Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1603 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Anja Piel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung Täter-Opfer-Ausgleich Anfrage der Abgeordneten Anja Piel (GRÜNE), eingegangen am 10.08.2018 - Drs. 18/1377 an die Staatskanzlei übersandt am 14.08.2018 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 12.09.2018, gezeichnet Barbara Havliza Der Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) geht zurück auf die 1980er-Jahre. Täterinnen/Täter und Opfer erhalten dadurch Gelegenheit, Konflikte, die Ursache für eine Straftat waren oder durch diese hervorgerufen wurden, zu lösen. Das Verfahren wird von einem unparteiischen Dritten begleitet. Wiedergutmachung und Ausgleich sind die wesentlichen Elemente des TOA. Der Kernbereich besteht aus der Auseinandersetzung zwischen Täterinnen/Täter und Opfer im Rahmen der persönlichen Begegnung . Diese soll den Beteiligten helfen, die Straftat aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten . Zudem ermöglicht der TOA eine beiderseitige Aufarbeitung der emotionalen Probleme. Idealerweise führt dies auch zu einer dauerhaften Versöhnung zwischen den Beteiligten. Die Täterinnen und Täter sollen außerdem für die bei den Opfern hervorgerufenen Folgen der Straftaten sensibilisiert werden. Die sich daraus ergebende persönliche Betroffenheit der Täterinnen und Täter soll sie auch von der Begehung weiterer Straftaten abhalten. Die im TOA Engagierten fordern für ihre Arbeit eine verlässliche organisatorische und finanzielle Grundlage. Dies gilt ausdrücklich auch für Programme in freier Trägerschaft. In den letzten Jahren hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Täter-Opfer-Ausgleich e. V. festgestellt, dass die Fallzahlen im TOA tendenziell rückläufig sind. Vorbemerkung der Landesregierung Der Täter-Opfer-Ausgleich stellt ein wichtiges Instrument zur Konfliktschlichtung zwischen Tätern und Opfern von Straftaten dar. Er bietet an einer Straftat beteiligten Personen die Möglichkeit, im Rahmen einer persönlichen und unter Umständen wiederholten Begegnung die Straftat aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und die hiermit verbundenen Emotionen aufzuarbeiten. Die beschuldigte Person soll darüber hinaus für die beim Opfer hervorgerufenen Folgen ihrer Straftat sensibilisiert und von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten werden. Der Täter-Opfer-Ausgleich findet seine gesetzliche Grundlage in § 155 a der Strafprozessordnung (StPO), demzufolge die Staatsanwaltschaft und das Gericht in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeiten prüfen und in geeigneten Verfahren darauf hinwirken sollen, einen Ausgleich zwischen der beschuldigten und der verletzten Person zu erzielen. Darüber hinaus bestimmt § 46 a des Strafgesetzbuches (StGB), dass das Gericht die Strafe mildern oder in bestimmten Fällen von Strafe absehen kann, wenn der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen , seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt hat. Schließlich ist das Bemühen der Täterin oder des Täters um einen Ausgleich gemäß § 46 Abs. 2 StGB im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben wird der Täter-Opfer-Ausgleich in Niedersachsen flächendeckend angeboten. Der Täter-Opfer-Ausgleich ist ein fachlicher Schwerpunktbereich des Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1603 2 Ambulanten Justizsozialdienstes Niedersachsen (AJSD). Darüber hinaus unterstützt das Land Niedersachsen freie Träger finanziell, die Täter-Opfer-Ausgleich anbieten. Zudem wird in einigen Städten und Gemeinden ein Täter-Opfer-Ausgleich für Jugendliche und Heranwachsende im Alter von 14 bis 21 Jahren von der Jugendhilfe im Strafverfahren (Jugendgerichtshilfe) angeboten. 1. Aufgrund welcher Normen erfolgt der TOA in Niedersachsen? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 2. Wie erfolgt die Umsetzung insbesondere hinsichtlich Struktur und Finanzierung? Die Kriterien für die Förderung freier Konfliktschlichtungsstellen mit Landesmitteln ergeben sich aus den Fördergrundsätzen für die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs im Erwachsenenstrafrecht . Eine Förderung nach diesen Grundsätzen setzt u. a. voraus, dass die Richtlinie für den Täter -Opfer-Ausgleich im allgemeinen Strafrecht (Gem. RdErl. d. MJ u. d. MI v. 19.04.2016) eingehalten wird. Die Fördergrundsätze sind im Internet unter der Adresse https://www.mj.niedersach sen.de/themen/strafrecht_soziale_dienste_und_opferhilfe/taeteropferausgleich/taeter-opfer-aus gleich-10693.html unter der Rubrik „Fördergrundsätze für die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs im Erwachsenen Strafrecht“ abrufbar. Sie sind zudem der vorliegenden Antwort als Anlage 1 beigefügt. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 3. Durch wen und jeweils in welchem Umfang erfolgt die Umsetzung? Neben dem AJSD wird der TOA im Erwachsenenbereich von folgenden freien Trägern durchgeführt : – WAAGE e. V. (Hannover), – Konfliktschlichtung Oldenburg, – Präventionsrat Harlingerland, – Volkshochschule Emden, – SKM Lingen. Der Jugend-TOA wird von folgenden freien und kommunalen Trägern der Jugendhilfe durchgeführt: – A+W Arbeit und Weiterbildung, Sögel, – Albert-Schweitzer-Familienwerk e. V. Bleckede (Lüneburg), – Arbeitskreis Schule Rhauderfehn e. V. (Stadt und Lk Leer), – BNVHS GmbH, Goslar, – Die Schleuse e. V. (Stadt und LK Cuxhaven), Geestland, – Ev.-luth. Kirchenkreis Osterholz-Scharmbeck, – Göttinger Verein für Mediation e. V., Göttingen, – Jugendhilfe Helmstedt e. V., – Konfliktschlichtung e. V., Oldenburg, – Kontakt e. V. Alfeld, – Kontakt e. V. Sulingen, – Labora gGmbH Peine, – LK Cloppenburg, – LK Friesland, – LK Oldenburg, – LK Osnabrück, – LK Rotenburg, Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1603 3 – LK Vechta, – SoFa für LK Verden, Achim, – LK Wittmund, – Seesener Brücke e. V., – SKM Lingen e. V. (Stadt Lingen), – SKM Lingen e. V.( Südl. Emsland), – Stadt Braunschweig, – Stadt Osnabrück, – Stadt Salzgitter, – Stadt Wilhelmshaven, – Stadt Wolfsburg, – Verein „Sprungbrett“ e. V., Soltau, – VHS e. V. Emden. Wegen des Umfangs wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 4. Inwieweit werden die Gesamtfallzahlen jeweils für den Jugend-TOA und Erwachsenen- TOA einheitlich erfasst? Für die Durchführung des Erwachsenen-TOA gibt es eine gemeinsame Erfassung der in Niedersachsen tätigen Freien Träger und des AJSD. Angaben zu den Fallzahlen im Jugend-TOA erfasst das Niedersächsische Landesjugendamt durch die Sachberichte der Projektträgerinnen und -träger, die eine Förderung im Rahmen der Richtlinie zur Förderung von ambulanten sozialpädagogischen Angeboten der Jugendhilfe für junge Straffällige erhalten. 5. Wie viele TOA-Verfahren wurden jeweils im Jugend-TOA und Erwachsenen-TOA jährlich seit 2013 bearbeitet? Für den Erwachsenen-TOA wird auf die Anlage 2 verwiesen. In dieser Anlage werden alle vom AJSD und den freien Trägern bearbeiteten Fälle des Erwachsenen-TOA im Zeitraum von 2013 bis 2017 erfasst. Die statistische Auswertung für 2018 liegt noch nicht vor. Im Jugend-TOA sind seit 2013 jährlich folgende Anzahl von Verfahren bearbeitet worden: 2017: 840, 2016: 865, 2015: 929, 2014: 963, 2013: 1 185. Zahlen für 2018 liegen hier ebenfalls noch nicht vor. 6. Wie viele Verfahren wurden davon jeweils von Staatsanwaltschaft und Gerichten zugewiesen ? In der Strafvollstreckungsstatistik werden alle Verfahren erfasst, in denen es Verurteilungen von Gerichten nach allgemeinem Strafrecht sowie Verurteilungen nach Jugendstrafrecht zu Jugendstrafen , Zuchtmitteln oder Erziehungsmaßnahmen gibt, die jeweils mit der Weisung verbunden sind, sich um einen Täter-Opfer-Ausgleich zu bemühen. 2013 waren dies insgesamt 510 Verfahren, 2014 insgesamt 421 Verfahren, 2015 insgesamt 375, 2016 insgesamt 347 Verfahren und 2017 insgesamt 321 Verfahren. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1603 4 Darüber hinaus werden in der Geschäftsstatistik der Gerichte und Staatsanwaltschaften in Niedersachsen alle Verfahren erfasst, in denen die Staatsanwaltschaft oder das Gericht ein Verfahren nach § 153 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StPO mit der Weisung zur Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs eingestellt hat. Aus der beigefügten Anlage 3 ergibt sich die Anzahl dieser Verfahren, bei denen ein Täter-Opfer-Ausgleich im Rahmen einer Verfahrenseinstellung durchgeführt werden sollte , für die Zeit ab 2013. Anzumerken ist bei dieser Verfahrenserhebung, dass jeder einzelne Beschuldigte gesondert erfasst wird, auch wenn in einem Verfahren mehrere Beschuldigte vorhanden waren. Daher kann es auch zu Diskrepanzen zwischen den bei der Antwort zu Frage 5 benannten Zahlen kommen, da bei der Statistik des AJSD und der freien Träger jeweils nur die Fälle, aber nicht die einzelnen Beschuldigten erfasst werden. Von diesen Zahlen können für den Bereich des Jugend-TOA für die Jahre 2013 bis 2017 folgende Zahlen separat ausgewiesen werden, da die Verfahren des Jugend-TOA im Bereich des Niedersächsischen Landesjugendamts gesondert erfasst werden. Beim Jugend-TOA wurden demnach folgende Verfahren zugewiesen: 2017: 126 von Gerichten und 451 von Staatsanwaltschaften, 2016: 101 von Gerichten und 505 von Staatsanwaltschaften, 2015: 120 von Gerichten und 508 von Staatsanwaltschaften, 2014: 132 von Gerichten und 498 von Staatsanwaltschaften, 2013: 151 von Gerichten und 617 von Staatsanwaltschaften. 7. Wie viele Verfahren kamen durch Selbstmelderinnen/Selbstmelder oder über andere Wege (bitte gegebenenfalls benennen) zustande? Hierzu liegen keine statistischen Auswertungen im AJSD im Bereich des Erwachsenen-TOA vor. Eine notwendige händische Auswertung aller relevanten Vorgänge beim AJSD wäre mit einem Arbeitsaufwand verbunden, der auch im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung nicht zu leisten ist. Im Jugend-TOA erfolgt eine gesonderte statistische Auswertung. Es kamen in den Jahren 2013 bis 2017 folgende Anzahl von Verfahren durch Selbstmelderinnen oder Selbstmelder (gleich Beschuldigte ) oder über andere Wege zustande: 2017 2016 2015 2014 2013 Anregung zum TOA ging vom Beschuldigten aus 24 33 29 47 45 Anregung zum TOA ging vom Opfer aus 4 7 5 9 6 Anregung zum TOA ging von der Polizei aus 117 111 102 102 77 Anregung zum TOA ging von der Jugendgerichtshilfe aus 186 157 169 181 256 Anregung zum TOA ging von Sonstigen aus 9 7 13 6 21 8. Wie viele Beschuldigte und Geschädigte waren in den Verfahren betroffen? Hierzu liegen keine statistischen Auswertungen im AJSD im Bereich des Erwachsenen-TOA vor. Eine notwendige händische Auswertung aller relevanten Vorgänge beim AJSD wäre mit einem Arbeitsaufwand verbunden, der auch im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung nicht zu leisten ist. Im Bereich des Jugend-TOA liegen statistische Auswertungen vor. Im Jugend-TOA waren danach im Zeitraum von 2013 bis 2017 folgende Anzahlen von Beschuldigten und Geschädigten betroffen: 2017 2016 2015 2014 2013 Beschuldigte 844 865 929 963 1185 Geschädigte 859 958 1015 1011 1192 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1603 5 9. Welche Delikte sind gegebenenfalls vom TOA ausgeschlossen? Es werden grundsätzlich keine Delikte ausgeschlossen. In jedem Einzelfall wird im AJSD durch die zuständige Mediatorin oder den zuständigen Mediator die Falleignung aus fachlicher Sicht gemäß den von der Bundesarbeitsgemeinschaft Täter-Opfer-Ausgleich e. V. und dem Servicebüro Täter- Opfer-Ausgleich und Konfliktschlichtung herausgegebenen „Standards Mediation in Strafsachen im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs (7. Auflage)“, die gemäß § 40 der Anordnung über Organisation , Aufgaben und Dienstbetrieb des Ambulanten Justizsozialdienstes in Niedersachsen und der Führungsaufsichtsstellen sowie über die Wahrnehmung der Aufgaben der Opferhilfe im Rahmen der Stiftung Opferhilfe Niedersachsen (AV AJSD), AV d. MJ. v. 18.08.2015 - Nds. Rpfl. S. 284 - gelten , geprüft. 10. Wie setzt sich die Deliktstruktur der TOA-Verfahren zusammen? Hat es in den letzten zehn Jahren eine Veränderung gegeben? Aus der beigefügten Anlage 4 ergeben sich im Einzelnen die Delikte, bei denen in den letzten zehn Jahren Verurteilungen von niedersächsischen Gerichten nach allgemeinem Strafrecht sowie Verurteilungen nach Jugendstrafrecht zu Jugendstrafen, Zuchtmitteln oder Erziehungsmaßnahmen erfolgt sind, die jeweils mit der Weisung verbunden waren, sich um einen Täter-Opfer-Ausgleich zu bemühen. Aus dieser Anlage sind auch die einzelnen Veränderungen in der Deliktsstruktur in den letzten zehn Jahren ersichtlich. Zu den in der Anlage 4 genannten Delikten ist dabei anzumerken, dass jeder einzelne Gegenstand des Verfahrens erfasst wird, also in Verfahren, in denen wegen mehrerer Tatvorwürfe ermittelt wurde, alle verfahrensgegenständlichen Straftatbestände in der Statistik erfasst werden. Für den Bereich der Verfahren, die von den Gerichten oder Staatsanwaltschaften mit der Weisung oder Auflage zur Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 153 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StPO eingestellt wurden, wird in der Geschäftsstatistik nur die Anzahl der Einstellungen nach § 153 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StPO erfasst, nicht jedoch, welche Straftaten Gegenstand des jeweiligen Verfahrens waren. Die Auswertung nach einzelnen Delikten wäre nur durch eine händische Auswertung aller Akten der letzten zehn Jahre möglich. Dies wäre für die Gerichte und Staatsanwaltschaften mit einem Arbeitsaufwand verbunden, der auch im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung nicht zu leisten ist. 11. Wie wird gewährleistet, dass das Angebot TOA für Jugendliche, Heranwachsende und Erwachsene flächendeckend und nach den bundesweiten TOA-Standards entsprechend vorgehalten wird? Es wird davon ausgegangen, dass die Fragestellerin hier die von der Bundesarbeitsgemeinschaft Täter-Opfer-Ausgleich e. V. und dem Servicebüro Täter-Opfer-Ausgleich und Konfliktschlichtung herausgegebenen „Standards Mediation in Strafsachen im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs (7. Auflage)“ meint. Im AJSD ist ausnahmslos und flächendeckend gewährleistet, dass die Bearbeitung von TOA-Aufträgen im Erwachsenenbereich von ausgebildeten Mediatorinnen und Mediatoren erfolgt. Im Bezirk Hannover ist der AJSD zwar nicht zuständig, aber selbst dort sind Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeiter beschäftigt, die über eine solche Qualifikation verfügen. Ergeben sich in der flächendeckenden Versorgung Engpässe, wird kurzfristig dafür Sorge getragen, dass am betroffenen Bürostandort weitere Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeiter qualifiziert werden. Nach den vorliegenden Erkenntnissen werden auch die bei den freien Trägern im Erwachsenenbereich eingehenden TOA-Aufträge von ausgebildeten Mediatorinnen und Mediatoren bearbeitet. Da Voraussetzung für eine Förderung der Freien Träger die Einhaltung der bei der Antwort zu Frage 2 bereits genannten Grundsätze für den Täter-Opfer-Ausgleich im allgemeinen Strafrecht sowie die Beachtung der Qualitätsstandards des AJSD hinsichtlich der Durchführung des TOA und der „Standards Mediation in Strafsachen im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleich“ in der jeweils gültigen Fassung sind, wird die Einhaltung dieser Standards durch das Land gewährleistet. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1603 6 Die Trägerinnen und Träger der ambulanten sozialpädagogischen Angebote der Jugendhilfe für junge Straffällige entscheiden in eigener Zuständigkeit über die Bereitstellung der Angebote. Derzeit bieten von den im Rahmen der Richtlinie geförderten 57 Projekten 32 Projekte den Jugend-Täter -Opfer-Ausgleich in ihren Einrichtungen an. Für die Personalkostenförderung besteht ein Fachkraftgebot. Eine Förderung erfolgt nur für Projekte , in denen eine Sozialpädagogin oder ein Sozialpädagoge oder eine Sozialarbeiterin oder ein Sozialarbeiter oder eine Person mit vergleichbarem akademischem Abschluss mit mindestens einem Stundenumfang von 50 % einer vollen Stelle beschäftigt ist. 12. Liegt eine Finanzierung vor, wenn Opfer sowie Täterinnen und Täter von sich aus Wiedergutmachungsdienste in Anspruch nehmen wollen (bitte erläutern)? Eine Förderung nach den in der Antwort auf die Frage 2 genannten Grundsätzen durch das Land Niedersachsen erfolgt im Erwachsenenbereich nach Maßgabe dieser Fördergrundsätze und der Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO, um die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs (§ 46 a StGB und § 155 a StPO) in Niedersachsen sicherzustellen. Danach ist eine Zuweisung durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht erforderlich. Im Rahmen der Richtlinie erfolgt eine Förderung des Jugend-TOA in den Fällen, in denen gegen straffällige Jugendliche und Heranwachsende ein strafrechtliches Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz geführt wird oder ein sozialpädagogischer Hilfebedarf nach dem SGB VIII besteht. In diesen Fällen können Opfer sowie Täterinnen und Täter von sich aus Wiedergutmachungsdienste in Anspruch nehmen. 13. Wie wird gewährleistet, dass die Selbstmelder Zugang zu qualifizierten Mediatoren haben ? Der AJSD und die freien Träger sind im Erwachsenenbereich auch für Selbstmelder zuständig. Die Einrichtungen/Plätze für den Jugend-TOA stehen auch Selbstmeldern zur Verfügung. 14. Inwieweit ist die Zuweisung durch justizielle Auftraggeberinnen und Auftraggeber Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Wiedergutmachungsdienste? Auf die Antwort zu Frage 12 wird verwiesen. 15. Welche spezielle Ausbildung/Qualifikation ist erforderlich bzw. wird angeboten, um die Durchführung des TOA gemäß den TOA-Standards zu gewährleisten? Im Erwachsenenbereich erfolgt die durch den AJSD veranlasste Ausbildung der Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeiter zur Mediatorin oder zum Mediator in Strafsachen ausschließlich durch das TOA-Servicebüro in Köln. Sofern neu eingestellte Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeiter bereits eine entsprechende Qualifizierung mitbringen, wird geprüft, ob diese Ausbildung , sofern sie über einen anderen Anbieter erfolgt ist, dem hier gesetzten Standard entspricht. Bei den freien Trägern muss beim Erwachsenen-TOA entsprechend den geltenden Fördergrundsätzen eine Person, die über einen Fachhochschulabschluss Sozialpädagogik, Sozialarbeit (Sozialwesen ) oder einen vergleichbaren Abschluss verfügt, mit mindestens einem Stundenumfang von 50 % einer Stelle beschäftigt sein. In den im Rahmen der Richtlinie für den Jugend-TOA geförderten Projekten sind sozialpädagogische Fachkräfte Voraussetzung für eine Personalkostenförderung. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1603 7 16. Welche speziellen Qualifikationen sowie Fort- und Weiterbildungen haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für die Durchführung des TOA zuständig sind? Auf die Antworten zu den Fragen 11, 13 und 15 wird verwiesen. Für den Bereich des AJSD werden zudem Fort- und Weiterbildungsangebote jährlich entsprechend den im AJSD entstehenden Bedarfen entwickelt und durchgeführt. 17. Werden konzeptionelle Grundlagen von den TOA-Institutionen erwartet? Solche Grundlagen werden im Erwachsenen-TOA nicht nur erwartet, sondern auch vorgehalten, da sich die fachliche Arbeit an den bei der Antwort zu Frage 9 genannten bundesweit geltenden TOA- Standards orientiert. Im Bereich des AJSD gibt es lediglich Abweichungen zum Punkt „organisatorische Anforderungen“. Insbesondere wird der Anspruch der ausschließlichen Tätigkeit als Mediatorin oder Mediator in Strafsachen im AJSD verneint. Gleiches gilt konsequenterweise für eine separate räumliche Unterbringung. Die Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeiter werden im AJSD ausschließlich im Rahmen eines fachlichen Aufgabenschwerpunktes tätig. Um dem Anspruch einer professionellen Arbeit gerecht zu werden und der Gefahr einer Rollenkonfusion entgegenzuwirken , sollen die im Schwerpunkt tätigen Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeiter mindestens 25 Fälle pro Jahr bearbeiten. Die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von ambulanten sozialpädagogischen Angeboten der Jugendhilfe für junge Straffällige sieht als Zuwendungsvoraussetzung über das Fachkraftgebot hinaus auch die Erstellung von Förderplänen bzw. im TOA von Dokumentationen des Austausches zwischen Tätern und Opfern, die Bearbeitung einer bestimmten Fallzahl, die im TOA 80 Beschuldigte pro Jahr betragen soll, sowie eine institutionalisierte Zusammenarbeit der am Jugendstrafverfahren Beteiligten vor. Ferner berücksichtigen die Projekte die Gleichstellung von Männern und Frauen und die spezifischen Lebenslagen junger Menschen (insbesondere Migrantinnen und Migranten sowie Menschen mit Behinderungen). 18. Werden Erhebungen zur Sicherung der Ergebnisqualität bei den TOA-Institutionen durchgeführt? Da in Niedersachsen den Erwachsenen-TOA auch freie Träger anbieten, gibt es hierbei eine gemeinsame Grundlage zur regelmäßigen Erhebung qualitativer und quantitativer Daten (vgl. Halbjahres - und Jahresstatistik, die der AJSD für alle niedersächsischen Anbieter im Erwachsenen-TOA zusammenstellt). Daneben ist der AJSD darum bemüht, anlässlich der Weiterentwicklung der Fachanwendung SoDA weitere Daten zu erfassen und auswertbar zu machen im Hinblick auf die qualitative Weiterentwicklung des Aufgabenschwerpunkts. Die Projektträgerinnen und -träger im Jugend-TOA beteiligen sich an der Erfolgskontrolle und stellen dem Landesjugendamt als Bewilligungsbehörde erforderliche Daten in Form eines Sachberichtes zur Verfügung. 19. Ist der TOA regelmäßiger Bestandteil der Ausbildung (Grundausbildung oder Weiterbildung ) bei der Landespolizei, den Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren bzw. Richterinnen und Richtern/Staatsanwältinnen und Staatsanwälten? Für den Bereich der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ist festzuhalten, dass der Täter-Opfer-Ausgleich im Straf- bzw. Ermittlungsverfahren insbesondere bei den Einstellungsmöglichkeiten (§§ 155 a f. StPO) und bei der Strafzumessung (§ 46 a StGB) eine Rolle spielt. Sowohl Einstellungsmöglichkeiten als auch die Strafzumessung sind Schwerpunkte zahlreicher Fortbildungsmaßnahmen, insbesondere für Proberichterinnen und Proberichter. So wurden im Jahr 2017 insgesamt acht in der Regel einwöchige Grundlagentagungen zur Tätigkeit in einem staatsanwaltlichen bzw. strafrichterlichen Dezernat angeboten bzw. über den sogenannten Nordverbund - an dem Niedersachsen im Fortbildungsbereich beteiligt ist - Plätze für die Teilnahme an diesen Veranstaltungen bereitgestellt. Darüber hinaus kommt dem Opferschutz im Allgemeinen Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1603 8 im Fortbildungsbereich eine wesentliche Bedeutung zu. So organisiert Niedersachsen etwa im Auftrag der Deutschen Richterakademie im November dieses Jahres eine einwöchige Fachtagung, die sich ausschließlich und intensiv mit aktuellen Entwicklungen im Opferschutz beschäftigen wird. Für die Ausbildung der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare sehen die Ausbildungspläne für die zweite Pflichtstation (Strafsachen) unter 2.1.2. - Ausbildung in der Arbeitsgemeinschaft - ausdrücklich als zu behandelnden Rechtsstoff „Rechtsstellung des Opfers (einschließlich Täter-Opfer -Ausgleich)“ vor. Im polizeilichen Bereich ist der Täter-Opfer-Ausgleich eine Maßnahme, die nach der vorliegenden Richtlinie auch durch die Polizei initiiert werden kann. Von daher ist das Wissen um die Möglichkeiten dieses Instruments im Rahmen polizeilicher Ermittlungen für die Studierenden an der Polizeiakademie Niedersachsen (PA NI) von Bedeutung. Explizit verankert ist der TOA im Modul 13. 2 des Curriculums (PA NI). Für diese und alternative Sanktionsmöglichkeiten sind 14 Stunden Kontaktstudium im Rahmen von Vorlesungen und Plenarveranstaltungen sowie weitere 36 Lehrveranstaltungsstunden im Selbststudium ausgewiesen. Daneben besteht die Möglichkeit, das Thema im Rahmen von Bachelorarbeiten sowie Wahlpflichtstudien zu vertiefen. Ohne explizite Verankerung wird der TOA auch im Rahmen anderer Module angesprochen. So wird der TOA im Bereich der Rechtswissenschaften im Modul 9 erörtert. Die Studierenden können im Rahmen ihrer Ermittlungspraktika mit ihren Anleitern entsprechende Ermittlungshandlungen durchführen bzw. anregen. Dezentral in den Behörden ist die Thematik „Täter-Opfer-Ausgleich“ zum Teil auch ein Bestandteil von Qualifizierungskonzepten für Nachwuchskräfte in ermittelnden Bereichen. 20. Wie sieht der Umfang des Ausbildungs-/Weiterbildungsangebots gegebenenfalls aus? Zum Umfang des Angebots bei den Richterinnen und Richtern sowie den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten wird auf die Antwort auf Frage 19 verwiesen. In welchem Umfang der Täter-Opfer-Ausgleich im Rechtsreferendariat behandelt wird, ist Aufgabe des jeweiligen Arbeitsgemeinschafts-Leiters und daher individuell unterschiedlich. Zum Umfang des Ausbildungsangebotes im Bereich der Polizei wird ebenfalls auf die Antwort zu Frage 19 verwiesen. In der zentralen polizeilichen Fortbildung ist der Themenbereich „Täter-Opfer- Ausgleich“ im Rahmen des Opferschutzes fest implementiert und wurde nach dem Inkrafttreten der Richtlinie für den Täter-Opfer-Ausgleich im allgemeinen Strafrecht - Gem. RdErl. d. MJ u. d. MI v. 19.04.2016 - intensiviert. Die Polizeiakademie Niedersachsen hat dazu im Rahmen der Digitalisierung in der Lehre, in 2017 das eLearning Modul - Polizeilicher Opferschutz „Der Weg danach“ - erstellt , welches nach dem Ansatz des ganzheitlichen Lernens und einer breit gestreuten, schnellen Information auf der polizeiinternen Intranet-Plattform StudlP (Informations- und Lernplattform, ein Lernmanagementsystem zur Begleitung der zentralen und dezentralen Fort- und Weiterbildung) für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter abrufbar ist. Darüber hinaus ist das Thema des TOA in den Grundlagenseminaren der kriminalistischen Fortbildung mit mindestens zwei Unterrichtseinheiten je 45 Minuten fester Bestandteil. Beispielhaft sei hier die Themeneinbindung in den Grundlagenseminaren zur Jugendkriminalität aufgeführt. Im Grundlagenseminar für Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in der Kinder- und Jugenddelinquenz/Jugendgefährdung wird das Thema im Rahmen der Rechtskunde durch einen Vertreter der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Diversion aufgegriffen . Es folgen dabei praxisnahe Beispielfälle zur Übersicht und Einordnung. Aus der Richtlinie TOA resultierend wird dabei auch der Verfahrensweg erläutert, sodass den Beamtinnen und Beamten verdeutlicht wird, wann ein Fall des TOA vorliegen kann und welche Maßnahmen sich daraus ergeben . Im weiteren Verlauf des Seminars wird das Thema dann nochmals durch Vertreter der Jugendgerichtshilfe , des kommunalen Sozialdienstes oder Vereinen wie Waage Hannover e. V. für Konfliktschlichtung und Wiedergutmachung aufgegriffen, sodass auch die Praxis der Durchführung den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern nahegebracht wird, was letztendlich zu einem besseren Verständnis und so auch zu einer sicheren Anwendung im Ermittlungsverfahren führt. Ergänzend zur zentralen polizeilichen Fortbildung an der Polizeiakademie Niedersachsen ist die Thematik TOA im Rahmen der dezentralen Fortbildungsangebote zum Teil als ein nicht unwesentliches Element des Opferschutzes enthalten. Ebenso wird in den Dienstkundeunterrichten und Ermittlerfortbildungen , neben anderen Themen, auch diese Thematik anlassbezogen aufgegriffen und be- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1603 9 sprochen. Im Bedarfsfall werden für die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter darüber hinaus auch externe Angebote für spezielle Fragestellungen angeboten. 21. Wie werden die TOA-Mediatorinnen und -Mediatoren bei den Jugendämtern, Gerichtshilfen , Behörden und freien Trägern in der Bezahlung eingestuft und vergütet? Im Erwachsenenbereich werden beim AJSD die TOA-Mediatorinnen und -Mediatoren, soweit sie verbeamtet sind, in den Besoldungsgruppen A9 bis A12 besoldet. Soweit es sich um Tarifbeschäftigte handelt, erfolgt die Vergütung nach Entgeltgruppe 10 TVL. Die freien Träger verfügen über eigene Tarifverträge. Soweit vonseiten des AJSD Zuwendungen gewährt werden, werden die Personalkosten unter Berücksichtigung des Besserstellungsverbotes gemäß Landeshaushaltsordnung regelmäßig in Höhe eines vergleichbaren Tarifbeschäftigten des Landes Niedersachsen (Entgeltgruppe E 10 TVL) gefördert. Soweit es sich im Jugendbereich um Tarifbeschäftigte handelt, erfolgt die Vergütung nach Entgeltgruppe 10 TVL. Die freien Träger verfügen auch dort über eigene Tarifverträge. (Verteilt am 13.09.2018) 18-01603 Drucksache 18/1603 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Anja Piel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums Täter-Opfer-Ausgleich Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4