Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1505 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung Nachgehende Betreuung, Freiwilliger Verbleib in der JVA, Nutzung von Aus- und Weiterbildungsangeboten für Jugendliche nach der Entlassung Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP), eingegangen am 27.07.2018 - Drs. 18/1338 an die Staatskanzlei übersandt am 01.08.2018 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 30.08.2018, gezeichnet In Vertretung Dr. Stefan von der Beck Vorbemerkung des Abgeordneten Seit dem 01.06.2013 gelten Vorschriften im Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz (NJVollzG), die eine nachgehende Betreuung von Entlassenen sowie einen freiwilligen Verbleib in den Anstalten der Landesjustizverwaltung, wenn eine Eingliederung gefährdet wäre, regeln (§§ 112 a und 112 b NJVollzG). Ebenso wird der freiwillige Verbleib im Jugendstrafvollzug geregelt und dass Jugendliche ihre begonnene Aus- bzw. Weiterbildung auch nach Entlassung fortsetzen dürfen (§§ 125 und 126 NJVollzG). Vorbemerkung der Landesregierung Die Regelungen der §§ 112 a und 112 b NJVollzG beziehen sich auf Gefangene, bei denen im Vollzug der Freiheitsstrafe die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten wurde. 1. Wie oft wurde seitdem (01.06.2013) von der Regelung des § 112 a NJVollzG - nachgehende Betreuung - von Entlassenen Gebrauch gemacht (bitte aufschlüsseln nach Jahren )? Bislang wurde von dieser Regelung kein Gebrauch gemacht. 2. Wie oft wurde seitdem (01.06.2013) von der Regelung des § 112 b NJVollzG - Verbleib und Aufnahme auf freiwilliger Grundlage - von Entlassenen Gebrauch gemacht (bitte aufschlüsseln nach Jahren)? Bislang wurde von dieser Regelung ebenfalls kein Gebrauch gemacht. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1505 2 3. Wie oft wurde seitdem (01.06.2013) von der Regelung des § 125 b NJVollzG - Aus- und Weiterbildungsangebots - von Jugendlichen Gebrauch gemacht? Und wie hoch war/ist die Quote der erfolgreichen Abschlüsse nach der Entlassung (bitte aufschlüsseln nach Jahren)? Die Frage dürfte sich auf § 125 NJVollzG beziehen (§ 125 b NJVollzG existiert nicht). Nach § 125 Satz 1 NJVollzG ist im Vollzug der Jugendstrafe ein vielfältiges Angebot an schulischen und beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen vorzuhalten. Die Vollzugsbehörde ist des Weiteren verpflichtet, die von ihr vorgehaltenen Aus- und Weiterbildungsangebote inhaltlich so zu gestalten, dass die Gefangenen von ihnen auch dann profitieren können, wenn wegen der Kürze der Haft eine formale Qualifikation, insbesondere ein vollwertiger Bildungsabschluss nicht erreicht werden kann. Da der Grundsatz der durchgängigen Betreuung auch im Vollzug der Jugendstrafe gilt, hebt § 125 Satz 2 NJVollzG die besondere Bedeutung der Gewährleistung einer sinnvollen Nutzung von Ausbildungsangeboten auch nach der Entlassung noch klarstellend hervor und will damit der Forderung des BVerfG nach einer verzahnten Entlassungsvorbereitung Genüge tun (Drs. 15/4325, Seite 41). Unter Berücksichtigung der Vorbemerkung des Abgeordneten wird davon ausgegangen, dass sich die Frage auf die Regelung des § 125 Satz 2 NJVollzG und somit auf erfolgreiche Abschlüsse bezieht , die im Vollzug der Jugendstrafe begonnen, aber erst nach der Entlassung beendet wurden. Im Vollzug der Jugendstrafe sind die Bediensteten sehr bestrebt, die Gefangenen zum Ende ihrer Strafzeit im Rahmen des Übergangsmanagements in eine Beschäftigung zu vermitteln. Die Gefangenen werden insbesondere bei der Suche nach einer Anschlussbeschäftigung unterstützt. Es wird auch darauf hingewirkt, dass die im Vollzug der Jugendstrafe begonnene schulische oder berufliche Ausbildung nach der Entlassung fortgesetzt werden kann. Die Jugendanstalt Hameln erfasst hierzu die Anzahl der Gefangenen, die zum Zeitpunkt der Entlassung eine Beschäftigung vorweisen können. Dabei wird jedoch nicht differenziert, ob es sich um eine schulische oder berufliche Ausbildung oder um eine anderweitige Beschäftigung handelt. Es liegen auch keine Informationen darüber vor, ob die Gefangenen die gegebenenfalls fortgesetzte Aus- und Weiterbildungsmaßnahme erfolgreich beendet haben. In der JVA für Frauen haben einzelne weibliche Jugendliche nach der Entlassung den Kontakt zur Anstalt aufrechterhalten und den dort begonnen Abschluss als externe Teilnehmerinnen abgeschlossen (s. Tabelle). Jahr Anzahl der Jugendlichen Anzahl der erfolgreichen Abschlüsse Quote der erfolgreichen Abschlüsse 2013 0 2014 0 2015 0 2016 1 1 100 % 2017 1 0 0 % 2018 2 1 50 % 4. Wie oft wurde seitdem (01.06.2013) von der Regelung des § 126 NJVollzG - Freiwilliger Verbleib im Jugendstrafvollzug - Gebrauch gemacht (bitte aufschlüsseln nach Jahren)? Jahr Anzahl der Fälle 2013 3 2014 11 2015 2 2016 5 2017 9 2018 5 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1505 3 5. Wenn Entlassene die Regelung des § 112 b NJVollzG bzw. jugendliche Entlassene die Regelung des § 126 NJVollzG in Anspruch nehmen: Auf welche Dauer ist ein solcher freiwilliger Aufenthalt angelegt bzw. wie sieht die praktische Umsetzung aus? Freiweilliger Aufenthalt nach § 112 b NJVollzG: Die Regelung eröffnet die Möglichkeit, dass Gefangene, bei denen die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten wurde, auf Antrag vorübergehend in einer Anstalt der Landesjustizverwaltung verbleiben bzw. nach Entlassung wieder aufgenommen werden, wenn die Eingliederung gefährdet ist. Der Verbleib oder die Aufnahme sind jederzeit widerruflich. Gegen verbleibende oder aufgenommene Personen dürfen Maßnahmen des Vollzugs nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden. Im Übrigen bleiben die Vorschriften des dritten Teils (§§ 107 bis 112 c NJVollzG „Vollzug der Freiheitsstrafe bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung “) und über die Verweisung des § 112 c NJVollzG auch die Vorschriften des zweiten Teils (§§ 5 bis 106 NJVollzG „Vollzug der Freiheitsstrafe“) entsprechend anwendbar. Die Dauer des freiwilligen Aufenthalts wird von der Problemlage des jeweiligen Einzelfalls abhängig gemacht werden müssen, wobei praktische Erfahrungen in den Justizvollzugsanstalten bislang nicht gesammelt werden konnten. Freiweilliger Aufenthalt nach § 126 NJVollzG: Die Regelung eröffnet Gefangenen die Möglichkeit, auch nach der Entlassung auf freiwilliger Basis für höchstens drei Monate in der Anstalt zu verbleiben, um eine während des Vollzugs begonnene Maßnahme abzuschließen oder falls fürsorgerische Umstände dies gebieten. Die Aufnahme erfolgt auf Antrag der oder des Gefangenen. Männliche Jugendliche wurden bislang (bis zum 30.06.2018) in der Abteilung des offenen Vollzugs in Hameln untergebracht. Der betroffene Jugendliche schloss mit der Jugendanstalt Hameln sowie der Straffälligenhilfe des Caritasverbandes im Weserbergland e. V. (RESOHELP Hameln, Brückenstelle Hameln) einen Nutzungsvertrag. Die Betreuung erfolgte durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des offenen Vollzugs und der Straffälligenhilfe. Sie unterstützen die betroffenen Jugendlichen bei Behördengängen, weiteren Entlassungsvorbereitungen und sonstigen Belangen. Seit der vorläufigen Schließung der Abteilung des offenen Vollzugs in Hameln werden betroffene Jugendliche im offenen Vollzug der Abteilung Göttingen untergebracht. Dort wird der Nutzungsvertrag allein mit der Jugendanstalt Hameln geschlossen. Die Betreuung erfolgt durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendanstalt. Darüber hinaus besteht auch in Göttingen eine sehr gute Zusammenarbeit mit verschiedenen Trägern der Jugendhilfe und Straffälligenhilfe. Die dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können je nach Bedarf ebenfalls unterstützend tätig werden. Im weiblichen Jugendvollzug ist ein derartiger Fall noch nicht vorgekommen. Dort würde die betroffene Jugendliche in der „Jugendabteilung Zitadelle“ in Vechta untergebracht und einzelfallabhängig betreut und unterstützt werden. 6. Wie funktionstüchtig ist die Zusammenarbeit mit der Projektgruppe „Resozialisierung “? Ist seit dieser Zusammenarbeit die Rückfallquote gesunken? Die Projektgruppe „Resozialisierung“ hatte im Januar 2016 ihre Arbeit aufgenommen und sollte bis zum 28.02.2017 in vier Unterprojekten Vorschläge für sehr unterschiedliche Aspekte vernetzter Resozialisierungsarbeit entwickeln. Die Projektgruppe hat im Laufe der Projektlaufzeit sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet. Da der Projektauftrag mit der Erstellung des Abschlussberichts erfüllt war, hat sich die Projektgruppe zum 01.03.2017 aufgelöst. Die Vermeidung von Rückfälligkeit entlassener Straftäter im Rahmen einer erfolgreichen Wiedereingliederung ist als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu betrachten. Im Hinblick auf die Bewertung von Rückfallraten nach freiheitsentziehenden Sanktionen oder Maßregeln ist daher zu berücksichtigen , dass das Ausmaß der Rückfälligkeit nicht nur vom Geschlecht, dem Alter, der strafrechtlichen Vorbelastung und von den Unterbringungszeiten und Resozialisierungsleistungen im Vollzug, sondern maßgeblich auch von den Resozialisierungsleistungen des Ambulanten Justizsozialdienstes Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1505 4 Niedersachsen (AJSD), der Anlaufstellen der Freien Straffälligenhilfe, der JobCenter und der Agenturen für Arbeit sowie anderer Institutionen und Organisationen und letztlich dem sozialen Umfeld und den Lebensbedingungen und -ereignissen abhängt. Für weitergehende Ausführungen zur Rückfälligkeit wird auf die Kleine Anfrage zur mündlichen Beantwortung Nr. 35 „Rückfallstatistik nach Sanktionen“ mit Antwort des Justizministeriums vom 10.06.2016 - Drucksache 17/5910 (Seiten 54 bis 56) - sowie die Antwort des Justizministeriums auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Rückfallquote von Straftätern“ - Drucksache 17/7910 - verwiesen. Darüber hinaus gibt es keine statistischen Erhebungen, die einen Rückschluss zwischen der Arbeit der Projektgruppe „Resozialisierung“ und den Rückfallquoten ermöglichen. 7. Wie gestaltet sich die allgemeine Zusammenarbeit mit den freien Beratungsstellen? Die Justizvollzugsanstalten, der AJSD und die Anlaufstellen der Freien Straffälligenhilfe arbeiten eng und kooperativ zusammen, um eine durchgängige Betreuung von Gefangenen und Sicherungsverwahrten zu ermöglichen. Jede Justizvollzugsastalt hat eine Kooperationsvereinbarung mit den örtlichen Anlaufstellen und den örtlich zuständigen AJSD-Bezirken geschlossen. Auf Grundlage dieser Kooperation sind regionale Arbeitskreise zum Übergangsmanagement gebildet worden. An den regelmäßigen Arbeitskreissitzungen nehmen Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen Justizvollzugsanstalt, des AJSD und der Anlaufstellen der Freien Straffälligenhilfe teil. Auch Vertreterinnen und Vertreter anderer freier Beratungsstellen werden bedarfsgerecht zu den Arbeitskreissitzungen eingeladen. Insgesamt besteht eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die durch die regelmäßigen Arbeitskreissitzungen stetig fortentwickelt wird. (Verteilt am ) (Verteilt am 03.09.2018) Drucksache 18/1505 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums Nachgehende Betreuung, Freiwilliger Verbleib in der JVA, Nutzung von Aus- und Weiterbildungsangeboten für Jugendliche nach der Entlassung