Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1726 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz, Björn Försterling, Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Prostitution in Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz, Björn Försterling, Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 30.08.2018 - Drs. 18/1509 an die Staatskanzlei übersandt am 04.09.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 01.10.2018 Vorbemerkung der Abgeordneten Prostitution ist in vielen Kulturen und Epochen zu finden. Die gesellschaftliche Bewertung der Prostitution ist regional sehr unterschiedlich, unterliegt einem starken Wandel und wird von politischweltanschaulichen sowie religiösen Vorstellungen beeinflusst. Die derzeitige gesellschaftliche Wahrnehmung der Prostitution ist geprägt von der Zersplitterung in verschiedene Positionen und Anschauungen, die von totalem Verbot und massiver Kriminalisierung bis zu völliger Legalisierung und Anerkennung als Erwerbstätigkeit reichen. Rechtlich gilt seit 2002 in Deutschland eine der liberalsten Prostitutionsgesetzgebungen Europas. Obwohl das Gesetz zu einer Neubewertung der Prostitution führte und die rechtliche Situation von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern verbesserte, fällt die Bilanz gemischt aus. Dies war auch der Grund, weshalb im vergangenen Jahr ein - nicht unumstrittenes - Prostitutionsschutzgesetz in Kraft getreten ist. Ein Kernelement dieses Gesetzes ist die Einführung einer Erlaubnispflicht für alle Prostitutionsgewerbe und einer Anmeldebescheinigung für Prostituierte. Damit sollen Prostituierte besser geschützt und Kriminalität bekämpft werden. Ein anderes wichtiges Element ist die Kondompflicht (§ 32 Abs. 1 ProstSchG). Interessenverbände kritisieren das Gesetz und reichten im Juni 2017 eine Verfassungsbeschwerde ein, da es Prostituierte benachteilige und gefährde. Vorbemerkung der Landesregierung Das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) ist zum 01.07.2017 in Kraft getreten, und die Aufgaben aus dem ProstSchG sind den Landkreisen und kreisfreien Städten mit Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Zuständigkeiten auf den Gebieten des Gesundheits- und Sozialrechts vom 05.10.2017 übertragen worden. Nach nunmehr einem Jahr liegen erste Erkenntnisse zur Ausführung des ProstSchG vor. Auswertbar sind diese Ergebnisse jedoch nur in begrenztem Umfang. Nach § 35 ProstSchG i. V. m. der Verordnung über die Führung einer Bundesstatistik nach dem Prostituiertenschutzgesetz (Prost- StatV) werden jährlich zum Stichtag 31.12. über bestimmte Sachverhalte Erhebungen als Bundesstatistik durchgeführt. Der vom Bund vorgegebene Stichtag für den ersten Bericht über die erfassten Daten war der 31.12.2017. Da sich in Niedersachsen - wie in den anderen Bundesländern auch - ein routiniertes Verwaltungsverfahren zur Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes und der Umgang der weiblichen und männlichen Prostituierten damit erst etablieren muss, wird mit aussagekräftigeren Zahlen erst Anfang nächsten Jahres gerechnet (Berichtszeitraum 2018). Nach ersten Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1726 2 Rückmeldungen aus den Kommunen ist das Anmeldeverfahren, §§ 3 ff ProstSchG, bereits etabliert . Zu den Fragen 1, 6, 7, 9, 11, 15, 19 und 20 wurden die Landkreise und kreisfreien Städte angeschrieben ; Von 47 Kommunen haben 37 innerhalb der gesetzten Frist geantwortet. Im Landkreis Wesermarsch sind keine Anmeldebescheinigungen ausgestellt worden, weil dort keine Prostituierte vorstellig geworden ist. Von den befragten Kommunen wurden nicht zu allen Fragen Antworten gegeben . Zur Beantwortung der Frage 8 wurden die bereits vorliegenden Evaluierungsdaten herangezogen . 1. Wie viele Prostituierte haben sich seither registrieren lassen? Bis zum 07.09.2018 sind von den zuständigen Kommunen insgesamt 2 426 Prostituierte registriert worden. a) Wie viele Aliasbescheinigungen wurden seitens welcher Behörden ausgestellt? Bis zum 07.09.2018 sind von den zuständigen Kommunen insgesamt 1 909 Aliasbescheinigungen ausgestellt worden. b) Wie viele Personen aus der Sexarbeit bemühten sich bisher vergeblich um eine Anmeldung als Sexarbeiterin bzw. als Sexarbeiter und erhielten entsprechend lediglich eine Bescheinigung über ihre Bemühungen (bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)? Alle Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter haben mittlerweile die beantragte Bescheinigung erhalten. c) Wie viele sogenannte Lovemobile wurden angemeldet? Es sind 81 Lovemobile angemeldet worden. 2. Wie bewertet die Landesregierung die Befürchtungen von Sexarbeiterinnen- und Sexarbeiter-Organisationen und Datenschützern, dass a) die Mitführpflicht hinsichtlich der Anmeldebescheinigung eine stigmatisierende Wirkung habe und b) diese grundsätzlich geeignet sei, unbefugten Dritten Erpressungspotenzial an die Hand zu geben? Zu a: Nach Auffassung der Landesregierung entfaltet die Mitführverpflichtung der Anmeldebescheinigung oder der Aliasbescheinigung nach § 5 Abs. 7 ProstSchG als solche kaum stigmatisierende Wirkung , da die Mitführung nur bei Ausübung der Tätigkeit vorgeschrieben ist. Mitführen bedeutet auch nicht, dass die Bescheinigung unmittelbar am Körper getragen oder in der Kleidung verwahrt werden muss. Eine Aufbewahrung vor Ort, z. B. im persönlichen Fach in einem Laufhaus, ist ausreichend . Zudem besteht keine Vorlageverpflichtung gegenüber unberechtigten Personen. Auch ist die Verpflichtung nach § 5 Abs. 7 ProstSchG nicht bußgeldbewehrt. Gerade angesichts der Mobilität des Personenkreises kommt der Mitführverpflichtung besondere Bedeutung zu. Zu b: Grundsätzlich ist nicht auszuschließen, dass die Ausübung der Sexarbeit als solche zumindest dann Erpressungspotenzial bietet, wenn die Ausübung der Tätigkeit im Bekannten/Verwandtenkreis nicht offen kommuniziert wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich unbefugte Dritte die Bescheinigung unter Zwang von der Prostituierten vorlegen lassen. Der bloßen Mitführverpflichtung nach § 5 Abs. 7 ProstSchG wird nur geringes Erpressungspotenzial beigemessen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1726 3 3. Welche Vorkehrungen im Hinblick auf den Datenschutz hält die Landesregierung für notwendig, damit unbefugte Dritte innerhalb der Behörden keinen Zugang zu sensiblen Daten von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern erlangen? Unstreitig sind die persönlichen Daten, die von Behördenmitarbeiterinnen und Behördenmitarbeitern im Anmeldeverfahren von Prostituierten aufgenommen werden, besonders sensibel und daher besonders schutzbedürftig. Deshalb ist in § 34 Abs. 3 ProstSchG geregelt, dass die im Zusammenhang mit der Anmeldung erhobenen personenbezogenen Daten von Prosituierten auch innerhalb der Behörde nur weitergegeben werden dürfen, soweit dies für die Erfüllung der in den Absätzen 1 und 2 des Gesetzes genannten Zwecke notwendig ist. Das bedeutet u. a. auch, dass nur die zuständigen Bediensteten die Daten z. B. über eine passwortgeschütze Datei einsehen können. Grundsätzlich unterliegen Amtsträgerinnen und Amtsträger sowie für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete dem Amts- oder Dienstgeheimnis. Diese Verpflichtung gilt auch für „unbefugte Dritte“ innerhalb der Behörden. 4. An welche Behörden werden die von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern im Zuge ihrer Registrierung erhobenen Daten weitergegeben? Das Verfahren zur Datenübermittlung nach § 34 Abs. 6 ProstSchG regelt sich nach § 6 der Prostitutionsanmeldeverordnung . Werden von der anmeldepflichtigen Person Kommunen benannt, in denen sie plant, künftig tätig zu werden, sind diese angemeldete Tätigkeitsorte im Sinne von § 34 Abs. 6 ProstSchG. Die Angabe eines Bundeslandes, in dem die Tätigkeit ausgeübt werden soll, hat wegen ihrer Unbestimmtheit nicht die Qualität der Anmeldung eines konkreten Tätigkeitsortes. Eine Datenübermittlung an alle zuständigen Behörden des genannten Bundeslandes kommt insoweit nicht in Betracht. Grundsätzlich ist eine Datenübermittlung an öffentliche Stellen nur zulässig, wenn sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der übermittelnden Stelle oder des Dritten, an den die Daten übermittelt werden, liegenden Aufgaben erforderlich ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes). Wenn die oder der Prostituierte bei der Anmeldebehörde nach § 3 Abs. 1 ProstSchG weitere Kommunen angibt, in denen sie oder er die Ausübung der Tätigkeit plant, soll die Information, dass diese Person an diesem konkreten Ort der Prostitution nachgehen will, mit Blick auf den behördlichen Schutzauftrag den dort für die Anmeldung zuständigen Behörden grundsätzlich in gleicher Weise zu Verfügung stehen wie der Anmeldebehörde. Deshalb bestimmt § 34 Abs. 6 ProstSchG die Datenübermittlung an diese Behörden. Die zuständige Behörde hat das nach § 19 Abs. 1 der Abgabenordnung zuständige Finanzamt unverzüglich , möglichst auf elektronischem Wege, von der Anmeldung nach § 3 ProstSchG unter Mitteilung der Daten nach § 4 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 4 ProstSchG zu unterrichten. 5. Welche sonstigen Benachteiligungen oder Gefährdungen hält die Landesregierung für möglich? Mit der Verpflichtung zur Anmeldung als Prostituierte ist die Gefahr der Stigmatisierung, der Ausgrenzung und möglicherweise der Kriminalisierung nicht gänzlich auszuschließen. Das Gesetz begegnet dieser Gefahr, indem es die Möglichkeit der Anonymisierung durch Ausstellung einer Aliasbescheinigung und strikte Regelungen im Datenschutz zur Weitergabe personenbezogener Daten bzw. deren Löschung vorsieht. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1726 4 6. Welches Alter haben die Prostituierten (bitte aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Altersgruppen von je fünf Jahren)? Die Altersangaben sind von den Kommunen in unterschiedlichen Altersschritten getätigt worden. Einige Kommunen haben für die Altersgruppe 18 bis 21 eine eigene Kategorie gebildet, was aus Gründen der Gesetzesauslegung durchaus sinnvoll erscheint, sodass die Auflistung in die Altersgruppen in dieser Form vorgenommen wurde. Die Angaben der anderen Kommunen wurden einer Altersgruppe zugeordnet (siehe Anlage 1). 7. Welche Staatsbürgerschaften haben die Prostituierten (bitte aufgeschlüsselt nach Nationalität , Geschlecht und Anzahl)? Siehe Anlage 2. 8. Wie oft wurden in Antragsverfahren bisher Dolmetscher benötigt, und welche Kosten sind dadurch entstanden? Für ca. ein Drittel der Antragsverfahren/Beratungsgespräche nach § 7 ProstSchG wurden Dolmetscherinnen und Dolmetscher eingesetzt. Die Kosten hierfür betrugen durchschnittlich 40 Euro pro Einsatz. Die Kosten für 2 426 Beratungsgespräche betragen daher ca. 32 346 Euro. 9. Wie konnte - sofern kein Einsatz von Dolmetschern und Dolmetscherinnen stattgefunden hat - eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Anmeldung und insbesondere Beratung sichergestellt werden? Sofern Dolmetscherinnen und Dolmetscher notwendig waren, ist von der Möglichkeit, Dolmetscherinnen und Dolmetscher hinzuzuziehen, Gebrauch gemacht worden. Sofern einzelne Bausteine des Gesprächs ohne Dolmetscherinnen und Dolmetscher schwierig wurden, waren die vom Bundesministerium für Frauen, Senioren, Frauen und Jugend herausgegebenen Textbausteine hilfreich: www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewaltschuetzen /prostituiertenschutzgesetz/prostituiertenschutzgesetz-textbausteine. Sie liefern Inhalte zu den bundesweit gültigen Themen des Informations- und Beratungsgesprächs, das die Behörde bei der Anmeldung mit der beziehungsweise dem Prostituierten führen muss. Sie stehen in mehreren Sprachen zum Herunterladen bereit und können für die Erstellung eigener Informationsmaterialien verwendet werden. Die Informationen müssen durch regionale Besonderheiten ergänzt werden . Im Übrigen wird bereits bei Terminvergabe abgefragt, ob für die Beratung eine Dolmetscherin bzw. ein Dolmetscher benötigt wird. Sofern sich erst im Rahmen der Anmeldung herausstellt, dass eine Verständigung nicht oder schwer möglich ist, wird das Gespräch abgebrochen und der Termin verschoben . Für diesen neuen Termin wird dann eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher hinzugezogen . 10. Wie hoch waren in Niedersachsen die Steuereinnahmen hinsichtlich Einkommenssteuer und Umsatzsteuer aus der Prostitution in den Jahren 2012 bis 2017 (bitte aufgeschlüsselt angeben)? Die kassenmäßigen Steuereinnahmen hinsichtlich der Einkommen- und Umsatzsteuer werden nach Steuerarten aufgeschlüsselt und statistisch erfasst. Eine weitere Unterteilung nach Branchen erfolgt nicht. Es liegen infolgedessen keine Zahlen zu Steuereinnahmen aus der Einkommen- sowie der Umsatzsteuer der Jahre 2012 bis 2017 vor, die von bordellartigen Einrichtungen und selbstständigen Prostituierten herrühren. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1726 5 11. Wie viele Personen kontrollieren die Einhaltung der Kondompflicht und ordnungsgemäße Beschäftigung in den Betrieben (wenn möglich bitte aufgeschlüsselt nach Landkreisen , kreisfreien Städten und der Region Hannover)? Sofern die Kommunen konkrete Angaben zur Personenzahl gemacht haben, sind sie der anliegenden Tabelle zu entnehmen (siehe Anlage 3). a) Wie viele Stichproben wurden bisher getätigt? Die meisten Kommunen haben bereits Kontrollen in Sexbetrieben durchgeführt. Danach sind mindestens 75 Kontrollen durchgeführt worden. Zum Teil wurde jedoch keine konkrete Anzahl mitgeteilt . b) Wie im Detail wird die ordnungsgemäße Verwendung von Kondomen überprüft? Die Kondompflicht wurde mit dem Prostituiertenschutzgesetz eingeführt. Ein Verstoß ist lediglich für die Freier sanktioniert. Vor diesem Hintergrund können sich Kontrollen hinsichtlich der Einhaltung dieser Pflicht lediglich darauf beschränken, dass ausreichend, z. B. durch entsprechende Schilder, auf die Pflicht hingewiesen wird und Kondome sichtbar ausgelegt sind. In einer Kommune wird durch Internetrecherche regelmäßig überprüft, dass Prostituierte ausdrücklich in ihren Werbeanzeigen auf die Kondompflicht hinweisen. Zusätzlich werden im Rahmen von örtlichen Prüfungen die anwesenden Prostituierten regelmäßig darauf hingewiesen, dass sie die Möglichkeit haben, Freier, die gegen die Kondompflicht verstoßen (wollen), anzuzeigen. Auf die Überprüfung der benutzten Kondome wird weit überwiegend verzichtet. Im Einzelfall wird diese Prüfung jedoch durchgeführt. c) Ist bekannt, ob die Kontrolleure, ähnlich wie in Berlin „um 16 Uhr Feierabend machen“ (vgl.https://www.bild.de/regional/berlin/prostitutionsgesetz/umsetzung-hakt-54670876. bild.html), und, wenn ja, wird dies als sinnvoll erachtet? Die weit überwiegende Anzahl der Kommunen, die diese Frage beantwortet haben, bestätigen explizit , dass Kontrollen auch nach 16 Uhr, auch an Sonnabenden, stattfinden. 12. Welche Projekte oder Initiativen zur Beratung und Begleitung von Prostituierten sind der Landesregierung bekannt, und wie bewertet und unterstützt die Landesregierung deren Arbeit? a) Phoenix e. V. Phoenix ist das Beratungsangebot des unabhängigen Vereins Phoenix e. V. Phoenix ist der Ansprechpartner für Frauen und Männer in der Sexarbeit in Niedersachsen. Die Landesregierung unterstützt die Arbeit von Phoenix e. V. und bewertet diese ausdrücklich positiv . Den Zugang zu weiblichen, männlichen sowie trans* Prostituierten ermöglichen nach wie vor niedrigschwellige, arbeitsplatznahe Angebote mit umfassender Fachlichkeit und aufsuchendem Streetwork. Dies wird darüber hinaus durch die sehr gute Einbindung und seit Jahren bestehende Vernetzung mit den vorhandenen, vom Land geförderten HIV- und STI (Sexuell übertragbare Infektionen )-Strukturen (AIDS- Hilfen und Öffentlicher Gesundheitsdienst) gewährleistet. b) SOLWODI Niedersachsen e. V. Die Angebote von SOLWODI, ganzheitliche psychosoziale Betreuung und Beratung, sichere Unterbringung , Vermittlung juristischer und medizinischer Hilfe sowie Unterstützung bei der Rückkehr in die Heimatländer, wenn Migrantinnen zurückkehren, und das Vorhalten von Schutzwohnungen, haben sich in vielen Jahren bewährt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1726 6 c) Kobra- Koordinierungs- und Beratungsstelle gegen Menschenhandel e. V. Als Koordinierungs- und Beratungsstelle gegen Menschenhandel ist Kobra e. V. in Niedersachsen zuständig für Betroffene von Menschenhandel und Zwangsprostitution, zudem Ansprechpartnerin für Beratungsstellen, Polizei, Institutionen und Behörden, die mit dem Thema Menschenhandel befasst sind. Das freiwillige, vertrauliche Unterstützungsangebot wird von der Landesregierung seit vielen Jahren unterstützt. d) BesD e. V. Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen Im Verband sind Anbieterinnen und Anbieter von Sexdienstleistungen zusammengekommen, um für die Rechte von allen in der Sexarbeit tätigen Menschen zu kämpfen, wie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Als bundesweit aufgestellter Verband wird er nicht von der Landesregierung unterstützt, als Interessenvertretung ist er jedoch anerkannter Gesprächspartner. e) BSD Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen e. V. Der Bundesverband vertritt neben Prostitutionsbetreiberinnen und Prostitutionsbetreibern auch selbstständige Prostituierte und ist als bundesweit agierende Interessenvertretung ein anerkannter Gesprächspartner. Die Landesregierung fördert Phoenix e. V., Kobra e. V. und SOLWODI Niedersachsen e. V. seit vielen Jahren (siehe Tabelle in Euro). Die Förderung soll künftig in der in 2018 gewährten Höhe fortgesetzt werden. Phönix e.V. SOLWODI Niedersachsen e. V. Kobra e.V. 2008 118 605 105 000 238 000 2009 121 144 105 000 238 000 2010 121 144 105 000 238 000 2011 121 144 105 000 238 000 2012 121 144 105 000 238 000 2013 121 144 105 000 238 000 2014 128 752 105 000 238 000 2015 128 752 105 000 238 000 2016 128 752 105 000 238 000 2017 138 017 111 000 244 000 2018 134 217 111 000 244 000 13. Das Prostitutionsschutzgesetz (§ 18) erlaubt es nicht mehr, in angemieteten Arbeitsräumen zu schlafen, was Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter finanziell belastet, da sie nun zusätzliche Zimmer für Übernachtungen anmieten müssen. Es stellen sich daher die Fragen: a) Wie wirkt sich diese zusätzliche Nachfrage auf den jeweiligen Wohnungsmarkt aus? Die Auswirkungen auf den jeweiligen Wohnungsmarkt sind nicht verifizierbar. b) Wie soll die Einhaltung kontrolliert werden (wie soll z. B. überprüft werden, wer sich nur mit Postzustelladressen meldet), und welchen zusätzlichen behördlichen Aufwand bedeutet dies? Die Einhaltung der Trennung zwischen Arbeitsraum und Schlafraum kann bereits im Rahmen der Prüfung des Betriebskonzepts des Prostitutionsbetriebs stattfinden, denn in diesem muss dargelegt werden, wie die Vorschriften des ProstSchG eingehalten werden. Die zuständigen Behörden werden in regelmäßigen Kontrollen auch die Einhaltung dieser Vorschrift überprüfen, z. B. durch Kontrollen in den frühen Morgenstunden. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1726 7 14. Mit welchen jährlichen Personalkosten ist im jeweiligen Bereich zu rechnen, bzw. ist bekannt, welche Personalkosten bereits aufgelaufen sind? Die Evaluierung der den Kommunen entstehenden Kosten für das erste Halbjahr 2018, die nicht durch eine zu erhebende Gebühr gemäß Nr. 70 des Kostentarifs der Allgemeinen Gebührenordnung gedeckt sind, ergab geschätzte Gesamtpersonalkosten für alle Kommunen in Höhe von ca. 600 000 Euro unter Zugrundelegung von geschätzten 2 700 Anmeldungen jährlich. 15. Werden die Aufgaben durch zusätzliches neues Personal erfüllt und erfolgt die Finanzierung aus dem kommunalen Haushalt, oder gibt es hierfür anderweitige Unterstützung (z. B. vom Land)? In ungefähr der Hälfte der Kommunen wird neues Personal für die Durchführung des ProstSchG eingesetzt. Als einmalige Unterstützung für die Etablierung des Anmeldeverfahrens und der gesundheitlichen Beratung gewährt das Land in 2018 einen mit der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens vereinbarten Belastungsausgleich für Kommunen im Rahmen der Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes in Höhe von insgesamt 3 171 000 Euro. Die Verteilung der pauschalen Belastungsausgleiche auf die Landkreise und kreisfreien Städte erfolgt auf der Grundlage der fortgeschriebenen Bevölkerungszahlen des Zensus vom 05.05.2011 zum Stand 31.12.2015. Pro Einwohner einer Kommune werden 0,40 Euro als pauschaler Ausgleichsbetrag vom Land ausgezahlt. Grundlage sind die vom Landesamt für Statistik Niedersachsen , LSN-Online: Tabelle A100001G, ausgewiesenen Bevölkerungszahlen. 16. Einige, wie beispielsweise die rheinland-pfälzische Frauenministerin Anne Spiegel, bezeichneten das Gesetz als „bürokratisches Monster“ (vgl. Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei, August 2018, S. 18). Teilt die Landesregierung diese Auffassung? Die bürokratischen Anforderungen des Gesetzes sind für die das Gesetz ausführende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommunen, für Prostituierte und für Prostitutionsgewerbetreibende recht hoch. Wie bei der Implementierung neuer Gesetze und insbesondere neuer Regelungsbereiche üblich, bestehen deshalb anfangs Schwierigkeiten, die neuen Regelungen in ihrer Tragweite zu erfassen und anzuwenden. Nach wie vor bestehen teilweise noch Unsicherheiten bei der Anwendung einzelner Regelungen des ProstSchG. Dem Schutzgedanken des Gesetzes folgend und deshalb für die Prostitution einen legalen rechtlichen Rahmen zu schaffen, ist der Begriff „Bürokratisches Monster“ allerdings nicht zielführend. Das Land unterstützt die Kommunen bei der Auslegung des Gesetzes durch Handlungsempfehlungen . Auf der Website „www.prostituiertenschutzgesetz-niedersachsen.de“ werden alle Informationen zum ProstSchG gebündelt zur Verfügung gestellt. Daneben wurde ein Info-Flyer zur Verfügung gestellt und ein Info-Postfach eingerichtet, in dem Fachfragen beantwortet werden. In zum Teil kostenlosen Fachveranstaltungen sowohl für den ordnungsrechtlichen Teil als auch für Gesundheitsbereich können sich kommunale Bedienstete austauschen und fortbilden. 17. Wie haben sich die Zahlen des Menschenhandels (§ 232 StGB) zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung in Niedersachsen in den vergangenen fünf Jahren entwickelt? Die nachfolgende Grafik aus dem niedersächsischen Lagebild „Menschenhandel und Ausbeutung in Niedersachsen“ des LKA Niedersachsen gibt einen Überblick über die Anzahl der in den letzten fünf Jahren in Niedersachsen geführten Ermittlungsverfahren zu dem Deliktsbereich Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Für den Zeitraum 2013 bis 2016 liegen der Erhebung die Straftatbestände §§ 232, 233 a des StGB in der alten Fassung zugrunde; für das Erhebungsjahr 2017 gelten die neu gefassten Straftatbestände §§ 232, 232 a und 233 a StGB. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1726 8 47 50 32 33 29 35 40 19 25 19 10 9 13 8 10 2 1 0 0 0 0 10 20 30 40 50 60 2013 2014 2015 2016 2017 Anzahl Ermittlungsverfahren Menschenhandel Verfahren gesamt Verfahren mit ausländischen Opfern Verfahren mit deutschen Opfern Unbekannt a) Sofern es seit Inkrafttreten der neuen Regelungen zu einem Rückgang gekommen sein sollte: Inwieweit ist dieser nach Ansicht der Landesregierung auf die neuen Regelungen zurückzuführen? Seit Oktober 2016 sind die neuen Straftatbestände zum Delikt Menschenhandel in Kraft und finden sich erstmalig als Abbildung zum Berichtsjahr 2017 im Lagebild (siehe Antwort zu Frage 17). Im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl der Ermittlungsverfahren zum Delikt Menschenhandel im Jahr 2017 geringfügig zurückgegangen. Ob dieser Rückgang auf die Einführung der neuen Straftatbestände zurückzuführen ist, kann aktuell noch nicht verlässlich beurteilt werden. Hier gilt es, die Fallzahlentwicklung der nächsten Jahre abzuwarten. b) Hat es in den vergangenen fünf Jahren merkliche Veränderungen bezüglich sozialstruktureller Merkmale bei den Opfern von Delikten nach § 232 StGB gegeben? In den letzten fünf Jahren hat es keine merklichen Veränderungen bezüglich sozialstruktureller Merkmale der Opfer gegeben. Ausweislich des niedersächsischen Lagebilds Menschenhandel und Ausbeutung können zu den Opfern im Wesentlichen folgende Aussagen getroffen werden: Wenngleich die Hintergründe bzw. Motive zur Prostitutionsausübung unterschiedlich gelagert sein können, stehen bei ausländischen Opfern die Lebensumstände in den Herkunftsländern im Vordergrund . Eine hohe Zahl osteuropäischer Prostituierter stammt nach wie vor aus Ländern wie Bulgarien und Rumänien, in denen die Betroffenen selbst keine Zukunftsperspektiven sehen, da sie mangels beruflicher Qualifikation oder aufgrund ethnischer Ausgrenzung nur bedingt anderen Tätigkeiten nachgehen können. Zur Sicherung des Lebensunterhalts oder zur Erarbeitung neuer existenzsichernder Perspektiven wird die Prostitutionsausübung als Alternative wahrgenommen. Zum Teil können auch traditionelle Geschlechterrollen in den Herkunftsländern oder auch Druckausüben durch Angehörige den Entschluss zur Prostitution fördern. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1726 9 Bei den deutschen Opfern ist die Motivlage häufig ein Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren . Betäubungsmittelabhängigkeit spielt eine wesentliche Rolle, ebenso die wirtschaftliche Situation . Deutsche Opfer sind oftmals aufgrund ihrer durch die Täterin bzw. den Täter geschaffenen emotionalen Abhängigkeit basierend auf einer vermeintlichen Liebesbeziehung nicht in der Lage, sich aus dem Ausbeutungsverhältnis zu lösen. c) Hat es in den vergangenen fünf Jahren merkliche Veränderungen bezüglich sozialstruktureller Merkmale bei den Tätern von Delikten nach § 232 StGB gegeben? Ausweislich des niedersächsischen Lagebilds Menschenhandel und Ausbeutung hat es keine merklichen Veränderungen bezüglich sozialstruktureller Merkmale bei den Tätern gegeben. Die überwiegende Anzahl der Tatverdächtigen hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Bei den Täterstaatsangehörigkeiten aus den mittel- und osteuropäischen Staaten liegen die Herkunftsländer Rumänien und Bulgarien deutlich an erster Stelle. Die Tatverdächtigen stammen überwiegend aus dem nahen sozialen Umfeld der Opfer. 18. Sind Anzeigeportale Prostitutionsvermittler? § 2 Abs. 7 ProstSchG definiert die Prostitutionsvermittlung als Vermittlung mindestens einer anderen Person zur Erbringung sexueller Dienstleistungen außerhalb von Prostitutionsstätten der Betreiberin bzw. des Betreibers. Eine Vermittlung liegt vor, wenn die Vermittlerin bzw. der Vermittler auf die Vertragsparteien in irgendeiner Form in Bezug auf den Vertragsabschluss mit dem Ziel einwirkt, einen Vertragsabschluss herbeizuführen. Bezüglich der Bereitstellung einer Internetplattform gilt: Sofern die Betreiberin bzw. der Betreiber einer Internetplattform ein Entgelt, das ganz oder teilweise davon abhängig ist, ob sich die Parteien handelseinig sind, erhält, liegt grundsätzlich eine Vermittlungsleistung vor. Erhält die Betreiberin bzw. der Betreiber ein Entgelt lediglich für die „Zurverfügungstellung“ der Plattform, also sowohl kontakt- als auch vertragsunabhängig, liegt regelmäßig keine Vermittlungsleistung vor (Büttner, Kurzkommentar zum Prostituiertenschutzgesetz 2017, S. 53, RNr. 99ff). 19. Inwieweit sind die Behörden hinsichtlich der Meldevorgänge auf eine kurzfristige Bearbeitung ausgelegt; falls, beispielsweise für Messezeiträume, bislang nicht in Niedersachsen (oder einer anderen niedersächsischen Kommune) tätige Sexdienstleisterinnen und Sexdienstleister in einer (gegebenenfalls anderen) niedersächsischen Kommune arbeiten wollen? Die allermeisten Kommunen bestätigen, dass eine kurzfristige Bearbeitung von Anmeldeanträgen möglich ist. Allerdings muss von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch gemacht werden, da nahezu alle Prostituierten ihre Tätigkeit in allen Bundesländern ausüben wollen und daher die Bescheinigung bundesweit Gültigkeit hat. Eine erneute Anmeldung im neuen Ausübungsort ist somit nicht mehr nötig. 20. Welche Projekte, Vereine oder sonstige Organisationen kümmern sich in Niedersachsen um die Belange von Sexdienstleisterinnen und Sexdienstleistern? Siehe Antwort zu Frage 12. a) Welche Förderungen erhalten sie aktuell, und welche Förderungen sind in Zukunft geplant ? Siehe Antwort zu Frage 12. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1726 10 b) Wie hat sich die Förderung in den letzten zehn Jahren entwickelt? Siehe Antwort zu Frage 12. (Verteilt am 02.10.2018) ff fi ff fi fl ffi ! ! ! " # $ " # % " # & " ' # & " ' # % (! " # (! " # ) ! ffi " # %'* )+, - . / 0. " # 1 ffi+ " # 1 ffi " # - ! " # ' ! " # ! ffi " # % 2+ -+ " # ' 3 ffi " # 3 " # '* " # % + ,$ " # + ! " # ' $ " # ' fl ffi " # 4 fl + " # ' fl " # " ffi+ " ff fi # "+ ,$ - " # 5 ffi ffi " # % 5 " # % 6 ! " # 7 8 " # 7 " # ' 7+ " # ' 7+ " # * / ffi " # / ,9 " ' # 4 / ffi " # ' : $ " # ' : +; - " # ' : +; " # :0 " # - " # *' > " # %* ? " ' # # @ ffi " # > $ - " # fl ff fiffi !" # Kommunen 11. Anzahl Kontrolleure (für die Einhaltung der Kondompflicht und ordnungsgemäße Beschäftigung in Betrieben) Ammerland Aurich Im Zuständigkeitsbereich des Landkreises Aurich wird die Umsetzung des ProstSchG von einem Mitarbeiter durchgeführt. Braunschweig Zwei Sachbearbeiter sowie ggf. weitere Vollzugsbeamte bei größeren Kontrollaktionen. Celle 2 Kontrolleure mit jeweils 0,1 STanteil Cloppenburg Cuxhaven Delmenhorst Diepholz 2 Emden 3 Emsland 1 Friesland Gifhorn 0,5 VZÄ Goslar Göttingen (LK) 0,5 Vollzeitstellen Göttingen (Stadt) 0,05 Stellenanteil Grafschaft Bentheim mindestens 2 Mitarbeiter Hameln-Pyrmont 1 Hannover (Region) 1 Person Hannover (Stadt) 4,5 Stellen Harburg 2 Heidekreis 0,5 VZE Helmstedt Hildesheim Holzminden Leer Lüchow-Dannenberg Lüneburg 2 Nienburg (Weser) 1 Northeim Oldenburg (LK) 1 Oldenburg (Stadt) 1 Osnabrück (LK) 2 Osnabrück (Stadt) Osterholz Peine 2 Rotenburg (Wümme) Salzgitter 2 Schaumburg Stade 1 Uelzen 0,5 VZE Vechta Eine Person ist mit durchschnittlich 13,5 Wochenstunden Verden 3 fl ff fiffi !" # Wesermarsch^ Wilhelmshaven 3 Wittmund Wolfenbüttel Wolfsburg 18-01726 Drucksache 18/1726 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz, Björn Försterling, Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Prostitution in Niedersachsen 18-01726_Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3