Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/173 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Kunststoff und Mikroplastik auf dem Fußballplatz Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU), eingegangen am 19.12.2017 - Drs. 18/99 an die Staatskanzlei übersandt am 21.12.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 16.01.2018, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung des Abgeordneten Über die Tagespresse, wissenschaftliche Magazine und Filmberichte ist bekannt, dass die Belastung unserer Gewässer und der Meere mit Kunststoff und mikroplastischen Partikeln stark zugenommen hat. In einer Pressemitteilung des Umweltbundesamtes (https://www.umweltbundesamt. de/presse/pressemitteilungen/mikroplastik-im-meer-wie-viel-woher) vom 29. September 2015 heißt es: „Mikroplastik, das in Peelings oder Duschgels eingesetzt wird, leistet einen mengenmäßig vergleichsweise geringen, gleichwohl unnötigen Beitrag zur Umweltverschmutzung. Das ergab eine Studie für das Umweltbundesamt (UBA) (…). Die mengenmäßig bedeutsamste Quelle für Mikroplastik im Meer ist aber die Zersetzung größerer Plastikteile. Wenn großer Plastikmüll - von der Plastiktüte bis zum Fischernetz - über Flüsse oder direkt ins Meer gelangt, werden die großen Teile durch Wind, Wetter und Gezeiten zu sogenanntem sekundärem Mikroplastik zermahlen und zerkleinert .“ Weiter ist in der Pressemitteilung zu lesen: „Die Studie rät daher, sich nicht nur auf das primäre Mikroplastik zu konzentrieren, sondern den Eintrag von Kunststoffen in die Umwelt generell viel drastischer zu reduzieren. Nur so kann wirksam der Entstehung von sekundärem Mikroplastik in Meeren oder Binnengewässern vorgebeugt werden.“ In den letzten Jahren wird Kunstrasen in Deutschland vermehrt für Fußballplätze im Amateurbereich und zunehmend auch im Profibereich genutzt. Laut dem LandesSportBund Niedersachsen e. V. setzen die Sportvereine auch in Niedersachsen verstärkt auf Kunstrasen (https://www.lsbniedersachsen .de/index.php?id=se_fachinformationen). Der Kunstrasen selbst besteht aus Kunststofffasern und wird bei der Verlegung ergänzend mit einem Kunststoffgranulat verfüllt, das einen Einfluss auf die sportfunktionellen Eigenschaften (Dämpfung, Ballsprung- und Ballrollverhalten) hat und das das Verletzungsrisikos minimieren soll. Neben diesen sportfunktionellen Eigenschaften spielen bei der Planung der Kunstrasenanlagen die UV- und Wetterbeständigkeit sowie der Flammschutz eine Rolle. (https://www.stadionwelt-business.de/index.php?head=Einstreugranulatein -Ueberblick&rubrik=ausstattung&site=news_view&news_id=12194&kat=rasen&ukat=kunst rasen). Je nach Witterung (Wind und Regen) ist es denkbar, dass das Kunststoffgranulat sowie mikroplastische Partikel über den Abrieb, durch das Verschleppen sowie durch das Herauswaschen über Entwässerungssysteme oder offene Oberflächenentwässerung in die Umwelt gelangen. Vorbemerkung der Landesregierung Künstlicher Rasen wird z. B. auf Fußball-, Sport-, Tennis-, Golf-, Spiel-, Fitness- und Reitplätzen eingesetzt. Wie bereits in der Anfrage aufgeführt, setzt sich Kunstrasen auf Sportplätzen im Wesentlichen aus Kunststofffasern und einer Verfüllung aus Kunststoffgranulat zusammen. Das Trä- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/173 2 germaterial der Fasern ist oftmals ein Gemisch aus verschiedenen Kunststoffen. Für die Verfüllung mit Kunststoffgranulat werden je nach zukünftiger Funktion verschiedene Materialien eingesetzt, oftmals Gummi aus recycelten Reifen. Durch die Nutzung des Kunstrasens wird zum einen Kunststoffgranulat freigesetzt, zum anderen auch Kunststofffasern der künstlichen Gräser. Die geschätzte Lebensdauer eines Kunstrasens beträgt um die 15 Jahre, in der Praxis eher acht bis zehn Jahre. Basierend auf Studien aus Schweden und Dänemark hat das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT (Fraunhofer Umsicht) in einer Konsortialstudie u. a. den theoretischen Eintrag von Mikroplastik aus künstlichen Sportplätzen bilanziert. Nach seinen Berechnungen liegt der durchschnittliche Eintrag in die Umwelt von Mikroplastik durch künstliche Sportplätze durchschnittlich bei 249 g/Kopf/Jahr, wobei hier sowohl Granulat als auch Fasern berücksichtigt wurden. Damit liegt der Eintrag von Mikroplastik aus künstlichen Sportplätzen an dritter Stelle nach Reifenabrieb (1 031 g/Kopf/Jahr) und Transport- & Produktionsverlusten (450 g/Kopf/Jahr) (Bericht der Konsortialstudie, Fraunhofer Umsicht , in Press.). 1. Ist der Landesregierung bekannt, dass durch Kunstrasen Mikroplastik ins Oberflächengewässer gelangen kann, und was tut sie dagegen? Die Einschätzung von Fraunhofer Umsicht zu den theoretischen Einträgen (s. Vorbemerkungen) wurde u. a. im Rahmen des Runden Tisches Meeresmüll, den das MU Niedersachsen zusammen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und dem UBA eingerichtet hat, vorgestellt. Es bestehen aber Wissenslücken, welche Anteile von Mikroplastik in die Kanalisation und Oberflächengewässer gelangen und welche Anteile von Kläranlagen aus den Abwässern herausgefiltert werden. Unter der Koordination von Fraunhofer Umsicht werden derzeit in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten FONA-Verbundprojekt „PlastikBudget“ eine Vertiefung des in der Konsortialstudie begonnenen Budgetansatzes für Plastik in der Umwelt sowie eine Wirkungsabschätzung erarbeitet (https://www.fona.de/mediathek/pdf/ 2017_Plastik-in-der-Umwelt_Verbundprojekte_Umweltforum.pdf). Auch der Eintrag von Mikroplastik von künstlichen Sportplätzen wird hierbei berücksichtigt. Ziel des Vorhabens ist es, den Eintrag aus Mikroplastik-Quellen zu quantifizieren und unter Berücksichtigung der Wirkungen eine Ökobilanz zu erarbeiten, um somit letztendlich eine Grundlage für zukünftige politische Entscheidungsprozesse zu schaffen. Die Landesregierung begrüßt, dass durch das Projekt „PlastikBudget“ Grundlagenkenntnisse erarbeitet werden. Es wird nach Vorliegen der Ergebnisse zu prüfen sein, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind. 2. Gibt es Vorschriften für Kunstrasenanlagen, die die Filterung des Kunststoffgranulates sowie mikroplastischer Partikel über z. B. geeignete Entwässerungssysteme berücksichtigen ? Der Landesregierung sind keine solchen Vorschriften für Kunstrasenanlagen bekannt. Der Landesregierung sind derzeit auch keine spezifischen Maßnahmen zur Reduzierung des Eintrags in die Umwelt von Mikroplastik aus Kunstsportplätzen bekannt, die über die vorhandenen Rückhaltesysteme in Kläranlagen hinausgehen. 3. Wie steht die Landesregierung zu diesem Thema? Die Landesregierung ist der Auffassung, dass Mikroplastik in der Umwelt eines der wichtigen Themen in der Umweltpolitik ist. Ebenso sind Mikroabfälle explizit in der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie aufgelistet. Hier sind insbesondere die Zusammensetzung, die Menge und die räumliche Verteilung von Mikroabfällen an der Küste, in der Oberflächenschicht der Wassersäule und auf dem Meeresboden zu betrachten, ebenso wie die Aufnahme von Abfällen und Mikroabfällen durch Vögel , Säugetiere, Reptilien, Fische oder wirbellose Tiere. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/173 3 Mikroplastik stellt aufgrund der Partikelgrößen und chemischen Eigenschaften eine besondere Herausforderung dar. Aufgrund der geringen Abmessungen sind Mikropartikel aus Kunststoff bioverfügbar für Organismen an der Basis des Nahrungsnetzes, wie z. B. Plankton oder Fischlarven , aber auch größeren Organismen wie z. B. Fische. Mikropartikel können dabei mechanische Verletzungen des Verdauungstrakts verursachen, die Verdauung behindern sowie die Nahrungsaufnahme blockieren und infolge eines ständigen Sättigungsgefühls zum Verhungern führen. Weiterhin stellt Plastik eine mögliche Quelle für den Eintrag von Additiven dar, die dem Rohmaterial oft in größeren Mengen zur Modifizierung der Produkteigenschaften beigemengt werden. Zudem ist eine Anreicherung von im Wasser befindlichen chemischen Schadstoffen an der Oberfläche der Partikel durch Adsorption möglich. Die Frage, inwieweit die Ingestion von Plastikpartikeln durch Organismen auf diese Weise zu einer erhöhten Bioakkumulation der genannten Substanzen beiträgt, wird zurzeit noch kontrovers diskutiert. Die Eintragsquellen von Mikroplastik sind vielfältig, und eine wissenschaftliche Erfassung des Vorkommens in der Umwelt, bzw. den Gewässern steht erst am Anfang. Zu den Einträgen aus Kunstrasen sind zunächst die Grundlagen aus dem Projekt „PlastikBudget“ abzuwarten (s. Antwort zu Frage 1). 4. Sieht die Landesregierung Handlungsbedarf in dieser Thematik, und wie sieht dieser aus? Die Bundesregierung hat zum 31. März 2016 das gemäß § 45 h des Wasserhaushaltsgesetzes zu erstellende Maßnahmenprogramm an die Europäische Kommission übermittelt. Das Maßnahmenprogramm wurde in Zusammenarbeit von Bund und Ländern erarbeitet. Die Zusammenarbeit erfolgt im Rahmen des Bund/Länder-Ausschusses Nord- und Ostsee (BLANO), wobei Niedersachsen zurzeit den Vorsitz im Koordinierungsrat hat. Eine der in Anlage 1 zum Maßnahmenprogramm enthaltenen Maßnahmen (UZ5-09) sieht die „Reduzierung der Emission und des Eintrags von Mikroplastikpartikeln“ vor. Diese Maßnahme adressiert die Notwendigkeit der Entwicklung und des Einsatzes kosteneffizienter Rückhaltesysteme von Mikroplastikpartikeln zur Vermeidung der Freisetzung in die aquatische Umwelt. Bei der Verringerung der Kunststoffeinträge in die Gewässer wird neben einer Verbesserung der Rückhaltung im Mischwasserüberlauf und Kläranlagen sowie einer Minimierung durch unsachgemäßen Umgang auch die Prüfung und bei Bedarf Entwicklung von Lösungen für weitere Eintragswege von Mikroplastikpartikeln genannt. Problematisch ist, dass mit den derzeitigen Aufbereitungstechniken die vollständige Entfernung von Mikroplastik aus Abwässern durch Kläranlagen nicht möglich ist. Umso wichtiger ist es daher zu prüfen, wie das Verursacherprinzip möglichst konsequent umzusetzen ist und Einträge bereits an der Quelle zu vermeiden bzw. zu reduzieren sind. Momentan werden in nationalen und internationalen Projekten in enger Rückkopplung mit relevanten Beteiligten Maßnahmenvorschläge für Mikroplastikquellen mit Relevanz für die Meeresumwelt erarbeitet. In diesen Prozess sind Teilnehmer des Runden Tisches Meeresmüll eng eingebunden. Wenn die Ergebnisse vorliegen, sollen konkrete Handlungsoptionen geprüft, weiter ausgearbeitet und empfohlen werden. Diese Vorgehensweise wird von der Landesregierung auch für Kunststofffasern und Kunststoffgranulat aus Sportplätzen unterstützt. Hierbei ist die Bedeutung der in den Vorbemerkungen genannten Konsortialstudie, des Verbundprojekts „PlastikBudget“ und gegebenenfalls weiterer Studien zu unterstreichen, um entsprechende Handlungserfordernisse und -optionen zu identifizieren. Zusätzlich könnten in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Grundlagenstudien konkrete Messungen zu Quellen und Eintragsmengen von Mikroplastik aus künstlichen Sportplätzen sinnvoll werden , um so eine Validierung der theoretischen Hochrechnungen vorzunehmen. Durch eine Kombination der theoretischen Ansätze verbunden mit Messungen im Feld würde eine gute Grundlage für die Identifizierung der Notwendigkeit von Maßnahmen geschaffen werden. (Verteilt am 17.01.2018) Drucksache 18/173 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Kunststoff und Mikroplastik auf dem Fußballplatz