Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1706 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung namens der Landesregierung „Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen“ (Ministerin Honé, HAZ, 27.08.2018) - Welche Auswirkungen wird der sich abzeichnende ungeordnete Austritt Großbritanniens aus der EU für Niedersachsen haben? Anfrage des Abgeordneten Jörg Bode (FDP), eingegangen am 27.08.2018 - Drs. 18/1490 an die Staatskanzlei übersandt am 30.08.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung namens der Landesregierung vom 27.09.2018 Vorbemerkung des Abgeordneten Seit Monaten zeichnet sich immer mehr ab, dass der Austritt Großbritanniens aus der EU zum 30.03.2019 als harter, ungeordneter Austritt (Brexit) erfolgen könnte. Die Landesregierung bezog bereits am 24.06.2016 Stellung zum „Brexit-Referendum“ (PM des MW, 24.06.2016) und folgerte, dass die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen Schaden nehmen und es negative Auswirkungen auf Niedersachsen geben werde. Europaministerin Honé äußerte sich zu den Brexit-Verhandlungen im Dezember 2017 wie folgt: „Für uns Niedersachsen geht es vor allem um die künftigen Handelsbeziehungen , die sich unmittelbar auf die niedersächsische Wirtschaft auswirken würden - Stichwort: Automobilindustrie. Aber auch im Agrar- und Fischereibereich gibt es wichtige Fragen“ (PM der Staatskanzlei, 08.12.2017). Und weiter: „Aber auch Sicherheitsfragen wie etwa die Sicherung der Außengrenzen bis hin zur Zusammenarbeit im Hinblick auf Terrorabwehr seien von besonderer Bedeutung“ (ebenda). Laut Pressemitteilung begleitet die Landesregierung „den weiteren Fortgang des Brexit-Prozesses weiter sehr eng“ (ebenda). Zwei Jahre nach dem Referendum rechnet Europaministerin Honé nun mit dem Schlimmsten. Vorbemerkung der Landesregierung Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (VK) hat am 29.03.2017 seinen Austritt aus der Europäischen Union (EU) gegenüber dem Europäischen Rat erklärt. Nach Artikel 50 EU- Vertrag (EUV) wird dieser Austritt mit Inkrafttreten eines Austrittsabkommens oder mit Ablauf von zwei Jahren vollzogen. Zwar sieht Artiel 50 EUV die Möglichkeit einer einvernehmlichen Verlängerung der Frist von zwei Jahren vor. Dies setzt jedoch eine einstimmige Entscheidung voraus und gilt als ausgeschlossen. Danach wird das VK mit Ablauf des 29.03.2019 aus der EU ausscheiden. Die in Brüssel vonseiten der EU durch die Kommission unter Führung von Chefunterhändler Michel Barnier mit dem VK geführten Verhandlungen über die Einzelheiten des Austritts des VK aus der EU gehen jetzt in eine entscheidende Phase: Bis Mitte Oktober sollen die Verhandlungen über ein Abkommen über den Austritt des VK aus der EU und der Europäischen Atomgemeinschaft einschließlich eines Protokolls zu Irland sowie eine politische Erklärung zum Rahmen der künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem VK („Austrittsabkommen“) abgeschlossen sein. Spätestens jedoch bis Mitte November muss eine Einigung erzielt sein, um Europäischem Parlament, Rat und britischem Parlament ausreichend Zeit zur Ratifizierung des Austrittsabkommens zu geben („weicher Brexit“). Derzeit sind rund 80 % des Austrittsabkommens geeinigt, darunter weite Teile der Regelungen zu den Bürgerrechten, zur finanziellen Entflechtung sowie insbesondere auch zu einer Übergangsphase bis zum 31.12.2020. In dieser Zeit soll das VK wie ein Mitgliedstaat (ohne Stimm- und Präsenz- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1706 2 rechte) behandelt werden und EU-Recht auf und im VK anwendbar sein. Dabei kommen die bereits geeinigten Teile des Austrittsabkommens einschließlich der Regelungen zur Übergangsphase nur dann zur Anwendung, wenn über das gesamte Austrittsabkommen Einigkeit erzielt und dieses ratifiziert wird („nothing is agreed until everything is agreed“). Offen ist insbesondere die Frage, wie eine harte Grenze auf der irischen Insel ohne Zollkontrollen vermieden werden kann. Sollte der Abschluss eines Austrittsabkommens nicht gelingen, wäre ein ungeregelter Austritt des VK aus der EU die Folge („harter Brexit“). EU und VK haben bereits darauf hingewiesen, dass etwaige Vorbereitungen sämtliche Vorkehrungen für einen ungeregelten Brexit beinhalten sollten. Unternehmen sollen laut Mitteilung der Kommission vom 19.07.2018 etwa ihre Lieferketten überprüfen und „Brexit-fest“ machen. Die Kommission hat darüber hinaus etwa 70 Kurzmitteilungen veröffentlicht, die für verschiedene Branchen Auswirkungen des Brexit vorbehaltlich etwaiger Übergangsregelungen skizzieren. Inwieweit darüber hinaus seitens der Kommission und/oder der Bundesregierung für den Fall eines ungeregelten Brexit konkrete Notfallmaßnahmen ergriffen werden, steht noch nicht abschließend fest. Entsprechende Vorbereitungen auf Bundesebene haben inzwischen begonnen. Der Ausgang der Verhandlungen kann derzeit nicht vorhergesagt werden. Denn zunächst einmal bedarf es einer Einigung zwischen den Verhandlungsführern über die ausstehenden offenen Punkte . Doch auch nach einer solchen Einigung steht noch die Ratifizierung des Abkommens durch das Europäische und britische Parlament aus. Dabei dürfte insbesondere der Ausgang der Abstimmung im britischen Parlament schwer zu prognostizieren sein. Die Landesregierung hat bereits im Vorfeld des Brexit-Referendums im VK Position zu den möglichen Implikationen bezogen. So hat die Landesregierung auf der 69. Europaministerkonferenz (EMK) am 11. Und 12.11.2015 die vier Grundfreiheiten des Europäischen Binnenmarkts für „nicht verhandelbar“ erklärt. Die Aktivitäten der Landesregierung haben sich nach dem Brexit- Referendum am 23.06.2016 deutlich verstärkt. Sie steht in kontinuierlichem Kontakt mit den niedersächsischen Verbänden und Interessenvertretungen. Ziel dieser Kontakte ist es, die seitens der Verbände und Unternehmensvertretungen artikulierten möglichen negativen Auswirkungen des Brexit aufzunehmen und gegenüber der Bundesregierung und der Kommission zu formulieren. So zeichnet sich bei den betroffenen niedersächsischen Akteuren etwa ab, dass sie insbesondere negative Auswirkungen des zu befürchtenden Anstiegs der Komplexität des Handels mit dem VK (z. B. durch Zollschranken, Konformitätsanerkennungen, erhöhten bürokratischen Aufwand etc.) befürchten und deshalb ein weitgehender Erhalt des freien Warenverkehrs und ein möglichst geringer Zuwachs an bürokratischen Anforderungen im Warenverkehr angestrebt werden sollte. Insgesamt wird im Austausch mit den niedersächsischen Verbänden und Interessenvertretungen deutlich , dass sich die niedersächsischen Akteure auch auf einen harten Brexit vorbereiten, soweit das derzeit möglich ist. Mit Beschluss des Bundesrates vom 23.03.2018 haben die Länder ihre Haltung zu wesentlichen Fragen der künftigen Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen der EU und dem VK gegenüber der Bundesregierung formuliert. Hier wurde seitens der Landesregierung dafür Sorge getragen, dass auch die seitens der niedersächsischen Verbände und Interessenvertretungen mitgeteilten Forderungen aufgenommen wurden. Im Rahmen des niedersächsischen EMK-Vorsitzes von Juli 2017 bis Juni 2018 wurde des Weiteren eine inoffizielle „Bund-Länder Arbeitsgemeinschaft Brexit“ ins Leben gerufen. Diese AG hat seither neunmal getagt und sich zu verschiedenen Themen mit Relevanz für die Länder intensiv untereinander und mit der Bundesebene ausgetauscht. Ständiger Gesprächspunkt ist derzeit die Vorbereitung auf eine mögliche Übergangsphase sowie auf einen möglichen ungeregelten Brexit. Als Mitglied der Berichterstattergruppe Brexit der EMK hat Niedersachsen an einem Bericht über den Anpassungsbedarf auf Landesebene infolge des Brexit gearbeitet, diesen mit der Bundesebene abgestimmt und allen Ressorts als Arbeitshilfe zur Verfügung gestellt. Mit Blick auf die innerhalb der Landesverwaltung getroffenen Vorkehrungen wird auf die Beantwortung der einzelnen Fragen verwiesen. Um den Informationsinteressen von Bevölkerung und Wirtschaft zu entsprechen, hat die Landesregierung eine Vielzahl von Informationsveranstaltungen durchgeführt und personell unterstützt. Dar- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1706 3 über hinaus hat die Landesregierung im MW und MB zuständige Personen eingesetzt, die als Ansprechpartner fungieren und Rückfragen beantworten. 1. Welche Landesgesellschaften (Anteil > 50 %), Institutionen und Einrichtungen des Landes und Landesbehörden sind vom Brexit betroffen? Der Geschäftsbereich des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) ist hinsichtlich des Veterinärbereichs potenziell betroffen. Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) könnte ebenfalls vom Brexit betroffen sein. Aus dem Geschäftsbereich des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (MWK) können die Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen, die außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie die Kultureinrichtungen und die Einrichtungen der Erwachsenenbildung vom Brexit betroffen sein. Der Geschäftsbereich des Justizministeriums (MJ) wäre vom Brexit ebenfalls betroffen. Hinsichtlich des Geschäftsbereichs des Finanzministeriums (MF) ist mangels genauer Kenntnisse über die Konditionen des Brexit noch keine Aussage darüber möglich, welche der zum Geschäftsbereich gehörenden Landesgesellschaften, Institutionen, Einrichtungen und Behörden in welcher Form konkret betroffen sein werden. Hinsichtlich von Statusfragen von Beamtinnen und Beamtinnen mit ausschließlich britischer Staatsangehörigkeit sind potenziell alle Ressorts betroffen (vgl. Antwort auf nachfolgende Frage 2). 2. In welcher Form stellt sich die Betroffenheit jeweils dar? Im Veterinärbereich ist im Hinblick auf Ein-, Aus- und Durchfuhr (EAD) festzustellen, dass anlässlich des Brexit für das Land Niedersachsen nach heutigem Stand voraussichtlich kein hoher Mehraufwand zu erwarten ist. Ein möglicher Mehraufwand wäre voraussichtlich für die Überwachungsbehörden vor Ort, d. h. für die kommunalen Behörden, zu erwarten. Dieser lässt sich jedoch zum heutigen Zeitpunkt quantitativ noch nicht abschätzen. Beim LAVES könnte ein Mehraufwand etwa durch Listungs- und Zulassungsverfahren oder durch zusätzlich erforderliche Zertifikate entstehen. Dieser Mehraufwand lässt sich gegenwärtig nicht abschließend beurteilen. Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen, die außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie die Kultureinrichtungen und die Einrichtungen der Erwachsenenbildung können betroffen sein, wenn sie bzw. die dort beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen von Projekten oder im Wege ihrer sonstigen Zusammenarbeit im Austausch mit Einrichtungen oder Unternehmen des VK stehen, wenn sie eigene Kooperationsvereinbarungen oder sonstige Verträge mit Einrichtungen oder Unternehmen des VK abgeschlossen haben oder wenn sie im Rahmen ihrer eigenen Ordnungen und Satzungen einen Verweis auf den Status von EU-Bürgern vornehmen. Für die Einrichtungen aus dem Geschäftsbereich des MWK könnte sich Anpassungsbedarf bei Satzungen und Ordnungen der Einrichtungen, bei vertraglich geregelten Kooperationen und bei der praktisch gelebten Zusammenarbeit (z. B. wechselseitiger Austausch von Personal und Studierenden) in den Bereichen Forschung, Wissenschaft, Kultur und beruflicher Bildung ergeben. Es wird beispielsweise auf EU-Ebene zu klären sein, wie z. B. Projekte im Rahmen des Horizon-2020-Programms oder des ERASMUS+-Programms mit Beteiligung oder sogar unter Federführung britischer Einrichtungen bis zum Ende der Programmlaufzeit fortgesetzt werden können. Unabhängig vom Fortgang der Verhandlungen auf EU-Ebene ist die Intensivierung der bilateralen Kooperationsbeziehungen zwischen niedersächsischen und britischen Einrichtungen erforderlich, um die Möglichkeiten für die Fortsetzung gemeinsamer Projekte zu verbessern. Im Geschäftsbereich des MJ entstünde im Falle eines harten Brexit im Bereich der strafrechtlichen Rechtshilfe grundsätzlich kein vertragsloser Zustand, da mit dem Wegfall der EU-Rechtsakte insbesondere die Übereinkommen und Protokolle des Europarats und das Schengener Durchführungsübereinkommen anwendbar blieben bzw. wieder würden, soweit sie derzeit durch Rechtsakte Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1706 4 der EU verdrängt werden. Aufgrund dieser Regelungen und Mechanismen kämen zwar die weitreichenden Rechtsakte der EU zur strafrechtlichen Zusammenarbeit nicht mehr zur Anwendung, die Zusammenarbeit in Strafsachen als solche käme aber nicht zum Erliegen. Hinzu kommt, dass der Rechtshilfeverkehr mit dem VK in der Praxis ohnehin schleppend läuft und die Fallzahlen gering sind, sodass auch in der Praxis die Auswirkungen überschaubar bleiben dürften. Wesentlicher Unterschied zur derzeit von vielen Rahmenbeschlüssen abgedeckten Rechtshilfe im Auslieferungsund Vollstreckungsverkehr wären der Rückfall auf den ministeriellen Geschäftsweg und der Wegfall des unmittelbaren Rechtshilfeverkehrs zwischen den zuständigen Justizbehörden. Weitere Auswirkung des regellosen Ausscheidens wäre der Wegfall des Schengener Informationssystems im Bereich der Informationsbeschaffung. Auch für Auskünfte aus britischen Strafregistern müsste dann wieder der ministerielle Geschäftsweg eingehalten werden. Technisch bliebe das VK zunächst allerdings noch an das Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS) angebunden . Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Sicherheit ist ferner festzuhalten, dass das VK bereits nach derzeitiger Rechtslage nicht am Schengener Grenzmechanismus teilnimmt. Es würde daher insoweit in diesem Bereich zu keinen Änderungen kommen. Im Ergebnis dürfte nach einem harten Brexit mit einer deutlich längeren Erledigungsdauer von Rechtshilfeverfahren und gesteigerten Formerfordernissen zu rechnen sein. Davon abgesehen sind aber keine Ausfälle oder grundlegenden Beeinträchtigungen im strafrechtlichen Rechtshilfeverkehr zu befürchten. Im Falle eines weichen Brexit würde während der Übergangsphase der Status quo weitestgehend beibehalten werden. Für die Zeit nach Ablauf der Übergangsphase könnte ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der einen effizienten und schnellen Rechtshilfeverkehr mit dem VK weiterhin ermöglicht . Für den Bereich der Rechtshilfe in Zivil- oder Handelssachen gilt: Im Falle eines harten Brexit können die britischen Gerichte ihre Rechtshilfeersuchen nicht mehr unmittelbar an das betreffende Amtsgericht richten, sondern müssen sich an das Justizministerium als zentrale Behörde für Niedersachsen nach dem dann maßgeblichen Haager Übereinkommen wenden. Dies hat zur Folge, dass die Bearbeitung britischer Rechtshilfeersuchen in Zivil- oder Handelssachen künftig durch das Justizministerium erfolgt. Zusätzliche personelle oder organisatorische Maßnahmen sind dafür nicht erforderlich. Im Falle eines weichen Brexit kommt es für die Zeit nach Ablauf der Übergangsphase darauf an, ob die Fortgeltung von derzeit geltenden internationalen Abkommen vereinbart wird oder mit dem VK ein paralleles/ähnliches Abkommen geschlossen wird. Das Kultusministerium (MK) hat geprüft, ob der Brexit auf die reinen Schulpartnerschaften eine Auswirkung hat. Diese Frage war zu verneinen, weil Schulpartnerschaften finanziell nicht gefördert werden und keinen besonderen Regelungen unterliegen. Andere Programme hingegen, in denen Schüleraustausche stattfinden können, sind die von der Europäischen Kommission angebotenen Strategischen Schulpartnerschaften (Leitaktion 2) im Rahmen von Erasmus+ und die eTwinning- Schulpartnerschaften. Die möglichen Auswirkungen eines Brexit sind noch auf EU-Ebene bzw. im Rahmen der Verhandlungen zu klären und daher noch nicht absehbar. Die durch den Brexit verursachten möglichen Veränderungen bei den Einreisemodalitäten müssen ebenfalls abgewartet werden , würden dann aber auch Maßnahmen des Schüleraustausches betreffen. Bei einem Austritt des VK aus der EU wären Beamtinnen und Beamte mit ausschließlich britischer Staatsangehörigkeit, die in einem Beamtenverhältnis zu einem Dienstherrn im Bereich der Bundesrepublik Deutschland stehen, kraft Gesetzes aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Um für die Länder und Kommunen die Möglichkeit zu schaffen, diese Beamtinnen und Beamten im Beamtenverhältnis halten zu können, ist eine Änderung der einschlägigen beamtenrechtlichen Vorschriften erforderlich. Zu diesem Zweck hat die Bundesregierung einen Entwurf zur Änderung des Beamtenstatusgesetzes (BStatG) vorgelegt (BR-Drs 378/18), nach dem Ausnahmemöglichkeiten von der Entlassung im Rahmen von Einzelfallentscheidungen vorgesehen sind. Der Gesetzentwurf befindet sich zurzeit im Bundesratsverfahren gemäß Artikel 76 Abs. 2 GG. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1706 5 Auf Grundlage des entsprechend neugefassten BStatG wären die für die Ausnahmemöglichkeit geeigneten Beamtinnen und Beamte mit ausschließlich britischer Staatsangehörigkeit zu ermitteln und gegebenenfalls zu bescheiden. Für den Fall des harten Brexit müssten die Ausnahmen bereits mit Ablauf des 29.03.2019 wirksam sein. Sofern es zu einem weichen Brexit mit einem längeren Übergangszeitraum kommt, wäre für die zu treffenden Einzelfallentscheidungen voraussichtlich das Ende des Übergangszeitraumes maßgebend. Denn nach dem - ebenfalls im Bundesratsverfahren gemäß Artikel 76 Abs. 2 GG befindlichen - Entwurf eines Bundes-Brexit-Übergangsgesetzes würden Bürgerinnen und Bürger des VK im Bundesrecht, mithin auch dem BStatG, Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern gleichgestellt (Gesetzesentwurf vom 05.09.2018, abrufbar unter https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2132856/402c19ef4c1d43bbedcb6f87609d8e4e/180905- brexitubergangsgesetz-regierungsentwurf-data.pdf ). 3. Welche personellen Maßnahmen wären jeweils im Falle eines weichen Brexits (im Sinne der Zielrichtung der EU-Kommission) erforderlich? Die Notwendigkeit von personellen Maßnahmen auf Landesebene wird derzeit nicht gesehen. Ergänzend wird auf die Antworten auf Frage 2 Bezug genommen. 4. Welche organisatorischen Maßnahmen wären jeweils im Falle eines weichen Brexits (im Sinne der Zielrichtung der EU-Kommission) erforderlich? Es wird zunächst auf die Beantwortung von Frage 2 verwiesen. Als wichtige Maßnahme auf Landesebene kann sich eine gesetzliche Regelung auf Ebene des Landesrechts als erforderlich erweisen . Diese landesrechtliche Vorschrift würde für den Fall des weichen Brexit und während der im Austrittsabkommen festgelegten Übergangszeit das VK als Mitgliedstaat der EU im Sinne des Landesrechts behandeln. Damit würde für den Fall des weichen Brexit ein Gleichlauf mit dem Unionsrecht (Artikel 122 Abs. 6 des Entwurfs des Austrittsabkommens, abrufbar unter: https://ec.euro pa.eu/commission/sites/beta-political/files/draft_agreement_coloured.pdf) geschaffen. Sofern das Austrittsabkommen in Kraft tritt (weicher Brexit), sieht es dort eine Gleichbehandlung des VK mit EU-Mitgliedstaaten in der Übergangsphase vor. Wie zu Frage 2 bereits ausgeführt, plant auch die Bundesregierung durch ein Bundes-Brexit-Übergangsgesetz eine entsprechende Gleichstellung des VK mit EU-Mitgliedstaaten. Die Notwendigkeit einer entsprechenden Regelung im Landesrecht hat sich im Rahmen eines im Zeitraum von März bis August 2018 von der Landesregierung durchgeführten Normenscreenings des Landesrechts ergeben. Über dieses Normenscreening und seine Ergebnisse hat die Landesregierung den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung (AfBuEuR) wiederholt unterrichtet, zuletzt am 12.09.2018. Der Gesetzesentwurf soll voraussichtlich im November oder Dezember in den Landtag eingebracht werden. 5. Welche baulichen bzw. logistischen Maßnahmen wären jeweils im Falle eines weichen Brexits (im Sinne der Zielrichtung der EU-Kommission) erforderlich? Zu gegebenenfalls erforderlichen baulichen bzw. logistischen Maßnahmen des Landes sind gegenwärtig keine Aussagen möglich. 6. Welche personellen Maßnahmen wären jeweils im Falle eines harten Brexits (Brexit ohne bzw. ohne rechtzeitige Vereinbarung) erforderlich? Auf die Ausführungen zu Frage 2 wird verwiesen. Im Falle eines harten Brexit wären die Einzelfallentscheidungen gemäß BeamtStG bis zum Austrittsdatum am 29.03.2019 auf Landesebene abzuschließen . Zu gegebenenfalls erforderlichen personellen Maßnahmen des Landes sind gegenwärtig keine Aussagen möglich. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1706 6 7. Welche organisatorischen Maßnahmen wären jeweils im Falle eines harten Brexits (Brexit ohne bzw. ohne rechtzeitige Vereinbarung) erforderlich? Zu organisatorischen Maßnahmen im Falle eines harten Brexit sind gegenwärtig kaum Aussagen möglich. Für den Fall des harten Brexit tut die Landesregierung das, was derzeit möglich ist. Insbesondere informiert sie sich fortlaufend über den Verhandlungsverlauf zwischen der EU-Kommission und dem VK. Die EU-Kommission und die Bundesebene haben bislang noch nicht mitgeteilt, ob und inwieweit sie im Falle eines ungeregelten Brexit Notfallmaßnahmen veranlassen würden. Im Mehrebenensystem der EU kann und darf ein Bundesland keine einseitigen Maßnahmen treffen, ohne zu wissen, ob und gegebenenfalls welche einseitigen Maßnahmen die EU- und gegebenenfalls die Bundesebene planen. Insoweit bleiben die Entscheidungen abzuwarten. Die Landesregierung hält über die auf niedersächsische Initiative eingerichtete inoffizielle „Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Brexit“ (s. o. Vorbemerkungen) engen Kontakt mit der Bundesregierung und den anderen Bundesländern und trifft alle notwendigen Vorbereitungen, um bestmöglich für den harten Brexit gerüstet zu sein. 8. Welche baulichen bzw. logistischen Maßnahmen wären jeweils im Falle eines harten Brexits (Brexit ohne bzw. ohne rechtzeitige Vereinbarung) erforderlich? Zu baulichen bzw. logistischen Maßnahmen im Falle eines harten Brexit sind gegenwärtig kaum Aussagen möglich. Es wird auf die Ausführungen zu Frage 7 verwiesen. 9. Wann müsste im Falle eines weichen Brexits (im Sinne der Zielrichtung der EU-Kommission ) jeweils mit den Maßnahmen begonnen werden, damit diese am 30.03.2019 umgesetzt sind und greifen? Als erstes Land hat Niedersachsen im August 2018 das in der Antwort auf Frage 4 genannte Normenscreening abgeschlossen. Ergänzend wird auf die Antworten auf Fragen 2 und 4 hingewiesen. 10. Wann müsste im Falle eines harten Brexits (Brexit ohne bzw. ohne rechtzeitige Vereinbarung ) jeweils mit den Maßnahmen begonnen werden, damit diese am 30.03.2019 umgesetzt sind und greifen? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 2, 4, 6 und 7 Bezug genommen. 11. Was hat die Landesregierung in den vergangenen zwei Jahren unternommen, um die betroffenen Landesgesellschaften (Anteil > 50 %), Institutionen und Einrichtungen des Landes und Landesbehörden auf die Folgen/Auswirkungen des sich abzeichnenden Brexits vorzubereiten? Die Landesregierung hat sich auf allen Ebenen intensiv auf die möglichen Folgen/Auswirkungen des Brexit vorbereitet. Die seinerzeit noch zuständige Staatskanzlei hat frühzeitig eine Ressortabfrage zu den möglichen Auswirkungen des Brexit durchgeführt. Die Ressorts haben sich darüber hinaus fortlaufend untereinander intensiv ausgetauscht. Auf der zwischenstaatlichen Ebene haben sich die Länder auf der Ministerpräsidentenkonferenz, der EMK und weiteren Fachministerkonferenzen sowie aus Anlass des Brexit eigens gegründeten Formaten intensiv ausgetauscht. Hierdurch konnten die jeweils ermittelten Auswirkungen verglichen werden. Hinsichtlich der von Niedersachsen initiierten, inoffiziellen Bund-Länder Arbeitsgemeinschaft Brexit wird auf die Einleitung hingewiesen . Damit hat die Landesregierung den Prozess des Austritts des VK aus der EU aufmerksam im Blick und ist in der Lage, negative Folgen auf niedersächsische Einrichtungen rechtzeitig zu erkennen und - sofern möglich - bei Bedarf gegensteuern zu können. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1706 7 12. Welche Investitionen (Art und Höhe) und Maßnahmen sind zur Vorbereitung des sich abzeichnenden Brexits durch das Land bisher erfolgt? Investitionen sind aus dem Landeshaushalt bisher nicht getätigt worden. Im Übrigen wird im Hinblick auf die erfragten Maßnahmen auf die Einleitung und auf die Antworten auf die Fragen 2 und 4 verwiesen. 13. Welche Investitionen (Art und Höhe) und Maßnahmen sind zur Vorbereitung auf den sich abzeichnenden Brexit durch das Land bis wann noch geplant? Derzeit sind keine Investitionen zur Vorbereitung auf den sich abzeichnenden Brexit durch das Land geplant. Weitere Maßnahmen werden in Anbetracht der Ergebnisse der Brexit-Verhandlungen durchzuführen sein. 14. Ist das Land mit seinen vom sich abzeichnenden Brexit betroffenen Landesgesellschaften (Anteil > 50 %), Institutionen und Einrichtungen des Landes und Landesbehörden ausreichend vorbereitet, oder wird es bis zum 29.03.2019 ausreichend vorbereitet sein? Es ist zwischen weichem und hartem Brexit zu unterscheiden: Für den Fall des weichen Brexit wird das Land bis zum 29.03.2019 ausreichend vorbereitet sein, wenn der Landtag das Brexit-Übergangsgesetz fristgerecht beschließen wird. Ergänzend wird auf die Antwort auf Frage 4 Bezug genommen. Für den Fall des harten Brexit wird auf die Antwort auf Frage 7 Bezug genommen: Das Land tut das, was derzeit möglich ist, und ist damit in der Lage, kurzfristig und unter Berücksichtigung etwaiger einseitiger Maßnahmen auf EU- und Bundesebene zu reagieren. 15. Welche Maßnahmen (baulich, personell, institutionell etc.) sind für die künftige Abwicklung des Personen- und Warenverkehrs zwischen Großbritannien und Niedersachsen wo und wann im Land erforderlich/geplant? Es wird auf die Antwort zu Fragen 3 bis 10 verwiesen. 16. Aus welchen Gründen muss Niedersachsen beim bevorstehenden Brexit „mit dem Schlimmsten rechnen“ (Ministerin Honé, HAZ, 27.08.2018)? Ein harter Brexit hätte zur Folge, dass das VK ungeregelt aus der EU ausscheiden würde. Regeln, die innerhalb der EU gelten, würden nicht mehr zur Anwendung kommen. Ansprüche der EU-Bürgerinnen und -Bürger im VK und der britischen Staatsangehörigen in der Union im Hinblick auf Aufenthalts- und Niederlassungsrechte sowie Rechte auf Gesundheitsversorgung , Sozial- und Rentenleistungen sind zu klären. Das VK würde aus dem Binnenmarkt ausscheiden. Zollkontrollen wären die Folge. Hinzukommen würden Prüf- und Zertifizierungsanforderungen im Hinblick auf unterschiedliche Standards in den Bereichen Umwelt, Sicherheit, Hygiene, Gesundheit etc.. Lieferketten könnten erheblich beeinträchtigt werden oder sogar entfallen. Typengenehmigungen für Fahrzeuge würden den grenzüberschreitenden Verkehr erschweren, vielleicht sogar zum Erliegen bringen. Diese Auswirkungen sind - wie bereits in der Vorbemerkung erwähnt - nach Einschätzung aus dem Kreise der niedersächsischen Verbände und Interessenvertretungen Worst-Case-Szenarien, die möglichst durch das Treffen geeigneter Folgevereinbarungen zwischen der EU und dem VK oder aber vorübergehender einseitiger Maßnahmen auf EU-, Bundes- oder gegebenenfalls Landesebene abgemildert werden sollten. Auch im Bereich der Sicherheitszusammenarbeit wären neue Vereinbarungen notwendig. Das VK würde etwa nicht mehr Mitglied von Europol sein, das die Strafverfolgungsbehörden in der EU bei Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1706 8 der Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus in vielen Bereichen unterstützt. Ohne ein entsprechendes Abkommen wäre auch der Austausch sicherheitsrelevanter Daten nicht mehr möglich. Für die Partnerschaften zwischen Schulen in Niedersachsen und dem VK sowie den damit verbundenen Schüleraustausch wird der Brexit keine unmittelbaren Auswirkungen haben. Demgegenüber würde es im Bereich von Bildung und Forschung an einer Regelung zur fortgesetzten Zusammenarbeit fehlen. Für eine Teilnahme des VK an den entsprechenden Förderprogrammen der EU wären Vereinbarungen zwischen dem VK und der EU zu treffen, damit z. B. Studienaufenthalte im Rahmen von Erasmus+ weiter wie bisher möglich bleiben. Mit dem harten Brexit würde das VK auch den Zugang zum europäischen Luftraum verlieren. Sollte kein neues Abkommen vereinbart werden, verlören Fluggesellschaften die Lizenz, in der EU zu operieren. Das gilt auch umgekehrt: Fluggesellschaften mit Sitz in der EU könnte es von einem Tag auf den nächsten verboten sein, im Luftraum des VK zu operieren. Aus diesen Beispielen ist ersichtlich, warum es so wichtig ist, die Notfallpläne der Kommission und der Bundesregierung aufmerksam zu verfolgen, um beizeiten zu klären, welche Notfallmaßnahmen auf Landesebene zu treffen sein werden. Auf die Antwort auf Frage 7 wird verwiesen. (Verteilt am 27.09.2018) Drucksache 18/1706 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regio-nale Entwicklung „Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen“ (Ministerin Honé, HAZ, 27.08.2018) - Welche Auswirkungen wird der sich abzeichnende ungeordnete Austritt Großbritanniens aus der EU für Niedersachsen haben?