Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1667 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Anja Piel und Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Antisemitistische Anschläge und Übergriffe im ersten Halbjahr 2018 Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Anja Piel und Belit Onay (GRÜNE), eingegangen am 27.08.2018 - Drs. 18/1479 an die Staatskanzlei übersandt am 29.08.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 20.09.2018 Vorbemerkung der Abgeordneten Auch auf niedersächsischen Schulhöfen ist das Wort „Jude“ immer noch ein gängiges Schimpfwort (https://www.weser-kurier.de/region/niedersachsen_artikel,-judenhass-erreicht-die-schulhoefe- _arid,1698920.html) Jüdische Schülerinnen und Schüler trauen sich häufig nicht, offen mit ihrer religiösen Identität umzugehen. Immer wieder kommt es zu Anschlägen auf jüdische und israelische Einrichtungen. Viele dieser Übergriffe erreichen nicht die Öffentlichkeit. Vorbemerkung der Landesregierung Für die Landesregierung hat die Verhinderung und Bekämpfung von Antisemitismus hohe Priorität. Insbesondere die hiesigen Sicherheitsbehörden messen der Bekämpfung von Antisemitismus im Rahmen der Abwehr von Gefahren und der Verfolgung von Straftaten hohe Bedeutung bei. Dies gilt in besonderem Maße für Bedrohungen aus den Phänomenbereichen des islamistischen Extremismus und des Rechtsextremismus. Es wird auf die gleichlautenden Fragestellungen der Kleinen Anfrage zur Schriftlichen Beantwortung in der Drucksache 18/1485 hingewiesen. In der Annahme, dass gemäß der Überschrift „Antisemitistische Anschläge und Übergriffe im ersten Halbjahr 2018“ gefragt sind, wird in Ergänzung zur Fragestellung der Fragen 1 bis 4 auch das erste Halbjahr 2018 abgebildet. 1. Wie viele Angriffe/Anschläge/Sachbeschädigungen wurden nach Kenntnis der Landesregierung in den Jahren 2016 und 2017 auf Synagogen, jüdische Vereine, Verbände, Friedhöfe oder sonstige Gebäudekomplexe, die mit Menschen jüdischen Glaubens assoziiert werden könnten, in Niedersachsen begangen (bitte Aufschlüsselung nach Ort, Art der Einrichtung, Deliktart sowie Kategorisierung des Vorfalls in polizeilichen Meldesystemen )? Im Zusammenhang mit Angriffen/Anschlägen/Sachbeschädigungen kam es in den Jahren 2016 und 2017 zu insgesamt sieben Straftaten gegen Synagogen, jüdische Vereine, Verbände, Friedhöfe oder sonstige Gebäudekomplexe, die mit Menschen jüdischen Glaubens assoziiert werden. Die Vorgänge sind der nachfolgenden Abbildung zu entnehmen: Jahr Ort Art d. Einrichtung Delikt Kategorie 1 2016 Hannover Friedhof/Predigthalle § 304 StGB Hasskriminalität Antisemitisch 2 2016 Pattensen Jüdische Gedenktafel § 304 StGB Hasskriminalität Antisemitisch Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1667 2 Jahr Ort Art d. Einrichtung Delikt Kategorie 3 2016 Braunschweig Gedenksteine (Stolpersteine ) § 304 StGB Hasskriminalität Antisemitisch 4 2017 Braunschweig Gedenkstätte Schillerstraße § 304 StGB Hasskriminalität Antisemitisch 5 2017 Hannover Gedenktafel der Kestnergesellschaft § 304 StGB Hasskriminalität Antisemitisch 6 2017 Osnabrück Jüdisches Denkmal/Alte Synagoge § 304 StGB Hasskriminalität Antisemitisch 7 2017 Braunschweig Gedenktafel „Schill-Denkmal “ § 304 StGB Hasskriminalität Antisemitisch Im ersten Halbjahr 2018 kam es zu vier solcher Straftaten: Jahr Ort Art d. Einrichtung Delikt Kategorie 1 2018 Braunschweig Lessingplatz Gedenksteine (Stolpersteine ) § 304 StGB Hasskriminalität Antisemitisch 2 2018 Braunschweig Gedenkstätte Schillerstraße § 304 StGB Hasskriminalität Antisemitisch 3 2018 Braunschweig AOK Gedenkstein § 304 StGB Hasskriminalität Antisemitisch 4 2018 Cuxhaven/Wingst Jüdischer Friedhof § 304 StGB Hasskriminalität Antisemitisch 2. Wie viele der unter 1. genannten Straftaten waren Gewaltdelikte? Keine der unter 1. genannten Straftaten waren Gewaltdelikte. 3. In wie vielen Fällen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet, in wie vielen Fällen konnten eine oder mehrere Täterinnen/ein oder mehrere Täter ermittelt werden, in wie vielen Fällen kam es zu Verurteilungen? In den sieben Fällen aus 2016/2017 wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Es konnte nur in einem Fall (s. Nr. 3 der o. a. Abbildung) ein Täter ermittelt werden. Dieses Verfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. In den anderen Verfahren konnte kein Täter ermittelt werden. Die Verfahren wurden ebenfalls gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. In den Fällen 1, 2 und 4 aus dem ersten Halbjahr 2018 wurden die Verfahren ebenfalls eingestellt. Im Fall 3 dauern die Ermittlungen noch an. 4. In wie vielen der unter 3. genannten Fällen kam es zu Verurteilungen? Siehe Beantwortung zu Frage 3. 5. Welche Projekte/Fortbildungsmaßnahmen/Kampagnen gegen Antisemitismus wurden von der Landesregierung im 1. Halbjahr 2018 unterstützt/durchgeführt? Um rechtsextreme Ideologien rechtzeitig zu identifizieren und der Bildung und Verfestigung rechtsextremer Strukturen schon im Ansatz entgegenzuwirken, kommt es entscheidend auf intakte Präventionsnetzwerke unterschiedlicher gesellschaftlicher und staatlicher Akteure vor Ort an. Prävention im Bereich Extremismus erfordert in hohem Maße das phänomenologische Fachwissen im Bereich des Staatsschutzes. Mit Wirkung vom 15.01.2014 wurde daher die Präventionsstelle Politisch Motivierte Kriminalität (PPMK) im LKA Niedersachsen eingerichtet. Sie dient einer verbesserten Koordinierung der Extre- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1667 3 mismusprävention innerhalb der niedersächsischen Polizei sowie der fachlichen Unterstützung der Polizeibehörden und -dienststellen und bündelt die Kräfte und fachliche Expertise für alle Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität (PMK). Weiterhin ist mit der im Juli 2016 durch die Landesregierung beschlossenen Einrichtung der „Kompetenzstelle Islamismusprävention Niedersachsen“ (KIP NI) eine zentrale Anlaufstelle geschaffen worden, in der die vielfältigen, ressortübergreifenden Ansätze in der Islamismusprävention zusammenlaufen . Zur konsequenten und nachhaltigen Bekämpfung aller Formen/Themenfelder der PMK -rechts- ist im April 2017 die Landesrahmenkonzeption der niedersächsischen Polizei zur Bekämpfung der PMK -rechts- in Kraft getreten. Ziel ist es, bei der Prävention, der Gefahrenabwehr sowie der Verfolgung u. a. rechtsmotivierter Straftaten Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, durch die enge Verzahnung präventiver und repressiver Elemente entgegenzuwirken. Eines der Handlungsfelder ist dabei das Präventionskonzept PMK -rechts-. Jedes Fachkommissariat (FK) 4/die Kriminalfachinspektion (KFI) 4 der PD Hannover haben einen Ansprechpartner „PMK-Prävention“ für die PPMK eingerichtet. So sind im Kern mit der Umsetzung/Wahrnehmung der PMK-bezogenen Präventionsarbeit Fachkräfte insbesondere in den FK 4, der KFI 4 und in den jeweiligen Präventionsteams beschäftigt. Dabei werden sie durch die Polizei vor Ort vielfach mit ihrem spezifischen Fachwissen gezielt unterstützt und sensibilisiert. Die PPMK unterstützt die Aktivitäten von Polizeidienststellen vor Ort im Bereich der Extremismusprävention , explizit auch in dem Phänomenbereich des Rechtsextremismus. Beispielsweise werden durch die PPMK Präventionsmaterialien u. a. zum Rechtsextremismus systematisch erfasst, bewertet und den Polizeidienststellen zur Verfügung gestellt. In den Materialien wird u. a. auf den Antisemitismus als einen wesentlichen Bestandteil rechtsextremistischer Ideologie eingegangen und werden Hilfsangebote dargestellt. Im Rahmen von Fortbildungen, beispielsweise im Justizvollzug, wird durch die PPMK im Rahmen der Darstellung der Gefahren des Rechtsextremismus auch auf das Themenfeld des Antisemitismus eingegangen und entsprechendes Informationsmaterial bereitgestellt. Durch Mitarbeiter des polizeilichen Staatsschutzes werden zum Rechtsextremismus Informationsund Sensibilisierungsveranstaltungen durchgeführt, in denen auch das Themenfeld Antisemitismus behandelt wird. Darüber hinaus werden mit Vertretern der ortsansässigen Moscheegemeinden Kooperationsgespräche geführt, um den Gefahren durch islamistische Radikalisierung besser begegnen zu können. Dabei können auch Fragen zum Umgang mit dem Antisemitismus unter Muslimen thematisiert werden. Im Rahmen seiner präventiven Angebote nimmt sich auch der niedersächsische Verfassungsschutz weiterhin des Themas Antisemitismus an. So wurden auch im ersten Halbjahr 2018 die Rolle und die Merkmale des Antisemitismus insbesondere in der rechtsextremistischen und islamistischen Ideologie in Fortbildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen betont. Im Zuge der Wanderausstellung „Gemeinsam gegen Rechtsextremismus“ sowie in den Fachvorträgen zu den Phänomenbereichen Rechtsextremismus und Islamismus/Salafismus wird auf die Bedeutung und die Auswirkung von Antisemitismus kontinuierlich aufmerksam gemacht. (Verteilt am 24.09.2018) Drucksache 18/1667 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Anja Piel und Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Antisemitistische Anschläge und Übergriffe im ersten Halbjahr 2018