Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1796 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Detlev Schulz-Hendel und Miriam Staudte (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums namens der Landesregierung Kennt die Landesregierung das Gutachten zu möglichen Ansprüchen des Landkreises Lüneburg gegenüber dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Bund? Anfrage der Abgeordneten Detlev Schulz-Hendel und Miriam Staudte (GRÜNE), eingegangen am 11.09.2018 - Drs. 18/1597 an die Staatskanzlei übersandt am 13.09.2018 Antwort des Niedersächsischen Finanzministers namens der Landesregierung vom 10.10.2018 Vorbemerkung der Abgeordneten Der Landkreis Lüneburg hat im Januar 2018 ein rechtswissenschaftliches Gutachten in Auftrag gegeben , um mögliche Ansprüche des Landkreises Lüneburg im Zusammenhang mit der Rückgliederung der Gemeinde im Amt Neuhaus mit ihren 6 000 Bewohnern in den Landkreis Lüneburg rechtlich zu beurteilen. Die Kosten für das Gutachten betrugen 10 000 Euro plus USt. Vorausgegangen war ein Vorgutachten. Hierfür betrugen die Gesamtkosten brutto 3 332 Euro. Mit Datum vom 30.05.2018 hat Univ.-Prof. Dr. jur. Bernd J. Hartmann auftragsgemäß sein rechtswissenschaftliches Gutachten vorgelegt. Der Finanzminister Mecklenburg-Vorpommerns hat im Dezember 2017 gegenüber dem Landkreis Lüneburg bestätigt, dass keine Mittel aus dem Solidarpakt 1 und 2 an das Land Niedersachsen weitergegeben worden sind. Das Gutachten kommt zusammengefasst zu folgenden Ergebnissen: Da die Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde Amt Neuhaus, auch nach der Umgliederung in das Land Niedersachsen, bei der Zuteilung der Bundesmittel des Solidarpakts 1 und 2 weiterhin dem Land Mecklenburg-Vorpommern zugerechnet worden sind, ist ein Anspruch des Landes Niedersachsen gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern entstanden. Der Anspruch ergibt sich aus Artikel 9 des Staatsvertrags zwischen den Ländern aus dem Jahre 1993. Außerdem ist ein Anspruch des Landes Niedersachsen gegenüber dem Bund entstanden. Der Anspruch gründet sich in § 5 Abs. 2, § 12 i. V. m § 19 FAG (in der jeweiligen gültigen Fassung). Weiterhin kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass der Landkreis Lüneburg keine Ansprüche geltend machen kann. Alle entstandenen Ansprüche unterliegen der Verjährung. Danach sind alle Ansprüche, die zwischen dem 01.01.1994 und dem 31.12.2007 entstanden sind, verjährt. Verjährte Ansprüche sind rechtlich nicht durchsetzbar, haben aber nach Auffassung des Gutachters ein politisches Gewicht. Nicht verjährt sind dagegen Ansprüche, die ab dem 01.01.2015 entstanden sind oder entstehen werden. Für den Zeitraum dazwischen, vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2014, kommt es darauf an, wann das Land Niedersachsen Kenntnis von der fehlerhaften Zuordnung der Einwohnerinnen und Einwohner erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen und inwieweit Verhandlungen über den Anspruch oder die ihn begründenden Umstände zwischen dem Land Niedersachsen einerseits oder der Bundesrepublik Deutschlands andererseits schwebten. Alle noch nicht verjährten Ansprüche verjähren jeweils nach zehn Jahren, also gegebenenfalls bereits zum 31.12.2018. Vorbemerkung der Landesregierung Die Gemeinden des ehemaligen Amts Neuhaus sind nach der Wiedervereinigung in den Landkreis Lüneburg eingegliedert worden und bilden seitdem die dortige Einheitsgemeinde „Amt Neuhaus“. Die beteiligten Länder Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen haben die Umgliederung im Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1796 2 März 1993 durch einen Staatsvertrag geregelt, der am 30.06.1993 in Kraft getreten ist. Die rund 6 000 Einwohnerinnen und Einwohner des Amts Neuhaus gehören seitdem zu Niedersachsen. Die infolge der deutschen Wiedervereinigung erforderliche Einbeziehung der ostdeutschen Länder in die Regelungen des Bundesstaatlichen Finanzausgleichs erfolgte im Jahr 1995. Der bis dahin zwischen ostdeutschen (einschließlich Berlin) und westdeutschen Bundesländern getrennt durchgeführte Finanzausgleich wurde zu einem gesamtstaatlichen Regelsystem vereinheitlicht und auf alle Länder angewandt. Außerdem wurden die Bundesergänzungszuweisungen erheblich aufgestockt , und der Bund stellte den ostdeutschen Ländern Investitionsmittel zum Ausgleich der unterschiedlichen Wirtschaftskraft und zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums zur Verfügung („Investitionsfördergesetzes Aufbau Ost“). Diese Maßnahmen stellen den finanzpolitischen Kern des Solidarpakts I dar, der seit 2005 in Form des aktuell geltenden Solidarpakts II bis einschließlich 2019 weitergeführt wird. Die Höhe der im Finanzausgleichsgesetz geregelten steuer- und finanzkraftabhängigen Leistungen hängt grundsätzlich von den jeweiligen Einwohnerzahlen der Länder ab, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahrs festgestellt hat. Eine Ausnahme von den nach aktuellen Einwohnerzahlen festzulegenden Zahlungsbeträgen bilden die im Solidarpakt II zur Deckung von teilungsbedingten Sonderlasten aus dem bestehenden starken infrastrukturellen Nachholbedarf und zum Ausgleich unterproportionaler kommunaler Finanzkraft vorgesehenen Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen . Diese sind gemäß § 11 Abs. 3 des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) nur für die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vorgesehen und betragsmäßig bis zum Jahr 2019 Jahre festgeschrieben. Da das Land Niedersachsen nicht zum Kreis der Empfängerländer der zuvor genannten Sonderbedarfs -Bundesergänzungszuweisungen und des „Investitionsfördergesetzes Aufbau Ost“ gehört, kann Niedersachsen keine Forderungen auf die auf Grundlage dieser Gesetze ausgeschütteten Mittel aus dem Solidarpakt I und II herleiten. Es sind damit gesetzliche Ansprüche weder gegenüber dem Bund als Zahlungspflichtigem für Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen und „Aufbau Ost“ noch gegenüber dem Land Mecklenburg-Vorpommern als Zahlungsempfänger zu erkennen . In diesem Zusammenhang ist auch auf das diesbezügliche Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages (WD 4 - 3000 - 093/17) zu verweisen, das zu gleichen Ergebnissen kommt (zum Link: https://www.bundestag.de/blob/537830/85b62b77a05831b2b0fdf361 467402f8/wd-4-093-17-pdf-data.pdf). Zudem lässt sich auch ein vertraglicher Erstattungsanspruch aus dem Rückgliederungs-Staatsvertrag zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen nicht ableiten. Insbesondere der von den Fragestellern zitierte Artikel 9 des Staatsvertrags betrifft nach seinem eindeutigen Wortlaut ausschließlich Zahlungen für den restlichen Zeitraum des Jahrs 1993 nach Inkrafttreten des Vertrages und stellt eine Übergangsregelung nur für jenes Jahr dar. 1. Liegt der Landesregierung das Gutachten vor? Wenn ja, seit wann? Das Gutachten liegt nur dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung vor. Eine Vorabinformation über die wesentlichen Ergebnisse des Gutachtens wurde diesem Ministerium am 07.06.2018 per E-Mail zugestellt. Das vollständige Gutachten ist elektronisch seit dem 11.06.2018 dort vorhanden. 2. Hat die Landesregierung dem Landkreis Lüneburg eine Zusage für die Kostenübernahme der Gutachterkosten gemacht? Wenn ja, in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt ? Nein. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1796 3 3. Hat das Land Niedersachsen vor dem Gutachten Kenntnis darüber erlangt, dass die Zuordnung der Einwohnerinnen und Einwohner nach Rückgliederung des Amtes Neuhaus zu Niedersachsen fehlerhaft war? Wenn ja, wann und in welcher Form? Am 12.02.2018 wurde im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung eine Beschlussvorlage für den Kreistag Lüneburg bekannt, der das Vorgutachten von Professor Hartmann vom 01.10.2017, ein Schreiben des Finanzministers von Mecklenburg-Vorpommern vom 11.12.2017 und eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags vom 18.12.2017 beigefügt waren. Im Vorgutachten ist ausgeführt, dass dem Gutachter seitens des Auftraggebers mitgeteilt worden sei, der Bund habe bei seiner nach Einwohnern berechneten Zuteilung (Solidarpakt I, II usw.) die rund 6 000 betroffenen Einwohner des Amts Neuhaus nicht zu Niedersachsen, sondern weiterhin zu Mecklenburg-Vorpommern gerechnet. In Bezug auf den Länderfinanzausgleich hatte der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags demgegenüber darauf hingewiesen, dass in den „vom Auftraggeber angesprochenen“ Umverteilungsströmen des Länderfinanzausgleichs und in dem dort verwendeten Umsatzsteuerschlüssel eine Zurechnung der Einwohner des Amts Neuhaus auf die bei den jährlichen Finanzkraftverstärkungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern zugrunde gelegten Schlüssel in den Jahren ab 1995 nicht erfolgt sei. Die Zahlen würden jährlich vom statistischen Bundesamt aktuell ermittelt. 4. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung aus den vorliegenden Ergebnissen des Gutachtens? Keinen, siehe Vorbemerkung. 5. Beabsichtigt die Landesregierung, die im Gutachten benannten Ansprüche gegenüber dem Land Mecklenburg-Vorpommern und gegenüber dem Bund geltend zu machen? Wenn ja, wann und in welcher Form? Wenn nein, mit welcher Begründung? Nein, denn es sind keine Anspruchsgrundlagen erkennbar. Zur weiteren Begründung siehe Vorbemerkung . 6. Wie hoch beziffert die Landesregierung die Ansprüche des Landes Niedersachsen (aufgeschlüsselt nach verjährt und nicht verjährt) insgesamt? Siehe Antwort zu Frage 5. 7. Wird die Landesregierung mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Bund Gespräche über die bereits verjährten Ansprüche führen mit der Zielsetzung, eine politische Lösung zu erzielen? Siehe Antwort zu Frage 5. 8. Zu welchem Zeitpunkt hat die Landesregierung die Gremien des Landtages über die Gutachterergebnisse informiert? Die Gremien des Landtags wurden über die Ergebnisse des Gutachtens nicht informiert. (Verteilt am ) (Verteilt am ) (Verteilt am 11.10.2018) Drucksache 18/1796 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Detlev Schulz-Hendel und Miriam Staudte (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums Kennt die Landesregierung das Gutachten zu möglichen Ansprüchen des Landkreises Lüneburg gegenüber dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Bund?