Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1975 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Martin Bäumer, Uwe Dorendorf, Jörg Hillmer, Axel Miesner, Frank Oesterhelweg, Laura Rebuschat und Dr. Frank Schmädeke (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung FFH im Wald Anfrage der Abgeordneten Martin Bäumer, Uwe Dorendorf, Jörg Hillmer, Axel Miesner, Frank Oesterhelweg, Laura Rebuschat und Dr. Frank Schmädeke (CDU), eingegangen am 25.09.2018 - Drs. 18/1702 an die Staatskanzlei übersandt am 27.09.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 26.10.2018 Vorbemerkung der Abgeordneten Seit Festlegung der FFH-Gebiete und Beschreibung des Schutzzwecks Mitte der 90er-Jahre haben sämtliche Landesregierungen immer wieder betont, die ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft werde in aller Regel durch die FFH-Sicherstellung nicht eingeschränkt. Bei den zurzeit laufenden Sicherstellungsverfahren äußerten sowohl die Eigentümer des Privat- als auch des Körperschaftswaldes aufgrund einer Vielzahl entsprechender Rohentwürfe Befürchtungen , dass nicht daran gedacht sei, sie in das Verfahren zu einem Zeitpunkt einzubeziehen, zu dem entsprechende VO-Entwürfe noch nicht durch Verbandsbeteiligungen und kommunalpolitische Vorgaben so verfestigt sind, dass eine ernsthafte Beteiligung der Eigentümer noch stattfinden könnte. Vorbemerkung der Landesregierung Um den Sicherungsprozess der FFH-Gebiete zu unterstützen, hat die Landesregierung vor allem zwei gemeinsame Runderlasse („Unterschutzstellung von Natura-2000-Gebieten im Wald durch Naturschutzgebietsverordnung“ sowie „Schutz, Pflege und Entwicklung von Natura-2000-Gebieten im niedersächsischen Landeswald“) sowie die Erschwernisausgleichsverordnung Wald erarbeitet. Die Landesregierung hat des Weiteren den unteren Naturschutzbehörden (UNB) diverse Arbeitshilfen (u. a. einen Leitfaden zur Umsetzung von Natura 2000 in niedersächsischen Wäldern) für die Ausweisung der Schutzgebiete zur Verfügung gestellt. Das Normgebungsverfahren für eine Naturschutzgebiets- oder auch Landschaftsschutzgebiets-Verordnung ist durch das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und das Niedersächsische Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz (NAGBNatSchG) rechtlich vorgegeben. Zu dem Verordnungsentwurf erfolgt gemäß § 14 NAGBNatSchG eine Beteiligung der Träger öffentlicher Belange sowie der Öffentlichkeit. Die in diesen Verfahrensschritten vorgebrachten Anregungen und Bedenken sind durch die verfahrensführende Behörde zu würdigen, bevor der Verordnungsentwurf zur weiteren Beratung und Beschlussfassung in die politischen Gremien - z. B. eines Landkreises - gegeben wird. Damit steht es allen Betroffenen offen, ihre Belange und Kenntnisse der Örtlichkeit in das Verfahren und damit zu dem konkreten VO-Entwurf einzubringen. Die geltend gemachten Anregungen und Bedenken sind vor Erlass der VO zu würdigen, und zwar durch die Verwaltung, die Fachausschüsse und zuletzt den Kreistag. Darüber hinaus kann vor Einleitung des formalen Verordnungsgebungsverfahrens eine vorgelagerte informelle Beteiligung durchgeführt werden. In der Regel werden die betroffenen Landnutzer und Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1975 2 Flächeneigentümer von der zuständigen unteren Naturschutzbehörde dabei bereits im Zuge dieser frühzeitigen Beteiligung eingebunden. Diese Beteiligung ist allerdings verfahrensrechtlich nicht vorgeschrieben . Es besteht hierauf kein Anspruch. 1. Zu welchem Zeitpunkt des Verfahrens ist die Eigentümerbeteiligung vorgesehen? Es wird auf das Normgebungsverfahren gemäß § 14 NAGBNatSchG und auf die Ausführungen in der Vorbemerkung verwiesen. 2. Wird die Landesregierung darauf hinwirken, dass die unteren Naturschutzbehörden hinsichtlich der nach der FFH-Richtlinie vorgeschriebenen Berücksichtigung sozioökonomischer Eigentümerbelange fundierte Betroffenheitsanalysen vorlegen, sofern Regelungen mit wirtschaftlichen Einschränkungen zulasten der Eigentümer getroffen werden sollen. Die hoheitliche Unterschutzstellung erfolgt mit Blick auf Natura 2000 aufgrund der gesetzlich normierten Anforderung nach § 32 Abs. 2 und 3 BNatSchG. Sie steht somit nicht im Belieben und sie ist auch nicht von einem bestimmten „Grad der Betroffenheit“ von Eigentümern abhängig. Kann im Nachgang zur Sicherung (unabhängig von der Gewährung von Erschwernisausgleich) auf Antrag geltend gemacht werden, dass die Beschränkungen des Eigentums aufgrund von erlassenen Regelungen über die Sozialpflichtigkeit des Eigentums hinausgehen, so ist durch das Land eine Entschädigung zu gewähren (vgl. § 68 Abs. 1 BNatSchG). Die Regelungen einer Schutzgebietsverordnung müssen im Hinblick auf den Schutzzweck naturschutzfachlich notwendig und vor dem Hintergrund der Nutzungsanforderungen angemessen sein. Spezifische Betroffenheiten können, sofern diese zum Zeitpunkt der Ausweisung der unteren Naturschutzbehörde bekannt sind, im Rahmen des Ermessens der zuständigen unteren Naturschutzbehörde berücksichtigt werden. Wie in der Vorbemerkung dargelegt, besteht im Zuge der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 14 NAGBNatSchG die Möglichkeit zur Geltendmachung einer Betroffenheit . 3. Wird die Landesregierung der Argumentation entgegentreten, die Sicherstellung als Naturschutzgebiet sei schon deshalb erforderlich, da Verbote im Naturschutzgebiet nicht im Detail begründet werden müssten, dies jedoch beim Landschaftsschutzgebiet erforderlich sei, wozu aber keine Zeit mehr bleibe? Die hoheitliche Sicherung der Natura-2000-Gebiete ist nicht auf die Schutzgebietskategorie des Naturschutzgebiets beschränkt. Mit der Novellierung des Naturschutzrechts im Jahr 2009 hat der Gesetzgeber den Schutzzweck einer Landschaftsschutzgebietsverordnung mit Blick auf Natura 2000 dahin gehend erweitert, dass auch der Schutz von Lebensstätten und Lebensräumen bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten umfasst ist. Bei der Sicherung der Natura-2000-Gebiete ist hinsichtlich der Schutzanforderungen inhaltlich der EU-rechtlichen Verpflichtung in der Form Rechnung zu tragen, dass ein günstiger Erhaltungszustand der im jeweiligen Natura-2000-Gebiet relevanten „Natura-2000-Arten und -Lebensraumtypen“ zu erhalten bzw. wiederherzustellen ist. Diese Verpflichtung gilt unabhängig von der Wahl der Schutzgebietskategorie „Naturschutzgebiet“ oder „Landschaftsschutzgebiet“ und muss sich inhaltlich in der Ausgestaltung der Schutzvorschriften widerspiegeln. Die Frage, durch welche Schutzgebietskategorie eine Sicherung erfolgt (i. d. R. NSG oder LSG), obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen der für die Erstellung der Verordnung zuständigen Behörde. Sie ist mit Blick auf den jeweiligen Einzelfall zu treffen. Maßstab der Wahl der Schutzkategorie ist die Schutzbedürftigkeit und -würdigkeit des betroffenen Gebiets. Je höher die Schutzwürdigkeit und die Schutzbedürftigkeit sind, desto strenger kann das Schutzregime ausgestaltet werden (OVG Lüneburg , Urteil vom 29.11.2016, 4 KN 93/14, RN. 68). Bei der rechtlichen Sicherung von FFH- und Vogelschutzgebieten ist dieses Ermessen erheblich eingeschränkt, da die Unterschutzstellung an Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1975 3 der Zielvorgabe des Artikels 2 Abs. 2 FFH-RL des günstigen Erhaltungszustands und dem Verschlechterungsverbot des Artikels 6 Abs. 2 FFH-RL zu messen ist. Mit Rücksicht auf die Zusage gegenüber der Europäischen Kommission, die Sicherung aller FFH- Gebiete bis Ende 2018 abzuschließen, hält die Landesregierung eine zügige Ausweisung für dringend geboten. In diesem Sinne kann die Erstellung der Schutzgebietsverordnungen auf Grundlage des gemeinsamen Runderlasses „Unterschutzstellung von Natura-2000-Gebieten im Wald durch Naturschutzgebietsverordnung“ und in engem Anhalt an den Leitfaden „NATURA 2000 in niedersächsischen Wäldern“ die Sicherstellung der Schutzgebiete beschleunigen. Auf das bereits laufende Vertragsverletzungsverfahren wird ergänzend hingewiesen. Die Begründungspflicht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 NAGBNatSchG bleibt zu beachten. Die Notwendigkeit, Ge- und Verbote abhängig von der Schutzgebietskategorie in unterschiedlicher Weise festzulegen, hat bei der Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Schutzgebietskategorie seitens der Landesregierung keine Rolle gespielt; dieses war von Beginn an dem pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen unteren Naturschutzbehörde überlassen. Zeitbedarfstaktische Gesichtspunkte kamen hierbei nicht zum Tragen. Unabhängig vom Rechtscharakter der SchutzgebietsVO bedarf es bei der Einschränkung von Eigentumsrechten (z. B. Eigentum, Jagdrecht, Fischereirecht) konkreter, am Schutzzweck ausgerichteter Verbote. 4. Woher erfährt ein Waldbesitzer im kleinparzellierten Privatwald, welche Lebensraumtypen in seinem Privatwald tatsächlich vorkommen, welchen Erhaltungszustand sie haben , wo genau sie liegen und mit welchen Vorgaben sie belastet sind? Es wird auf die Ausführungen des Leitfadens „Natura 2000 in niedersächsischen Wäldern“ des ML und MU vom 20.02.2018 verwiesen. Danach sind die entsprechenden Flächen und Auflagen den Verordnungskarten zu entnehmen. Zudem können entsprechende Auskünfte bei der zuständigen unteren Naturschutzbehörde eingeholt werden. 5. Sind wegen der nicht eigentümerweise erfolgten Basisdatenerfassung und des fehlenden Einbezuges der Waldeigentümer die unteren Naturschutzbehörden in der Lage, den Waldeigentümern Auskunft zu den jeweils einzuhaltenden Vorgaben gemäß Schutzgebiets -VO zu geben? Eine Schutzgebietsverordnung ist eine hoheitliche Norm, die gegenüber Dritten direkt gilt. Die Auflagen einer Schutzgebietsverordnung sind dieser zu entnehmen. Sie wird öffentlich bekanntgemacht . Insofern bedarf es für ein Wirksamwerden der Regelungen keiner weiteren Informationen seitens der UNB gegenüber jedem einzelnen Betroffenen. Aufgrund der natürlichen und der mit der forstlichen Nutzung verbundenen Dynamik der Waldbestände ist davon auszugehen, dass eine dauerhaft gültige kartographische Darstellung der jeweils abgrenzbaren Teilgebiete mit ihren spezifischen qualitativen Eigenschaften (Altbaumbestand, Gebiete mit Fortpflanzungs- und Ruhestätten) nicht immer möglich ist. Eine mit der Schutzgebietsverordnung erlassene Karte kann daher immer nur den aktuellen Stand wiedergeben. Bei gravierenden Änderungen sind daher nach Bedarf Aktualisierungen notwendig. Im Übrigen werden die Einzelheiten der verordneten Maßnahmen zur Umsetzung von Natura 2000 in den für jedes Natura-2000-Gebiet zu erstellenden Managementplänen dargestellt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/1975 4 6. Wie verhindert die Landesregierung, dass die in den Verordnungen vorgesehenen Verbote und Zustimmungsvorbehalte bis hin zum Verbot einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft und zur Festsetzung zahlreicher sogenannter Habitatbäume zur faktischen Stilllegung vieler Kleinwaldparzellen führen? Oder nimmt die Landesregierung dies billigend in Kauf? In den Schutzgebietsverordnungen ist die „ordnungsgemäße Forstwirtschaft“ unter Auflagen (vgl. hierzu den Sicherungserlass) freigestellt. Die Formulierung „zahlreiche Habitatbäume“ entspricht nicht den Vorgaben des Sicherungserlasses. Danach sind für einen „günstigen Erhaltungszustand“ drei Habitatbäume je vollem ha der Lebensraumtypfläche bzw. drei Habitatbäume je vollem ha bei Vorkommen von Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Spechtarten Grau-, Schwarz- oder Mittelspecht bzw. sechs Habitatbäume je vollem ha Fortpflanzungs- und Ruhestätten der besonders geschützten Fledermausarten auf der Fläche des jeweiligen Eigentümers vorzusehen. Für die Einschränkungen der forstwirtschaftlichen Nutzung in Naturschutzgebieten gewährt das Land einen Erschwernisausgleich. Ein entsprechender Erschwernisausgleich ist zudem zukünftig auch für Wald in Landschaftsschutzgebieten geplant. Auf die Ausführungen zur Entschädigung in der Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Vor diesem Hintergrund wird nicht von einer Stilllegung von Kleinwaldparzellen als Folge der hoheitlichen Sicherung ausgegangen. Im Übrigen bieten - insbesondere mit Blick auf sehr kleinparzellierte Waldflächen - forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse hier Vorteile. Sie ermöglichen eine erhebliche verwaltungstechnische Erleichterung bei der Bearbeitung sowie ein frühzeitiges Überschreiten der Bagatellgrenze bei der Beantragung eines Erschwernisausgleichs. (Verteilt am 30.10.2018) Drucksache 18/1975 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Martin Bäumer, Uwe Dorendorf, Jörg Hillmer, Axel Miesner, Frank Oesterhelweg, Laura Rebuschat und Dr. Frank Schmädeke (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz FFH im Wald