Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1605 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg und Anja Piel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung Sicherungsverwahrung Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg und Anja Piel (GRÜNE), eingegangen am 14.08.2018 - Drs. 18/1414 an die Staatskanzlei übersandt am 17.08.2018 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 12.09.2018, gezeichnet Barbara Havliza Vorbemerkung der Abgeordneten Das Niedersächsische Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz (Nds. SVVollzG) ist seit dem 1. Juni 2013 in Kraft. Darin werden eingangs die Vollzugsziele formuliert, wonach der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dem Ziel dient, die Gefährlichkeit der Sicherungsverwahrten für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Unterbringung möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder für erledigt erklärt werden kann. Im Vollzug sollen die Sicherungsverwahrten zudem fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen . Zugleich diene der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen Straftaten. Den Sicherungsverwahrten sind laut Nds. SVVollzG die zur Erreichung der Vollzugsziele erforderlichen Betreuungs- und sonstigen Maßnahmen unverzüglich anzubieten. Die Bereitschaft der Sicherungsverwahrten , an der Erreichung der Vollzugsziele mitzuwirken, ist fortwährend zu wecken und zu fördern. Zu den Betreuungsmaßnahmen zählen nach dem Gesetz insbesondere psychiatrische, psychotherapeutische und sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahmen. Soweit standardisierte Behandlungsmaßnahmen nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind neue Behandlungsangebote zu entwickeln. Die im Vollzug eingesetzten Maßnahmen sind laut Nds. SVVollzG vom Fachministerium und den Vollzugsbehörden in Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Forschung im Hinblick auf ihre Wirksamkeit wissenschaftlich zu überprüfen. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse sind Konzepte für den Einsatz vollzuglicher Maßnahmen zu entwickeln und fortzuschreiben. Auch im Übrigen sind die Erfahrungen mit der Ausgestaltung des Vollzuges durch das Nds. SVVollzG sowie die Art und Weise der Anwendung seiner Vorschriften zu überprüfen. Ebenfalls seit dem 1. Juni 2013 sind die Sicherungsverwahrten in Niedersachsen in einer gesonderten Abteilung der JVA Rosdorf untergebracht (zuvor in der JVA Celle). Im Rahmen der Unterrichtung im Unterausschuss „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“ am 6. Dezember 2017 teilte das Justizministerium mit, derzeit werde in der JVA Meppen eine zweite Abteilung für die Sicherungsverwahrung mit zehn Plätzen gebaut. Dies hänge damit zusammen, dass es trotz aller Behandlungsbemühungen nur selten gelinge, die Gefährlichkeit von Sicherungsverwahrten so weit zu senken , dass sie freigelassen werden könnten. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1605 2 1. Wie oft haben niedersächsische Sicherungsverwahrte jeweils in den einzelnen Jahren seit Juni 2013 während eines gewährten Ausgangs, Urlaubs bzw. Langzeitausgangs oder Freigangs Straftaten begangen? Wie viele dieser Straftaten waren Gewaltdelikte? Es ist die Begehung von Straftaten in vollzugsöffnenden Maßnahmen durch zwei Sicherungsverwahrte (im einen Fall im Jahr 2013, im anderen Fall im Jahr 2014) bekannt. In einem dieser Fälle (im Jahr 2014) handelte es sich um Gewaltstraftaten. 2. Wie oft wurden niedersächsische Sicherungsverwahrte jeweils in den einzelnen Jahren seit Juni 2013 nach Erledigung der Maßregel der Sicherungsverwahrung rückfällig? Im Hinblick auf die zu beachtende Unschuldsvermutung wird von einem „Rückfall“ einer aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Person nur dann ausgegangen, wenn diese nach ihrer Entlassung wegen einer oder mehrerer Straftaten erneut rechtskräftig verurteilt worden ist. Dies vorausgeschickt wird mitgeteilt, dass im Zeitraum seit Juni 2013 drei Personen im Geschäftsbereich der niedersächsischen Staatsanwaltschaften ermittelt werden konnten, die erneut straffällig geworden sind, nachdem sie aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden waren, weil die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung für erledigt erklärt (§ 67 d Abs. 3 StGB) oder zur Bewährung ausgesetzt (§ 67 d Abs. 2 StGB) worden war. 3. Welche Zahlen oder Erkenntnisse liegen der Landesregierung dazu vor, ob die Rückfälligkeit durch die Betreuungs- und Behandlungsmaßnahmen in der Sicherungsverwahrung gesenkt wird? Es liegen keine Erkenntnisse dazu vor, ob die Rückfälligkeit durch die Betreuungs- und Behandlungsmaßnahmen in der Sicherungsverwahrung gesenkt wird. Dies liegt zum einen an der sehr kleinen Stichprobe der aus der Sicherungsverwahrung Entlassenen (vergleiche hierzu die Antwort zu Frage 5) und zum anderen an vielfältigen methodischen Problemen. Will man die Wirksamkeit des Vollzugs der Sicherungsverwahrung nach empirischen Standards bestimmen, benötigt man eine geeignete Vergleichsgruppe von Straftätern, die nicht im Sinne des Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes behandelt worden sind. Diese Bedingung ist aus ethischen , rechtlichen und praktischen Gründen kaum zu erfüllen; denn die Kontrollgruppe, die ohne Maßnahme bleibt, sollte der Gruppe derjenigen, die die Maßnahme erhält, möglichst maximal ähnlich sein im Hinblick auf die Voraussetzungen, die Ziele zu erreichen. Hinzu kommt, dass zwischen Vollzug und Rückfall wegen vielfältiger Einflüsse nach der Haftentlassung kein kausaler Zusammenhang besteht. 4. Wie misst die Landesregierung ansonsten die Behandlungserfolge in der Sicherungsverwahrung , und zu welchen Ergebnissen kommt sie hierdurch? Wie haben sich die Behandlungserfolge in den Jahren seit Juni 2013 entwickelt (bitte auf die Erreichung der Vollzugsziele eingehen)? Für jeden Sicherungsverwahrten wird zu Beginn der Sicherungsverwahrung eine umfassende Behandlungsuntersuchung durch das Prognosezentrum im niedersächsischen Justizvollzug erstellt. In dieser Behandlungsuntersuchung wird auch detailliert zu den individuellen Behandlungszielen und Behandlungsempfehlungen Stellung genommen. Es werden die zentralen Aspekte, die im Rahmen der Behandlung in der Sicherungsverwahrung bearbeitet werden sollen, dargestellt und neben der Aufstellung einer Delikt- bzw. Delinquenzhypothese eine Gefährlichkeitseinschätzung vorgenommen . Entwicklungen der Sicherungsverwahrten werden in den halbjährlich gefertigten Vollzugsund Behandlungsplanniederschriften dokumentiert. Neben den Ergebnissen aus gutachterlichen Stellungnahmen finden hier auch regelmäßig Ergebnisse aus diagnostischen Instrumenten (Fragebögen , klinische Interviews etc.) und Verhaltensbeobachtungen Eingang in die Niederschriften. Die Beobachtungen ergeben sich aus verschiedenen Behandlungskontexten (Einzeltherapie, Wohngruppensitzungen , Alltagsverhalten, Arbeitsverhalten, Beobachtungen aus Behandlungsgruppen, Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1605 3 Verhalten im Rahmen von vollzugöffnenden Maßnahmen usw.). Diese werden regelmäßig dokumentiert und analysiert. Fortschritte bzw. Rückschritte in der Behandlung können letztlich durch einen Vergleich der niedergeschriebenen Ziele mit der festgehaltenen aktuellen Entwicklung erkannt (gemessen) und in der Folge bewertet werden. Diese Entwicklungen können nur individuell gemessen werden. Eine Aussage dazu, wie sich die Behandlungserfolge für die gesamte Gruppe der Sicherungsverwahrten entwickelt hat, kann nicht getroffen werden. Des Weiteren erfolgt mindestens jährlich für jeden Sicherungsverwahrten die Prüfung der Notwendigkeit der weiteren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung durch die zuständigen Strafvollstreckungskammern . In deren Rahmen wird ebenfalls geprüft, ob den Sicherungsverwahrten die notwendigen Behandlungsmaßnahmen zur Reduzierung der Gefährlichkeit angeboten wurden. Den Sozialtherapeutischen Abteilungen und insbesondere der Abteilung für Sicherungsverwahrung der JVA Rosdorf wird stets eine sehr gute Arbeit attestiert. So kommen unterschiedliche Gutachter zu sehr positiven Bewertungen der angebotenen Behandlung und Betreuung und registrieren Fortschritte , die sich jedoch nicht immer an der konkreten Entlassung bemessen. Dabei ist es bisher zu keinen Beanstandungen oder Weisungen durch die Landgerichte in erster Instanz oder auch die Oberlandesgerichte gekommen. Den Verurteilten werden eine ausreichende Betreuung im Sinne des § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB und geeignete Behandlungs- und Motivationsmaßnahmen angeboten. Einen Hinweis auf den Behandlungserfolg erlaubt der Blick auf die Anzahl der zur Bewährung ausgesetzten oder als erledigt erklärten Fälle von Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Seit 2013 wurden sechs Sicherungsverwahrte aufgrund eines gelungenen Behandlungsverlaufs auf Bewährung aus der Sicherungsverwahrung entlassen. Es ließ sich weiter feststellen, dass ein Großteil der Sicherungsverwahrten, die in der Abteilung für Sicherungsverwahrung der JVA Rosdorf untergebracht sind, nicht bereit ist, die vorgehaltenen und empfohlenen Behandlungsangebote anzunehmen. Bei diesen Sicherungsverwahrten wird versucht, sie für die erforderliche Behandlung zu motivieren. 5. Für wie viele Personen wurde jeweils in den einzelnen Jahren seit 2008 die Sicherungsverwahrung für erledigt erklärt (bitte jeweils in absoluten Zahlen und in relativen Zahlen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Sicherungsverwahrten in den jeweiligen Jahren angeben)? Eine zentrale Erfassung erfolgt erst ab Juni 2013 vor. Seit Juni 2013 wurden insgesamt acht Sicherungsverwahrte entlassen, vier aus der Abteilung für Sicherungsverwahrte der JVA Rosdorf und vier aus sozialtherapeutischen Abteilungen. Bei zwei der acht Fälle handelt es sich um sogenannte „Altfälle“. Die Entlassung erfolgte gemäß § 67 d Abs. 3 StGB aus der Abteilung für Sicherungsverwahrung der JVA Rosdorf. Zwei Sicherungsverwahrte konnten aufgrund reduzierter Gefährlichkeit gemäß § 67 d Abs. 2 StGB aus der Abteilung für Sicherungsverwahrung der JVA Rosdorf und vier gemäß § 67 d Abs. 2 StGB aus sozialtherapeutischen Abteilungen entlassen werden. Jahr Entlassungen Durchschnittliche Anzahl der Sicherungsverwahrten 2013 0 39 2014 3 41 2015 1 45 2016 2 48 2017 1 48 2018 1 50 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1605 4 6. Wie viele Bedienstete waren jeweils in den einzelnen Jahren seit Juni 2013 und sind aktuell im Rahmen der zur Erreichung der Vollzugsziele nach dem Nds. SVVollzG erforderlichen Betreuungs- und sonstigen Maßnahmen in Rosdorf tätig? Welche Personalkosten entstanden jeweils in diesen Jahren? Das Personal in Vollzeiteinheiten (VZE) und die Personalkosten können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Die dargestellten Personalkosten beinhalten kalkulatorische Kosten wie Beihilfe und Pensionsrückstellungen: Jahr Personal in VZE Personalkosten 2013 (ab 01.06.2013) 26,81 1.222.359 Euro 2014 32,48 1.731.380 Euro 2015 34,98 1.904.987 Euro 2016 36,55 2.022.608 Euro 2017 36,52 2.052.904 Euro 2018 (bis 30.06.2018) 37,43 1.065.562 Euro 7. Welchen Personal- und Handlungsbedarf sieht die Landesregierung hinsichtlich dieser Maßnahmen für die Zukunft? Weitere zehn Plätze für Sicherungsverwahrte werden noch 2018 in der JVA Meppen in Betrieb genommen . Dafür werden weitere zwölf Bedienstete in Vollzeit eingesetzt. Die Entwicklung muss weiter beobachtet werden. 8. Welche Zahlen hat die Landesregierung zur Teilnahme und zu Teilnahmequoten hinsichtlich dieser Maßnahmen, insbesondere hinsichtlich der psychiatrischen, psychotherapeutischen und sozialtherapeutischen Behandlungsmaßnahmen? Wie bewertet sie die Bereitschaft und Motivation seitens der Sicherungsverwahrten zur Teilnahme daran? Wie bewertet sie die Bemühungen und Erfolge, die Bereitschaft der Sicherungsverwahrten , an der Erreichung der Vollzugsziele mitzuwirken, fortwährend zu wecken und zu fördern? Welche Optimierungsansätze und -bedarfe sieht die Landesregierung hierzu in der Zukunft? Für die Umsetzung des vom Bundesverfassungsgericht formulierten Behandlungsgebotes ist es bedeutsam zu wissen, wie die Gruppe der Sicherungsverwahrten beschrieben werden kann. Auf der Grundlage vorhandener Untersuchungen lässt sich zusammenfassend Folgendes feststellen: Sicherungsverwahrte sind im Mittel im fortgeschrittenen Alter bzw. frühen Senium. Im Jahr 2013 waren 60 % der Verwahrten über 50 Jahre alt. Sicherungsverwahrung ist zu einem erheblichen Teil Seniorenvollzug. Sicherungsverwahrte weisen in der Mehrzahl eine Vielzahl biografischer Risikofaktoren wie eigene Missbrauchserfahrungen, Heimaufenthalte, Risikofaktoren bei den Eltern, keinen oder Sonderschulabschluss , geringe oder keine berufliche Qualifizierung auf. Die dissoziale Entwicklung lässt sich über die gesamte Lebenszeit verfolgen. Es lässt sich ein früher Beginn des kriminellen Handelns feststellen. Das erste strafrechtlich relevante Auftreten sowie der Zeitpunkt der ersten Inhaftierung liegen im Mittel im jungen Erwachsenenalter. Lebenslang gibt es weit überwiegend eine polytrope Delinquenz mit zahlreichen Vorstrafen, mehrfachen Verurteilungen und langjährigen Hafterfahrungen . Bei den Hauptdeliktgruppen dominieren Sexualstraftaten gefolgt von Körperverletzungsund Gewaltdelikten. Die Resultate der Prognoseverfahren weisen im Mittel ein hohes Rückfallrisiko und eine hohe Gewaltbereitschaft bei der dissozialen Persönlichkeit auf. Bei dem überwiegenden Teil der Sicherungsverwahrten kann eine psychiatrische Diagnose gestellt werden. Dabei handelt es sich in erster Linie um Persönlichkeitsstörungen gefolgt von Substanzproblematiken. Häufig bestehen beide Störungsbilder komorbid. Bei den Persönlichkeitsstörungen ist die häufigste Diagnose die der antisozialen bzw. dissozialen. Bei der Gruppe von Sicherungsverwahrten handelt es sich um eine Klientel, die durch psychiatrische -psychotherapeutische Methoden ausgesprochen schwer erreichbar und kaum zu behandeln Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1605 5 ist. Kriminelles Verhalten und delinquente Einstellungen sind bei dieser Gruppe über Jahre, teilweise Jahrzehnte eingeschliffen und zutiefst in der Persönlichkeitsstruktur verwurzelt. Therapeutische Optionen bestehen bei diesen, in der Regel sozial desintegrierten, persönlichkeitsgestörten , gewalttätigen und/oder sexuell übergriffigen Hochrisikotätern nur in geringem Umfang. In der Abteilung für Sicherungsverwahrung werden genaue Teilnahmezahlen und -quoten hinsichtlich der konkreten Behandlungsmaßnahmen nicht erhoben. Grundsätzlich lässt sich jedoch feststellen , dass die Bereitschaft und Motivation zur Teilnahme daran eher gering ausfällt. Freizeitmaßnahmen , die entsprechende Anreize wie zusätzliche vollzugsöffnende Maßnahmen beinhalten, werden hingegen verhältnismäßig gut angenommen. Die Bemühungen der Bediensteten, die Sicherungsverwahrten zur Teilnahme zu motivieren, sind als außerordentlich engagiert zu bezeichnen . Letztlich obliegt es jedoch den Sicherungsverwahrten selbst, sich auf die Maßnahmen einzulassen . Als ein wesentliches Motivationshindernis werden dabei die fehlenden Möglichkeiten für die Setzung von Anreizen gesehen. Durch die Umsetzung des durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes normierten Abstandsgebots bieten sich kaum Möglichkeiten, weitere Anreize zu setzen, um so die Therapiebereitschaft positiv zu stärken. Sowohl die Anzahl an Ausführungen als auch die Möglichkeiten der Ausstattung der Unterkünfte, die finanziellen Zuschüsse und Taschengelder sowie die allgemeine Unterbringung garantieren den Sicherungsverwahrten unabhängig von der Mitwirkung an Behandlungsmaßnahmen einen vergleichsweise guten Lebensstandard, sodass die Mehrheit der Sicherungsverwahrten offenbar keine Notwendigkeit sieht, an der Erreichung des Vollzugszieles aktiver mitzuarbeiten und daher nur schwer zu motivieren ist. Das Justizministerium erarbeitet daher aufgrund des Entschließungsantrages der Fraktionen der SPD und CDU (Drs. 18/649) einen Entwurf zur Änderung des Niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes , der insbesondere eine Reduzierung des gesetzlichen Mindestanspruchs auf eine Ausführung im Quartal vorsieht. Hinsichtlich der in Sozialtherapeutischen Abteilungen untergebrachten Sicherungsverwahrten lässt sich festhalten, dass i. d. R. alle Sicherungsverwahrten regelmäßig an den angebotenen Maßnahmen der Abteilungen teilnehmen. Die Bereitschaft und Motivation der Sicherungsverwahrten zur Teilnahme an der Behandlung lässt sich nicht pauschal einordnen und bewerten. Oft haben die in den sozialtherapeutischen Abteilungen untergebrachten Sicherungsverwahrten ihre Sozialtherapie bereits vor Eintritt der Sicherungsverwahrung begonnen, sind gut in den Therapieprozess eingebunden , für Behandlung motiviert und zeigen Veränderungsbereitschaft. Zu beachten ist, dass die Behandlungsmotivation und die Veränderungsbereitschaft im Verlauf der Behandlung üblicherweise Schwankungen unterliegen. Gleichwohl gibt es auch jene Sicherungsverwahrte, die durch eine eher ambivalente Behandlungsmotivation und Veränderungsbereitschaft gekennzeichnet sind, und jene, bei denen diese kaum vorhanden ist. Letztere stellten in den Jahren seit 2013 die Minderheit dar. In der Regel wirkt sich das in der Sozialtherapie herrschende Klima auf die Insassen therapiefördernd aus. In den Fällen, in denen es nicht gelingt, durch Gespräche und andere therapeutische Interventionen eine schwankende Motivation zu stabilisieren, bleibt als letztes Mittel nur die Verlegung (Ablösung) aus der Sozialtherapeutischen Abteilung. Die Ergebnisse der jährlichen länderübergreifenden Erhebung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung und vorgelagerter Freiheits- und Jugendstrafen weisen darauf hin, dass die Angebote an Betreuungs - und Behandlungsmaßnahmen an den Bedarfen der Zielgruppe ausgerichtet und weiterentwickelt wurden. Bezüglich der Frage zu Optimierungsansätzen wird auf die Ausführungen zu Frage neun und elf verwiesen. 9. Wie sieht das niedersächsische Behandlungskonzept für die Sicherungsverwahrung aus, und wie hat es sich seit Juni 2013 entwickelt? Wie und wann erfolgen die im Nds. SVVollzG vorgesehene Evaluation der im SV-Vollzug eingesetzten Maßnahmen und die Fortschreibung der Konzepte für den Einsatz vollzuglicher Maßnahmen? Das Konzept der Abteilung Sicherungsverwahrung wird durch die Vollzugsbehörde jährlich auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse und Belegungsentwicklung überprüft und gegebenenfalls Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1605 6 angepasst. Zum ursprünglichen Konzept aus dem Jahr 2013 fanden Änderungen vorwiegend in der Ausgestaltung der Unterbringung im Wohngruppenvollzug statt. Grundsätzlich ist die Abteilung baulich und konzeptionell auf den Wohngruppenvollzug ausgerichtet , um das therapeutische Potenzial dieser Unterbringungsform nutzen zu können. Nachdem zunächst eine heterogene Unterbringung und Betreuung der Sicherungsverwahrten in den Wohngruppen stattfand, wurde im Jahr 2015 ein Binnendifferenzierungskonzept entwickelt, welches die Betreuung in homogenen Wohngruppen vorsah. Dabei erfolgte die Zuweisung und Unterbringung der Sicherungsverwahrten in den Wohngruppen anhand ihrer Mitarbeitsbereitschaft und Motivation sowie der Behandlungsfähigkeit. So konnten in den einzelnen Wohngruppen Schwerpunkte der Betreuung gesetzt werden und die Verwahrten ihrer Bereitschaft und Fähigkeit zur Mitwirkung entsprechend angesprochen und gefördert werden. Bei Entwicklungen erfolgten entsprechende Umzüge der Sicherungsverwahrten in andere Wohngruppen. In der sogenannten sozialtherapeutischen Wohngruppe konnten durchaus positive Erfolge und Fortschritte erzielt werden. Aufgrund der kontinuierlich gestiegenen Belegung und der damit einhergehenden gestiegenen Anzahl an Sicherungsverwahrten mit einer geringen Behandlungsmotivation und -bereitschaft war die Fortführung der Binnendifferenzierung in der bestehenden Form nicht mehr umsetzbar. Im Januar 2018 wurde deshalb im Rahmen mehrerer Konzepttage die konzeptionelle Ausgestaltung der Abteilung dahin gehend verändert, dass die bisherige Binnendifferenzierung abgeschafft wurde. Die positiven Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Arbeit mit den Sicherungsverwahrten der ehemaligen „sozialtherapeutischen Wohngruppe“ wurden auf die anderen Wohngruppen übertragen . Neben den individuellen Einzelangeboten fokussiert sich der Schwerpunkt auf allen Wohngruppenebenen der Abteilung somit auf die Herstellung eines gemeinschaftlichen Miteinanders unter Einbeziehung sozialtherapeutischer Erprobungsfelder. Bei der Zuweisung von Sicherungsverwahrten wird trotz der Heterogenität soweit möglich auf eine sozial verträgliche Zusammensetzung geachtet. Die Evaluation der eingesetzten Maßnahmen erfolgt ebenfalls mittels der jährlichen länderübergreifenden Erhebung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung und vorgelagerter Freiheits- und Jugendstrafen durch die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ). Die seit 2014 durchgeführte jährliche Erhebung soll über die begrenzten Erkenntnisse der Strafvollzugsstatistik und einzelner empirischer Forschungen hinaus eine regelmäßige Vollzugsberichterstattung ermöglichen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine laufende Beobachtung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung sowie der vorgelagerten Freiheits- oder Jugendstrafe bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung gerecht wird. Sie ermöglicht 1. einen vergleichenden Überblick ausgewählter Strukturmerkmale der zuständigen Anstalten und Einrichtungen des Justizvollzugs, 2. eine Basisevaluation der im Vollzug eingesetzten Maßnahmen, namentlich Therapien und Methoden zur Förderung der Sicherungsverwahrten und der Strafgefangenen mit (angeordneter oder vorbehaltener) Sicherungsverwahrung. Erhoben werden jährlich zum Stichtag 31. März auf der Ebene der Bundesländer einige Überblicksdaten zum Vollzug der Sicherungsverwahrung und der Freiheits- oder Jugendstrafe bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung (Belegung differenziert nach Geschlecht; Personalausstattung ). Zudem werden - ebenfalls jährlich zum Stichtag 31. März und soweit sinnvoll rückwirkend für den Zeitraum seit der letzten Erhebung - differenzierte Falldaten über den Vollzug der Sicherungsverwahrung und der Freiheits- oder Jugendstrafe bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung gesammelt, die eine anstalts- und länderübergreifende Betrachtung von Stammdaten, Vollstreckungszeiten, Deliktsstruktur, vollzugsöffnenden Maßnahmen, Behandlungsmaßnahmen und ihrer Bewertung sowie des Verlaufs und der Beendigung der Unterbringung ermöglichen. Die Falldatenerhebung endet mit der Entlassung der Untergebrachten, berücksichtigt jedoch die Möglichkeit anschließender Untersuchungen zur Legalbewährung und sozialen Integration. Die Falldaten zu Behandlungsverlauf und vollzugsöffnenden Maßnahmen beziehen sich grundsätzlich auf das zurückliegende Jahr seit dem letzten Stichtag. Soweit Stammdaten und Vollzugsverläufe interessieren, werden teilweise auch länger zurückliegende Ereignisse erhoben. Der kriminologi- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1605 7 sche Dienst im Justizvollzug nimmt jährlich eine Auswertung der Stichtagserhebung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung und der vorgelagerten Freiheits- und Jugendstrafe vor. Darüber hinaus erfolgt mindestens jährlich für jeden Sicherungsverwahrten die Prüfung der Notwendigkeit der weiteren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen gemäß der §§ 67 d und e StGB. In deren Rahmen wird ebenfalls geprüft, ob den Sicherungsverwahrten die notwendigen Behandlungsmaßnahmen angeboten wurden. Dabei ist es bisher zu keinen Beanstandungen oder Weisungen durch das Landgericht in erster Instanz oder auch das Oberlandesgericht Braunschweig gekommen. 10. Welchen Zeitplan verfolgt die Landesregierung hinsichtlich des Baus einer zweiten Abteilung für die Sicherungsverwahrung mit zehn Plätzen in der JVA Meppen? In einer Planungs- und Bauzeit von 18 Monaten sind zehn Haftplätze für Sicherungsverwahrte in der JVA Meppen entstanden. Die ersten Sicherungsverwahrten sollen dort ab 1. Oktober 2018 untergebracht werden. 11. Welche konzeptionellen Unterschiede werden zwischen der neuen Abteilung in Meppen und der Sicherungsverwahrung in Rosdorf geben (bitte begründen)? In der JVA Meppen wurden zehn Unterkunftsbereiche für ältere und motorisch eingeschränkte Sicherungsverwahrte geschaffen sowie spezielle, auf die Bedürfnisse der Untergebrachten abgestimmte individuelle und intensive Behandlungs- und Betreuungsangebote entwickelt. Das Behandlungsangebot richtet sich auch an Untergebrachte, die von den derzeitigen Angeboten der JVA Rosdorf nicht profitieren können bzw. wollen. So wird ein verstärktes Angebot an niederschwelligen Maßnahmen zur Erhöhung der Motivation und Absprechbarkeit vorgehalten. Auch tiergestützte Behandlungs - und Therapiemaßnahmen sind geplant. Durch den Standort im Nordwesten des Landes soll den Sicherungsverwahrten mit sozialen Bezügen in dieser Region zudem die Möglichkeit eröffnet werden, Besuchsüberstellungen wahrzunehmen . So können einerseits vollzugsöffnende Maßnahmen für die Sicherungsverwahrten effektiver gestaltet und andererseits die Fahrtkosten und Dienstzeiten der begleitenden Vollzugsbediensteten reduziert werden. (Verteilt am 13.09.2018) Drucksache 18/1605 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg und Anja Piel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums Sicherungsverwahrung