Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1668 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Führte der Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei in Hannover zum Tod eines Mannes? Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE), eingegangen am 20.08.2018 - Drs. 18/1459 an die Staatskanzlei übersandt am 23.08.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 20.09.2018 Vorbemerkung des Abgeordneten Am 18.08.2018 setzte die Polizei nach Medienberichten (u. a. Neue Presse vom 20.08.18) gegen einen 39-jährigen Mann, nachdem er randaliert und Polizeibeamte mit Steinen beworfen hatte, Pfefferspray ein. Als die Polizei den Mann festnehmen wollte, „brach er zusammen und verlor das Bewusstsein.“ Er wurde daraufhin ins Krankenhaus gebracht, wo er am folgenden Tag verstarb, Nach Informationen der Neue Presse war offenbar erkennbar, dass der Mann unter Drogen stand. Bereits vor Ort versuchten die Beamten, den Mann wiederzubeleben, und es wurde eine Reanimation durchgeführt. Am Sonntag verstarb der Mann in der Klinik. Die Staatsanwaltschaft Hannover sieht aktuell keinen Anfangsverdacht für ein Fehlverhalten der Polizeibeamten. Sie hat eine Obduktion angeordnet, die die Todesursache klären soll. Vorbemerkung der Landesregierung Reizstoffsprühgeräte (RSG) sind polizeiliche Einsatzmittel, die als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt i. S. d. § 69 Abs. 3 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen über die Anwendung des unmittelbaren Zwangs unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch die Polizei eingesetzt werden können. Rechtsgrundlage für den Einsatz von Reiz- und Betäubungsstoffen (z. B. Pfefferspray) zur Ausübung unmittelbaren Zwangs ist § 69 Nds. SOG in Verbindung mit §§ 64, 65, 71, 74 Nds SOG. Des Weiteren ist die Verwendung von Reizstoffen in der Polizei des Landes Niedersachsen mittels Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport vom 29.08.2013 geregelt. Demnach hat außer in Fällen der Notwehr und Nothilfe der Einsatz von Reizstoffen zu unterbleiben, wenn es sich erkennbar um Kinder oder schwangere Frauen handelt. Auf Grundlage des hier in Rede stehenden Vorfalls führt die Staatsanwaltschaft Hannover ein durch die Polizei eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt mit Todesfolge . 1. Wie bewertet die Landesregierung den oben beschriebenen Vorfall, und was für Erkenntnisse hat der Obduktionsbericht über die Todesursache geliefert? Nach dem vorläufigen Obduktionsbericht trat der Tod des Verstorbenen durch ein schock-bedingtes Herz-Kreislauf-Versagen ein. Im aktuellen Stadium des Ermittlungsverfahrens stehen ermittlungstaktische Gründe einer Preisgabe von Erkenntnissen zu dem ermittelten Sachverhalt oder zu etwaigen weiteren Verletzungen des Verstorbenen entgegen. Eine nähere Bewertung des Vorfalls ist derzeit noch nicht möglich. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1668 2 2. Welches Reizstoffsprühgerät welchen Typs, in welcher Konzentration und wie oft wurde Reizgas von den Polizeibeamten gegenüber dem Randalierer eingesetzt? Vor dem Hintergrund des aktuellen Ermittlungsverfahrens können zu dieser Frage aus ermittlungstaktischen Gründen keine Angaben gemacht werden. 3. Welche konkreten Anweisungen müssen Polizeibeamte in Niedersachsen beim Einsatz von Pfefferspray beachten? Die in der Vorbemerkung genannte Erlassregelung beinhaltet u. a., dass die Anwendungsmöglichkeiten und die Wirkungsweisen der Reizstoffe jeder Polizeibeamtin und jedem Polizeibeamten bekannt sein müssen. Aus diesem Grund ist im Rahmen der Aus- und Fortbildung eine Einweisung bezüglich der Handhabung, der Einsatzmöglichkeiten sowie gegebenenfalls notwendiger Erste-Hilfe -Maßnahmen durchzuführen. 4. Wie und in welchen Abständen werden Polizeibeamte in Niedersachsen über die Folgen , Gefahren und den Umgang bei der Nutzung von Reizstoffgeräten, insbesondere auch bei kranken oder drogenabhängigen Personen, aufgeklärt? Siehe Vorbemerkung und Antwort zu Frage 3. 5. Wurde wie bisher üblich bei der Polizei Niedersachsen das Reizstoffsprühgerät, welches bei dem Vorfall eingesetzt wurde, vor und nach dem Einsatz gewogen? Wenn ja, jeweils wann und mit welchen Ergebnissen? Wenn nein, warum wurde diese noch im Jahr 2016 übliche Praxis nicht umgesetzt? Nein. Eine generelle Anordnung, dass in Niedersachsens Polizei Pfefferspray vor und nach dem Einsatz zu wiegen ist, gibt es nicht. Das in Rede stehende „Wiegeverfahren“ erfolgte in der Vergangenheit im Einzelfall einsatzbezogen für das RSG 8, eine Erfassung, Meldeverpflichtung oder Dokumentation von Verbrauchsmengen gab es jedoch nicht. 6. Warum haben die Polizeibeamten das Reizstoffsprühgerät bei dem dem Pressebericht zufolge offensichtlich unter Drogen stehenden Mann angewandt, obwohl Pfefferspray bei erkennbarer Drogenabhängigkeit bzw. medizinischer Belastung nicht angewandt werden sollte? Vor dem Hintergrund des aktuellen Ermittlungsverfahrens können zu dieser Frage aus ermittlungstaktischen Gründen keine Angaben gemacht werden. 7. In wie vielen Fällen führte der Einsatz sogenannter nicht tödlicher Waffen in Niedersachsen in den letzten zwei Jahren zu Tod, Kreislaufzusammenbrüchen, Krankenhausaufenthalten oder schweren Verletzungen (bitte auflisten nach Ort, Waffe und Auswirkung )? Gemäß Nds. SOG ist das RSG ein Hilfsmittel der körperlichen Gewalt. Was der Fragesteller unter „sogenannten nicht tödlichen Waffen“ versteht, ist für die Landesregierung nicht nachvollziehbar. Zu einzelnen Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt und ihren Wirkungen werden keine Statistiken geführt . Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1668 3 8. Plant die Landesregierung angesichts dieses Vorfalls, die Regelungen zum Gebrauch von Reizstoffsprühgeräten zu überarbeiten? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Nein, die Regelungen zum polizeilichen Einsatz von Reizstoffsprühgeräten werden aktuell für ausreichend gehalten. 9. Plant die Landesregierung angesichts dieses oder vorangegangener Vorfälle und Erkenntnisse , den Einsatz nicht tödlicher Waffen zu evaluieren, neu zu regeln oder in ihrer Gefahreneinschätzung zu verändern? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Nein. Siehe Antworten zu den Fragen 7 und 8. (Verteilt am 24.09.2018) Drucksache 18/1668 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Führte der Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei in Hannover zum Tod eines Mannes?