Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2363 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz und Anja Piel (GRÜNE) Antwort des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Gibt es bei Fortbildungen für Ärztinnen und Ärzte in Niedersachsen unzulässiges Sponsoring durch die Pharmaindustrie? Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz und Anja Piel (GRÜNE), eingegangen am 22.11.2018 - Drs. 18/2161 an die Staatskanzlei übersandt am 22.11.2018 Antwort des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 11.12.2018 Vorbemerkung der Abgeordneten Ärztinnen und Ärzte müssen die regelmäßige Teilnahme an Fortbildungen nachweisen. Diese werden nach den bundesweit einheitlichen CME-Richtlinien von den Landesärztekammern zertifiziert. Ein Teil der Fortbildungen wird von der Pharmaindustrie angeboten, alle größeren Konzerne verfügen über ein eigens CME-Portal. Voraussetzung für eine Zertifizierung ist nach § 8 Nr. 3 der Fortbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsens deshalb u. a., dass „die Inhalte frei von wirtschaftlichen Interessen sind und Interessenkonflikte des Veranstalters und der Referenten offengelegt werden“. Die Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte (MEZIS) meldet auf ihrer Website unter der Adresse https://mezis.de/cme-verstossmeldung-omniamed-update-neo-mai-2018-hannover/ einen Verstoß gegen die CME-Zertifizierungs-Richtlinien für eine Veranstaltung des Anbieters Omnia- Med, die am Samstag, den 2. Juni 2018 in Hannover stattfand. Demnach wurden mindestens sechs von acht Vorträgen von Referentinnen und Referenten gehalten, die Honorare von denjenigen Firmen bekommen, zu deren Produkten sie referieren. Im August dieses Jahres hatte bereits die Ärztekammer Baden-Württemberg einer Veranstaltung des gleichen Anbieters die Zertifizierung verweigert. Vorbemerkung der Landesregierung Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Kammergesetzes für die Heilberufe (HKG) ist es Aufgabe der Kammern, „die Qualitätsentwicklung und -sicherung im Gesundheits- und Veterinärwesen sowie die berufliche Fortbildung der Kammermitglieder zu fördern, Fortbildungsveranstaltungen durchzuführen , die Weiterbildung der Kammermitglieder nach Maßgabe dieses Gesetzes zu regeln und Zusatzqualifikationen zu bescheinigen“. Zur Umsetzung dieser gesetzlichen Aufgabe hat die Ärztekammer Niedersachsen nach § 25 Nr. 1 Buchst. l) durch Beschluss ihrer Kammerversammlung eine Fortbildungsordnung als Satzung beschlossen. Nach § 4 der Fortbildungsordnung fördert die Ärztekammer die Fortbildung der Ärztinnen und Ärzte durch das Angebot eigener Fortbildungsmaßnahmen sowie durch die Anerkennung geeigneter Fortbildungsmaßnahmen Dritter. Die Anerkennung von Fortbildungsmaßnahmen erfolgt nach § 7 Abs. 1 der Fortbildungsordnung gegenüber dem Veranstalter grundsätzlich vor ihrer Durchführung durch die Ärztekammer. Die Voraussetzungen für die Anerkennung sind in § 8 der Fortbildungsordnung geregelt. Danach ist erforderlich, dass die Fortbildungsinhalte den Fortbildungszielen der Fortbildungsordnung entsprechen, die Vorgaben der Berufsordnung der Ärztekammer Niedersach- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2363 2 sen eingehalten werden, die Inhalte frei von wirtschaftlichen Interessen sind und Interessenkonflikte des Veranstalters und der Referentinnen und Referenten offen gelegt werden. Weiter ist vorgesehen, dass die Fortbildungsmaßnahme „arztöffentlich“ sein soll. Nach § 8 Abs. 3 der Fortbildungsordnung muss für Fortbildungen in der Form von Vortrag und Diskussion, mehrtägigen Kongressen im In- und Ausland, Workshops, Arbeitsgruppen, Qualitätszirkeln und dergleichen „grundsätzlich ein Arzt als wissenschaftlicher Leiter bestellt und bei Präsenzfortbildungen anwesend sein. Der bestellte wissenschaftliche Leiter muss eine Selbstauskunft über mögliche Interessenkonflikte vorlegen. Interessenkonflikte des Veranstalters, der wissenschaftlichen Leitung und der Referenten müssen gegenüber den Teilnehmern an der Fortbildungsmaßnahme offen gelegt werden.“ Das Verfahren der Anerkennung von Fortbildungsmaßnahmen durch die Ärztekammer Niedersachsen ist in § 9 der Fortbildungsordnung und die gegenseitige Anerkennung von Fortbildungsmaßnahmen und Fortbildungszertifikaten anderer Kammern in § 10 der Fortbildungsordnung geregelt . Die berufsrechtliche Pflicht zur ärztlichen Fortbildung ergibt sich aus § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HKG und § 4 der Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen. Für die ärztliche Behandlung von Kassenpatientinnen und Kassenpatienten regelt § 95 d des Sozialgesetzbuchs (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - eine Fortbildungsverpflichtung, die alle Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, Vertragspsychotherapeutinnen und Vertragspsychotherapeuten sowie Ermächtigte und Angestellte in Praxen oder Medizinischen Versorgungszentren betrifft. Die Erfüllung dieser Verpflichtung ist gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung innerhalb von fünf Jahren nach der Zulassung nachzuweisen und ist dann wiederkehrend in einem Zeitintervall von jeweils fünf Jahren zu leisten. Die Folgen einer Verletzung der Nachweispflicht sind in § 95 d Abs. 3 SGB V geregelt: Neben abgestuften Honorarkürzungen kommt auch ein Antrag auf Entziehung der Zulassung oder Ermächtigung durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung in Betracht; dies gilt nach § 95 d Abs. 5 SGB V auch für angestellte Ärztinnen und Ärzte. Die Ärztekammer Niedersachsen hat in ihrer aus Anlass dieser Anfrage eingeholten Stellungnahme ausgeführt, durch die berufsrechtlichen Regelungen sollte die Anerkennung von Veranstaltungen ausgeschlossen werden, die einseitige wirtschaftliche Interessen verfolgen und, gegebenenfalls auch mittelbar, der Werbung für ein bestimmtes Produkt dienen und damit die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidungen gefährden. Objektive Produktinformationen auf der Grundlage wissenschaftlicher Kriterien seien bei Nennung des Wirkstoffnamens zulässig, sofern ein ausgewogener Überblick über diagnostische und therapeutische Alternativen vermittelt werde, soweit solche bestehen . Die Mitwirkung pharmazeutischer Unternehmen an Fortbildungen sei daher nicht gänzlich ausgeschlossen. 1. Wie bewertet die Landesregierung die Zertifizierung der besagten Veranstaltung durch die Ärztekammer Niedersachsen vor dem Hintergrund der Regelungen des § 8 Nr. 3 der Fortbildungsordnung? Die Landesregierung sieht keinen Anlass, die Zertifizierung der besagten Veranstaltung durch die Ärztekammer Niedersachsen rechtsaufsichtlich zu beanstanden. Wie die Ärztekammer mitgeteilt hat, geht sie den Hinweisen aus dem Teilnehmerkreis nach, dass in Vorträgen produktbezogene Werbung erfolgt sein soll, und prüft den Widerruf der Anerkennung der Fortbildungsveranstaltung. 2. Wie hoch waren die Honorare, die die von MEZIS bemängelten Referentinnen und Referenten von der Pharmaindustrie für ihre Vorträge bei der besagten Veranstaltung erhalten haben? Der Landesregierung liegen wie der Ärztekammer Niedersachsen keine Erkenntnisse darüber vor. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2363 3 3. Wie viele Fortbildungen lehnt die Ärztekammer Niedersachsen jährlich ab, weil sie gegen die Regelungen des § 8 Nr. 3 der Fortbildungsordnung verstoßen? In ihrer Stellungnahme hat die Ärztekammer Niedersachsen angegeben, dass jährlich in zehn bis 15 Fällen Anträge auf Anerkennung von Fortbildungsveranstaltungen abgelehnt werden, weil die dort präsentierten Inhalte nicht frei von wirtschaftlichen Interessen sind. 4. Wie viele Referentinnen und Referenten legen jährlich Interessenkonflikte im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens offen? Wie viele Referentinnen und Referenten jährlich Interessenkonflikte im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens offenlegen, ist der Landesregierung nicht bekannt und wird von der Ärztekammer nach der von ihr abgegebenen Stellungnahme nicht erfasst, da - wie in der Vorbemerkung ausgeführt - Interessenkonflikte des Veranstalters, der wissenschaftlichen Leitung und der Referentinnen und Referenten gegenüber den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Fortbildungsmaßnahme offenzulegen sind. Hierauf weist die Ärztekammer bei der Anerkennung der Veranstaltung ebenso wie auf das im Internet hierfür zur Verfügung stehende Muster hin. 5. Wie bewertet die Landesregierung das Engagement der Pharmaindustrie bei der Fortbildung von Ärztinnen und Ärzten im Allgemeinen? Die Landesregierung bewertet das Engagement der Pharmaindustrie bei der Fortbildung von Ärztinnen und Ärzten zunächst neutral. Dies gilt ebenso für andere Akteure, deren Tätigkeit Bezüge zur ärztlichen Fortbildung aufweist. Die Landesregierung hält es jedoch für wichtig, dass ärztliche Fortbildungsveranstaltungen die ärztlichen Entscheidungen zugunsten der Gesundheit ihrer Patientinnen und Patienten unbeeinflusst lassen. 6. Hält die Landesregierung die Regelungen des § 8 Nr. 3 der Fortbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsens und das Zertifizierungsverfahren insgesamt für geeignet, um unzulässiges Sponsoring zu unterbinden und die ärztliche Unabhängigkeit zu gewährleisten ? Ja. 7. Welche weiteren Möglichkeiten sieht die Landesregierung, Interessenkonflikte von Referentinnen und Referenten bei ärztlichen Fortbildungen offenzulegen? Der Landtag hat entschieden, die ärztliche Fortbildung der Ärztekammer im Rahmen ihrer Selbstverwaltung zu übertragen. Daher bestehen seitens der Landesregierung keine weiteren Möglichkeiten im Sinne der Frage. 8. Welche Auswirkungen kann unzulässiges Sponsoring nach Ansicht der Landesregierung auf das Verschreibungsverhalten von Ärztinnen und Ärzten in Niedersachsen haben ? Die Regelungen zur Verhinderung von unzulässigem Sponsoring sollen nach Ansicht der Landesregierung vorrangig darauf hinwirken, die Unabhängigkeit von Ärztinnen und Ärzten beim Verschreibungsverhalten zu stärken. Die Ärztekammer Niedersachsen hat in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass Ärztinnen und Ärzte, die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung unwirtschaftliche Arzneimittel verordnen, nach Maßgabe der §§ 106 ff. SGB V gewärtigen müssen, in Regress genommen zu werden. (Verteilt am 14.12.2018) Drucksache 18/2363 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz und Anja Piel (GRÜNE) Antwort des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Gibt es bei Fortbildungen für Ärztinnen und Ärzte in Niedersachsen unzulässiges Sponsoring durch die Pharmaindustrie?