Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1798 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen, Dr. Stefan Birkner, Dr. Marco Genthe und Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Ist eine effektive Bekämpfung der Geldwäschekriminalität in Niedersachsen gewährleistet? Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen, Dr. Stefan Birkner, Dr. Marco Genthe und Christian Grascha (FDP), eingegangen am 07.09.2018 - Drs. 18/1590 an die Staatskanzlei übersandt am 11.09.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 10.10.2018 Vorbemerkung der Abgeordneten Bei der Eindämmung der Organisierten Kriminalität (OK) und des internationalen Terrorismus spielt die Bekämpfung der Geldwäsche eine zentrale Rolle. Dabei liegt die Herausforderung bei dem Nachweisen illegaler, insbesondere digitaler Finanzströme (Lagebild OK Niedersachsen 2017). Seitdem das Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) am 23.06.2017 in Kraft getreten ist, ist der Zoll mit der Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen beauftragt (Homepage Bundesfinanzministerium). Medien berichten, dass die Aufgabenverschiebung zu großen Problemen geführt habe. Neben „der desaströsen personellen Ausstattung“ stellten besonders die schlechte IT-Ausstattung und der fehlende Zugang der FIU zu wichtigen Datenbanken der Landeskriminalämter ein Problem dar. „Doch nicht nur, dass die Mitarbeiter der FIU kaum über kriminalistische Expertise verfügen. Sie haben auch bis heute keinen Zugang zu den wichtigen Datenbanken der Landeskriminalämter, in denen etwa Gefährder oder Mafiosi gespeichert werden. Wie sollen sie also wissen, welchen Hintergrund der Sender oder Empfänger einer verdächtigen Summe hat?“ (spiegel online, 08.08.2018). Auch einige Landeskriminalämter bemängeln die Umstrukturierung und die damit ausgelösten Verfahrensprobleme . „Auch die Landeskriminalämter Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen teilten mit, die FIU habe ihnen Verdachtsmeldungen verzögert übermittelt. Aus Hannover verlautete, darunter seien auch Fälle gewesen, in denen es um Terrorismusfinanzierung gegangen sei“ (spiegel online, 08.08.2018). Vorbemerkung der Landesregierung Der Landesregierung ist es ein wichtiges Anliegen in der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und des Terrorismus, dass der Transfer illegal erworbener Vermögenswerte in den legalen Wirtschaftskreislauf wirksam verhindert und damit den Täterstrukturen die finanzielle Grundlage entzogen wird. Nur durch umfassende Maßnahmen kann es gelingen, den kriminellen Hintergrund von Vermögenswerten aufzudecken. Dabei sind eine enge Zusammenarbeit und der Austausch mit den Aufsichtsbehörden und den Verpflichteten gemäß §§ 43, 44 GwG wichtige Garanten in der erfolgreichen Bekämpfung der Geldwäsche. In diesem Zusammenhang wurde von der Landesregierung bereits eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung der Abg. Stefan Wenzel und Helge Limburg (GRÜNE) vom 02.05.2018 zum Thema „Leistungsfähigkeit des Zolls bei der Verfolgung von Geldwäsche“ (Drs. 18/998) beantwortet Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1798 2 und Stellung u. a. zu den Prozessabläufen der Financial Intelligence Unit (FIU) und des Landeskriminalamts (LKA) Niedersachsen sowie zur Anzahl der Verdachtsmeldungen bezogen. Im Zuge der Neustrukturierung der FIU und der Verlagerung vom Bundeskriminalamt in die Generalzolldirektion im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Finanzen, die nicht zuletzt aufgrund des immensen Anstiegs der Geldwäscheverdachtsanzeigen in den letzten Jahren vorgenommen worden war, sollen u. a. doppelte Meldewege und Befassungen vermieden werden. Nachdem Verdachtsmeldungen zuvor sowohl an die FIU als auch gleichzeitig an die Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln waren, nimmt nunmehr ausschließlich die FIU als Zentralstelle sämtliche Verdachtsmeldungen entgegen. Sie muss nach zielgerichteter und umfassender Analyse feststellen, ob der gemeldete Sachverhalt mit Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder sonstigen Straftaten im Zusammenhang steht, und hat sodann relevante Sachverhalte an die Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln. Damit sollen Ressourcen für die Ermittlung und Strafverfolgung freigesetzt werden. 1. Wie bewertet die Landesregierung die aktuelle Organisationsstruktur für das Meldesystem bei Geldwäscheverdachtsmeldungen? Im Vorfeld der Verlagerung der FIU hat die Landesregierung in unterschiedlichen Bund-Länder- Gremien die Neustrukturierung auch unter der Voraussetzung befürwortet, dass keine Mehraufwände bei der Polizei entstehen dürfen und es nicht zu Informationsverlusten kommen darf. Bereits seit Jahren belastete eine kontinuierlich anwachsende Menge an Geldwäscheverdachtsmeldungen ohne strafrechtliche oder gefahrenabwehrrechtliche Relevanz die Clearingstelle des LKA Niedersachsen sowie die Finanzermittlungsgruppen in den Polizeibehörden. Daher wurde die Neuorganisation der FIU begrüßt, die durch ihre vorgelagerte Analyse und Bewertung auch die Anzahl der an die Strafverfolgungsbehörden der Länder weiterzuleitenden Verdachtsmeldungen reduzieren sollte. Gemäß § 32 Abs. 2 GwG leitet die FIU nur solche Verdachtsmeldungen an die Strafverfolgungsbehörden weiter, die aus ihrer Sicht Anlass zur Prüfung eines strafrechtlichen Anfangsverdachts geben . Die FIU hat am 26.06.2017 ohne Probebetrieb die Bearbeitung aller eingehenden Verdachtsmeldungen übernommen, obwohl zu diesem Zeitpunkt der ursprünglich geplante Personalstamm nicht rechtzeitig rekrutiert und für die Analyse und Bewertung der Verdachtsmeldungen nicht ausreichend qualifiziert war. Hinzu traten technische Problemstellungen, sodass zunächst keine zeitnahe Bearbeitung der eingehenden Verdachtsmeldungen erfolgte und folglich erhebliche Rückstände in der Vorgangsbearbeitung bei der FIU erwachsen sind. Dieses hatte - auch in Niedersachsen - zur Folge, dass zumindest im zweiten Halbjahr 2017/Anfang 2018 die Verdachtsmeldungen nur sehr zeitverzögert im LKA Niedersachsen eingegangen sind. Darüber hinaus mussten die Verdachtsmeldungen im LKA erneut einem umfassenden Clearingprozess unterzogen werden, da die von der FIU übersandten Analyseberichte keine ausreichende Grundlage für die strafrechtliche Prüfung und weitere Bearbeitung der gemeldeten Sachverhalte dargestellt haben. Infolge dieser Umstände bezogen sich die bei den Staatsanwaltschaften eingehenden Vorgänge zum Teil auf mehrere Monate bis zu einem Jahr alte Sachverhalte. Hierdurch wurden die Ermittlungsmöglichkeiten und insbesondere auch die Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung deutlich erschwert. Dadurch, dass die Vorgänge von der FIU über das LKA an die Staatsanwaltschaft gelangen, kommt es ferner bei Eilsachen, in denen innerhalb von drei Werktagen entschieden werden muss, ob eine Transaktion angehalten werden soll, zu Verzögerungen. Diese sind zum Teil so gravierend, dass die mit der Bekämpfung von Geldwäsche befassten Polizeidienststellen und Staatsanwaltschaften nur einen Tag Zeit haben, um die notwendigen Ermittlungen zu führen und anschließend gegebenenfalls eine staatsanwaltschaftliche Arrestanordnung zu erlassen, was nur unter größtem Einsatz zu leisten ist. Inzwischen haben die Bemühungen der FIU zwar erste Verbesserungen gezeigt. Gleichwohl betrachtet die Landesregierung die nach wie vor bestehenden Problemstellungen auf Bundesebene mit Sorge. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1798 3 2. Sieht die Landesregierung Handlungsbedarf? Wenn ja, auf welche Änderungen wird sie auf Bundesebene hinwirken? Nicht zuletzt auch aufgrund niedersächsischer Initiative werden aktuell konkrete Maßnahmen zur Sicherstellung eines funktionalen Betriebs zur Steigerung der Qualität der Analyseberichte der FIU und zur Prozessbeschleunigung in unterschiedlichen Bund-Länder-Gremien thematisiert. Die Landesregierung verfolgt dabei das Ziel, über die zuständigen Bundesressorts die noch bestehenden Problemstellungen innerhalb der FIU schnellstmöglich abzubauen. 3. Wird das Landeskriminalamt Niedersachsen derzeit bei der Bearbeitung und der Bewertung von Geldwäscheverdachtsmeldungen beteiligt? Die Bundesländer haben der FIU jeweils einen zentralen Empfänger für gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 GwG weitergeleitete Verdachtsmeldungen benannt. Für Niedersachsen wurde die Clearingstelle im LKA Niedersachsen angegeben. Bislang gingen dort auch nahezu alle von der FIU nach Niedersachen übersandten Verdachtsmeldungen ein. Aufgrund der Problemstellungen innerhalb der FIU muss derzeit im LKA Niedersachsen jede Verdachtsmeldung einer erneuten umfänglichen Bearbeitung und Bewertung zugeführt werden. Im Anschluss wird die Verdachtsmeldung der zuständigen Staatsanwaltschaft zur weiteren Entscheidung vorgelegt. 4. Wie viele Verdachtsmeldungen mit Bezug zu Niedersachsen hat die FIU seit Juni 2017 an das LKA Niedersachsen, die Staatsanwaltschaften und die Finanzbehörden weitergeleitet ? Die FIU hat seit dem 26.06.2017 insgesamt 2 311 Verdachtsmeldungen (Stand 11.09.2018) an das LKA Niedersachsen übersandt. Insbesondere im zweiten Halbjahr 2017 war ein deutlicher Rückgang bei der Übersendung von Verdachtsmeldungen zu verzeichnen. Nur 383 Verdachtsmeldungen konnten in diesem Zeitraum durch die FIU - trotz deutlicher bundesweiter Anstiege an Verdachtsmeldungen - übersandt werden. Insgesamt gingen im Jahr 2017 in Niedersachsen nur 2 137 Verdachtsmeldungen ein, nach 3 459 im Jahr 2016. Sieben Verdachtsmeldungen sind seit dem 26.06.2017 durch die FIU direkt an das Zollfahndungsamt Hannover (Stand 11.09.2018) und insgesamt 110 Verdachtsmeldungen unmittelbar an die Finanzverwaltung weitergeleitet worden (Stand 13.09.2018). 5. Wie viele Beamte sind derzeit mit der Bearbeitung von Geldwäschedelikten betraut? In Niedersachsen sind neben Polizeivollzugsbeamten (PVB) auch Beschäftigte bei der Bearbeitung von Geldwäschedelikten eingesetzt. Im LKA Niedersachsen sind derzeit vier PVB und zwei Beschäftigte in der Clearingstelle beschäftigt . Dazu kommen zehn PVB, die aber auch für Vermögensabschöpfungsmaßnahmen zuständig sind. Für die Staatsschutzdezernate beim LKA Niedersachsen sind derzeit sieben PVB mit der Bearbeitung von Geldwäschedelikten bzw. Hinweisen auf Terrorismusfinanzierung betraut. In den sechs Polizeidirektionen sind grundsätzlich die Zentralen Kriminalinspektionen für die Bearbeitung von Geldwäschedelikten zuständig. Hier sind in der Regel jeweils fünf bis sieben PVB/Beschäftigte und in der Polizeidirektion Hannover elf PVB/Beschäftigte in der Geldwäschebekämpfung tätig. Auch hier gibt es wiederum Zuständigkeiten für Vermögensabschöpfungsmaßnahmen. Insgesamt betrachtet sind in Niedersachsen derzeit ca. 60 PVB/Beschäftigte mit der Bearbeitung von Geldwäschedelikten betraut. Eine Benennung der Arbeitsanteile aller mit Geldwäschedelikten befassten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte Niedersachsens ist nicht möglich. Dieses resultiert aus dem Umstand, dass die De- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1798 4 zernentinnen und Dezernenten für Geldwäschedelikte - zu stark variierenden Anteilen - auch mit der Bearbeitung anderer Aufgaben betraut sind. 6. Welches konkrete Konzept verfolgt die Landesregierung bei der Bekämpfung der Geldwäsche in Niedersachsen? Die Bekämpfung der Geldwäsche erfolgt in Niedersachsen insbesondere gemäß der Richtlinie für die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei Finanzermittlungen im Rahmen des Geldwäschegesetzes (Gem. RdErl. d. MI u. d. MJ v. 27.05.2014-23.24a-12334/4-9.8) sowie der Richtlinie über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung von Organisierter Kriminalität (Gem. RdErl. d. MJ u. d. MI v. 20.05.2016-23.2-12334/4). Eine Modifizierung der Richtlinie vom 27.05.2014 wird erfolgen, sobald erkennbar ist, dass bzw. wie genau der funktionale Wirkbetrieb der FIU gewährleistet wird. (Verteilt am 11.10.2018) Drucksache 18/1798 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen, Dr. Stefan Birkner, Dr. Marco Genthe und Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Ist eine effektive Bekämpfung der Geldwäschekriminalität in Niedersachsen gewährleistet?