worden ist, dass das Eigentum nicht nur an der Bettwäsche, sondern insgesamt auf den Käufer der Bettwäsche übergehen sollte. 3. Wer bekommt das Geld und wer einen Finderlohn? Die Entscheidung darüber, an wen das Geld ausgekehrt, ob ein Finderlohn gezahlt ober ob das Geld hinterlegt wird, trifft die Stadt Holzminden. 4. Setzt sich das Land oder die Stadt für eine Kompromisslösung zwischen gemeinnütziger Tafel und Flüchtlingsfamilie ein? Die Stadt Holzminden teilt mit, dass sie sich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zu bewegen habe, sodass Kompromisslösungen sich nur in diesem Rahmen, sofern die Stadt Holzminden mitwirken sollte, bewegen könnten. Konkrete Ausführungen bzw. konkrete Vorstellungen könnten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorgenommen werden, da erst das abschließende Ergebnis der rechtlichen Bewertung dieses Vorgangs vorliegen müsse. Die Landesregierung ist aus den oben genannten Gründen nicht zuständig. 5. Sieht das Land die Notwendigkeit zu einer rechtlichen Klarstellung solcher Fundfälle angesichts angeblich unklarer Rechtslage? Die Gesetzgebungskompetenz für das Fundrecht liegt beim Bund. Ein gesetzgeberisches Tätigwerden bei Regelungslücken im Zivilrecht gebietet sich generell erst dann, wenn diese durch Auslegung bzw. Rechtsfortbildung nicht mehr geschlossen werden können und dadurch eine unhaltbare Situation in einer Vielzahl von möglichen Fällen entsteht. Eine solche ist bei dem geschilderten Sachverhalt nicht ersichtlich. 6. Sieht die Landesregierung, falls die Flüchtlingsfamilie als freiwillige Melder des Bargeldes komplett leer ausgeht, Nachbesserungsbedarf im Fundrecht? Siehe die Beantwortung der Frage 5. (Verteilt am 27.08.2018) Drucksache 18/1473 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Christian Meyer, Belit Onay und Helge Limburg (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums Bekommt eine syrische Flüchtlingsfamilie keinen Finderlohn?