Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1663 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung Ist der geplante Containerhafen in Bohmte wirtschaftlich zu betreiben, oder verschlingt das Projekt Steuergelder ohne gesellschaftlichen Nutzen? Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz (GRÜNE), eingegangen am 14.08.2018 - Drs. 18/1433 vom 14.08.2018 an die Staatskanzlei übersandt am 20.08.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung vom 20.09.2018 Vorbemerkung der Abgeordneten Laut Medienberichten sollen Politikerinnen und Politiker im Landkreis Osnabrück den Bau eines Hafens „mit rabiaten Methoden“ und entgegen sachlichen Erwägungen vorangetrieben haben (Spiegel Online 06.08.2018). So gäben die Lokalpolitikerinnen und -politiker, die im Jahr 2011 die Hafengesellschaft Hafen Wittlager Land GmbH (HWL) gründeten, eine Nachfrage an Containerumschlägen vor, die den Hafen in Bohmte zum größten Binnenhafen abseits des Rheins machen würde . Tatsächlich lasse sich der Hafen aber nur aus Richtung Hamburg wirtschaftlich ansteuern. Schiffe aus Richtung der Niederlande könnten lediglich fast leer nach Bohmte kommen, weil die Brücken auf der Strecke für mehrlagige und höhere Transportgüter zu niedrig seien. Damit falle die Hälfte aller großen Seehäfen als Fahrtziel weg. Bei der Bewerbung um Subventionen im Jahr 2013 gab die HWL dennoch an, dass aus dem Stand in Bohmte 39 000 Container umgeschlagen werden würden. In den ersten 20 Jahren würden im Schnitt jährlich sogar 72 000 Container umgeladen werden. Mit diesen Angaben setzte sich die HWL gegen ihren damaligen Konkurrenten durch, einen privaten Unternehmer, der bis dahin einen Schüttguthafen für Tierfutter, Getreide und Dünger im Bohmte betrieben hatte und seinen Hafen ausbauen wollte. Der Unternehmer gab einen möglichen Umschlag von 21 000 Containern an. Heute ist auch nach den Erwartungen der HWL nur mit 47 000 Containern jährlich zu rechnen. Auch bei den Angaben der Kosten hat die HWL die Angaben gegenüber 2013 korrigiert: Statt ehemals 9,7 Millionen Euro wird erwartet, dass die Ausgaben auf mindestens 14 Millionen Euro steigen werden. Der Ortsverband Bohmte von Bündnis 90/Die Grünen schätzt in einem Statement die Kosten sogar auf 20 Millionen Euro (u. a. PM 24.11.2016). Der Bund übernimmt lt. Spiegel Online auch nicht mehr 80 %, wie es anfangs hieß, sondern nur noch 46 %. Die Finanzierungslücke aus kommunaler Kraft zu schließen, ist kaum möglich. In einem Schreiben von Anfang 2018 sieht die Kommunalaufsicht die Verschuldung der Gemeinde Bohmte „ausgesprochen kritisch“. Die Zahlungen an die Hafengesellschaft würden „weiterhin eine starke Belastung für den Haushalt der Gemeinde“ darstellen. Der Ortsverband der GRÜNEN bezeichnet das Hafenprojekt als „überdimensioniert“ und weist darauf hin, dass Experten den Betrieb des geplanten Hafens als unwirtschaftlich einstufen. So geht aus der Untersuchung der Planco Consulting GmbH „Gutachten zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Binnenhäfen“ aus dem Jahr 2013 hervor, dass vom Mittellandkanal aus die ZARA-Häfen (Zeebrügge, Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen) aufgrund der Brückendurchfahrtshöhen nicht wirtschaftlich erreichbar seien. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung begrüßt die Stärkung der Binnenhäfen zur Unterstützung der Wirtschaft und unterstützt dabei Infrastrukturvorhaben, die diesem Ziel dienen und damit auch die Nutzung des CO2-armen Verkehrsträgers Wasserstraße nachhaltig stärken. Dieses betrifft auch den Ausbau Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1663 2 leistungsfähiger Umschlaganlagen für den Kombinierten Verkehr (KV) und Güterverkehrszentren (GVZ). Der Bund fördert mit seiner „Richtlinie zur Förderung von Umschlaganlagen des Kombinierten Verkehrs nichtbundeseigener Unternehmen“ (zuletzt geändert am 4. Januar 2017) den KV, im vorliegenden Fall den Containerhafen Bohmte. Bewilligungsbehörde ist die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, hier die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt in Münster. Die Landesregierung hat bereits 2011 und 2013 im Rahmen des Förderverfahrens positiv Stellung zum KV-Standort Bohmte gegenüber der Bewilligungsstelle genommen. Diese Stellungnahmen bezogen sich seinerzeit auf die Standortwahl und waren unabhängig vom jeweiligen Antragsteller. Die anschließende rechtliche und wirtschaftliche Prüfung der Anträge liegt ausschließlich bei der zuständigen Bewilligungsbehörde des Bundes. Das Land Niedersachsen hat auf das Bewilligungsverfahren im Weiteren keinen Einfluss. Gleichwohl begrüßt die Landesregierung das Vorhaben, den Hafen Bohmte am Mittellandkanal für den KV-Umschlag Wasserstraße - Straße auszubauen, denn Bohmte ist explizit im Niedersächsischen Landes-Raumordnungsprogramm zusammen mit Osnabrück als Hafen- und GVZ-Standort festgelegt und damit Grundlage strategischen Handelns der Landesregierung. Unabhängig von der KV-Förderung des Bundes fördert die Landesregierung auf der Grundlage der „Fördergrundsätze für die Gewährung von Zuwendungen zur Stärkung CO2-armer Verkehrsträger im Flächenland Niedersachsen“ die Weiterentwicklung von Binnenhäfen mit Mitteln aus dem EU-Strukturfonds. Mithilfe dieser Landesförderung ist geplant, eine zusätzliche Möglichkeit zu schaffen, damit auch Schüttgüter in der Nähe des Containerhafens Bohmte umgeschlagen werden können. Damit soll es künftig erleichtert werden, u. a. auch Transporte landwirtschaftlicher Erzeugnisse , die heute über weite Strecken noch auf der Straße stattfinden, auf den CO2-armen Verkehrsträger Wasserstraße zu verlagern. Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die Fragestellerin auf den Containerhafen Bohmte, also eine vom Bund geförderte Maßnahme, bezieht. Wegen der ausschließlichen Zuständigkeit des Bundes kann nur dieser belastbare Aussagen zu den förderrechtlichen Aspekten dieser Maßnahme treffen. Darüber hinaus ist bzw. war auch der kommunalrechtliche Teil der Maßnahme zu betrachten. An der „Hafen Wittlager Land GmbH“ (HWL) sind der Landkreis Osnabrück über seine „BEVOS Beteiligungs - und Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH Landkreis Osnabrück“ und die Gemeinden Bohmte, Bad Essen und Ostercappeln beteiligt. Der Landkreis Osnabrück hat am 24.02.2012 bei der Kommunalaufsicht im Ministerium für Inneres und Sport die Gründung der genannten Gesellschaft sowie die 50-prozentige Beteiligung der BEVOS an dieser Gesellschaft gemäß § 152 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) angezeigt. Er hat dabei auch ausführlich die notwendige Erfüllung der Voraussetzungen gemäß §§ 136 und 137 NKomVG einschließlich der sogenannten Subsidiaritätsklausel dargestellt. So hat er u. a. ausgeführt, dass die Gründung einer Hafenentwicklungsgesellschaft mit umfänglichem Flächenerwerb und einer Flächenerschließung durch einen privaten Dritten nicht ersichtlich oder zu erwarten sei. Eine entsprechende Konkurrenzsituation hat der Landkreis Osnabrück nicht dargestellt. Rechtsverstöße und entsprechende Gründe für eine Beanstandung lagen insgesamt nicht vor. Zudem wurden im Jahr 2016 kommunalaufsichtlich gemäß § 121 Abs. 2 NKomVG Bürgschaften des Landkreises Osnabrück in Höhe von insgesamt 11,8 Millionen Euro zugunsten der HWL für dortige Investitionskredite genehmigt. 1. Welche Kenntnisse besitzt die Landesregierung darüber, wie viel der von der HWL geplante Binnenhafen in Bohmte tatsächlich kosten wird - inklusive der Kosten, die beim Erwerb des Grundstücks des bereits bestehenden Schütthafens angefallen sind? Die Prüfung und Bewertung der Anträge für den Containerhafen hinsichtlich der Kosten, Wirtschaftlichkeit , Sicherstellung der Gesamtfinanzierung sowie des prognostizierten Containeraufkommens liegt ausschließlich bei der zuständigen Bewilligungsbehörde des Bundes. Die Landesregierung ist Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1663 3 hierbei nicht involviert, und es liegen ihr keine dezidierten Kenntnisse über den Inhalt der Anträge vor. Im Rahmen des o. g. Anzeigeverfahrens gemäß § 152 NKomVG wurden lediglich die damaligen Gesamtplankosten vorgetragen. Im Zusammenhang mit den o. g. Bürgschaftsanträgen wurden sodann Teilbeträge, soweit sie für das Verfahren relevant waren, mitgeteilt. Damit liegen der Landesregierung keine Kenntnisse über die tatsächlichen Gesamtkosten vor. 2. In welcher Weise lassen sich die kommunalen Beteiligungen der Gemeinden Bohmte, Bad Essen und Ostercappeln sowie des Landkreises Osnabrück an der Hafengesellschaft mit § 136 Abs. 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes in Einklang bringen, wenn doch der private Unternehmer beim Beantragen von Fördergeldern 1,6 Millionen Euro weniger für den Ausbau des Hafens benötigte als die HWL? Kommunale Hafengesellschaften oder Beteiligungen an Hafengesellschaften sind in Niedersachsen gängige Praxis. Hierdurch wird die Schaffung öffentlicher Infrastruktur zur Umsetzung des Ziels einer stärkeren Wasserstraßennutzung unterstützt. Insofern werden solche Beteiligungen nicht durch § 136 Abs. 1 Nr. 1 NKomVG infrage gestellt. Im Übrigen wird auf die kommunalrechtlichen Ausführungen in den Vorbemerkungen verwiesen. Die Aussage, dass ein privater Unternehmer beim Beantragen von Fördergeldern 1,6 Millionen Euro weniger für den Ausbau des Hafens benötigte, kann von der Landesregierung aus den Unterlagen , die im Rahmen der oben beschriebenen kommunalaufsichtlichen Verfahren vorgelegt wurden, nicht nachvollzogen werden. 3. In welcher Weise hält die Landesregierung die Angaben der HWL für realistisch, wonach jährlich 47 000 Container im neuen Hafen umgeschlagen werden sollen und ein Drittel der Fahrten Richtung Niederlande gehen soll? Zum Inhalt und zur Bewertung des prognostizierten Containeraufkommens wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 4. Wie viele Förderanträge für den geplanten Containerhafen in Bohmte hat die HWL wann und in welcher Höhe bei der NBank gestellt (Angaben bitte jeweils in Euro)? Die Hafen Wittlager Land GmbH hat keine Förderanträge an die NBank gestellt, die den Bau des geplanten Containerhafens betreffen. 5. Wie bewertet die Landesregierung die Angaben von Fachleuten, wonach der geplante Hafen der HWL nicht wirtschaftlich zu betreiben sei? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 6. Wie bewertet die Landesregierung die finanzielle Situation der Gemeinde Bohmte, deren Verschuldung laut Kommunalaufsicht „ausgesprochen kritisch“ sei und deren Zahlungen an die Hafengesellschaft HWL den Haushalt stark belasten würden? Aufgrund der laut Bundesförderrichtlinie erforderlichen Darstellung einer gesicherten Finanzierung bei der Antragstellung ist zunächst davon auszugehen, dass der Bund hier eine ausreichende Prüfung vorgenommen hat. Die Entscheidung über ein entsprechendes Engagement einschließlich der damit verbundenen Gewerbeansiedelungspolitik obliegt der Gemeinde Bohmte im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung unter Beachtung der einschlägigen Gesetze in eigener Verantwortung. Die Beteiligung der Gemeinde Bohmte und die entsprechenden Anzeige gem. § 152 NKomVG hat der Landkreis Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1663 4 Osnabrück als zuständige Kommunalaufsichtsbehörde geprüft. Diesbezügliche Probleme wurden dem Ministerium für Inneres und Sport als oberste Kommunalaufsichtsbehörde nicht vorgetragen. Es bestand keine Veranlassung, hier eine eigene Bewertung vorzunehmen. 7. Wer übernimmt vor dem Hintergrund, dass die geschätzten Kosten für das Hafenprojekt in Bohmte von 9,7 Millionen Euro auf mindestens 14 Millionen Euro gestiegen sind und gleichzeitig die Zusage für eine anteilige Finanzierung durch den Bund von 80 %auf 46 % gesunken ist, in welcher Höhe die anfallenden Kosten? Die anteiligen Investitionskosten der HWL für das Hafenprojekt werden nach den der Landesregierung vorliegenden Informationen kreditfinanziert und sind im Wirtschaftsplan abgebildet. Mögliche Jahresfehlbeträge der Gesellschaft sollen laut Gesellschaftsvertrag von den Gesellschaftern entsprechend ihrer Beteiligung am Stammkapital übernommen werden. 8. Welche weiteren Investitionskosten in welcher Höhe werden entstehen aufgrund von Ausbaggerungen, Brückenerhöhungen und -erneuerungen, die ermöglichen werden, dass Schiffe von Bohmte aus auch die Häfen in Richtung Niederlande werden ansteuern können? Keine, denn die deutschen Binnenwasserstraßen sind für Containertransporte von Bohmte in Richtung Niederlande bereits heute über das westdeutsche Wasserstraßennetz nutzbar. Etwaige Brückenerhöhungen für einen mehrlagigen Containertransport betreffen zudem nicht den niedersächsischen Teil dieser Route, da dieser Abschnitt des Mittellandkanals bereits heute schon zweilagig befahrbar ist. Insofern sind hierfür keine Kostenschätzungen möglich. 9. Welche Betriebskosten werden voraussichtlich jährlich anfallen, nachdem der geplante neue Containerhafen in Bohmte seinen Betrieb aufgenommen haben wird? Entscheidend sind nicht allein die Betriebskosten, sondern auch die gleichzeitig erzielten Erträge, also folglich das jeweilige Jahresergebnis. Der Landkreis Osnabrück geht nach den im o. g. kommunalrechtlichen Anzeige- bzw. Genehmigungsverfahren vorgelegten Unterlagen nach anfänglichen Verlusten nach Aufnahme des Betriebs des Containerhafens von positiven Jahresergebnissen aus. 10. Wer trägt die Kosten für den Fall, dass der neue Containerhafen bzw. die HWL in die Insolvenz gehen muss? Hinsichtlich der Bundesförderung liegen der Landesregierung keine Informationen über die einschlägigen Regelungen des Bundes bei einer möglichen Insolvenz eines Antragstellers vor. Bezogen auf die HWL selbst haften die Gesellschafter, da es sich um eine GmbH handelt, nur mit ihrer Einlage am Stammkapital (zusammen 40 000 Euro). Der Landkreis Osnabrück könnte gegebenenfalls aus den o. g. Bürgschaften in Anspruch genommen werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen aus der Bürgschaftserklärung vorliegen. (Verteilt am 24.09.2018) Drucksache 18/1663 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung Ist der geplante Containerhafen in Bohmte wirtschaftlich zu betreiben, oder verschlingt das Projekt Steuergelder ohne gesellschaftlichen Nutzen?