Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1882 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Försterling (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Unterhaltsvorschuss - Nicht zahlende Elternteile mit Fahrverboten sanktionieren? Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Försterling (FDP), eingegangen am 12.09.2018 - Drs. 18/1642 an die Staatskanzlei übersandt am 19.09.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 19.10.2018 Vorbemerkung der Abgeordneten Wenn die Väter oder Mütter nicht zahlen wollen, nicht zahlen können oder nicht auffindbar sind, greift der Staat ein und zahlt Unterhaltsvorschüsse an die Alleinerziehenden. Bis Mitte 2017 hatte jedes Kind bis einschließlich 12 Jahre Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse, jedoch nur für maximal 72 Monate. Die Neuregelung des Jahres 2017 beinhaltet, dass Kinder bis zu ihrem vollendeten 18. Lebensjahr Anspruch auf Unterhalt haben. Das bedeutet, wenn ein Elternteil 18 Jahre lang keinen Unterhalt zahlt, zahlt 18 Jahre lang der Staat (vgl. https://www.ms.nieder sachsen.de/themen/familie/unterhaltsvorschuss/unterhaltsvorschuss--eine-hilfe-fuer-allein-erziehen de-14301.html). Für Kinder bis 6 Jahre bekommen die alleinerziehenden Elternteile 154 Euro/Monat, bis 12 Jahre dann 205 Euro/Monat und bis 18 Jahre 273 Euro/Monat. Die Höhen der Unterhaltsvorschüsse liegen deutlich unter dem Mindestsatz an Unterhalt, den ein Elternteil normalerweise bezahlen muss. Um die 40 % der Alleinerziehenden leben zurzeit an der Armutsgrenze. Über 300 000 Kinder mehr als vor der Unterhaltsvorschussreform 2017 beziehen Unterhaltszahlungen . Die Reform kostet rund 350 Millionen Euro. Bund und Länder haben sich darauf verständigt , dass der Bund seine Beteiligung an den Kosten von 33,5 % auf 40 % erhöht. (https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/ausweitung-des-unterhaltsvorschusses- /113572). Die Unterhaltszahlungen werden jedoch nur vorgestreckt und müssen theoretisch von den nicht zahlenden Elternteilen zurückgezahlt werden. Von 100 Euro werden momentan allerdings im Schnitt nur 23 Euro zurückgezahlt. Diese Rücklaufquote von 23 % bedeutet, dass der Staat 77 % der Kosten für Unterhaltsvorschüssen trägt, das entspricht im Jahr 2016 allein schon ca. 662 Millionen Euro (vgl. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/viele-getrennt-lebende-vaeter-zahlenkeinen -unterhalt-15288366.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0). In 88 % der Fälle sind Frauen alleinerziehend und Männer müssen Unterhalt zahlen. Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge erhält etwa die Hälfte der Alleinerziehenden kein Geld von ihrem Expartner. Ein weiteres Viertel bekommt zwar etwas, doch nur jeder vierte Unterhaltspflichtige begleicht den vollständigen Betrag (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/vielegetrennt -lebende-vaeter-zahlen-keinen-unterhalt-15288366.html?printPagedArticle=true#pageIn dex_0). Aufgrund dessen kündigte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) für nicht zahlende Elternteile ein Fahrverbot an (vgl. http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/unterhaltsvorschussgiffey -droht-mit-fahrverboten-fuer-zahlungsunfaehige-eltern-a-1224471.html). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1882 2 Vorbemerkung der Landesregierung Mit dem Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfalleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz) soll den Schwierigkeiten begegnet werden, die alleinstehende Elternteile und ihre Kinder haben, wenn der andere Elternteil sich den Zahlungsverpflichtungen gegenüber einem unterhaltsberechtigten Kind entzieht, zu Unterhaltszahlungen ganz oder teilweise nicht in der Lage ist oder wenn er verstorben ist. Nach der Idee des Gesetzgebers ist daher ein Teil der gesetzlichen Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) eine Ausfallleistung und kann nicht über den Rückgriff wieder eingenommen werden. Das ist der Fall, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil verstorben ist, aber auch, wenn dieser nicht leistungsfähig (§ 1603 BGB) ist. Eine Rückholquote von 100 % ist deshalb bereits nach der Intention des Gesetzgebers nicht möglich. 1. Wie viele Alleinerziehende gibt es in Niedersachsen? Dem Mikrozensus des Landesamts für Statistik Niedersachsen ist zu entnehmen, dass es im vergangenen Jahr 244 400 Alleinerziehende in Niedersachsen gab. Im Jahr 2016 waren es 260 800. Die Zahlen für 2018 liegen noch nicht vor. 2. An wie viele der Alleinerziehenden müssen Unterhaltsvorschüsse gezahlt werden? Diese Zahl wird nicht erhoben, weil nach dem UVG die Kinder und nicht ihre alleinerziehenden Elternteile anspruchsberechtigt sind. Aktuell sind 80 825 Kinder im Bezug. Die Fallzahlen für die vorangegangenen Jahre lauten zum Stichtag 31. Dezember jeweils wie folgt: Jahr Kinder im Bezug 2017 66 576 2016 42 819 2015 43 763 2014 44 816 3. Wie viele Unterhaltsvorschüsse werden in Niedersachsen jährlich insgesamt gezahlt (bitte in Jahren aufgelistet ab 2014)? Die Gesamtsumme der Unterhaltsvorschüsse, die in Niedersachsen in den Jahren 2014 bis 2017 gezahlt worden sind, lässt sich wie folgt darstellen (Bundes-, Landes- und kommunaler Anteil zusammen ): Jahr Unterhaltsvorschüsse 2017 108 069 195 Euro 2016 85 229 567 Euro 2015 85 473 310 Euro 2014 84 818 673 Euro 4. Mit welchen konkreten Sanktionen und Verboten müssen nicht zahlenden Elternteilen in Niedersachsen rechnen? Die Verletzung der Unterhaltspflicht ist unter bestimmten Voraussetzungen nach § 170 des Strafgesetzbuchs (StGB) strafbewehrt. Darüber hinaus gibt es weitere Verpflichtungen nach dem UVG, die bei Nichtbeachtung eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 UVG handelt der nicht zahlende Elternteil ordnungswidrig, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig seinen Pflichten nach § 6 Abs. 1 UVG nicht nachkommt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden. Im Rahmen einer flächendeckenden Geschäftsprüfung aller niedersächsischen UV-Stellen aus Januar 2018 ist die Frage, ob ein Verstoß gegen Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1882 3 die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten grundsätzlich mit einer Verwarnung oder einem Bußgeld geahndet wird, von 16,4 % der UV-Stellen mit ja beantwortet worden. 5. Wie stellt sich die Landesregierung die Umsetzung, Einhaltung und Kontrolle der Verbote und Sanktionen vor? Die flächendeckende Geschäftsprüfung aller niedersächsischen UV-Stellen aus Januar 2018 hat ergeben, dass vor allem die Unterhaltsvorschussstellen, die eine Rückgriffsquote von unter 20 % aufweisen, keine Verfahren nach § 10 UVG einleiten. Der mit der Geschäftsprüfung festgestellte Zusammenhang zwischen Ahndung der Pflichtverletzung und Erfolg in der Heranziehung lässt vermuten, dass mit der Verhängung einer Verwarnung oder eines Bußgeldes ein „Erziehungseffekt“ eintritt, der die Zahlungsbereitschaft der barunterhaltspflichtigen Elternteile positiv begünstigt. Die Fachaufsicht beim Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung hat deshalb bei der Erarbeitung von Standards für die Heranziehung dieses Ergebnis mit einfließen lassen. Die Verfolgung von Taten nach § 170 StGB obliegt den Strafverfolgungsbehörden. 6. Wie steht die Landesregierung zur Forderung eines Fahrverbots? Nach der derzeit geltenden Rechtslage ist bereits in Fällen einer Tatbegehung nach § 170 StGB auch die Anordnung eines Fahrverbots gemäß § 44 StGB möglich, wenn dies zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich erscheint oder hierdurch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder deren Vollstreckung vermieden werden kann. Dessen ungeachtet ist ein Fahrverbot im Kontext des § 10 UVG als weiteres Reaktionsmittel dann aus familienpolitischer Sicht zu begrüßen, wenn durch das Fahrverbot im Einzelfall nicht die Erwerbtätigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils gefährdet wird. (Verteilt am 22.10.2018) Drucksache 18/1882 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Försterling (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Unterhaltsvorschuss - Nicht zahlende Elternteile mit Fahrverboten sanktionieren?