Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2206 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Anja Piel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung Videodolmetscherinnen und -dolmetscher im Justizvollzug Anfrage der Abgeordneten Anja Piel (GRÜNE), eingegangen am 24.10.2018 - Drs. 18/1962 an die Staatskanzlei übersandt am 26.10.2018 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 26.11.2018 Vorbemerkung der Abgeordneten In den Doppelhaushalt 2017/2018 hatte die damalige rot-grüne Koalition in Kapitel 11 05 unter Titel 511 10 für Videodolmetscherinnen und -dolmetscher im Justizvollzug 232 000 Euro eingestellt. Im Haushaltsplanentwurf der aktuellen Landesregierung für 2019 wurde der Titelansatz um rund 200 000 Euro gekürzt. Vorbemerkung der Landesregierung Im Rahmen eines Projekts wurde die Dienstleistung Videodolmetschen im Januar und Februar 2017 in der JVA Uelzen pilotiert. Videodolmetscherinnen und -dolmetscher wurden während des Aufnahmeverfahrens im Rahmen des Zugangsgesprächs und der ärztlichen Untersuchung eingesetzt . Die Erfahrungen während der Pilotierung waren gut. Ein Einsatz in den Aufnahmeabteilungen und medizinischen Abteilungen aller Justizvollzugseinrichtungen des geschlossenen Vollzugs wird daher angestrebt. Nach der Pilotierung wurde mit den Vorbereitungen einer europaweiten Ausschreibung begonnen. Am 15.01.2018 wurde die Dienstleistung Videodolmetschen durch das Logistik Zentrum Niedersachsen (LZN) erstmals europaweit ausgeschrieben. Diese Ausschreibung musste am 07.03.2018 zurückgenommen werden. Die Bieter hatten die formalen Bedingungen der Leistungsbeschreibung nicht vollumfänglich erfüllt. Durch Einreichung zusätzlicher Allgemeiner Geschäftsbedingungen zum Datenschutz wurde seitens der Bieter der Vertragsinhalt in unzulässiger Weise erweitert. Weiterhin wurden durch die Bieter neben den einzelnen Gesprächskosten zusätzliche Nebenkosten geltend gemacht, die durch die Leistungsbeschreibung ausgeschlossen waren. Am 19.03.2018 wurde die Dienstleistung Videodolmetschen durch das LZN erneut europaweit ausgeschrieben . Diese zweite Ausschreibung musste am 29.05.2018 aus inhaltlichen Gründen zurückgenommen werden. Die eingegangenen Angebote entsprachen nicht den Bedürfnissen der justizinternen IT-Infrastruktur und damit nicht der geforderten technischen Leistungsbeschreibung. Die Bieter haben alternativ eine technische Lösung mit LTE/WLAN-Routern bzw. DSL/WLAN-Routern außerhalb der Justiz-Domäne angeboten und favorisiert. Die Umsetzung einer LTE- bzw. DSL-Lösung wurde geprüft und vorangetrieben. Eine Testung der Audio-/Video-Übertragungsqualität mittels LTE der Firmen, die sich an den bisherigen Ausschreibungsverfahren beteiligt haben, wurde erfolgreich durchgeführt und im Ergebnis die IT-Anforderungen unter Einbindung des Informationssicherheitsbeauftragten in der Leistungsbeschreibung neu formuliert. Die Leistungsbeschreibung wurde mittlerweile final aufbereitet und dem LZN mit der Bitte um eine erneute europaweite Ausschreibung übermittelt. Nach erfolgter rechtlicher Prüfung der Vergabeunterlagen durch das LZN ist vorgesehen, diese Ausschreibung voraussichtlich am 22.11.2018 zu veröffentlichen und den Zuschlag am 26.02.2019 zu erteilen. Parallel dazu wurde die produktspezifische Beschaffung der erforderlichen Hardware durch IT.Niedersachsen beantragt. Nach Eingang werden die Geräte durch den Zentralen IT-Betrieb der Justiz (ZIB) konfiguriert und an die Justizvollzugseinrichtungen verteilt. Die Justizvollzugseinrichtungen erarbeiten aktuell anhand einer landeseinheitlichen Vorlage ein liegenschaftsbezogenes Nutzungskonzept für das Videodolmetschen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2206 2 1. Wofür wurden die im letzten Haushalt eingestellten Mittel für Videodolmetscherinnen und -dolmetscher im Justizvollzug genau verwendet? Die für Videodolmetscherinnen und -dolmetscher im Justizvollzug eingestellten Haushaltsmittel wurden bzw. werden in voller Höhe als Ausgaberest an den Landeshaushalt zurückgeführt. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 2. Welche Erfahrungen hat die Landesregierung mit den Videodolmetscherinnen und -dolmetschern gemacht? Wie bewertet sie diese? In welchen Situationen können Videodolmetscherinnen und -dolmetscher eingesetzt werden, und in welchen Situationen wurden sie tatsächlich eingesetzt? Ich verweise zunächst auf die Vorbemerkungen. Ein Einsatz ist vorrangig während des Aufnahmeverfahrens der Gefangenen im Rahmen des Zugangsgesprächs und der medizinischen Untersuchung geplant. Während der Pilotierung in der JVA Uelzen wurden insgesamt 14 Gespräche durch den Einsatz von Videodolmetscherinnen und -dolmetschern übersetzt, davon drei Gespräche im medizinischen und elf Gespräche im vollzuglichen Kontext (u. a. Zugangsgespräch, Behandlungsuntersuchung und Vollzugsplanung). 3. Ist die Ausschreibung für die Dolmetscherleistungen per Videoübertragung ergangen? Falls ja, wie, mit welchem Inhalt (Umfang, Stundenanzahl, Vertragsdauer) und mit welchem Ergebnis? Ich verweise zunächst auf die Vorbemerkungen. Gegenstand des Konzessionsrahmenvertrags ist die Bereitstellung von Videodolmetscherleistungen in 23 Justizvollzugseinrichtungen ab dem 01.03.2019 für die Dauer von zwei Jahren mit der Option der zweimaligen Verlängerung um jeweils ein Jahr. Die Übersetzungsleistung muss vom Auftragnehmer kalendertäglich für folgende Sprachen schnellstmöglich, spätestens aber innerhalb von 120 Minuten ab Anforderung der Terminvereinbarung zur Verfügung gestellt werden: Albanisch, Arabisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch, Bulgarisch , Farsi, Persisch, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Slowakisch, Tschechisch, Türkisch, Ungarisch , Chinesisch, Dari, Englisch, Französisch, Georgisch, Italienisch, Kurdisch, Paschtu, Slowenisch , Spanisch, Tigrinya, Ukrainisch, Urdu, Vietnamesisch, Armenisch, Aserbaidschanisch, Edo, Bini, Griechisch, Hindi, Igbo, Japanisch, Koreanisch, Mongolisch, Niederländisch, Portugiesisch, Punjabi, Somali und Thailändisch. Spätestens innerhalb von 24 Stunden ab Anforderung der Terminvereinbarung muss vom Auftragnehmer die Übersetzungsleistung für folgende Sprachen zur Verfügung gestellt werden: Afrikaans, Amharisch, Bengalisch, Dänisch, Estnisch, Filipino, Finnisch, Hebräisch, Indonesisch, Isländisch, Kasachisch, Lettisch, Litauisch, Nepalesisch, Norwegisch, Schwedisch, Singhalesisch, Suaheli, Tamilisch und Tibetisch. Nach der Leistungsbeschreibung ist der Auftragnehmer gehalten, nachweislich sprachlich ausgebildete (Universitätsabschluss und/oder gerichtlich beeidigte) und/oder zertifizierte (vom BDÜ anerkanntes Zertifikat) Dolmetscherinnen oder Dolmetscher bereitzustellen. Das Niveau der Dolmetscherinnen und Dolmetscher muss mindestens der europäischen Kompetenzstufe C 1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens entsprechen. Der Mindestinhalt der Verpflichtung zur Einhaltung eines Berufskodex und zum Datenschutz ist Bestandteil der Leistungsbeschreibung. Im Weiteren sieht die Leistungsbeschreibung Schulungen durch den Auftragnehmer für die künftigen Anwenderinnen und Anwender in den Justizvollzugseinrichtungen vor. Der Zuschlag erfolgt nach der Höhe von Punkten, die nach der Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten vergeben werden. Ziel ist es, Sicherheitsrisiken zu minimieren (wie beispielsweise eine Transportverschlüsselung und die Wahl einer geeigneten Browserfunktion). Bei gleicher Punktzahl entscheidet der Preis eines zustande gekommenen Übersetzungsgesprächs pro 60 Sekunden in Verbindung mit den Kosten einer Gesprächsstornierung durch den Aufraggeber. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2206 3 4. Für wie viele Inhaftierte besteht aktuell ein Bedarf an Dolmetscherleistungen? Für wie viele Inhaftierte kann dieser Bedarf aktuell durch die Lücke im Angebot nicht zeitnah gedeckt werden? Für wie viele Inhaftierte werden im Jahresschnitt Videodolmetscherinnen und -dolmetscher gebraucht? Für wie viele Inhaftierte plant die Landesregierung zukünftig Videodolmetscherinnen und -dolmetscher ein? Am 24.10.2018 waren insgesamt 1 574 Personen mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit in niedersächsischen Justizvollzugseinrichtungen inhaftiert. Statistisch wird nicht erfasst, für wie viele dieser Personen Dolmetscherleistungen erforderlich sind. Aus den Justizvollzugseinrichtungen wird jedoch zunehmend ein entsprechender Bedarf formuliert. Im Rahmen des Pilotprojekts in der JVA Uelzen wurden innerhalb von zwei Monaten in 13 Fällen Videodolmetschen eingesetzt. Die JVA Uelzen war während der Projektphase im Monat durchschnittlich mit 265 Gefangenen belegt. Ausgehend von 4 277 Gefangenen im geschlossenen Vollzug am 31.10.2018 würden die Ergebnisse aus der Pilotierung in der JVA Uelzen hochgerechnet einen Bedarf von jährlich bis zu 1 260 Einsätzen von Videodolmetscherinnen und -dolmetschern landesweit ergeben. Bisher werden Übersetzungsleistungen durch die Hinzuziehung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern aus der nächstgelegenen Stadt, mit Unterstützung von technischen Mitteln wie Apps und Übersetzungsprogrammen und den Einsatz von sprachkundigen Bediensteten oder Gefangenen erbracht. Geplant ist der Einsatz von Videodolmetscherinnen und -dolmetschern für die Gefangenen in allen zwölf Justizvollzugsanstalten und der Jugendanstalt mit angeschlossenen großen Abteilungen sowie für die Abschiebungsgefangenen in der Abteilung Langenhagen (insgesamt 23 Liegenschaften ). 5. Welche Risiken entstehen dadurch, dass es aktuell nicht möglich ist, sich durch zeitnahe Dolmetscherleistungen mit den Inhaftierten frühzeitig zu verständigen? Zunächst wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Der Einsatz von technischen Mitteln wie Apps und Übersetzungsprogrammen eignet sich nur für Erklärungen zum Tagesablauf und für kurze Antworten auf Fragen der Gefangenen. Für Übersetzungsleistungen, die aus Gründen der Behandlung und medizinischen Diagnostik erforderlich sind, ist der Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern sowie sprachkundigen Bediensteten angezeigt. Eine zeitnahe Übersetzung garantiert , dass die erforderlichen vollzuglichen und medizinischen Maßnahmen unverzüglich getroffen werden können und damit ein wesentlicher Beitrag zur Erreichung der Vollzugsziele und der Gewährleistung der psychischen und physischen Unversehrtheit der Gefangenen geleistet wird. Daher wird der Einsatz von Videodolmetscherinnen und -dolmetschern weiter forciert. (Verteilt am 29.11.2018) Drucksache 18/2206 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Anja Piel (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums Videodolmetscherinnen und -dolmetscher im Justizvollzug