Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2018 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung Schlussfolgerungen aus dem NRVP-Modellversuch „Schutzstreifen außerorts“ Anfrage des Abgeordneten Jörg Bode (FDP), eingegangen am 04.10.2018 - Drs. 18/1776 an die Staatskanzlei übersandt am 09.10.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung vom 05.11.2018 Vorbemerkung des Abgeordneten Im Rahmen des durch den Nationalen Radverkehrsplan 2020 (NRVP) geförderten Projekts „Schutzstreifen außerorts - Modellversuch zur Abmarkierung von Schutzstreifen außerorts und zur Untersuchung der Auswirkungen auf die Attraktivität und Sicherheit im Radverkehrsnetz“ wurde diese besonders für den ländlichen Raum verkehrlich interessante Lösung erprobt und wissenschaftlich begleitet. Im Herbst 2015 hieß es diesbezüglich vonseiten der Landesregierung: „Nach den bereits abgeschlossenen Vorher-/Nachher-Untersuchungen des Modellvorhabens ‚Schutzstreifen außerorts‘ läuft derzeit die Auswertungsphase des Projektes. Ein Ergebnisbericht zum Vorhaben wird in den nächsten Monaten erwartet, danach werden die Erkenntnisse für Niedersachsen geprüft und für die weitere Arbeit ausgewertet“ (Drucksache 17/4551). Eine der Teststrecken ist die Kreisstraße 40 (K 40) zwischen Lage und Getelo. Die Grafschaft Bad Bentheim ist um einen Erhalt der Schutzstreifen bemüht, hat allerdings während der Projektphase auf Nachfrage („Bund verschleppt Radstreifen auf dem Land“, NDR, 28.08.2018) diesbezüglich beim Bundesverkehrsministerium keine Antwort erhalten. Nach einer Verlängerung der Testphase hat die Grafschaft im September 2018 die Aufforderung des BMVI erhalten, die Teststrecke K 40 bis zum Jahresende zurückzubauen („Ministerium: Schutzstreifen machen Radverkehr nicht sicherer “, Grafschafter Nachrichten, 17.09.2018). Vorbemerkung der Landesregierung Das Modellprojekt „Schutzstreifen außerorts“ ist auf Initiative des Landes Mecklenburg-Vorpommern unter Beteiligung u. a. des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) durchgeführt worden; das Land Niedersachsen war nicht beteiligt, sondern hat lediglich die für die Durchführung des Projekts erforderlichen straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmen für die in Niedersachsen in zwei Landkreisen eingerichteten insgesamt vier Teststrecken zugelassen. Der offizielle Abschlussbericht liegt bis heute nicht vor. Die vom Deutschen Städte- und Gemeindebund im Internet veröffentlichte Fassung - auf die die Anfrage Bezug nimmt - ist nicht aktuell. Die aktuelle Fassung ist bisher nicht bekannt gegeben worden. Insofern können sich die nachfolgenden Antworten nur auf die veraltete, nicht freigegebene Fassung beziehen. Soweit ersichtlich, kommt das Projekt lediglich zu dem Ergebnis, dass mit den markierten Schutzstreifen keine Verschlechterung der Verkehrssicherheit verbunden ist, allerdings auch keine Verbesserung . Er bezieht sich lediglich auf Straßen mit geringer Verkehrsstärke und einer geringen Anzahl Rad fahrender. Diese Strecken sind für das Unfallgeschehen, insbesondere die Unfallgefahren für Rad fahrende, von geringer Bedeutung. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2018 2 Die Rahmenbedingungen des Projekts (Art der Straßen, Verkehrsbelastung, Anzahl der Rad fahrenden , Kombination mit Geschwindigkeitsbegrenzungen, Ausführung der Markierungen, Zeitraum der Beobachtungen usw.) sind wenig geeignet, Aussagen über die Verbesserung der Verkehrssicherheit für Rad fahrende durch die Markierung von Schutzstreifen außerorts zu treffen, da nicht festgestellt werden kann, ob Veränderungen, sofern sie überhaupt eingetreten sind, auf die Schutzstreifen oder die herabgesetzte Höchstgeschwindigkeit zurückzuführen sind. Zudem lassen sich aus dem Projekt keine Schlussfolgerungen ableiten für viel befahrene Straßen, an denen aus unterschiedlichen Gründen (z. B. fehlende Gelder) keine Radwege angelegt werden können. Gerade an solchen Straßen, die sowohl vom motorisierten Straßenverkehr als auch von Rad fahrenden stark frequentiert werden, wäre eine Verbesserung der Verkehrssicherheit für Rad fahrende von großer Bedeutung. Diese Ergebnisse stehen im Gegensatz zu der gefühlten Verbesserung der Verkehrssicherheit in den beteiligten Landkreisen. Die wenigen Rad fahrenden, die diese Strecken befahren haben, fühlten sich sicherer, obwohl objektiv keine Veränderung feststellbar war. Nicht unproblematisch ist, dass die Schutzstreifen außerorts in völlig anderer Art angelegt wurden, als dies innerorts vorgeschrieben ist. Außerorts wurde im Projekt nur eine Kernfahrbahn (ein Fahrstreifen in der Straßenmitte für beide Fahrtrichtungen) für den motorisierten Verkehr vorgesehen, das heißt, im Begegnungsverkehr muss der Schutzstreifen in jedem Fall auch von den motorisierten Verkehrsteilnehmern mitbenutzt werden. Innerorts ist es dagegen zwingende Voraussetzung, dass ein Begegnungsverkehr von Pkw grundsätzlich ohne Mitbenutzung des Schutzstreifens möglich ist und der Schutzstreifen aufgrund der Verkehrszusammensetzung (Busse, Lkw, Pkw etc.) nur selten mitbenutzt werden muss. Diese unterschiedlichen Gegebenheiten haben Auswirkungen auf das Verhalten der Verkehrsteilnehmer . Wenn der Bericht feststellt, dass „der Kenntnisstand der Regelung ‚Schutzstreifen‘ den meisten Befragten nicht hinreichend klar“ ist, tragen unterschiedliche Regelungen innerorts und außerorts nicht zur Klarheit bei. Es bleibt zu prüfen, ob solche unterschiedliche Regelungen nicht sogar zu einer Verschlechterung des Schutzeffektes der Schutzstreifen innerorts führen. Allein die Aussage, dass der Schutzstreifen außerorts nicht zu einer Verschlechterung der Unfallsituation geführt hat, bildet keine tragfähige Basis dafür, Schutzstreifen außerorts zuzulassen. Ergänzende Untersuchungen durch die Bundesanstalt für Straßenwesen, die auch die Auswirkungen auf das Verhalten der motorisierten Verkehrsteilnehmer bei innerörtlichen Schutzstreifen mit einbezieht , werden deshalb als erforderlich angesehen, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen werden kann. Das BMVI hat in einer Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Enak Ferlemann auf eine Anfrage des Abgeordneten des Deutschen Bundestags Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/DIE GRÜ- NEN) am 7. August 2018 wie folgt geantwortet (BT-Drs. 19/3762, Seite 90): „Der Abschlussbericht des Forschungsprojektes belegt nach Einschätzung des BMVI, dass sich die Anlage eines Schutzstreifens im Außerortsbereich nicht förderlich auf die Verkehrssicherheit auswirkt . Insbesondere die schon früher für den Innerortsbereich wissenschaftlich belegte Tatsache, dass sich die Kraftfahrzeugführer an der Leitlinie orientieren und dadurch oftmals näher an die Radfahrer heranfahren, wird im Abschlussbericht für den Außerortsbereich bestätigt. Dies berührt - insbesondere angesichts der außerorts anzutreffenden höheren Geschwindigkeiten - Verkehrssicherheitsaspekte (z.B . Sogwirkung von Lkw). Vor diesem Hintergrund scheidet eine Beibehaltung der Schutzstreifen auf den Versuchsstrecken des Forschungsprojekts bzw. eine weitere oder gar dauerhafte Befreiung vom Verbot der Schutzstreifen auf Straßen außerorts aus.“ Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2018 3 1. Wie bewertet die Landesregierung die Aussagekraft des Berichts zum Modellprojekt „Schutzstreifen außerorts“? Die Aussagekraft des Berichts in der nicht autorisierten Fassung ist gering, da die Rahmenbedingungen sehr speziell gewählt worden sind - insoweit wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 2. Wie bewertet die Landesregierung die Durchführung des Modellprojekts „Schutzstreifen außerorts“? Es ist positiv, dass das Modellprojekt durchgeführt worden ist. Weitergehende Untersuchungen erscheinen allerdings zwingend erforderlich. 3. Welche Haltung hat die Landesregierung zum Thema „Schutzstreifen außerorts“, bzw. was ergab die Prüfung und Auswertung für die weitere Arbeit nach Vorlage des Berichts und des Anhangs? In der vorliegenden Fassung ist der Bericht nicht geeignet, eine Entscheidung über die Auswirkungen von Schutzstreifen außerorts zu treffen. 4. Welche Alternativen stehen für den Schutz von Radfahrerinnen und Radfahrern außerorts zur Verfügung für den Fall, dass ein Radweg nicht infrage kommt? Keine. Da die im Modellprojekt untersuchten Straßen von Rad fahrenden nur wenig genutzt werden und auch für den motorisierten Straßenverkehr nur von untergeordneter Bedeutung sind, besteht hier kein dringender Handlungsbedarf. Eine Handlungsoption für Straßen mit höherer Verkehrsbelastung, die auch von Rad fahrenden stärker genutzt werden und auf denen der Schutz der Rad fahrenden von erheblich größerer Bedeutung wäre, zeigt der Bericht nicht auf. 5. Ist der Landesregierung der Sachverhalt, dass ein Brief des Kreises der Grafschaft Bentheim über den Erhalt der Schutzstreifen außerorts durch das Bundesverkehrsministerium bisher unbeantwortet ist, bekannt? Nein. Der Landkreis hat die Landesregierung nicht informiert. 6. Wie viele Strecken sind inzwischen demarkiert? In Niedersachsen keine. 7. Wer hat jeweils die Kosten für die Demarkierung getragen? Entfällt. 8. Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus dem Modellversuch „Schutzstreifen außerorts“? Das Modellprojet lässt derzeit keine Schlussfolgerung zu, dass Schutzstreifen außerorts zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2018 4 9. Unterstützt die Landesregierung die Aufforderung des BMVI zur Demarkierung der Schutzstreifen auf der K 40? Die Ausnahmegenehmigung für die Durchführung des Modellprojektes ist inzwischen ausgelaufen. Eine Verlängerung der Ausnahmegenehmigung ist nicht möglich, da die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Insbesondere hat auch der Bund das Modellprojekt ausdrücklich beendet. Eine entsprechende Aufforderung des BMVI zur Demarkierung ist daher berechtigt . 10. Wie beurteilt die Landesregierung die Forderung nach einer Aufnahme von Schutzstreifen außerorts in die VwV-StVO (Abschlussbericht NRVP-Projekt „Schutzstreifen außerorts “, Seite 42)? Das abgeschlossene Modellprojekt stellt keine geeignete Grundlage für die Zulassung eines Schutzstreifens außerorts dar. (Verteilt am 08.11.2018) Drucksache 18/2018 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung Schlussfolgerungen aus dem NRVP-Modellversuch „Schutzstreifen außerorts“