Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1918 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Imke Byl (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung Gefahrenstofflager in Hillerse: Welche Risiken sieht die Landesregierung? Anfrage der Abgeordneten Imke Byl (GRÜNE), eingegangen am 03.09.2018 - Drs. 18/1698 an die Staatskanzlei übersandt am 27.09.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 23.10.2018 Vorbemerkung der Abgeordneten Im Juli brannte in Westerstede eine landwirtschaftlich genutzte Halle, in der Düngemittel gelagert wurde. Wegen der Entwicklung gefährlicher Gase wurden 27 Menschen ins Krankenhaus gebracht .1 In Hillerse im Landkreis Gifhorn wurde ein Gefahrenstofflager gebaut. Die Raiffeisen Waren GmbH will ein Lager für Pflanzenschutzmittel errichten und hat eine Genehmigung für die Lagerung von sehr giftigen, giftigen, brandfördernden oder explosionsgefährlichen Stoffen oder Gemischen erhalten . In unmittelbarer Nähe des Gefahrenstofflagers befindet sich bereits eine Biogasanlage, die kürzlich um einen weiteren Gastank erweitert wurde.2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Raiffeisen Waren GmbH hat am 21.09.2015 die Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Gefahrstofflagers beantragt. Gleichzeitig wurde die Zulassung des vorzeitigen Beginns für Fundament- und Rohbauarbeiten beantragt. Die Zulassung des vorzeitigen Beginns für die Errichtung wurde am 10.12.2015 erteilt. Die abschließende Genehmigung wurde am 08.06.2016 erteilt. Die Inbetriebnahme der Anlage erfolgte am 07.12.2016. 1. Welche Stoffe sollen in dem geplanten Gefahrenstofflager gelagert werden? Die Genehmigung umfasst zahlreiche Stoffe, die folgenden Lagerklassen gemäß den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 510 zuzuordnen sind: Lagerklasse (LGK) Beschreibung 3 entzündbare flüssige Stoffe 4.3 Gefahrstoffe, die in Berührung mit Wasser entzündliche Gase bilden 6.1A brennbare, akut toxische Stoffe 6.1B nicht brennbare, akut toxische Stoffe 6.1C brennbare, akut toxische oder chronisch wirkende Stoffe 6.1D nicht brennbare, akut toxische oder chronisch wirkende Stoffe 1 NOZ vom 13.07.2018, https://www.noz.de/deutschland-welt/niedersachsen/artikel/1395912/hallenbrand-inwesterstede -27-menschen-im-krankenhaus 2 RegionalPeine vom 19.02.2018, https://regionalpeine.de/gefahrstofflager-in-hillerse-rechtmaessigeerrichtung / Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1918 2 Lagerklasse (LGK) Beschreibung 8A brennbare ätzende Gefahrstoffe 8B nicht brennbare ätzende Gefahrstoffe 10 brennbare Flüssigkeiten soweit nicht LGK 3 11 brennbare Feststoffe 12 nicht brennbare Flüssigkeiten 13 nicht brennbare Feststoffe 10 - 13 sonstige brennbare und nicht brennbare Stoffe 2. Was ist die genehmigte Höchstmenge zu lagernder Stoffe? Die genehmigte Höchstmenge beträgt 576 t in drei Lagerabschnitten zu je 192 t. Die Lagerung sehr giftiger und giftiger Stoffe in allen Lagerabschnitten ist auf eine Menge von insgesamt < 200 t begrenzt . 3. Hält die Landesregierung ein Gefahrenstofflager dieser Größe in Hillerse für erforderlich ? Im Rahmen eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens ist nicht zu prüfen, ob die beantragte Anlage erforderlich ist. Es stellt sich ausschließlich die Frage nach der Genehmigungsfähigkeit und der Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen gemäß § 6 BImSchG. Werden die Genehmigungsvoraussetzungen von der Antragstellerin erfüllt, ist die Genehmigung zu erteilen. Hier hat die zuständige Genehmigungsbehörde kein Ermessen. Die Genehmigungsfähigkeit wurde im Rahmen des Genehmigungsverfahrens bejaht und daher die Genehmigung erteilt. 4. Welche Gefahren gehen im Fall eines Brandes von dem Gefahrenstofflager aus? Im Falle eines Brandes im Gefahrstofflager ist mit der Ausbreitung von Brandgasen zu rechnen. Gemäß der Betrachtung im Sicherheitsbericht ist aber schon bei einem Abstand von 200 m der ERPG-2-Wert3 unterschritten. Jegliche geschlossene Wohnbebauung und Einzelhäuser sowie Naturschutz - und Überschwemmungsgebiete liegen mit > 1 000 m in deutlich größeren Entfernungen, sodass eine Gefährdung schutzwürdiger Nutzungen als ausgeschlossen angesehen werden kann. Das Gefahrstofflager ist mit einer automatischen Brandmeldeanlage und einer automatischen CO2- Löschanlage ausgerüstet. Bei einer Auslösung der Löschanlage werden alle baulichen Öffnungen nach außen und zwischen den Lagerabschnitten geschlossen, und der auslösende Lagerbereich wird mit CO2 geflutet. Damit ist eine Gefährdung der benachbarten Biogasanlage durch einen Brand im Gefahrstofflager nicht zu besorgen. 5. Welche Gase würden im Falle eines Brandes freigesetzt? Gemäß Sicherheitsbericht ist im Brandfall mit der Freisetzung von Brandgasen zu rechnen, die die Bestandteile Halogenwasserstoffe, Schwefeloxide, Stickoxide, Phosphoroxide, Cyanwasserstoff, Isocyanate und Kohlenmonoxid enthalten können. 6. Welche Notfallpläne liegen vor, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Anwohnerinnen und Anwohner im Falle eines Brandes zu schützen? Das Gefahrstofflager verfügt über einen Alarm- und Gefahrenabwehrplan vom 15.02.2017 und einen Feuerwehrplan vom November 2016. 3 Der ERPG-2 Wert beschreibt die maximale luftgetragene Konzentration unterhalb derer angenommen wird, dass Individuen dieser eine Stunde ausgesetzt werden können, ohne dass ihnen irreversible oder andere gravierende Gesundheitseffekte widerfahren, die ihre Fähigkeit beeinträchtigen können, Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1918 3 7. Wie wurden die Risiken der Transporte von Gefahrenstoffen in das geplante Lager überprüft? Die Genehmigung umfasst ausschließlich die passive Lagerung von gefahrgutrechtlich zugelassenen Gebinden. Ein Umfüllen oder Umverpacken der angelieferten Stoffe war nicht Gegenstand des Genehmigungsantrags und findet nicht statt. Die angelieferten Stoffe entsprechen hinsichtlich Einstufung , Kennzeichnung und Verpackung der CLP-Verordnung4 und unterliegen beim An- und Abtransport parallel den gefahrgutrechtlichen Vorschriften. Besondere Gefahren durch den Transport der Stoffe sind daher nicht zu unterstellen. 8. Liegen der Landesregierung Kenntnisse darüber vor, ob das Genehmigungsverfahren vom Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig angesichts der bevorstehenden Novellierung der Seveso-III-Richtlinie beschleunigt bzw. mit besonderer Priorität behandelt wurde? Eine beschleunigte Durchführung des Genehmigungsverfahrens, um möglichen Anforderungen der Seveso-III-Richtlinie zu umgehen, fand nicht statt. Im Gegenteil wurden bereits die Anforderungen aus der Seveso-III-Richtlinie in diesem Genehmigungsverfahren unmittelbar angewendet, was zu einer längeren Verfahrensdauer führte. Aus der Anwendung der Anforderungen der Seveso-III- Richtlinie ergab sich neben der Einstufung des Betriebes in die obere Klasse (alt: erweiterte Pflichten ) der Störfall-Verordnung (z. B. Erstellung eines Sicherheitsberichts) auch das Erfordernis, das Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. 9. Trifft es zu, dass das Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig - wie in der WAZ vom 03.03.2018 dargestellt5 - hohe Pro-Kopf-Gebühren für die Bearbeitung eines Sammelwiderspruchs angekündigt hat, was Betroffene in der Konsequenz davon abhielt, ihre Interessen im Genehmigungsverfahren zu vertreten? Falls ja, ist diese Vorgehensweise gängige Praxis? Eine entsprechende Beschwerde gegen eine vermutete Gebührenerhebung wurde beim Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig eingelegt. Der Beschwerdeführer brachte vor: „Ein Sammelwiderspruch mit 32 Unterzeichnern wurde mit der Drohung von bis zu 3 000 Euro Bearbeitungsgebühren pro Unterzeichner unterdrückt.“ Diese Aussage ist hinsichtlich des Sachverhalts „bis zu 3 000 Euro Bearbeitungsgebühren pro Unterzeichner “ missverständlich und hinsichtlich der Wertung als „Drohung“ falsch. Richtig ist, dass wegen der Nicht-Rechtsfähigkeit der Bürgerinitiative 32 Widersprüche vorlagen. Richtig ist auch, dass nach Nr. 110.6.1.3 ALLGO (in der seinerzeit gültigen Fassung) für den erfolglosen Widerspruch eines „Dritten“ (hier = eines Nachbarn des Gefahrstofflagers) ein Gebührenrahmen von 30 bis 3 000 Euro festgelegt war. Der Beschwerdeführer lässt jedoch unberücksichtigt, dass die Mitglieder der Bürgerinitiative untereinander die privatrechtliche Vereinbarung hätten treffen können, dass nur eines ihrer Mitglieder sein Widerspruchsverfahren fortführt und dass eventuelle Kosten von allen Mitgliedern gemeinsam getragen werden. Für alle zurückgenommenen Widersprüche wurden, wie zugesichert wurde, keine Kosten erhoben. Die für den einzigen verbleibenden Widerspruch - im Falle seiner Erfolglosigkeit - entstehenden Gebühren von höchstens 3 000 Euro hätten auf 32 Personen aufgeteilt werden können, hätten also höchstens (3 000:32=) ca. 95 Euro (einschließlich Auslagen) pro Person betragen. Auch die im Falle eines folgenden, gegebenenfalls erfolglosen Klageverfahrens entstehenden Kosten hätten die 4 Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen - CLP-Verordnung (Regulation on Classification, Labelling and Packaging of Substances and Mixtures 5 vgl. WAZ vom 03.03.2018, http://www.waz-online.de/Gifhorn/Meinersen/Hillerse-Kritik-von-Gefahrstofflager- Gegnern-an-Amt Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1918 4 Mitglieder gemeinsam tragen können, wenn sie sich zu einer entsprechenden privatrechtlichen Vereinbarung hätten entschließen können. Die Information über die Höhe der Gebühren für die Widerspruchsverfahren erfolgte auf ausdrücklichen Wunsch von insbesondere zwei Sprecherinnen der Bürgerinitiative, die das Kostenrisiko einschätzen wollten. Es wurde keineswegs mit Widerspruchskosten „gedroht“. In dem freiwilligen und nicht mit Auslagen oder mit Zeitaufwand für die Gebührenbemessung veranschlagten Gespräch mit den Mitgliedern der Bürgerinitiative am 19.09.2016 wurde - ergänzend zum Erörterungstermin und über die im Genehmigungsbescheid begründete Auswertung der Einwendungen hinaus -, auf die von den Teilnehmenden bekräftigten oder ergänzten Einwendungen geantwortet. Nach einer mehrmonatigen Bedenkzeit haben sich schließlich alle 32 Widerspruchsführerinnen und Widerspruchsführer dafür entschieden, ihre Widersprüche nicht aufrechtzuerhalten. Es liegt daher keinesfalls eine „Unterdrückung“ eines Sammelwiderspruchs vor, sondern im Gegenteil eine Anwendung des Gebührenrechts, die den Anliegen der Mitglieder der Bürgerinitiative entgegenkam, indem ihnen eine Abschätzung der Erfolgsaussichten und des Kostenrisikos gegeben wurde und außerdem für die zurückgenommenen Widersprüche keine Kosten erhoben wurden. (Verteilt am 24.10.2018) Drucksache 18/1918 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Imke Byl (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Gefahrenstofflager in Hillerse: Welche Risiken sieht die Landesregierung?