Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1872 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz und Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Ölteppich vor Helgoland - Welche Folgen ergeben sich für Niedersachsen? Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz und Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE), eingegangen am 18.09.2018 - Drs. 18/1634 an die Staatskanzlei übersandt am 19.09.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 17.10.2018 Vorbemerkung der Abgeordneten Laut Medienberichten soll Mitte August ein 53 km langer und 300 m breiter Ölteppich westlich von Helgoland auf der Nordsee gesichtet worden sein (NDR, 18.08.2018). Das Havariekommando aus Cuxhaven hatte die Einsatzleitung für den Vorfall übernommen und Ölbekämpfungsschiffe zum Einsatzort geschickt. Zusätzlich kontrollierten ein Ölüberwachungsflugzeug und ein niederländisches Sensorflugzeug das Geschehen. Im weiteren Verlauf soll der Teppich unter die Wasseroberfläche abgesunken sein. Das Havariekommando und die Wasserschutzpolizei vermuteten, dass beigemischtes Reinigungsmittel das Öl veränderte und zum Absinken brachte. Für die Ölbekämpfungsschiffe war das Öl nun nicht mehr zu erreichen. Die European Maritime Safety Agency nahm dennoch weiter Satellitenbilder von der Wasseroberfläche auf. Der Einsatz ist mittlerweile beendet, weil an der Wasseroberfläche keine weiteren Ölverschmutzungen entdeckt werden konnten. Gleichwohl könnte das abgesunkene Öl negative Folgen für betroffene Küstengebiete in Niedersachsen haben. Insulanerinnen und Insulaner und Küstenbewohnerinnen und -bewohner befürchten weitreichende ökologische Folgen durch Anspülungen von Ölklumpen - insbesondere könnten Tiere von Verölungen betroffen sein. Vorbemerkung der Landesregierung Obwohl die Nordsee als Sondergebiet gemäß dem internationalen Abkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL-Übereinkommen) ausgewiesen ist und die Einleitung von Öl oder ölhaltigen Gemischen dort grundsätzlich verboten ist, kommt es zu Verstößen. Auskunft darüber geben die jährlich vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und vom Havariekommando herausgegebenen Berichte. Die Anzahl an beobachteten Vorkommnissen ist gering. Dazu beigetragen haben insbesondere die vom Bundesverkehrsministerium betriebene Luftüberwachung mittels Spezialflugzeugen und eine in der Europäischen Schiffssicherheitsagentur EMSA geführte Satellitenbeobachtung, die eine abschreckende Wirkung erzielen sollen . Gleichwohl schützt auch ein hohes Maß an Abschreckung nicht vor Verstößen gegen geltendes Recht. Die an der deutschen Küste installierten Überwachungsmaßnahmen haben am 17. August 2018 zu der Entdeckung eines Ölteppichs westlich von Helgoland geführt. Das Havariekommando übernahm daraufhin die Gesamteinsatzleitung und entsandte Ölbekämpfungsschiffe des Bundes und der Küstenländer in das betroffene Gebiet. Die zuständigen Behörden wurden zeitnah informiert, um für den Fall von Ölanlandungen und auch für die Versorgung gegebenenfalls kontaminierter Tiere vorbereitet zu sein. Noch am Abend des 17. August und an den folgenden Tagen sind allerdings an der Wasseroberfläche keine Verschmutzungen mehr festgestellt worden. Am 22. August Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1872 2 hat das Havariekommando die Gesamteinsatzleitung abgegeben. Die strafrechtlichen Ermittlungen werden derzeit von der Bundespolizei durchgeführt. 1. Welche Erkenntnisse besitzt die Landesregierung mittlerweile, was und wer die Verunreinigung verursacht hat? Der Landesregierung liegen noch keine Ermittlungsergebnisse der Bundespolizei vor. 2. Um welche Menge Öl handelt es sich bei der Verunreinigung? Nach der Erstmeldung der Verschmutzung durch die Bundespolizei wurde seitens des Sensorflugzeuges Do228 am 17. August um 11:31 Uhr eine Mindestmenge von 50 m3 Öl gemäß dem Bonn Agreement Oil Appearance Code ermittelt und an den Havariestab in Cuxhaven übermittelt. 3. Was unternimmt die Landesregierung, um in Erfahrung zu bringen, was die Ursache für den Ölteppich ist und wie viel Öl in die Nordsee geflossen ist? Die zuständige Ermittlungsbehörde der Bundespolizei wertet die AIS-Daten des Schiffsverkehrs im Unfallgebiet im Zusammenhang mit den Ölanalyseergebnissen des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie aus, um einen möglichen Verursacher zu identifizieren. 4. Welche Folgen hat ein 53 km langer und 300 m breiter Ölteppich, der aufgrund von beigemischten Reinigungsmitteln abgesunken ist, auf Flora und Fauna sowohl in der Nordsee als auch an Land? Vor Ort wurden durch die Ermittlungsbehörden verschiedene Schmutz- und Klarwasserproben gezogen , die u. a. im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg untersucht werden. Im aktuellen Fall wurde dem Öl nach erster Einschätzung der Wasserschutzpolizei vor Ort vermutlich ein Reinigungsmittel zugeführt. Dies kann ein Grund gewesen sein, warum die Ölverschmutzung relativ schnell von der Wasseroberfläche verschwand. Das Reinigungsmittel sorgt u. a. dafür, dass ein auf der Wasseroberfläche treibender Ölfilm leichter in die Wassersäule eingetragen werden kann. Das Öl wird somit von der Wasseroberfläche in die oberen Meter der Wassersäule transferiert . Im Wasser kann das Öl von ölzehrenden Bakterien abgebaut werden. Gleichzeitig findet in der Wassersäule und durch die Strömung eine Verdünnung des eingetragenen Öls statt. Die im Einsatzgebiet vorherrschende Wassertiefe von mehr als 20 m begünstigt diesen natürlichen Abbau des Öls, sodass Anlandungen im ca. 25 km entfernten Wattenmeer recht unwahrscheinlich sind. Die Driftberechnungen des BSH in Hamburg bestätigen diese Annahme. Jedoch kann in Abhängigkeit von den wechselnden Wetterbedingungen nicht ausgeschlossen werden, dass künftig geringe Mengen gealterten Öls wieder auftauchen. Über Auswirkungen der im Wasser fein verteilten Reste von Öl und Reinigungsmittel auf Meeresorganismen aller Art liegen der Landesregierung keine konkreten Erkenntnisse vor. 5. Welche Folgen haben insbesondere Insulanerinnen und Insulaner und Küstenbewohnerinnen und -bewohner in Niedersachsen möglicherweise zu erwarten? Die Modellrechnungen des BSH zeigen eine vorherrschende Driftrichtung von Nord-Ost, sodass eine Beeinträchtigung der niedersächsischen Küsten unwahrscheinlich ist. Es sind keine Folgen für die Insulanerinnen und Insulaner und Küstenbewohnerinnen und Küstenbewohner zu erwarten. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1872 3 6. Was unternimmt die Landesregierung, um mögliche betroffenen Regionen, die dort lebenden Menschen und die dort ansässigen Behörden auf mögliche Verunreinigungen und Maßnahmen, die zu ergreifen sind, vorzubereiten? Niedersachsen ist Partner der Bund-Länder-Vereinbarung über die Bekämpfung von Meeresverschmutzungen . Zweck dieser Vereinbarung ist die Vorbereitung und Durchführung gemeinsamer Maßnahmen durch Bund und Küstenländer, um durch Schadstoffe drohende oder bereits eingetretene Verschmutzungen von Ufern, Gewässern und Stränden zu bekämpfen. Im Rahmen der maritimen Notfallvorsorge wird eine Vielzahl an Spezialschiffen, Fahrzeugen und Geräten an der deutschen Nord- und Ostseeküste betrieben und unterhalten. Im Rahmen des Bund-Länder-finanzierten Jahresübungs- und Schulungsplans können Übungen von und mit den im Schadstoffunfall beteiligten Stellen stattfinden, um auf Schadenslagen professionell vorbereitet zu sein. Diese Übungen werden regelmäßig durchgeführt und u. a. durch das Havariekommando und den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) unterstützt. Darüber hinaus informieren das Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (MU) und, soweit Belange des Tierschutzes betroffen sind, der Ressortbereich des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML), die vor Ort zuständigen Behörden (Kommunen, NLWKN u. a.) mittels Erfahrungsaustausch sowie Dienstbesprechungen über die jeweils aktuellen Themen der Schadstoffunfallbekämpfung an der Küste. Im Falle eines komplexen Schadstoffunfalles übernimmt das Havariekommando in Cuxhaven die Einsatzleitung und leitet alle nötigen Bekämpfungsmaßnahmen ein. Hierzu gehören auch die Pressearbeit und die Information der vor Ort ansässigen Behörden über festgelegte Meldewege. 7. Wer genau ist für gegebenenfalls verölte Tiere an niedersächsischen Küstenabschnitten und auf den niedersächsischen Inseln zuständig? Die Federführung für die Schadstoffunfallbekämpfung im Rahmen der maritimen Notfallvorsorge obliegt in Niedersachsen dem MU, hierzu gehören grundsätzlich auch Fragen zum Umgang mit verölten Tieren. Für tierschutzrechtliche Belange verbleibt die Ressortzuständigkeit beim ML, das insofern eingebunden wird. Ein Erlass des ML zum Umgang mit krank, verletzt oder hilflos aufgefundenen wildlebenden Tieren in den Wattenjagdbezirken an der niedersächsischen Nordseeküste mit der zugehörigen Leitlinie zum Umgang mit kontaminierten wildlebenden Tieren an der niedersächsischen Nordseeküste bei Großschadensereignissen ist im Jahr 2014 im Niedersächsischen Ministerialblatt (Nds. MBl. S. 965) veröffentlicht worden. Mit dem Erlass und der zugehörigen Leitlinie liegt - auch für den Fall einer größeren Schadenslage - eine Rahmenplanung zum Umgang mit kontaminierten Tieren vor, die die Basis für ein koordiniertes Handeln aller Beteiligten im Fall eines Schadensereignisses darstellt. Die örtliche Einsatzleitung bei einem Schadstoffunfall obliegt dem NLWKN sowie der zuständigen Kommunalbehörde: Der NLWKN ist im niedersächsischen Küstengewässer (unterhalb der mittleren Tide-Hochwasserlinie, MTHW-Linie) und in den Unterläufen von Ems, Weser und Elbe bis zur 12-Seemeilenzone für die Bekämpfung von Schadstoffunfällen zuständig. Oberhalb der MTHW- Linie sind die Kommunalbehörden als Gefahrenabwehrbehörden zuständig. Im Fall von komplexen Schadenslagen übernimmt das Havariekommando die Gesamteinsatzleitung. Die Veterinärbehörden sind bei tierschutzrelevanten Maßnahmen, wie z. B. der Sicherstellung tierschutzgerechter Wildtiertransporte vom Strand zur Erstaufnahmestation, der Führung einer Erstaufnahmestation und der Behandlung der Tiere nach ihrem Eintreffen in einer solchen Station, zuständigkeitshalber einzubinden. Die niedersächsischen Nordseeinseln sind den Gebietskörperschaften des Festlands zugeordnet. Dabei sind im Fall verölter Tiere für Borkum der Landkreis Leer, für Juist, Norderney und Baltrum der Landkreis Aurich, für Langeoog und Spiekeroog der Landkreis Wittmund und für Wangerooge der Landkreis Friesland zuständig. Die kreisfreien Inseln werden im Ereignisfall entsprechend ihrer geographischen Lage betreut, d. h. insbesondere die Insel Memmert vom Landkreis Aurich und Mellum vom Landkreis Friesland. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1872 4 8. Welche niedersächsischen Inseln verfügen über Tierärzte und welche nicht? Tierarztpraxen gibt es auf Borkum und auf Norderney. Die übrigen niedersächsischen Inseln verfügen über keine dort niedergelassenen Tierärztinnen oder Tierärzte. 9. Wer ist zuständig für gegebenenfalls verölte Tiere, wenn es keinen Tierarzt gibt, der zur Hilfe gerufen werden kann? Sofern verölte Tiere vorgefunden werden, sollte die zuständige Behörde informiert werden, auf den Inseln gegebenenfalls die Gemeindeverwaltung. Von dort werden die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden. Auf keinen Fall sollte ein betroffenes Tier eigenständig an sich genommen oder ein Versorgungsversuch unternommen werden. Dieses kann aufgrund der Natur des Öls gesundheitsgefährdend, aufgrund artenschutzrechtlicher Bestimmungen strafbar und aufgrund des Umgangs mit dem Tier dessen Leiden erhöhend und somit tierschutzwidrig sein. Bei verölten Tieren, die in niedersächsischen Küstengebieten vorgefunden werden, handelt es sich nahezu ausschließlich um Tiere besonders geschützter Arten, denen jede Annäherung von Menschen aufgrund ihrer eingeschränkten Fluchtmöglichkeit Stress verursacht. Das kontaminierende Öl ist häufig hochgiftig und von zäher Konsistenz. Deshalb ist eine Behandlung solcher Tiere sowohl aus Tierschutzgründen als auch zum Schutz der handelnden Personen aus Arbeitsschutzgründen ausschließlich von Spezialisten in hierfür besonders ausgestatteten Räumlichkeiten durchzuführen. 10. Wer trägt die Kosten für Einsätze bei verölten Tieren? Im Rahmen eines komplexen Schadstoffunfalls werden die Kosten vom Bund und von den fünf Küstenländern gemäß Vereinbarung über die Bekämpfung von Meeresverschmutzungen getragen, sofern der Verursacher dieser Verschmutzungen nicht ermittelt werden kann. Kann ein Verursacher ermittelt werden, werden die Kosten bei diesem geltend gemacht. Unterhalb eines komplexen Schadstoffunfalls tragen das Land und die Kommunalbehörden wie unter Frage 6 beschrieben die Kosten, sofern der Verursacher nicht ausfindig gemacht werden kann. 11. In welcher Weise hat die Landesregierung aus den Erfahrungen mit der Havarie der Glory Amsterdam im Herbst 2017 gelernt und ist für einen Vorfall wie den über 50 km langen Ölteppich auf der Nordsee im vergangenen August besser aufgestellt und vorbereitet ? Die Schadenslage „Glory Amsterdam“ ist mit dem Schadstoffunfall vor Helgoland nicht vergleichbar . Die Ölbekämpfungsschiffe und weiteres Schadstoffunfallbekämpfungsgerät des Bundes und der Küstenländer sind für auf der Wasseroberfläche schwimmendes Öl ausgerüstet und wären zum Einsatz gekommen, sofern es sich um eine bekämpfungswürdige Schadenslage gehandelt hätte. Die Havarie der Glory Amsterdam ist im Übrigen noch nicht zu den Akten gelegt worden. Die Landesregierung erwartet dringend den Abschlussbericht der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchungen , um sich daraus ein eigenes Bild zu machen und gegebenenfalls die erforderlichen Konsequenzen ziehen zu können. (Verteilt am 18.10.2018) Drucksache 18/1872 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz und Detlev Schulz-Hendel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Ölteppich vor Helgoland - Welche Folgen ergeben sich für Niedersachsen?