Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1759 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Harm Rykena (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur namens der Landesregierung Genderforschung an niedersächsischen Hochschulen Anfrage des Abgeordneten Harm Rykena (AfD), eingegangen am 06.09.2018 - Drs. 18/1587 an die Staatskanzlei übersandt am 11.09.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur namens der Landesregierung vom 05.10.2018 Vorbemerkung des Abgeordneten Im Jahr 1994 wurde Artikel 3 Abs. 2 GG geändert. Der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt “ wurde um „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ ergänzt. Durch den Vertrag von Amsterdam wurde im Jahr 1999 die staatliche Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau für die Mitgliedsländer der Europäischen Union in Artikel 2 und 3 vereinbart.1 In Artikel 3 Abs. 2 Satz 3 der Niedersächsischen Verfassung ist festgeschrieben, dass „die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ eine „ständige Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Landkreise“ ist. Auf dieser Grundlage hat die Landesregierung am 30. März 2004 einen Gleichstellungsparagraphen in die „Gemeinsame Geschäftsordnung der Landesregierung“ (§ 2 GGO) aufgenommen. Dieser lautet wie folgt: „Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist durchgängiges Leitprinzip. Es ist bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen zu beachten (Gender-Mainstreaming).“ Im Leitfaden für Kabinettsvorlagen „Gendermainstreaming in Niedersachsen“ wird erklärt, dass Gender im wörtlichen Sinne „Geschlecht als soziale Kategorie (in Abgrenzung zur ausschließlich biologischen Kategorie), also die kulturell und gesellschaftlich geprägten Unterschiede zwischen Frauen und Männer“ bedeutet. Mainstreaming bedeute Hauptströmung und meine, „dass ein bestimmtes Thema kein Seitenstrang in den politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen , sondern Teil des Hauptstromes ist.“ Ziel des Gendermainstreams sei es, „Entscheidungsprozesse für die Gleichstellung von Mann und Frau nutzbar zu machen.“ Im norwegischen Fernsehen wurde 2010 die Sendereihe „Hiernevask“ (Gehirnwäsche) ausgestrahlt , die vom Soziologen und Satiriker Harald Eia produziert wurde. Darin setzt er sich mit der Gendertheorie und dem sogenannten Gleichstellungsparadoxon auseinander, indem er geführte Gespräche mit norwegischen Genderforschern mit denen von international anerkannten Genetikern , Verhaltenspsychologen, Anthropologen oder Kinderärzten gegenüberstellt.2 Das norwegische Genderparadox liegt darin, dass, obwohl das Land mit sehr hohen Werten bei der Gleichstellungspolitik beurteilt wird, sich dies nicht bei der Berufswahl von Männern und Frauen niederschlägt. Im Gegenteil: Ein Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass sich die Geschlechterunterschiede bei der Berufswahl noch verstärken, je mehr Wahlfreiheit Männer und Frauen bei die- 1 Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (Hrsg.): „Gender Mainstreaming in Niedersachsen“, 2005, S. 7. 2 http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/harald-eia-gegen-den-gender-mainstream-das-wurde-haesslicherals -ich-gedacht-habe-11899907.html (Zugang am 25.05.2018 um 8:14 Uhr) Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1759 2 ser haben. Zusammengefasst bedeutet dies, dass, je freier Frauen und Männer ihren Beruf wählen können, sie desto eher einen für ihr Geschlecht typischen Beruf auswählen. Diese Erfahrungswerte stehen im Gegensatz zur Theorie des sozialen Geschlechts (Gender), wonach Geschlechterunterschiede durch die jeweilige Kultur konstruiert werden und keinerlei biologische Grundlagen haben. Auf diesem Standpunkt scheint auch die niedersächsische Genderforschung zu stehen. wie der Hinweis zu den Publikationen beim Maria-Goeppart-Mayer-Programm schließen lässt (Teilband 1 Naturbilder und Lebensgrundlagen - Konstruktionen von Geschlecht).3 In der Pressemitteilung „Niedersachsen stärkt Genderforschung“ vom 6 März 2018 des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur ist zu lesen, dass 1,2 Millionen Euro für drei sogenannte Genderprofessuren bereitgestellt wurden. Vorbemerkung der Landesregierung Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) tragen die Hochschulen zur Förderung der Frauen- und Geschlechterforschung bei. Hierzu stellt das Land Niedersachsen aus dem Landeshaushalt oder aus dem Niedersächsischen Vorab Mittel für projektbezogene Forschung zur Verfügung, wie z. B. im Rahmen des Maria-Goeppert-Mayer-Programms oder des Programms „Geschlecht-Macht-Wissen“. Damit werden die niedersächsischen Hochschulen zugleich für den europäischen und nationalen Wettbewerb gestärkt: So ist im Forschungsrahmenprogramm Horizont 2020 „Gleichstellung der Geschlechter und Berücksichtigung der Genderdimension in der Forschung“ als eine der sechs Prioritäten verankert. Die Bundesregierung hat in ihrer Strategie zum europäischen Forschungsraum hervorgehoben, dass die Genderdimension in der grundlagen- und anwendungsorientierten Fachforschung bislang zu wenig Berücksichtigung gefunden habe. Sie hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, zukünftig eine breitere Verankerung der Genderdimension in den nationalen Forschungs- und Innovationsprogrammen zu erreichen. Im Juli 2018 hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft - unter Hinweis auf ähnliche Regelungen von Forschungsförderorganisationen in USA, Kanada, Norwegen, Irland, Österreich sowie der WHO - beschlossen, dass die Antragstellenden künftig im Rahmen der Ausführungen zu Zielen und Arbeitsprogramm eines Forschungsvorhabens auch auf die Relevanz von Geschlecht und Vielfältigkeit eingehen sollen. Zur Entwicklung der Geschlechterforschung insbesondere in Niedersachsen wird auf die Ausführungen der Wissenschaftlichen Kommission in ihrem Evaluationsbericht „Geschlechterforschung in Niedersachsen“ verwiesen.4 1. Bezieht sich die Landesregierung bei der Definition des Gender-Mainstreaming auf die beiden biologischen Geschlechter („Mann“ und „Frau“) oder bezieht sie sich auf die in der Einleitung erwähnten sozial konstruierten Geschlechter? Wenn sie sich auf Letztere bezieht, bitte alle der Landesregierung bisher bekannten sozialen Geschlechter aufzählen . Es wird auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung des Abg. Bothe in der Drs. 18/1113 verwiesen. 3 https://www.mwk.niedersachsen.de/zablage_alte_knotenpunkte/themen/hochschulrecht_niedersachsen/ gleichstellung/mariagoeppertmayerprogramm/maria-goeppert-mayer-programm-19046.html (Zugang am 25.05.2018 um 8:32 Uhr) 4 http://www.wk.niedersachsen.de/publikationen/evaluationsberichte/themenbezogene_verfahren/evalua tionsberichte-137331.html Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1759 3 2. Welchen Zusammenhang sieht die Landesregierung zwischen der biologischen und der kulturellen Ausprägung der Geschlechtlichkeit bei Menschen? Ist nach Verständnis der Landesregierung die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen kulturell konstruiert, biologisch bedingt oder gar beides? Wenn Letzteres gegeben ist, bitte ausführen, inwiefern die Landesregierung die Geschlechtlichkeit des Menschen biologisch gegeben und kulturell konstruiert sieht. Es ist nicht Aufgabe der Landesregierung, Forschungsfragen zu beantworten. 3. Wie wirkt sich der oben genannte Leitfaden für die Kabinettsvorlagen auf die Forschungsvergabe aus (bitte dies am Beispiel der Vergabe der jüngsten Genderprofessuren darstellen)? Der Leitfaden bezieht sich auf Kabinettsvorlagen der Landesregierung. Die Vergabe von Mitteln der Forschungsförderung erfolgt in qualitätsgesicherten Verfahren, wie sie u. a. die Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen organisiert. Auf der Grundlage einschlägiger wissenschaftlicher Gutachten werden Empfehlungen gegeben, dementsprechend entscheidet das Ministerium für Wissenschaft und Kultur über die Vergabe von Fördermitteln. 4. An welchen Universitäten und Hochschulen des Landes existieren Lehrstühle mit dem Lehr- und/oder Forschungsschwerpunkt „Gender“ (bitte aufschlüsseln nach Anzahl, Geschlecht des Lehrstuhlinhabers, Besoldungsgruppe, zugeordneter Fakultät und zeitlicher Einrichtung des Lehrstuhls nach Jahr)? Die Hochschulen haben hierzu folgende Professuren genannt: Hochschule Anzahl m/w Fakultät Einrichtung der Professur Uni Hannover 1 w Architektur und Landschaft 2015 Uni Lüneburg 2 w Bildung 2005/2013 Uni Oldenburg 1 w Sprach- und Kulturwissenschaften 2008 Uni Vechta 3 w Bildungs- und Gesellschaftswissenschaften 2016/2016/2017 HS Braunschweig/ Wolfenbüttel 1 w Soziale Arbeit 1996 HS Osnabrück 1 w Ingenieurwissenschaften und Informatik 2005 Aus datenschutzrechtlichen Gründen erfolgen keine Angaben zu den Besoldungsgruppen. 5. An welchen Universitäten und Hochschulen des Landes existieren Lehrstühle, die sich zum Teil mit dem Thema „Gender“ in Forschung und/oder Lehre befassen (bitte aufschlüsseln nach Anzahl, Geschlecht des Lehrstuhlinhabers, Besoldungsgruppe, zugeordneter Fakultät und zeitlicher Einrichtung des Lehrstuhls nach Jahr)? Die Hochschulen haben hierzu folgende Professuren genannt: Hochschule Anzahl m/w Fakultät Einrichtung der Professur TU Braunschweig 1 w Maschinenbau 2012 Uni Hannover 1 w Architektur und Landschaft 1996 Uni Hildesheim 1 w Erziehungs- und Sozialwissenschaften 2018 Uni Vechta 5 2m/ 3w Bildungs- Sozialwissenschaften; Natur- und Sozialwissenschaften 1997: 1 2007: 2 2009: 1 2015: 1 HS Braunschweig/ 1 w Verkehr-Sport-Tourismus-Medien 2017 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1759 4 Hochschule Anzahl m/w Fakultät Einrichtung der Professur Wolfenbüttel 1 w Soziale Arbeit 2014 HS Hannover 1 w Maschinenbau und Bioverfahrenstechnik 2013 Aus datenschutzrechtlichen Gründen erfolgen keine Angaben zu den Besoldungsgruppen. 6. An welchen Universitäten und Hochschulen des Landes sind wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt, die sich ausschließlich oder in anderen Fachgebieten zum Teil mit dem Thema „Gender“ befassen (bitte aufschlüsseln nach Anzahl, Geschlecht, Besoldungsgruppe , zugeordneter Fakultät und Einrichtung der Stelle nach Jahr)? Die Landesregierung und die Hochschulen stellen sicher, dass die Mitglieder der Hochschulen die durch Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes garantierten Grundrechte auf Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit wahrnehmen können. Dies bedeutet, dass über die inhaltlichen Schwerpunkte von Forschung und Lehre die Hochschulen im Rahmen ihrer Autonomie selbstständig entscheiden. Die Kategorie „Gender“ ist im Kontext der vielfach interdisziplinären, intersektionalen Ansätze Teil komplexer Forschungsdesigns und lässt sich nicht isoliert betrachten und quantifizieren. Daher können auch keine Aussagen zu der Anzahl der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemacht werden, die sich ausschließlich oder in anderen Fachgebieten zum Teil mit dem Thema „Gender“ befassen. 7. Welche Forschungsprojekte mit „Gender-Bezug“ wurden im Zeitraum von Beginn der vergangenen Legislaturperiode bis zum heutigen Zeitpunkt vom Land gefördert (aufgeschlüsselt nach Datum, Höhe der Förderung, Verwendungszweck und Haushaltstitel)? Hierzu wird auf die Anlage 1 verwiesen. 8. Welche Forschungsprojekte mit „Gender-Bezug“ konnten im Zeitraum von Beginn der vergangenen Legislaturperiode bis zum Einreichungszeitpunkt dieser Anfrage Drittmittel generieren (aufgeschlüsselt nach Datum, Höhe der Förderung, Verwendungszweck und Drittmittelgeber)? Die Hochschulen weisen darauf hin, dass Genderaspekte integraler Bestandteil einer Vielzahl von Projekten sind, ohne dass dies aus dem Titel des Projektes ablesbar wäre. In der als Anlage 2 beigefügten Übersicht sind die von den Hochschulen angegebenen Projekte mit ausdrücklichem Genderbezug aufgeführt. (Verteilt am 09.10.2018) 18-01759 Drucksache 18/1759 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Harm Rykena (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur Genderforschung an niedersächsischen Hochschulen Anlagen 1 und 2