Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/232 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung Wie ist der Stand der HVV-Tarifausweitung nach Niedersachsen? Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 20.12.2017 - Drs. 18/108 an die Staatskanzlei übersandt am 22.12.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung vom 26.01.2018, gezeichnet Dr. Bernd Althusmann Vorbemerkung des Abgeordneten Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) erstreckt sich mittelweile über drei Bundesländer und übernimmt für mehr als 30 Verkehrsunternehmen und rund 3,4 Millionen Einwohner das Management des Verkehrsangebotes. An einem durchschnittlichen Werktag werden mehr als 2,5 Millionen Fahrgäste durch den HVV „transportiert“. Obwohl das Verkehrsverbundgebiet des HVV nicht gänzlich mit dem der Metropolregion Hamburg übereinstimmt, wirkt sich der HVV doch erheblich auf das Gebiet der Metropolregion aus. Rund 80 % der Bewohner der Metropolregion profitieren direkt von den Angeboten des HVV. Dem HVV gelingt es hierbei, unterschiedlichste Region mit einem zeitgemäßen , hochwertigen und attraktiven ÖPNV zu bedienen. Seit mehreren Jahren laufen Verhandlungen zwischen dem HVV, der LNVG, den Ländern und Landkreisen, die dem Wunsch der Bevölkerung aus den Landkreisen Uelzen, Heidekreis, Rotenburg und Cuxhaven nach einer Einbindung in das HVV-Tarifsystem Rechnung tragen. In den Drucksachen 17/2386, 17/2906, 17/7759 und 17/7760 wurde die Erweiterung des HVV thematisiert. Verkehrsminister Lies (SPD) antwortet am 18.11.2014, dass der Facharbeitskreis Tariferweiterung Niedersachsen als Zieltermin für diese Tarifausweitung den Dezember 2016 anvisiert (Drucksache 17/2386, Antwort auf Frage 3). Am 06./07.10.2016 verständigten sich die Verkehrsminister aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen sowie Senator Horch aus Hamburg darauf, dass „weitere Gespräche zur Vorbereitung von vertraglichen Vereinbarungen über eine Tarifkooperation auf Fachebene geführt werden“ (Drucksache 17/7759). Daraufhin fand „ein erstes Fachgespräch“ (ebenda) am 28.10.2016 statt, bei dem „die Möglichkeiten einer Tarifkooperation, … , grundsätzlich erörtert worden“ (ebenda). Einer Presseinformation des Landkreises Rotenburg vom 09.10.2017 ist zu entnehmen, dass der Abschluss von Vertragsverhandlungen über die Tarifausweitung des HVV für das erste Quartal 2018 angestrebt wird, dass sich die Gremien bis Herbst 2018 mit der Tarifausweitung beschäftigen werden und dass mit einer operativen Umsetzung im Jahr 2019 gerechnet wird. Zum Fahrplanwechsel 2019/2020 könnte die Tarifausweitung in Kraft treten. Vorbemerkung der Landesregierung Im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) haben sich die Aufgabenträger für den straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) im Verbundgebiet zusammengeschlossen. Für Niedersachsen sind dies im straßengebundenen ÖPNV die Landkreise Harburg, Lüneburg und Stade sowie im SPNV die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/232 2 Niedersachsen (LNVG) als 100-prozentige Tochter des Landes Niedersachsen. Der HVV ist u. a. für die Koordination der Verkehrsunternehmen, für die Tarifgestaltung, den Vertrieb und die Fahrgastinformation zuständig. Für die Bestellung und Finanzierung des Verkehrsangebots im HVV-Gebiet bleiben die jeweiligen Aufgabenträger selbst verantwortlich. Den vom Fragesteller zutreffend beschriebenen zeitgemäßen, hochwertigen und attraktiven ÖPNV im HVV-Raum hat das Land Niedersachsen über die LNVG als SPNV-Aufgabenträger in der Vergangenheit u. a. durch die Bestellung umfangreicher Mehrleistungen und den Einsatz attraktiver Doppelstockwagen in enger Abstimmung mit Hamburg konsequent ausgebaut und finanziert. Die Nachfrageentwicklung sowie die Fahrgastbefragungen in den letzten 13 Jahren bringen zum Ausdruck, dass insbesondere die Qualität des Angebots - also attraktive Fahrpläne und Fahrzeuge - bei den Fahrgästen einen besonders hohen Stellenwert haben. Die HVV-Verbunderweiterung im Jahr 2004 umfasste seinerzeit die vollständige Ausweitung des HVV-Tarifs für den Bus- und Schienennahverkehr auch auf Fahrten innerhalb der Landkreise Harburg , Lüneburg und Stade sowie zwischen diesen Landkreisen. Eine gutachterliche Untersuchung zur Prognose der verkehrlichen Effekte ging angesichts der attraktiven Fahrzeiten und Entfernungen zur Metropole Hamburg von deutlichen Fahrgastzuwächsen aus. Vor diesem Hintergrund und auf der Grundlage der gutachterlich ermittelten Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverluste wurde diese Ausweitung seitens der Aufgabenträger für ÖPNV und SPNV gemeinsam als sinnvoll eingestuft und von allen Beteiligten befürwortet. Bei der HVV-Verbunderweiterung 2004 wurde verabredet , dass die Landkreise die Zuschüsse (Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverluste) im straßengebundenen ÖPNV zahlen und die Aufgabenträger Hamburg und LNVG die entsprechenden Zuschüsse für den SPNV leisten. In der Bevölkerung und der Kommunalpolitik der Landkreise Cuxhaven, Heidekreis, Rotenburg (Wümme) und Uelzen besteht seit Jahren ein großes Interesse an einer Ausweitung des HVV auf die Schienenstrecken in diesen Landkreisen. Das Land hat sich bereit erklärt, diesen Wunsch durch die Förderung einer solchen Tarifausweitung, die sich allerdings auf den SPNV beschränken und anders als bei der ersten HVV-Süderweiterung in 2004 nicht den straßengebundenen ÖPNV umfassen soll, aktiv zu unterstützen. In gemeinsamen Arbeitskreisen mit dem HVV, den SPNV-Aufgabenträgern und den drei Landkreisen hat dazu in den letzten Jahren ein intensiver Prüfungs- und Abstimmungsprozess unter gutachterlicher Begleitung stattgefunden, bei dem verschiedene Tarifmodelle für die Erweiterung untersucht und auf ihre finanziellen Auswirkungen betrachtet worden sind. Die in der Vorbemerkung der Fragesteller ebenfalls in Bezug genommenen Drucksachen 17/7759 und 17/7760 haben nicht die Frage einer HVV-Erweiterung zum Thema, sondern davon unabhängige Diskussionen über mögliche Optionen eines länderübergreifenden Nordtarifs für SPNV- und Bus-Verkehre in den Ländern Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen insgesamt. 1. In welcher Höhe und mit welchem prozentualen Anteil hat die Landesregierung die Erweiterung des HVV-Tarifgebiets auf die Landkreise Stade, Harburg und Lüneburg im SPNV bezuschusst? Bei der finanziellen Beteiligung des Landes Niedersachsen an den Kosten der Ausweitung des HVV auf die Landkreise Stade, Harburg und Lüneburg ist zwischen der Bezuschussung einmaliger Investitionskosten (inklusive Marketingkosten) und der dauerhaften Finanzierung der Harmonisierungs - und Durchtarifierungsverluste in Form höherer Zuschüsse für die Verkehrsleistungen zu unterscheiden . Das Land Niedersachsen hat die einmaligen Investitionskosten der HVV-Erweiterung ab 2004 mit einem prozentualen Anteil in Höhe von 70 % gefördert. Auf Basis dieser Förderquote resultierte ein Förderbetrag in Höhe von 2,421 Millionen Euro. Die SPNV-Unternehmen haben davon unmittelbar einen Betrag von 0,21 Millionen Euro erhalten. Allerdings sind auch bei den anderen Zuwendungsempfängern (ÖPNV-Unternehmen und HVV GmbH), die insgesamt rund 2,211 Millionen Euro erhalten haben, nicht exakt bestimmbare Anteile für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) enthalten . Beispielsweise hat die HVV GmbH für Marketingmaßnahmen einen Betrag in Höhe von rund 0,5 Millionen Euro erhalten. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/232 3 Ergänzend zu den oben aufgeführten Förderungen des Landes Niedersachsen hat die LNVG in ihrer Eigenschaft als SPNV-Aufgabenträger zusammen mit der Freien und Hansestadt Hamburg der Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH (EVB), die die Strecke Bremerhaven–Buxtehude bedient, anteilige Ausgaben für den Betrieb in Höhe von 80 000 Euro (Freie und Hansestadt Hamburg) und 124 800 Euro (LNVG als Aufgabenträger) finanziert. Hinsichtlich der Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverluste durch die HVV-Erweiterung oblag die Finanzierung für den straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) allein den Landkreisen, während die Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverluste für den SPNV von den SPNV-Aufgabenträgern LNVG und Hamburg getragen wurden. Die LNVG hat an die Verkehrsunternehmen im SPNV aufgrund der verhandelten Konditionen gemäß den Ergänzungsverträgen inklusive der im vorherstehenden Absatz genannten Zahlungen zur Verbunderweiterung in den Jahren 2004 und 2005 insgesamt einen Betrag von 560 000 Euro für Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverluste sowie für die Erstattung der Kosten für HVV-Verbundaufgaben gezahlt. Dies entspricht einem Anteil von rund 33,7 % der Gesamtkosten von 1,66 Millionen Euro für 2004 und 2005. Ab 2006 wurden keine Kosten mehr in der Verkehrsvertragsabrechnung zuschusserhöhend ausgewiesen . Eine Darstellung der Zuschusshöhe der LNVG als SPNV-Aufgabenträger speziell für die Verbunderweiterung nach 2005 ist qualifiziert nicht möglich. Die Zuschusszahlungen der LNVG an die jeweiligen Eisenbahnverkehrsunternehmen für die Verkehrsleistungen im HVV erfolgen in einer Gesamtsumme. Die Höhe der Gesamtsumme ist neben den Effekten aus der Verbunderweiterung von verschiedenen Einflussfaktoren geprägt (z. B. neue Doppelstockzüge mit erweitertem Fahrplan - und Sitzangebot; metronom Eisenbahngesellschaft mbH als neuer Betreiber; Energiepreisentwicklung ), die nicht im Zusammenhang mit der Verbunderweiterung stehen. Eine wirtschaftliche Bilanz der HVV-Erweiterung kann auch deshalb nicht abgeleitet werden, weil in den Verkehrsverträgen zur S-Bahn-Verlängerung ab 2007 nach Stade sowie bei jeder Neuausschreibung für Verkehrsleistungen die Zahlungen für die HVV-Erweiterung nicht mehr gesondert ausgewiesen wurden und demnach in der Zuschusszahlung auf Grundlage des jeweiligen Verkehrsvertrages enthalten sind. Nach einer grob überschlägigen Abschätzung der LNVG dürfte im besten Fall aufgrund der Fahrgastzuwächse kein Zuschuss gezahlt werden und wäre im schlechtesten Fall von einem maximalen Zuschuss für die Verbunderweiterung von 1,0 Millionen Euro pro Jahr auszugehen. Die Einführung der sogenannten Übergangstarife im SPNV (z. B. Cuxhaven) haben die betreffenden Landkreise allein finanziert. 2. In welcher Höhe und mit welchem prozentualen Anteil plant die Landesregierung die jetzige Erweiterungsrunde für den SPNV zu bezuschussen? Um dem Wunsch der Landkreise Cuxhaven, Heidekreis, Rotenburg (Wümme) und Uelzen nach einer stärkeren Anbindung an den HVV entgegenzukommen, hat das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit Verkehr und Digitalisierung (MW) den vier Landkreisen eine dauerhafte finanzielle Unterstützung in Höhe von insgesamt 1,209 Millionen Euro pro Jahr in Aussicht gestellt. Mit diesem Höchstbetrag trägt das Land 50 % der von einem Gutachter geschätzten Unterdeckung, die durch die Verbunderweiterung nach dem Tarifmodell 3 (Ausweitung des Zeitkartentarifs auf Schienenstrecken in den Landkreisen Cuxhaven, Rotenburg und Uelzen auf Zeitkarten sowie im nördlichen Teil des Heidekreises auch auf Einzelfahrscheine) entstehen würde. Über diesen Finanzierungsbeitrag hinaus beabsichtigt MW außerdem die einmaligen Investitionskosten für die Erweiterung zu fördern . Belastbare Beträge dazu können derzeit noch nicht genannt werden. Die betroffenen Landkreise streben über das Tarifmodell 3 hinaus an, in Teilbereichen mit eigenen Mitteln zusätzlich eine weitergehende Einbeziehung von HVV-Einzelfahrscheinen zu finanzieren (Tarifmodell 4). Das Land hat in Gesprächen mit den Landräten wiederholt klargestellt, dass sein dauerhafter Finanzierungsbeitrag auf 1,209 Millionen Euro gedeckelt bleibt. Jede weitere Unterdeckung muss von den Kommunen finanziert werden, denen seit 2017 gemäß § 7 a des Niedersächsischen Nahverkehrsgesetzes zusätzliche Mittel von insgesamt 2,31 Millionen Euro zur Finanzierung von Maßnahmen im ÖPNV zur Verfügung stehen, die auch für diese Zwecke verwandt wer- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/232 4 den können. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat den vier Landkreisen allerdings zusätzlich eine dauerhafte Übernahme aller tariflichen Verluste, die auf Hamburger Territorium anfallen, in Aussicht gestellt. Damit würde Hamburg für das Tarifmodell 4 durchschnittlich 21,9 % des Gesamtfinanzierungsbedarfs übernehmen. Der in Aussicht gestellte Anteil Hamburgs variiert dabei bezüglich der einzelnen Landkreise und beträgt für Cuxhaven 15,4 %, für den Heidekreis 9,8 %, für Rotenburg (Wümme) 35,6 % sowie für Uelzen 15,5 %. In der Lenkungskreissitzung am 21.09.2017 haben die Landräte der vier Landkreise signalisiert, in konkrete Vertragsverhandlungen zur Umsetzung des Tarifmodells 4 zu treten und - soweit diese noch nicht vorlagen - die für die Finanzierung der noch verbleibenden Tarifunterdeckung in Höhe von insgesamt rund 1,6 Millionen Euro erforderlichen politischen Voten einzuholen. Die Tarifausweitung wird nach dem derzeitigen Stand im Dezember 2019 zum Fahrplanwechsel 2019/2020 in Kraft treten können. 3. Ist die Landesregierung bereit, den vorgesehenen Landeszuschuss zu erhöhen? Wenn nicht, warum nicht? Eine Erhöhung ist derzeit nicht beabsichtigt. Die Landesregierung hält einen dauerhaften Landeszuschuss in Höhe von 50 % des vom beauftragten Gutachter ermittelten Finanzierungsbedarfs bei Tarifmodell 3 für angemessen. Damit möchte das Land insbesondere den nach Hamburg orientierten Berufspendlern im weiteren südlichen Umland der Metropole die Möglichkeit bieten, vom günstigen HVV-Tarif zu profitieren, und zudem die Lebensbedingungen in diesen Gebieten noch attraktiver gestalten. Gegen die Mitfinanzierung anderer Tarifmodelle spricht außerdem, dass nach Prognosen des Gutachters bei diesen Modellen von negativen verkehrlichen Effekten (Tarifmodelle 1 und 2) oder allenfalls von sehr geringfügigen Fahrgastzuwächsen (Tarifmodell 4) auszugehen ist. Bei der Bemessung des Zuschussanteils zur Erweiterung nach Tarifmodell 3 war zu berücksichtigen , dass der gutachterlich ermittelte Nutzwert für den SPNV mit einem Zuschuss von 1,15 Euro bis 1,38 Euro pro Verbundfahrt im Vergleich zu anderen tariflichen Maßnahmen weit unterdurchschnittlich ausfällt. Dieser Zuschuss lag z. B. bei der HVV-Erweiterung 2004 bei höchstens 0,10 Euro pro Verbundfahrt. (Verteilt am 30.01.2018) Drucksache 18/232 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung Wie ist der Stand der HVV-Tarifausweitung nach Niedersachsen?