Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1799 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Rainer Fredermann (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Gesundheitliche Belastungen des Feuerwehrdienstes Anfrage des Abgeordneten Rainer Fredermann (CDU), eingegangen am 17.09.2018 - Drs. 18/1635 an die Staatskanzlei übersandt am 19.09.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 10.10.2018 Vorbemerkung des Abgeordneten Seit einigen Jahren gibt es verstärkt Hinweise zu schädlicher Belastung von Feuerwehrangehörigen mit keimzellmutagenen, krebserregenden Stoffen (z. B. durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe im Brandrauch, Asbestfasern etc.) im Rahmen der Durchführung ihres öffentlichen Auftrags. Das Phänomen ist unter dem Begriff „Feuerkrebs“ bekannt geworden. In Veröffentlichungen wird darauf eingegangen, dass im Brandrauch enthaltene Krebspromotoren bei Berufsfeuerwehrleuten wirksamer seien als bei Vergleichskohorten aus dem Bevölkerungsdurchschnitt . Unter „Einsatzstellenhygiene“ und „Schwarz-weiß-Trennung“ (DGUV 205-010) weisen die Feuerwehrunfallkassen seit Jahren auf die besondere Gefährdungssituation für Einsatzkräfte bei und nach Brandeinsätzen hin. Vorbemerkung der Landesregierung Feuerwehrleute können je nach Einsatz krebserzeugenden Stoffen wie Ruß, Asbest oder polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen ausgesetzt sein. Im Normalfall schützt ihre persönliche Schutzausrüstung (PSA) sie davor, diese Substanzen über die Atemluft aufzunehmen. Seit einiger Zeit rückt allerdings verstärkt die Frage in den Vordergrund, ob der Hautkontakt mit Gefahrstoffen problematisch sein kann. Einsatzkleidung schützt nicht vollständig gegen Staub und Ruß. Außerdem kann ein Kontakt auch nach Ablegen von Kleidung und PSA erfolgen - z. B. dann, wenn Räume , in denen die private Kleidung lagert, nicht sauber von Räumen getrennt werden, in denen die schmutzige Einsatzkleidung abgelegt wird. Wie gut Feuerwehrleute in der Praxis tatsächlich vor schädlichen Einwirkungen geschützt sind, wollen Forschungsinstitute, wie z. B. die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), mithilfe technischer Messungen und medizinischer Untersuchungen klären. Das Ziel ist zu erforschen, inwiefern Feuerwehrleute im Dienst optimal gegen den Kontakt mit Gefahrstoffen geschützt werden können. Da die Aufnahme von Gefahrstoffen nicht nur über die Lunge, sondern auch über die Haut möglich ist, ist Hygiene einer der Schwerpunkte des Projekts. Die Ergebnisse sollen in konkrete Hinweise münden, wie Feuerwehrmänner und -frauen sich noch besser schützen können. Die Feuerwehr-Unfallkasse Niedersachsen (FUK) wirkt an diesem Forschungsvorhaben mit. Forschungsergebnisse werden in die weitere Präventionsarbeit der FUK einfließen. Darüber hinaus wird den niedersächsischen Feuerwehren in Kürze ein Medienpaket zur Einsatzstellenhygiene zur Verfügung gestellt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1799 2 1. Welche Sofortmaßnahmen zur Unterbindung/Minimierung der Kontamination werden während, aber insbesondere auch nach Brandeinsätzen durch niedersächsische Feuerwehren ergriffen? Nach Angaben der Feuerwehr-Unfallkasse Niedersachsen wird im Bereich der Freiwilligen Feuerwehr bereits heute an der Einsatzstelle die Einsatzkleidung gewechselt, wenn eine Exposition gegenüber gesundheitsgefährdenden Stoffen nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Deswegen sind für Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren schon heute bestimmte Maßnahmen der Verhältnis - und Verhaltensprävention vorgesehen, beispielsweise: – Tragen von der Einsatzsituation angepasster persönlicher Schutzausrüstung, – verwenden von mehrschichtiger bzw. mehrlagiger Einsatzkleidung, die verhindert, dass sie von Gefahrstoffen durchdrungen wird oder dass sich Gefahrstoffe auf ihr festsetzen, – Austausch der Einsatzkleidung bereits an der Einsatzstelle, wenn eine Exposition gegenüber gesundheitsgefährdenden Stoffen nicht sicher ausgeschlossen werden kann (wie oben bereits erwähnt), – Verhinderung von Kontaminationsverschleppung durch Einrichten von Schwarz-Weiß-Bereichen in den Feuerwehreinrichtungen, – Maßnahmen der Einsatzhygiene, wie Grobreinigung und Waschen an der Einsatzstelle. Gemäß Auskunft der Berufsfeuerwehr Hannover wird der Kleidungswechsel vor Ort vergleichbar gehandhabt, wobei die Einsatzkräfte anhand ihrer Erfahrung im Einzelfall entscheiden, ob der Kleidungswechsel bereits am Einsatzort erfolgen muss. 2. Wie sind die Information der Feuerwehrangehörigen über diese Problematik und die Dokumentation ihrer Schadstoffbelastung geregelt? Für den Schutz der Feuerwehreinsatzkräfte gegen krebserzeugende Gefahrstoffe ist als Hauptvorschrift die Gefahrstoffverordnung mit den zugehörigen Technischen Regeln für Gefahrstoffe zu beachten . Diese Regeln fordern im Kern dieselben Schutzmaßnahmen wie das DGUV-Regelwerk. Dabei steht die Hygiene als Grundmaßnahme im Vordergrund. Da die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) das Chemikaliengesetz als Ermächtigungsnorm hat, ist sie eine der wenigen staatlichen Arbeitsschutzvorschriften, die unmittelbar auch für ehrenamtliche Einsatzkräfte gilt und nicht nur für Beschäftigte, wie dies sonst bei den aus dem Arbeitsschutzgesetz abgeleiteten Verordnungen der Fall ist. Bereits jetzt enthalten sowohl die UVV „Grundsatze der Prävention“ (DGUV Vorschrift 1) als auch die UVV „Feuerwehren“ (DGUV Vorschrift 49) verbindliche Vorgaben hierzu. So verpflichtet die DGUV Vorschrift 1 den Unternehmer in § 2 dazu, „die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie für eine wirksame Erste Hilfe zu treffen“. Diese Maßnahmen hat er nach der Beurteilung der für die Versicherten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen zu ermitteln (§ 3 Abs. 1). Für den Bereich der Feuerwehr bedeutet dies gemäß § 12 Abs. 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 der DGUV Vorschrift 49, dass bei besonderen Gefahren spezielle persönliche Schutzausrüstungen vorhanden sein und auch benutzt werden müssen. 3. Werden die Feuerwehrangehörigen regelmäßig über die Problematik und die Dokumentation von Schadstoffbelastungen informiert? Die Problematik von Schadstoffbelastungen im Feuerwehreinsatz ist in den vergangenen Jahren in diversen Fachkreisen diskutiert worden und findet sich in einer Vielzahl Publikationen (Veröffentlichungen der DGUV, FUK, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes - vfdb - sowie Fachzeitschriften, wie z. B. in: Brandschutz /Deutsche Feuerwehrzeitung- 12/2015) wieder. Auf das Medienpaket der FUK wurde bereits in den Vorbemerkungen hingewiesen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1799 3 4. Durch wen werden die hierzu erforderlichen Daten erhoben? Die Aufgabenträger nach §§ 2 und 3 des Niedersächsischen Gesetzes über den Brandschutz und die Hilfeleistung der Feuerwehr (Niedersächsisches Brandschutzgesetz - NBrandSchG) haben eine Einsatzdokumentation vorzunehmen, aus der in Verbindung mit den DGUV-Vorschriften und § 14 GefStoffV Unterweisungen, Umfang und Aufbewahrungsfristen hervorgehen. Diese Dokumentation kann innerhalb der Kommunen vorgenommen werden. Seitens der DGUV ist eine Datenbank zur zentralen Erfassung gegenüber krebserzeugenden Gefahrstoffen exponierter Beschäftigter - „Zentrale Expositionsdatenbank“ (ZED) - bereitgestellt. Sie ist ein Angebot der DGUV an die Unternehmen , um deren Verpflichtungen nach der Gefahrstoffverordnung nachzukommen. Nach § 14 Abs. 4 GefStoffV besteht die Möglichkeit, die Aushändigungspflicht und die Archivierungspflicht auf den gesetzlichen Unfallversicherungsträger zu übertragen. Dies wird mit der ZED realisiert, in der Unternehmen das geforderte Expositionsverzeichnis alternativ zur innerbetrieblichen Lösung führen können. 5. Werden die Daten durch das Land gesammelt und gegebenenfalls ausgewertet? Das seitens des Landes Niedersachsen zur Verfügung gestellte Feuerwehrverwaltungsprogramm FeuerOn sieht eine Sammlung und Auswertung dieser Daten nicht vor. 6. Werden die Daten in einem Expositionskataster nach Vorgabe der DGUV gespeichert? Siehe Antwort zu Frage 4. 7. Was tun die Kommunen im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht mittel- und langfristig zur Verstetigung des Gesundheitsschutzes ihrer Feuerwehrangehörigen im Hinblick auf den „Feuerkrebs“? Grundsätzlich sind die Kommunen angehalten, durch technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen die Kontamination von Feuerwehreinsatzkräften zu minimieren bzw. zu verhindern. Zu den technischen Maßnahmen zählen z. B. private Kleidung getrennt von Einsatzkleidung lagern, Dieselmotoremissionen in der Fahrzeughalle an der Entstehungsstelle abführen, Schwarz-Weiß- Trennung bereits bauseitig planen/vorsehen, Basishygienemaßnahmen auch an der Einsatzstelle ermöglichen (Hygienebord) sowie Anwendung der DGUV-Information „Sicherheit im Feuerwehrhaus (DGUV-Information 205-008)“. Zu den organisatorischen Maßnahmen zählen z. B. Umgang mit Kontaminationen (Einsatzkräfte /Geräte/Fahrzeuge) regeln (Führungsverantwortung), kontaminierte Persönliche Schutzausrüstung (PSA/Geräte) noch an der Einsatzstelle ablegen und verpacken, fachgerechte Reinigung der PSA/Gerätschaften (z. B. Atemschutzgeräte, Schläuche) organisieren, dabei Kontaminationsverschleppungen vermeiden, z. B. durch dichtschließende Behälter, selbstauflösende Wäschesäcke, getrennten Rücktransport von der Einsatzstelle, bei der Beschaffung von PSA bereits auf die Reinigungsmöglichkeiten achten, Bewusstsein schaffen: Ruß, Brandrauch und andere Verbrennungsruckstände sind stets schädliche Kontaminationen, ausreichend Reserve-/Wechsel-PSA bereithalten , Anwendung der DGUV-Information „Sicherheit im Feuerwehrdienst“, Kapitel C30 (DGUV-Information 205-010) sowie Anwendung des vfdb-Merkblatts „Empfehlungen für den Feuerwehreinsatz zur Einsatzhygiene bei Bränden“. Zu den personenbezogenen Maßnahmen zählen z. B. konsequente Nutzung von Atemschutz bei der Brandbekämpfung, konsequente Nutzung von geeignetem Atemschutz bei Arbeiten an der kalten Brandstelle, Grobreinigung der Einsatzkräfte an der Einsatzstelle, Feinreinigung der Einsatzkräfte unmittelbar danach im Feuerwehrhaus/Feuerwache, Benutzung von spezieller PSA (z. B. Staubschutzmasken, Schürzen, Spritzschutz, Einwegschutzkleidung) auch bei vermeintlichen Standardeinsätzen (Trennarbeiten, Auffangen größerer Mengen Betriebsstoffe etc.), Anwendung Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1799 4 der DGUV-Information „Sicherheit im Feuerwehrdienst“, Kapitel C30 (DGUV-Information 205-010), Anwendung des vfdb-Merkblatts „Empfehlungen für den Feuerwehreinsatz zur Einsatzhygiene bei Bränden“ sowie Dokumentation von Tätigkeiten mit Exposition bzw. Verdacht auf Exposition mit möglicherweise krebserzeugenden Stoffen (Brandrauch, Staub, Asbest- bzw. GFK-Fasern). 8. Welche Unterstützung durch das Land Niedersachsen erhalten die Kommunen bei ihren Anstrengungen zur Verstetigung des Gesundheitsschutzes ihrer Feuerwehrangehörigen im Hinblick auf den „Feuerkrebs“? Die Aus- und Fortbildung der Feuerwehren an zentralen Ausbildungseinrichtungen obliegt dem Land Niedersachsen nach § 5 NBrandSchG. Im Rahmen dieser Aufgabenwahrnehmung werden Feuerwehren auf aktuellen gesetzlichen Grundlagen sowie auf der Grundlage gültiger Feuerwehrdienstvorschriften auch im Zusammenhang mit Gefahrstoffen dem Stand der Technik entsprechend ausgebildet. Aktuelle Erkenntnisse zu Schadstoffbelastungen im Feuerwehreinsatz sowie Ergebnisse aus Forschungsvorhaben fließen in die Ausbildung ein. Die Sensibilisierung von Feuerwehreinsatzkräften wird im Hinblick darauf vorangetrieben. Darüber hinaus werden die Kommunen bei ihrer Aufgabenwahrnehmung beraten. (Verteilt am 11.10.2018) Drucksache 18/1799 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Rainer Fredermann (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Gesundheitliche Belastungen des Feuerwehrdienstes