Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2151 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Eva Viehoff (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Sind nächtliche Abschiebungen noch die Ausnahme? Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Eva Viehoff (GRÜNE), eingegangen am 22.10.2018 - Drs. 18/1933 an die Staatskanzlei übersandt am 25.10.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 21.11.2018 Vorbemerkung der Abgeordneten Laut dem sogenannten Rückführungserlass des Innenministeriums vom 24. August 2016 sind Abschiebungen grundsätzlich so zu terminieren, dass der Abholungstermin in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. März (Winterzeit) nach 6.00 Uhr und in der Zeit vom 1. April bis 30. September (Sommerzeit ) nach 4.00 Uhr morgens festgelegt werden kann. Zudem ist laut dem Erlass bei der Vorbereitung der Abschiebung sicherzustellen, dass die Interessen der Betroffenen umfassend berücksichtigt werden, insbesondere wenn es sich um besonders betreuungsbedürftige Personengruppen wie Familien oder alleinerziehende Elternteile mit schulpflichtigen oder minderjährigen Kindern, Schwangere, unbegleitete Minderjährige, lebensältere, behinderte oder erkrankte Personen handelt . Dennoch sind auch in diesem Jahr nächtliche Abschiebungen bzw. Abschiebungsversuche bekannt geworden - auch unter Beteiligung von Minderjährigen. Laut dem Erlass hat das Landeskriminalamt (LKA) monatlich eine Statistik über den Vollzug von Abschiebungen zu erstellen und dem Ministerium für Inneres und Sport auf elektronischem Wege zu übermitteln. In der Statistik sind auch die Zielländer, Staatsangehörigkeiten, Geschlechterzugehörigkeiten , Alter, Straffälligkeiten und Familienstand zu erfassen. Gründe, die eine nächtliche Abholung erforderlich gemacht haben, sind gleichfalls zu dokumentieren. Auch die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) hat laut Erlass eine monatliche Statistik über die Anzahl der durchgeführten Landabschiebungen zu erstellen. Gründe, die eine nächtliche Abholung erforderlich gemacht haben, sind gleichfalls zu dokumentieren. Vorbemerkung der Landesregierung Über die in den Vorbemerkungen der Abgeordneten dargestellten Ausführungen hinaus ist im Rückführungserlass weiter bestimmt, dass bei der Organisation der Abschiebung auch die Situation der Ausreisepflichtigen nach ihrer Rückkehr in ihr Heimat- bzw. Aufnahmeland zu berücksichtigen ist. Dazu gehört es, „dass eine Weiterreise vom Zielflughafen in die Heimat- oder Unterbringungsorte der Ausländerinnen und Ausländer möglichst während der Tageszeit und mit üblichen Verkehrsmitteln erfolgen kann.“ Dies bedeutet, dass im Rahmen des Abschiebungsvollzugs alle vertretbaren organisatorischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um eine Abholung zur Nachtzeit zu vermeiden. Dennoch ist eine Nachtabschiebung aus verschiedenen Gründen häufig nicht vermeidbar. Insbesondere muss die erforderliche Fahrzeit (nebst zwingend erforderlicher Pufferzeiten) vom Wohnort zum Abflughafen und das Zeitfenster für die Übergabe an die Bundespolizei beachtet werden. Die zu beachtenden Übergabezeiten werden dabei von der Bundesverwaltung festgelegt. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2151 2 Ferner sind im Zuge der Dublin-Überstellungen immer bestimmte Ankunftszeiten durch das Zielland vorgegeben, sodass ein späterer Flug nicht in Betracht kommt. Hinzu kommt, dass neben dem Flughafen Hannover auch weiter entfernt liegende Flughäfen genutzt werden müssen. 1. Erstellt das LKA die im Erlass vorgeschriebene monatliche Statistik ordnungsgemäß mit den vorgeschriebenen Inhalten, und wann übermittelt es diese an das Innenministerium ? Das LKA erfasst in seinen monatlichen Statistiken die im Rückführungserlass vorgeschriebenen Sachverhalte mit Ausnahme der Gründe, die eine nächtliche Abschiebung erforderlich gemacht haben . Diese Erfassung erfolgt durch die für den tatsächlichen Vollzug der Abschiebung zuständige LAB NI. Die jeweilige Monatsstatistik wird durch das LKA innerhalb der ersten zwei Wochen des Folgemonats mit den geforderten Daten an das Ministerium für Inneres und Sport übermittelt. 2. Erstellt die LAB NI die im Erlass vorgeschriebene monatliche Statistik ordnungsgemäß mit den vorgeschriebenen Inhalten, und an wen und wann übermittelt sie diese? Die Statistik über Landabschiebungen wird am Monatsanfang für den zurückliegenden Monat von der LAB NI an das LKA übermittelt. 3. Wie viele Abschiebungen bzw. Abschiebungsversuche (auch gemäß Dublin-Verordnung ) wurden in Niedersachsen jeweils in den einzelnen Monaten des Jahres 2018 vorgenommen ? Wie viele davon waren nächtliche Abschiebungen im Sinne des Erlasses? Wann beginnt die Nacht im Erlasssinne? Bei wie vielen waren Kinder, bei wie vielen waren Jugendliche beteiligt? Bitte die Dublin-Überstellungen separat ausweisen. Die erbetenen Daten können den nachstehenden Tabellen entnommen werden. Bei den Zahlen handelt es sich jeweils um die Anzahl der Maßnahmen, nicht um eine Personenanzahl. Die Nachtzeit im Erlasssinne umfasst, wie auch in Nr. 5.5 geregelt, nach § 104 Abs. 3 der Strafprozessordnung vom 1. April bis 30. September den Zeitraum von 21.00 Uhr bis 04.00 Uhr und vom 1. Oktober bis 31. März den Zeitraum von 21.00 Uhr bis 06.00 Uhr. Abschiebungen Jan. Feb. Mär. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Abgebrochene Abschiebungen insgesamt 38 28 38 27 25 34 43 38 36 davon nachts 23 16 27 11 9 10 9 14 18 Maßnahmen mit Beteiligung von Kindern (nachts) 5 2 6 2 1 2 1 2 3 Maßnahmen mit Beteiligung von Jugendlichen (nachts) 1 1 2 1 1 0 1 1 1 Durchgeführte Abschiebungen insgesamt 63 41 69 37 55 53 42 61 63 davon nachts 44 24 50 17 17 28 19 24 34 Maßnahmen mit Beteiligung von Kindern (nachts) 7 1 14 1 2 3 5 2 10 Maßnahmen mit Beteiligung von Jugendlichen (nachts) 1 1 2 0 2 1 0 2 7 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2151 3 4. Welche Gründe wurden wie oft für den nächtlichen Abschiebungszeitpunkt dokumentiert ? Wie oft wurde kein Grund dafür dokumentiert und gegebenenfalls warum nicht? Bei den dokumentierten Nachtabschiebungen handelt es sich regelmäßig um Dublin-Überstellungen , die wegen der aus der Vorbemerkung ersichtlichen Gründe eine nächtliche Abholung haben erforderlich werden lassen. Auch bei Abschiebungen in den Herkunftsstaat kann eine Abholung zur Nachtzeit erforderlich sein, wenn z. B. die Weiterreise vom Zielflughafen andernfalls nicht möglich ist. Eine Dokumentation der Gründe, die eine Nachtabschiebung erforderlich gemacht haben, konnte aufgrund des hohen Flüchtlingszustroms im Jahr 2015 und der damit einhergehenden erheblichen Anzahl der Rückführungsfälle der Folgejahre nicht lückenlos erfolgen, sodass keine belastbaren Zahlen vorliegen. Unabhängig hiervon wird gegenwärtig die Erfassung der statistischen Sachverhalte durch das Land neu aufgestellt. 5. Prüft die Landesregierung die dokumentierten Gründe auf Stichhaltigkeit? Falls ja, zu welchen Ergebnissen haben diese Prüfungen jeweils geführt? Was veranlasst die Landesregierung und welche sonstigen Konsequenzen hat es, falls sich die Gründe nicht als stichhaltig erweisen? Bei der Erfassung von Gründen, die eine nächtliche Abschiebung erforderlich gemacht haben, handelt es sich lediglich um eine Dokumentations- und nicht um eine Berichtspflicht. Für eine Prüfung der dokumentierten Gründe hat die Landesregierung bisher keine Notwendigkeit feststellen können. Besonderheiten bezüglich des Abschiebungsvollzugs werden in den ohnehin regelmäßig stattfindenden Dienstbesprechungen mit der LAB NI erörtert. 6. Wurde aus Kommunen der Wunsch an die LAB NI oder die Landesregierung herangetragen , keine nächtlichen Abschiebungen für ihren Zuständigkeitsbereich zu organisieren oder diese zumindest zu reduzieren? Falls ja, welche Kommunen waren es? Der Landesregierung sind entsprechende Anfragen oder Bitten nicht bekannt. 7. Welche Möglichkeiten über den Rückführungserlass hinaus sieht die Landesregierung, nächtliche Abschiebungen zu reduzieren oder zu vermeiden? Die Gründe, die eine Abholung zur Nachtzeit erforderlich machen, sind von der Landesregierung nicht beeinflussbar. Gleichwohl unterstützt die Landesregierung Bestrebungen, die auf eine Verhinderung bzw. eine Reduzierung von Nachtabschiebungen abzielen. Gesetzliche Regelungen, die es Dublin-Überstellungen Jan. Feb. Mär. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Abgebrochene Überstellungen insgesamt 90 91 109 132 190 167 141 84 128 davon nachts 85 83 100 107 162 130 107 57 101 Maßnahmen mit Beteiligung von Kindern (nachts) 3 7 7 7 10 10 7 4 8 Maßnahmen mit Beteiligung von Jugendlichen (nachts) 1 1 2 6 5 1 0 1 1 Durchgeführte Überstellungen insgesamt 30 17 40 32 60 32 35 21 23 davon nachts 27 15 33 21 42 21 22 17 12 Maßnahmen mit Beteiligung von Kindern (nachts) 5 3 1 1 1 5 2 2 1 Maßnahmen mit Beteiligung von Jugendlichen (nachts) 1 0 1 0 1 0 0 0 0 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2151 4 den mit dem Vollzug betrauten Behörden ermöglichen würden, die zurückzuführenden Personen im Rahmen eines sogenannten Festhalterechts zur Tageszeit abzuholen und zentral unterzubringen, werden grundsätzlich begrüßt. (Verteilt am 22.11.2018) Drucksache 18/2151 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Belit Onay und Eva Viehoff (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Sind nächtliche Abschiebungen noch die Ausnahme?