Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/184 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Dr. Stefan Birkner, Björn Försterling und Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung GroKo in Niedersachsen - Steht die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie jetzt unter der Kontrolle und dem Zustimmungsvorbehalt der Landesregierung? Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Dr. Stefan Birkner, Björn Försterling und Jörg Bode (FDP), eingegangen am 13.12.2017 - Drs. 18/82 an die Staatskanzlei übersandt am 19.12.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 18.01.2018, gezeichnet Dr. Carola Reimann Vorbemerkung der Abgeordneten Im einem Interview äußerte sich Sozialministerin Reimann (SPD) wie folgt: „Im Koalitionsvertrag steht, dass wir einen Tarifvertrag Soziales anstreben, der dann auch für allgemeinverbindlich erklärt wird. Abschließen können diesen Tarifvertrag nur die Tarifparteien, aber ich werde mich als Ministerin für eine entsprechende Einigung stark machen.“ Und weiter: „Alle müssen hier zusammenwirken . Ich werde mir deshalb den Prozess der Abstimmung und unter anderem auch die Besetzung dieses Ausschusses“ (gemeint ist der Tarifausschuss, Anmerkung der Fragesteller) „mal angucken“ (HAZ, 11. Dezember 2017). In der Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD steht hierzu: „Wir wollen private Anbieter vom Mehrwert des angestrebten Tarifvertrags Soziales oder einer den gültigen Tarifverträgen angepassten Entlohnung in der Altenpflege überzeugen“ (Koalitionsvereinbarung, Seite 63). Im DGB-Lexikon der Arbeitswelt ist unter dem Stichwort „Tarifautonomie“ Folgendes zu lesen: „Darunter versteht man das Recht der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände, Löhne, Gehälter und andere Arbeitsbedingungen selbstständig und unabhängig zu regeln - ohne staatliche Einflussnahme . Die Tarifautonomie ist durch das Grundgesetz (Artikel 9 Abs. 3) geschützt“ (http://www.dgb.de/service/glossar?sel=t). Vorbemerkung der Landesregierung Die Tarifautonomie als Ausprägung der grundgesetzlich gewährleisteten Koalitionsfreiheit wird von der Landesregierung geachtet und geschützt; die die Landesregierung tragenden Parteien haben solches in ihrer Koalitionsvereinbarung als Grundlage ihrer Zusammenarbeit bestätigt. Die Landesregierung versteht unter Tarifautonomie das von Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes den Gewerkschaften und Arbeitgebern vorrangig eingeräumte Recht, die Arbeitsbedingungen und dort insbesondere Löhne durch Tarifvertrag zu regeln. Der Abschluss eines Tarifvertrags Soziales ist schon von der vorangegangenen Landesregierung befürwortet worden. Allerdings hat die Landesregierung stets darauf hingewiesen, dass das Verhandeln und der Abschluss eines solchen Tarifvertrages eine Angelegenheit der Sozial- und Tarifpartner ist und die Landesregierung den potenziellen Vertragsparteien nur beratend, unterstützend und gegebenenfalls moderierend zur Seite stehen kann. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/184 2 1. Was versteht die Landesregierung unter Tarifautonomie? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 2. Ist die Darstellung des Stichwortes „Tarifautonomie“ im DGB-Lexikon der Arbeitswelt ausreichend umfassend und zutreffend oder verkürzt oder sogar falsch? Die Darstellung des Begriffs im DGB-Lexikon ist kurz, aber zutreffend. 3. Wie viel „Autonomie“ traut die Landesregierung Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden in Niedersachsen zu? Die Landesregierung geht davon aus, dass die Sozialpartner und Tarifvertragsparteien die ihnen verfassungsrechtlich eingeräumten Rechte und Befugnisse im Bewusstsein ihrer Verantwortung ausüben. 4. Müssen Tarifpartner in Niedersachsen sich auf den Verlust von Selbstständigkeit und Unabhängigkeit und auf staatliche Einflussnahme einstellen, gegebenenfalls welche? Nein. 5. Plant die Landesregierung ein Sanktionssystem für den Fall, dass die Besetzung des Tarifausschusses nicht den Vorstellungen der Landesregierung entspricht? Nein. 6. Wenn ja: Mit welchen Sanktionen müssen die Tarifpartner in Niedersachsen zukünftig rechnen? Entfällt. 7. Was verbirgt sich konkret hinter der Äußerung von Sozialministerin Reimann: „Ich werde mir deshalb … unter anderem auch die Besetzung dieses Ausschusses“ (gemeint ist der Tarifausschuss, Anmerkung der Fragesteller) „mal angucken“? Die Ministerin hat in dem Interview in der HAZ vom 11. Dezember 2017 betont, dass nur die Tarifparteien einen Tarifvertrag Soziales abschließen können. Gleichwohl ist es Wunsch der Landesregierung , dass es zum Abschluss eines Tarifvertrags Soziales kommt. Insoweit kann sie eine beratende , unterstützende und gegebenenfalls moderierende Rolle einnehmen. 8. Was verbirgt sich konkret hinter der Äußerung von Sozialministerin Reimann „Ich werde mir deshalb den Prozess der Abstimmung … mal angucken“? Siehe Antwort zu Frage 7. 9. Gibt es seit der Regierungsübernahme von SPD und CDU in Niedersachsen einen Zustimmungsvorbehalt der Landesregierung zu Tarifvereinbarungen in Niedersachsen? Nein. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/184 3 10. Wenn ja: Aufgrund welcher rechtlichen Grundlage stellt die Landesregierung die durch das Grundgesetz geschützte Tarifautonomie infrage? Entfällt. 11. Plant die Landesregierung eine Kabinettsbefassung mit dem im Koalitionsvertrag vereinbarten „Tarifvertrag Soziales“? Nein. 12. Wird die Landesregierung Bestandteil des Tarifausschusses für die Verhandlungen des von ihr angestrebten Tarifvertrags Soziales? An den Verhandlungen der Tarifvertragsparteien über einen Tarifvertrag Soziales nimmt die Landesregierung nicht teil. Sollte im Anschluss die Allgemeinverbindlicherklärung eines solchen bestehenden Tarifvertrags beantragt und das Verfahren vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf das Land übertragen werden, wird das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung als zuständiges Ministerium in dem vom Tarifvertragsgesetz vorgesehenen Verfahren die dann notwendige Befassung des Tarifausschusses herbeiführen und, soweit der Tarifausschuss sein Einvernehmen erklärt, über die Allgemeinverbindlichkeit abschließend entscheiden. 13. Hat die Landesregierung eigene Vorstellungen bezüglich der Inhalte des von ihr angestrebten Tarifvertrags Soziales mit Bezug auf Löhne, Gehälter und Arbeitsbedingungen ? Die Fachkräftesicherung in der Pflege ist ein wichtiges Thema für die Landesregierung. Gute Kräfte können in diesem verantwortungsvollen und fordernden Bereich nur dann gewonnen und gehalten werden, wenn die Anerkennung auch durch eine tarifliche und leistungsgerechte Bezahlung gesichert ist. Die Landesregierung geht davon aus, dass mit dem Abschluss eines Tarifvertrags Soziales neben einer leistungsgerechteren Bezahlung auch bessere Arbeitsbedingungen erreicht werden können. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Tarifvertrags Soziales kann Lohndumping einzelner Anbieter und so eine Konkurrenz auf dem Rücken der Beschäftigten verhindern. 14. Was verbirgt sich konkret hinter der Äußerung von Sozialministerin Reimann: „Abschließen können diesen Tarifvertrag nur die Tarifparteien, aber ich werde mich als Ministerin für eine entsprechende Einigung stark machen.“? Die Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU sieht vor, dass die privaten Anbieterinnen und Anbieter vom Mehrwert des angestrebten Tarifvertrags Soziales und einer den gültigen Tarifverträgen angepassten Entlohnung in der Altenpflege überzeugt werden sollen. Die Umsetzung dieser Vereinbarung ist Aufgabe der Landesregierung, die deshalb beispielsweise in Gesprächen für den Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrags werben kann. Darüber hinaus kann die Landesregierung eine beratende, unterstützende und gegebenenfalls moderierende Rolle einnehmen. 15. Ist es generell ein Anliegen der Landesregierung, mehr Einfluss auf Tarifpartner, Tarifverhandlungen , Tarifausschüsse und Tarifabschlüsse zu erlangen? Nein. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/184 4 16. Wird es in Niedersachsen künftig nur noch Tarifabschlüsse mit dem Segen der Landesregierung geben? Nein. 17. Welche Rolle nimmt die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie in der Wirtschaftsform der sozialen Marktwirtschaft ein? Die Tarifautonomie ist ein Eckpfeiler des deutschen Arbeitsrechtssystems. Sie hat mit zur sozialen Stabilität und erfolgreichen Wirtschaftsentwicklung in Deutschland beigetragen. 18. Wäre eine staatliche Einflussnahme auf Tarifverhandlungen mit der sozialen Marktwirtschaft vereinbar (bitte mit Begründung)? Siehe die Antwort auf Frage 17. 19. In welcher Wirtschaftsform wäre eine staatliche Einflussnahme auf die Besetzung von Tarifausschüssen oder auf die Ergebnisse von Tarifverhandlungen überhaupt denkbar oder möglich? Überlegungen zu theoretischen Wirtschaftsformen sind nicht Aufgabe der Landesregierung. (Verteilt am 19.01.2018) Drucksache 18/184 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Dr. Stefan Birkner, Björn Försterling und Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung GroKo in Niedersachsen - Steht die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie jetzt unter der Kontrolle und dem Zustimmungsvorbehalt der Landesregierung?