Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1974 neu*) 1 _________________ *) Die Drucksache 18/1974 - verteilt am 30.10.2018 - ist durch diese Fassung zu ersetzen. In der Antwort auf Frage 1 wurde die Zeile „SGB Dahlenburg …“ gelöscht. Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Zwischenbilanz der niedersächsischen Entschuldungsprogramme Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 27.09.2018 - Drs. 18/1712 an die Staatskanzlei übersandt am 01.10.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 26.10.2018 Vorbemerkung des Abgeordneten Seit 2010 gibt es die sogenannten Zukunftsverträge. Die darin enthaltenen Entschuldungshilfen wurden 2013 bereits auf 2,048 Milliarden Euro aufgestockt. Dieses Geld geht an Kommunen mit hohen Liquiditätskrediten, welche die Kredite von anfangs 2,4 Milliarden Euro (2010) auf 660 Millionen Euro (2016) tilgen konnten (vgl. NST-N 2/2018, S. 12). Trotz der Tilgungen gibt es immer noch Kommunen mit sehr hohen Liquiditätskrediten. Laut NST-N (2/2018: S. 13) liegen bei 55 von 446 Kommunen (12 %) zurzeit die Kredite bei über 500 Euro /Einwohner und bei 20 von 446 Kommunen (4 %) sogar bei über 1 000 Euro/Einwohner. Von den 55 Kommunen haben bereits 17 schon einmal Entschuldungshilfen erhalten, bei 9 Kommunen stagnieren die Beiträge. Die restlichen 38 der 55 Kommunen sind bisher ohne Entschuldungsvertrag , bei 32 davon steigen die Liquiditätskredite stetig, bei einigen sogar um bis zu 100 %. 35 der 38 Kommunen befinden sich in problematischen Haushaltslagen, wobei knapp die Hälfte überdurchschnittliche Steuereinnahmekräfte hat und die andere Hälfte jedoch noch „nicht mal dem Strukturbild der 70er-Jahre“ (vgl. ebd., S. 23) entspreche. Die 35 mit problematischen Haushaltslagen und die 9 Kommunen mit stagnierenden Beiträgen kommen auf insgesamt 1,309 Milliarden Euro Liquiditätskredite. Das entspricht genau 58 % der Gesamtsumme der Liquiditätskredite. Hinzu kommen noch die restlichen 660 Millionen Euro Liquiditätskredite , die seit 2010 noch nicht abgebaut werden konnten. Vorbemerkung der Landesregierung Am 17.12.2009 unterzeichneten die Landesregierung und die kommunalen Spitzenverbände eine gemeinsame Erklärung zur Zukunftsfähigkeit der niedersächsischen Kommunen (sogenannter Zukunftsvertrag ). Kernelement des Zukunftsvertrags war der Aufbau eines gemeinsamen Entschuldungsfonds , aus dem hochverschuldete Kommunen nachhaltig konsolidiert werden sollten. Der Entschuldungsfonds wurde zunächst mit 1,26 Milliarden Euro ausgestattet und im Jahr 2013 auf 2,048 Milliarden Euro erhöht. Aus diesen Mitteln wurden bis Oktober 2016 insgesamt 45 Zukunftsverträge und zehn Stabilisierungsvereinbarungen mit Kommunen unterzeichnet. Flankierend hatte das MI bis zu diesem Zeitpunkt 18 Entschuldungshilfen in Form von kapitalisierten Bedarfszuweisungen mit einem Volumen von 73 Millionen Euro bewilligt. Nach dem Ende der knapp siebenjährigen Laufzeit der Entschuldungsprogramme hat das MI eine erste Bilanz über die Maßnahmen gezogen. Diese Zwischenbilanz vom 18.08.2017 wurde am 22.09.2017 in der Presse bekannt gegeben; zudem wurde sie vom Niedersächsischen Städtetag in der Ausgabe 2/2018 der NST-Nachrichten (S. 13 bis 27) veröffentlicht. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1974 2 Die Zwischenbilanz gibt zunächst einen Rückblick auf die Entstehung und (Fort-)Entwicklung der Entschuldungsprogramme. Zudem wird die Haushaltsentwicklung der betroffenen Kommunen anhand statistischer Kennzahlen analysiert und die Wirksamkeit der Entschuldungs- und einhergehenden Konsolidierungsmöglichkeiten bewertet. Im Ergebnis konnten eine insgesamt erfolgreiche Umsetzung der Maßnahmen sowie eine positive Haushaltsentwicklung bei fast allen entschuldeten Kommunen festgestellt werden. Bis auf wenige Ausnahmen können alle betroffenen Kommunen die vereinbarten Haushaltsziele erreichen. Der bislang stetige Anstieg ihrer Liquiditätskredite wurde meist nicht nur gestoppt, sondern umgekehrt. Darüber hinaus wirken sich die Maßnahmen auch positiv für nicht entschuldete Kommunen aus: Zum einen wurde das Bedarfszuweisungsverfahren spürbar entlastet, zum anderen profitieren kreisangehörige Gemeinden von gesunkenen Kreisumlagehebesätzen bei mehreren entschuldeten Landkreisen. Im Rahmen der Zwischenbilanz wurde allerdings auch geprüft, inwieweit die Finanzentwicklung aller niedersächsischen Kommunen weiteren Nachsteuerungsbedarf erkennen lässt. Die Ergebnisse mündeten in erste Lösungsansätze, deren Umsetzung derzeit u. a. in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden geprüft und realisiert wird. Die Zwischenbilanz vom 18.08.2017 basierte auf statistischen Daten zum Stichtag 31.12.2016. Da inzwischen aktuellere Daten vorliegen und zudem vier weitere Entschuldungsmaßnahmen umgesetzt wurden, können die in den nachfolgenden Antworten genannten Daten teilweise von denen der inzwischen über ein Jahr alten Zwischenbilanz abweichen. 1. Welche Kommunen haben zurzeit Liquiditätskredite über 500 Euro/Einwohner (bitte Kommunen mit Höhe angeben)? Zum Stichtag 30.06.2018 haben die nachfolgenden 36 Kommunen Liquiditätskredite1 von über 500 bis 1 000 Euro je Einwohner aufgewiesen: Kommune Liquiditätskredite am 30.06.2018 in Euro je Einwohner in Euro SGB Elm-Asse 18.093.348 983,12 Bad Grund (Harz) 7.900.000 935,91 Obernkirchen, Stadt 8.611.445 922,49 Coppenbrügge, Flecken 6.500.000 920,55 Ritterhude 13.500.000 919,49 Pattensen, Stadt 13.000.000 893,53 Grasberg 6.900.000 890,55 Worpswede 8.000.000 862,81 Eschede 5.000.000 854,99 Schladen-Werla 7.500.000 853,92 SGB Boffzen 5.825.600 853,32 Braunlage, Stadt 5.000.000 836,40 LK Holzminden 59.000.000 826,62 Bad Sachsa, Stadt 5.955.000 800,73 Schöningen, Stadt 9.048.854 793,69 Osterode am Harz, Stadt 16.500.000 752,22 Faßberg 4.500.000 728,39 Bomlitz 5.000.000 713,06 Herzberg am Harz, Stadt 9.200.000 703,47 Staufenberg 5.500.000 702,79 Osnabrück, Stadt 114.575.391 700,29 LK Helmstedt 61.473.364 670,27 1 Quelle: Ergebnisse der vierteljährlichen Kassenstatistik für Niedersachsen, 2. Quartal 2018, vom Niedersächsischen Landesamt für Statistik (GFK LMI 1 J2018 Q2). Die Liquiditätskredite umfassen die Kredite aus dem nicht-öffentlichen Bereich und aus dem öffentlichen Bereich einschließlich cash-pooling (Liquiditätsverbindlichkeiten im Rahmen eines Kassenverbundes, beispielsweise samtgemeindeintern oder mit Einrichtungen und Unternehmen). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1974 3 Kommune Liquiditätskredite am 30.06.2018 in Euro je Einwohner in Euro Jade 3.800.000 652,47 Aurich (Ostfriesland), Stadt 25.599.917 611,72 LK Lüchow-Dannenberg 29.100.000 600,50 Brake (Unterweser), Stadt 9.000.000 594,65 Ronnenberg, Stadt 14.300.000 591,54 SGB Oderwald 4.045.325 590,64 Spiekeroog 488.583 585,13 LK Schaumburg 91.000.000 576,71 Osterholz-Scharmbeck, Stadt 17.000.000 559,82 Ovelgönne 3.000.000 559,18 SGB Flotwedel 6.211.473 548,33 Lilienthal 10.000.000 528,32 Laatzen, Stadt 21.500.000 519,65 SGB Bersenbrück 14.691.660 500,19 2. Welche Kommunen haben zurzeit Liquiditätskredite über 1 000 Euro/Einwohner (bitte Kommunen mit Höhe angeben)? Die nachfolgenden 16 Kommunen haben zum Stichtag 30.06.2018 Liquiditätskredite von über 1 000 Euro je Einwohner aufgewiesen. Gegenüber den Feststellungen in der Zwischenbilanz ist somit eine Reduzierung um vier Kommunen bzw. um 20 % festzustellen. Kommune Liquiditätskredite am 30.06.2018 in Euro je Einwohner in Euro SGB Heeseberg 10.231.343 2.676,26 SGB Grasleben 11.165.001 2.535,77 Cuxhaven, Stadt 122.000.000 2.515,15 Salzgitter, Stadt 224.590.837 2.149,96 SGB Dahlenburg 12.056.315 1.980,02 Amt Neuhaus 8.841.000 1.700,19 SGB Esens2 23.553.828 1.643,90 Uetze 32.700.000 1.618,25 Wangerooge, Nordseebad 2.000.000 1.536,10 Celle, Stadt 102.447.333 1.472,18 Hann. Münden, Stadt 34.300.000 1.436,95 SGB Nord-Elm 7.378.734 1.303,20 Lüneburg, Hansestadt 86.015.371 1.152,25 Alfeld (Leine), Stadt 21.000.000 1.106,95 Wennigsen (Deister) 15.000.000 1.062,40 Königslutter am Elm, Stadt 16.000.000 1.012,66 3. Wie haben sich die Liquiditätskredite der Kommunen mit Entschuldungshilfen entwickelt ? Die Liquiditätskredite der entschuldeten Kommunen sanken vom 31.12.2010 bis zum 30.06.2018 von 2 419 Millionen Euro um 1 866 Millionen Euro (78 %) auf nunmehr 553 Millionen Euro. Da drei Kommunen ihre Liquiditätskredite aufgrund längerfristiger Vertragsbindungen nur teilweise durch Entschuldungshilfen ablösen konnten, lägen die Liquiditätskredite korrigiert bei 526 Millionen Euro. Der Rückgang um 1 975 Millionen Euro ist zu 88 % auf Tilgungen im Rahmen der Entschuldungs- 2 Der unerwartet hohe Wert beim Samtgemeindebereich Esens ist auf Verbindlichkeiten im Rahmen des Cashpoolings zurückzuführen, die dem Landesamt für Statistik fehlerhaft gemeldet wurden; laut Mitteilung der Samtgemeinde lagen die tatsächlichen Verbindlichkeiten bei nur 461 655 Euro. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1974 4 hilfen (1 738 Millionen Euro3) und zu 12 % auf darüber hinaus gehende Haushaltsverbesserungen zurückzuführen. 4. Wie haben sich die Liquiditätskredite der Kommunen ohne Entschuldungshilfen entwickelt ? Die Kommunen, die keine Entschuldungshilfen erhalten haben, konnten ihre Liquiditätskredite vom 31.12.2010 bis zum 30.06.2018 von 2 628 Millionen Euro um 884 Millionen Euro (30 %) auf 1 744 Millionen Euro zurückführen. 5. Wie bewertet die Landesregierung, dass immer noch 16 % der Kommunen Liquiditätskredite aufweisen? Derzeit weisen nur noch 52 Kommunen Liquiditätskredite von über 500 Euro je Einwohner auf. Die Quote liegt bei 11,6 % und somit unterhalb der Feststellungen zum Zeitpunkt der Erstellung der Zwischenbilanz. Dennoch ist die Situation aus Sicht der Landesregierung nicht zufriedenstellend. Die Landesregierung verfolgt vielmehr das Ziel, dass sich die finanzielle Situation aller niedersächsischen Kommunen positiv entwickelt, dass die Liquiditätskredite stetig abgebaut und neue finanzielle Handlungsspielräume gewonnen werden. Vor diesem Hintergrund bedarf es weiterer Anstrengungen aller Beteiligten . In der Zwischenbilanz wurden mehrere Lösungsansätze, beispielsweise Nachjustierungen im Bedarfszuweisungsverfahren, vorgeschlagen, die nun sukzessive geprüft und gegebenenfalls umgesetzt werden. 6. Wie erklärt die Landesregierung, dass knapp die Hälfte der 35 Kommunen ohne Entschuldungsverträge überdurchschnittliche Steuereinnahmekräfte hat, die Liquiditätskredite aber stetig, bei manchen sogar um 100 %, steigen? Von den 52 Kommunen mit Liquiditätskrediten über 500 Euro je Einwohner haben 38 noch keine Entschuldungshilfe erhalten. Davon weisen neun Kommunen (23 %) im Vergleich zu anderen entsprechend großen Kommunen eine überdurchschnittliche Steuereinnahmekraft auf. Von diesen neun Kommunen sind bei sieben Kommunen seit dem 31.12.2010 steigende Liquiditätskredite zu verzeichnen. Bei Kommunen, die eine überdurchschnittliche Steuereinnahmekraft aufweisen, werden Haushaltsdefizite oft als Indiz für ein unangemessenes Ausgabeverhalten gewertet und auskömmliche eigene Potenziale zur Behebung der Haushaltsprobleme angenommen. In solchen Fällen bedarf es einer besonders engen kommunalaufsichtlichen Begleitung und erforderlichenfalls entsprechender Maßnahmen . Die Hintergründe stellen sich jedoch oft deutlich vielschichtiger dar, sodass eine pauschale Bewertung nicht zielführend ist. Insbesondere ist zu beachten, dass die Höhe der Liquiditätskredite zu einem statistischen Stichtag nur eine Momentaufnahme darstellt, während die vorgenannte Steuereinnahmekraft aus einem Durchschnittswert der letzten drei Jahre ermittelt wird. So kann es sein, dass eine Kommune aufgrund hoher Steuererträge in Vorjahren als steuerstark gilt, auch wenn sie aktuell mit Gewerbesteuereinbrüchen konfrontiert ist und auf Liquiditätskredite angewiesen ist. Ebenso können Liquiditätskredite zur Vorfinanzierungen von Investitionen aufgenommen worden sein, die später durch investive Kredite abgelöst werden und folglich keinen Indikator für eine schlechte Haushaltsentwicklung darstellen. 3 Die Differenz zum Gesamtvolumen des Entschuldungsfonds ist auf Kapitalkosten (Zinsleistungen) zurückzuführen . Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1974 5 Unabhängig von den Ursachen haben einige dieser Kommunen inzwischen so erhebliche Defizite angehäuft, dass sie für deren Abbau kontinuierlich sehr hohe Überschüsse erwirtschaften müssten. Unsichere Rahmenbedingungen, konjunkturabhängige Einnahmen und die Erschwernis, stabile Mehrheiten in der Vertretung zu gewinnen, lassen dies in einigen Fällen eher unrealistisch erscheinen . Daher prüft die Landesregierung auch in diesen Fällen, wie die Kommunen bei der Konsolidierung unterstützt werden können und inwieweit zukünftig gegebenenfalls finanzielle Anreize angeboten werden können. 7. Wie hoch sind die Liquiditätskredite der Kommunen in Niedersachsen insgesamt? Die Liquiditätskredite aller niedersächsischen Kommunen beliefen sich zum 30.06.2018 auf ca. 2 297 303 000 Euro. Bei der Einordnung ist erneut zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um einen Stichtagswert handelt, der die übliche Schwankungsbreite der Liquiditätskreditstände nicht abbilden kann, mithin ein deutlich geringerer Bestand zum Jahresende möglich ist. Darüber hinaus werden Cashpooling-Effekte, u. a. die Darstellung interner Buchungen als kurzfristige Verbindlichkeiten zwischen Samt- und Mitgliedsgemeinden, nicht von der amtlichen Statistik bereinigt, da dies im Rahmen einer EU-weiten Definition von Liquiditätskrediten nicht vorgesehen ist; auch hierdurch kommt es zu einem statistisch höheren Bestandswert. Schließlich kann eine erfreulicherweise stärkere Investitionstätigkeit den Liquiditätskreditbestand wie bereits weiter oben angesprochen erhöhen , sofern hierüber entsprechende Maßnahmen zwischenfinanziert werden. Unter Berücksichtigung dieser Effekte ist somit davon auszugehen, dass sich der Liquiditätskreditbestand derzeit auch strukturell nicht negativ entwickelt, sondern nach wie vor die positiven Konsequenzen und Impulse der Entschuldungsprogramme wirken. (Verteilt am 27.11.2018) Drucksache 18/1974 neu Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Zwischenbilanz der niedersächsischen Entschuldungsprogramme