Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1614 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Belit Onay, Anja Piel und Christian Meyer (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Konzerte der rechten Szene in Niedersachsen im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.06.2018 Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Belit Onay, Anja Piel und Christian Meyer (GRÜNE), eingegangen am 20.08.2018 - Drs. 18/1450 an die Staatskanzlei übersandt am 22.08.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 12.09.2018, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung der Abgeordneten Am 24.02.2018 fand in Lingen ein Rockkonzert der rechten Szene statt. Es nahmen bis zu 200 Personen an der Veranstaltung teil. Die Bedeutung von Konzerten und Liederabenden für die rechte Szene wächst und hat ein hohes Mobilisierungspotenzial. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage zu rechten Konzerten geht hervor, dass allein im ersten Halbjahr 2018 deutschlandweit rund 13 000 Personen an Konzerten und Liederabenden teilgenommen haben. Vorbemerkung der Landesregierung Die niedersächsischen Sicherheitsbehörden gehen seit Jahren konsequent gegen den Rechtsextremismus in Niedersachsen vor. Hierzu gehört auch eine effektive Strategie zur Verhinderung von rechtsextremistischen Musikveranstaltungen, da diese Musik ein wichtiges Ausdrucks- und Propagandamittel für die rechtsextremistische Szene ist. Die Musik hat insbesondere als Integrationsfaktor eine hohe Bedeutung und bildet damit eine Grundlage für den Zusammenhalt rechtsextremistischer Organisationen. Des Weiteren dient sie der Gewinnung von vorwiegend jugendlichem Nachwuchs und Sympathisanten für die rechtsextremistische Szene. Die Planung und Durchführung dieser Musikveranstaltungen erfolgt überwiegend konspirativ und bei der Anmietung von geeigneten Räumlichkeiten häufig unter Angabe eines falschen Hintergrundes. Den niedersächsischen Sicherheitsbehörden ist es u. a. im engen Zusammenwirken mit den Kommunen und privaten Betreibern von Veranstaltungsräumlichkeiten gelungen, die Anzahl von durchgeführten rechtsextremistischen Musikveranstaltungen in Niedersachsen insgesamt zu reduzieren und auf diesem niedrigen Niveau zu halten. Auch in der Landesrahmenkonzeption der niedersächsischen Polizei zur Bekämpfung der Politisch motivierten Kriminalität - rechts - vom 21.04.2017 findet sich die konsequente Verhinderung rechtsextremistischer Musikveranstaltungen als Bekämpfungsschwerpunkt wieder. Darüber hinaus wurden vom Landeskriminalamt Niedersachsen in Kooperation mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Niedersachsen „Informationen für Vermieter von Veranstaltungsräumlichkeiten “ entwickelt. In diesem Informationsmerkblatt werden Strategien der (rechts-)extremistischen Szene bei der Anmietung von Räumlichkeiten zur Durchführung von Konzerten erläutert sowie Hinweise für Vermieter von Veranstaltungsräumlichkeiten gegeben. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1614 2 1. Welche Konzerte und Liederabende mit rechten Bands beziehungsweise Liedermachern haben im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.06.2018 in Niedersachsen stattgefunden (bitte aufschlüsseln nach Veranstaltungsdatum, Ort, Art der Veranstaltung und Name der Bands/Liedermacher)? In Niedersachsen fanden im angefragten Zeitraum nach Erkenntnis der niedersächsischen Sicherheitsbehörden keine Konzerte, jedoch vier Lieder-/Balladenabende statt. Die dort aufgetretenen Liedermacher werden von der niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde als rechtsextremistisch eingestuft. Nach den vorliegenden Erkenntnissen hat überwiegend rechtsextremistisches Personenpotenzial aus Niedersachsen und gelegentlich aus den angrenzenden Bundesländern sowie den Niederlanden teilgenommen. Datum Veranstaltung Ort Teilnehmer Liedermacher 17.02.2018 Liederabend Karlshöfen 90 „Lunikoff“ (Berlin) 24.02.2018 Liederabend Beinum 50 „Reichstrunkenbold“ (Hessen) 24.02.2018 Liederabend Lingen 200 „Nahkampf“ (Duo, Niedersachsen), „F.i.e.L.“ (Mecklenburg-Vorpommern ) „Zeitnah“ (Duo, Thüringen) 05.05.2018 Liederabend Fürstenau 40 „Reichstrunkenbold“ (Hessen) 2. Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchten die jeweiligen Konzerte/Liederabende , und aus welchen Bundesländern kamen diese? Siehe Antwort zu Frage 1. 3. Wie wurden die Konzerte bzw. Liederabende beworben? Für die Veranstaltungen am 24.02.2018 in Beinum und 05.05.2018 in Fürstenau wurde ausschließlich szeneintern, dort jedoch innerhalb eines größeren Adressatenkreises geworben. Über eine öffentliche Werbung liegen keine Erkenntnisse vor. Die Veranstaltung am 17.02.2018 in Karlshöfen wurde öffentlich auf der Facebook-Seite der NPD- Niedersachsen für den Raum Bremen beworben. Die Veranstaltung am 24.02.2018 in Lingen wurde öffentlich über ein soziales Netzwerk im Internet, u. a. über einen Account, in dem zur Solidarität mit einer amts- und szenebekannten Holocaust-Leugnerin aufgerufen wurde, beworben. 4. Wer oder welche Gruppierung hat die Konzerte bzw. Liederabende organisiert? Nach Erkenntnissen der niedersächsischen Sicherheitsbehörden wurde die Veranstaltung am 24.02.2018 in Lingen von Personen, die der Neonaziszene Emsland - konkret der neonazistischen Gruppierung „Amsivaren“ - zugeordnet werden, organisiert. Die Veranstaltungen am 24.02.2018 in Beinum und am 05.05.2018 in Fürstenau wurden von Angehörigen der jeweiligen regionalen rechtsextremistischen Szene organisiert. Die Organisation der Veranstaltung am 17.02.2018 in Karlshöfen oblag nach hiesigen Erkenntnissen der NPD-Niedersachsen. 5. Lagen Anträge bei der Ordnungsbehörde vor? Wenn ja, wie hat diese entschieden? Wenn nein, wann wurde diese durch wen informiert? Nach Kenntnis der niedersächsischen Sicherheitsbehörden lagen bei den aufgeführten Veranstaltungen keine Anträge bei den zuständigen Ordnungsbehörden vor. Die Liederabende haben ausschließlich in angemieteten Räumen stattgefunden. Sofern eine Veranstaltung bereits im Vorfeld während der Geschäftszeit der zuständigen Ordnungsbehörde mit feststehendem Veranstaltungsort lokalisiert werden konnte, wurde diese durch die örtlich zuständige Polizeibehörde in Kenntnis gesetzt. Wurde eine Veranstaltung erst im Nachhinein polizeilich bekannt, wurde die zuständige Ordnungsbehörde nachträglich informiert. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1614 3 6. Wurden Eintrittsgelder entrichtet? Für die Veranstaltung am 17.02.2018 wurde ein Eintrittsgeld erhoben. Darüber hinaus liegen keine Erkenntnisse über eine mögliche Zahlung von Eintrittsgeldern vor. In der Regel verlangen Organisatoren derartiger Veranstaltungen jedoch Eintritt, welcher teilweise als Spende/Unkostenbeitrag deklariert wird. 7. Wann und wie erlangten die Sicherheitsbehörden Kenntnis über die Konzerte bzw. Liederabende ? Der niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde lagen bereits im Vorfeld der benannten Veranstaltungen Erkenntnisse über deren Planung vor. Die Polizei erhielt durch den Informationsaustausch mit dem Verfassungsschutz sowie durch eigene intensive Aufklärungsmaßnahmen ebenfalls vorab Kenntnis von den durchgeführten Veranstaltungen. 8. Welche polizeilichen Maßnahmen wurden wann mit welchem Ergebnis ergriffen? Je nach Sachverhaltsgestaltung und rechtlichen Rahmenbedingungen wurden Aufklärungsmaßnahmen , Kooperationsgespräche, Kontaktaufnahmen mit mutmaßlichen Veranstaltern, Veranstaltungsbegleitungen von außen, Anfahrtskontrollen, Identitätsfeststellungen und Platzverweise durchgeführt. 9. Kam es im Zusammenhang mit dem Konzert bzw. dem Liederabend zu Straftaten? Wenn ja, zu welchen? Straftaten im Zusammenhang mit den Veranstaltungen sind nicht bekannt geworden. 10. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über rechte Konzerte und Liederabende, die von Angehörigen der rechten Szene in Niedersachsen im genannten Zeitraum an Orten außerhalb Niedersachsens organisiert wurden? Ein durch einen Angehörigen der rechtsextremistischen Szene Emsland veranstalteter Liederabend fand am 03.03.2018 in Rheine (Nordrhein-Westfalen) statt. Die Veranstaltung war im Vorfeld für den Raum Emsland geplant. Dort war nach Ansprache durch die Polizei die Vermieterin einer Immobilie in Emsbühren von dem Mietvertrag für das Objekt zurückgetreten. (Verteilt am 18.09.2018) Drucksache 18/1614 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Belit Onay, Anja Piel und Christian Meyer (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Konzerte der rechten Szene in Niedersachsen im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.06.2018