Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1772 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Anja Piel, Christian Meyer und Helge Limburg (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Nimmt der niedersächsische Verfassungsschutz jetzt den Bundesverband der „Jungen Alternative“ in den Blickpunkt? Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Anja Piel, Christian Meyer und Helge Limburg (GRÜNE), eingegangen am 07.09.2018 - Drs. 18/1589 an die Staatskanzlei übersandt am 11.09.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 08.10.2018 Vorbemerkung des Abgeordneten Das niedersächsische Innenministerium hat verkündet, dass die Jugendorganisation der AfD, die „Junge Alternative Niedersachsen“, künftig vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Als Reaktion auf die Bekanntgabe der Überwachung der „Jungen Alternative“ (JA) Niedersachsen erklärte der Bundesvorsitzende der JA, Damian Lohr, dass sich der Landesverband Niedersachsen auflösen könnte. Dies solle „zum Schutz der Gesamtorganisation“ geschehen (https://www.ndr.de/nach richten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Wird-der-AfD-Nachwuchs-in-Niedersachsen-auf geloest,afd1750.html). Lohr gab bekannt, dass es dazu einen außerordentlichen Bundeskongress geben werde, auf dem die Auflösung beschlossen werden solle. Durch eine Auflösung des Landesverbands würden die Mitglieder automatisch Teil des Bundesverbands werden. Auch das Bremer Innenministerium hat bekanntgegeben, den Landesverband zu beobachten. Es prüfe derzeit zudem eine Beobachtung der AfD in Bremen aufgrund der personellen Überschneidungen zwischen JA und AfD (https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-bremerverfassungsschutz -soll-afd-ueberpruefen-aufloesung-der-javerbaende-gefordert-_arid,1764577. html). Mitglieder der Jungen Alternative für Deutschland, aber auch der AfD, wurden wiederholt bei gemeinsamen Aktionen mit der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung gesehen . Im Internet sind so u. a. Fotos zu finden, auf denen ein Mitglied der „Alternativen Jugend“ auf der Demonstration der Identitären Bewegung am 17.06.2017 in Berlin ein Schild hoch hielt mit der Aufschrift „Wir distanzieren uns - JA ♥ IB“ (https://www.flickr.com/photos/mr_bildarchive/ 34524660994/in/album-72157685176503205). Bei dem Onlinedienst Youtube finden sich diverse Videos, auf denen die JA und die IB gemeinsam auftreten. So auch ein Video aus dem Jahr 2016 von einer Demonstration der Identitären Bewegung Wien, in dem als O-Ton-Geber Lars Steinke, ehemaliger Landesvorsitzender der Jungen Alternative Niedersachsen, im Mittelpunkt steht. Vorbemerkung der Landesregierung Die Junge Alternative (JA) Niedersachsen wurde mit Wirkung vom 03.09.2018 zum Beobachtungsobjekt des Niedersächsischen Verfassungsschutzes bestimmt. Die bisherigen Erkenntnisse, die der Einschätzung der extremistischen Inhalte und dem Beobachtungsantrag zugrunde liegen, beruhen auf der Auswertung von öffentlich zugänglichen Quellen. Bei der JA Niedersachsen handelt es sich um einen eigenständigen, dem Bundesverband der Jungen Alternative für Deutschland untergeordneten Verein, der den Bestimmungen der Satzung des Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1772 2 Bundesverbandes unterworfen ist (vgl. „Landessatzung für die JA Niedersachsen“ vom 29.04.2018, § 2 Abs. 1-2). Zugleich versteht sich die JA Niedersachsen als die Jugendorganisation der Partei Alternative für Deutschland (AfD) in Niedersachsen mit dem Ziel, „die AfD und ihre politische Zielsetzung zu unterstützen“ (vgl. ebd., § 3 Abs. 1-2). Dabei hat sie „das Recht, Anträge an die Organe der AfD Niedersachsen und ihre Gliederungen zu stellen“ (vgl. ebd., § 3 Abs. 3). Es besteht jedoch kein Weisungsrecht der AfD Niedersachsen gegenüber der JA Niedersachsen und ihren Untergliederungen (vgl. ebd., 3 § Abs. 4). Strukturell gliedert sich die JA Niedersachsen in vier Bezirksverbände (Braunschweig, Hannover, Lüneburg, Weser-Ems). 1. Geht die Landesregierung nach aktuellen Kenntnissen davon aus, dass sich die Aktiven der JA Niedersachsen nach einer Auflösung des Landesverbandes in die Bundesverbandsstrukturen der JA einbringen werden? Als Reaktion auf die am 03.09.2018 angekündigte Beobachtung der JA-Landesverbände in Bremen und Niedersachsen durch die zuständigen Verfassungsschutzbehörden veröffentlichte der JA-Bundesvorstand auf seiner Internetseite eine Pressemitteilung mit der Erklärung des Bundesvorsitzenden Damian Lohr, in der dieser die Auflösung der beiden Landesverbände zum „Schutz der Gesamtorganisation “ ankündigte bzw. in Aussicht stellte. Einen entsprechenden Antrag wolle Lohr auf einem kurzfristig einzuberufenden außerordentlichen Bundeskongress der JA einbringen und die Abstimmung darüber mit seiner „persönlichen Zukunft innerhalb der Jungen Alternative“ verbinden. Zugleich halte er die Entscheidung zur Beobachtung der beiden Landesverbände für „nicht nachvollziehbar “. Weder einzelne Landesverbände der JA noch die Junge Alternative als Ganzes seien verfassungsfeindliche Organisationen, wie Lohr betont. Dennoch fordert er die Auflösung der betroffenen Landesverbände in Bremen und Niedersachsen. Außerdem sei der niedersächsische Landesvorsitzende Lars Steinke, gegen den auch ein Ausschlussverfahren laufe, bereits vor Wochen seines Amtes enthoben worden. Entgegen dieser Darstellung wird Steinke aber sowohl auf der Internetseite der JA Niedersachen als auch auf der Internetseite der Bundesorganisation nach wie vor als Landesvorsitzender geführt (Stand: 24.09.2018). Vor diesem Hintergrund sind die Aussagen und das Handeln der JA widersprüchlich. Ob die Landesverbände in Bremen und Niedersachsen daher tatsächlich aufgelöst werden, bleibt abzuwarten, weshalb derzeit auch keine Aussage getroffen werden kann, wie sich aktive Mitglieder nach einer möglichen Auflösung des Landesverbands verhalten könnten. 2. Wenn ja, wird der niedersächsische Verfassungsschutz ab diesem Zeitpunkt den Bundesverband der JA als Beobachtungsobjekt aufnehmen? Die Aufgaben und Befugnisse des Niedersächsischen Verfassungsschutzes sind im Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz (NVerfSchG) geregelt. Der Verfassungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland ist föderal strukturiert. Die Einstufung einer Organisation oder eines Personenzusammenschlusses zum Beobachtungsobjekt des niedersächsischen Verfassungsschutzes ist auf das Land Niedersachsen beschränkt. Auf Bundesebene nimmt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Verfassungsschutzaufgabe wahr. Eine Bewertung des Bundesverbandes Junge Alternative in Deutschland obliegt daher dem BfV. 3. Liegen der Landesregierung bereits Kenntnisse darüber vor, ob und zu welchen politischen Gruppierungen es personelle Überschneidungen gibt? Nach Erkenntnissen des niedersächsischen Verfassungsschutzes bestehen in Niedersachsen personelle Überschneidungen zwischen der Jungen Alternative und der Identitären Bewegung. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1772 3 4. Inwiefern gibt es personelle Überschneidungen der Mitglieder der JA und der AfD Niedersachsen ? Auf einer im Juni 2017 im Internet veröffentlichten Mitgliederliste der JA Niedersachsen stehen u. a. die Namen des Beisitzers im Landesvorstand der JA Niedersachsen, Frank Rinck, der zugleich im Landesvorstand der AfD Niedersachsen ist, sowie des Landtagsabgeordneten Stephan Bothe und des Referenten für Bundes- und Europaangelegenheiten der AfD-Landtagsfraktion, Christopher Jahn, der auch Beisitzer im JA-Bundesvorstand ist (Stand: 24.09.2018). 5. Welche personellen Schnittmengen bestehen in Niedersachsen zwischen der Identitären Bewegung, der Partei Alternative für Deutschland (AfD) und der JA? Im aktuellen vierköpfigen Landesvorstand der JA Niedersachsen (Stand: 24.09.2018) haben der Landesvorsitzende Lars Steinke und der Beisitzer Patrick Jäcker einen nachweislichen Bezug zur Identitären Bewegung (IB) Niedersachsen bzw. werden vom niedersächsischen Verfassungsschutz als Mitglieder oder Anhänger der IB Niedersachsen eingestuft. Zudem ergab der Abgleich von bekannten Aktivisten der IB Niedersachsen mit der im Juni 2017 im Internet veröffentlichten Mitgliederliste der JA Niedersachsen mehrere Übereinstimmungen. Darüber hinaus bestehen aktuelle Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung über weitere Mitglieder der JA Niedersachsen. 6. Welche finanziellen Schnittmengen bestehen in Niedersachsen zwischen der Identitären Bewegung und der Partei Alternative für Deutschland (AfD) sowie ihrer Jungenorganisation Junge Alternative für Deutschland? Der Landesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. 7. Sind der Landesregierung Demonstrationen/Aktionen/Veranstaltungen der Identitären Bewegung Niedersachsen bekannt, an denen auch Mitglieder der AfD oder der JA teilgenommen haben? Nein, der Landesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. (Verteilt am 10.10.2018) Drucksache 18/1772 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Anja Piel, Christian Meyer und Helge Limburg (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Nimmt der niedersächsische Verfassungsschutz jetzt den Bundesverband der „Jungen Alternative“ in den Blickpunkt?