Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2374 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Anja Piel und Meta Janssen-Kucz (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Der Missbrauchsfall in Emsbüren Anfrage der Abgeordneten Anja Piel und Meta Janssen-Kucz (GRÜNE), eingegangen am 08.11.2018 - Drs. 18/2068 an die Staatskanzlei übersandt am 12.11.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 12.12.2018 Vorbemerkung der Abgeordneten Das Magazin DER SPIEGEL berichtet in seiner Ausgabe vom 20.10.2018 von der jahrelangen schweren Misshandlung eines heute 18-Jährigen durch seine Mutter in Emsbüren im Landkreis Emsland. Laut NDR-1-Bericht vom 30.10.2018 „prüft die Staatsanwaltschaft Osnabrück, ob Ermittlungen gegen das Jugendamt eingeleitet werden. Es steht der Verdacht im Raum, dass Mitarbeiter des Amtes nicht angemessen gehandelt haben.“ Vorbemerkung der Landesregierung Die Jugendämter nehmen die Tätigkeit auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendhilfe als Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen des eigenen Wirkungskreises der Kommunen als Selbstverwaltungsaufgabe wahr. Im eigenen Wirkungskreis unterliegen die Kommunen keiner Fachaufsicht . Die Arbeit der Fachkräfte in den Jugendämtern ist gekennzeichnet durch eine doppelte Aufgabenstellung : Zum einen haben sie die Aufgabe, Familien bei Entwicklungs- und Erziehungsfragen zu beraten und Hilfen anzubieten. Zum anderen haben die Fachkräfte auch einen Schutzauftrag bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung gemäß § 8 a SGB VIII wahrzunehmen. Dabei ist zu beachten, dass es Jugendämtern nicht möglich ist, ohne jegliche Anhaltspunkte alle Eltern und Personensorgeberechtigten präventiv einbeziehend zu kontrollieren. Vielmehr müssen hinreichend konkrete und ernst zu nehmende Hinweise auf eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegen . Zur Beantwortung der Kleinen Anfrage wurde der Landkreis Emsland um Stellungnahme gebeten. Da sowohl der Landkreis Emsland als örtlicher und das Land Niedersachsen als überörtlicher Träger der Kinder- und Jugendhilfe die Regelungen zum Schutz der Sozialdaten zu beachten haben, erfolgen die Antworten unter Wahrung des Sozialdatenschutzes. Es gilt, die Grundrechte der hier bestimmbar Betroffenen, d. h. derjenigen zu sichern, denen die Sozialdaten aufgrund der in der Öffentlichkeit vorhandenen Einzelangaben ohne größeren Aufwand zugeordnet werden können. Der Schutz von Sozialdaten erstreckt sich auch auf bereits bekannte bzw. bekannt gewordene Sozialdaten , z. B. solche, die bereits durch die Presse oder soziale Medien verbreitet wurden. Insoweit werden die Fragen hier im Rahmen einer öffentlich zugänglichen Landtagsdrucksache zur Vermeidung der Verletzung schutzwürdiger Interessen Dritter (Artikel 24 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung) eingeschränkt beantwortet. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2374 2 Falls die Abgeordneten nähere Informationen wünschen, steht die Landesregierung für eine Unterrichtung im vertraulichen Teil des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung zur Verfügung. 1. Welche Hinweise erhielt das Jugendamt des Landkreises Emsland zu der Familie zu welchem Zeitpunkt? Die Beratungs- und Hilfeangebote des Landkreises Emsland stehen allen kreiszugehörigen Familien zur Verfügung. Im Falle einer Inanspruchnahme durch die Personensorgeberechtigten sowie einer Hinweisgebung prüfen die zuständigen Bezirkssozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter, ob gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung gegeben sind, die ein Verfahren zur Abschätzung der Gefährdung notwendig machen oder gar ein Einschreiten des Jugendamtes - auch gegen den Willen der Personensorgeberechtigten - rechtfertigen. Im Interesse der Familien und jungen Menschen arbeitet das Jugendamt bei einer Hilfegewährung und der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung mit anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen , insbesondere Schulen, zusammen. Einer weitergehenden Beantwortung dieser Fragen steht der Sozialdatenschutz entgegen, siehe Vorbemerkung. 2. Gab es Hinweise zu möglichen Auffälligkeiten an andere Stellen, wie die Polizei, den Kindergarten und die Schule des Jungen, und wenn ja, wie oft? Die Polizei wurde durch eine Anzeigenerstattung am 02.01.2017 bei der Polizeiinspektion Emsland /Grafschaft Bentheim (Polizeidirektion Osnabrück) in Kenntnis gesetzt. Den Akten der Kindertagesstätten der Gemeinde Emsbüren sind keine diesbezüglichen Hinweise zu entnehmen. In der Schule ergaben sich Anhaltspunkte, zu denen die Klassenlehrerin und der Schulleiter 2015/2016 mehrere Gespräche mit anderen Stellen und Institutionen führten, auch unter Einbeziehung der betroffenen Familie, aus denen sich jeweils keine Hinweise auf eine Misshandlung oder einen Missbrauch ergaben. 3. Wann gab es den letzten Hinweis? Auf die Beantwortung der Frage 2 sowie die Vorbemerkung wird verwiesen. 4. Was haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes als Reaktion auf eventuelle Hinweise unternommen? Welche Maßnahmen wurden zu welchem Zeitpunkt im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe initiiert? Wenn keine Jugendhilfemaßnahmen stattfanden, warum nicht? Auf die Beantwortung der Frage 1 sowie die Vorbemerkung wird verwiesen. 5. Fanden seitens des Jugendamtes regelmäßige Hausbesuche und Hilfeplangespräche statt? Wenn ja, seit wann und in welcher Regelmäßigkeit? Wenn nein, mit welcher Begründung , und gab es darüber einen fachlichen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen des Jugendamtes und der Amtsleitung? Die Ausgestaltung von Leistungen der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 SGB VIII und Aufgaben nach § 2 Abs. 3 SGB VIII obliegt unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben der Verantwortung des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen des eigenen Wirkungskreises der Kommunen . Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2374 3 Nach § 36 Abs. 2 SGB VIII treffen die zuständigen Bezirkssozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter die Entscheidung über eine im Einzelfall angezeigte Hilfeart, wenn Hilfe voraussichtlich für längere Zeit zu leisten ist, im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte. Als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe stellen sie zusammen mit der oder dem Personensorgeberechtigten und dem Kind oder der bzw. dem Jugendlichen einen Hilfeplan auf, der Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthält; sie prüfen regelmäßig, ob die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist. Werden bei der Durchführung der Hilfe andere Personen, Dienste oder Einrichtungen tätig, so sind sie oder deren Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung zu beteiligen. Die Entscheidung darüber, ob zum Zweck einer Gefährdungseinschätzung ein Hausbesuch - auch unangekündigt - angezeigt ist, hängt von der Situation im Einzelfall ab und ist durch das zuständige Jugendamt eigenverantwortlich zu treffen. Sie erfolgt wie der gesamte Beurteilungs- und Bewertungsprozess einer Risikoeinschätzung im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte und wird ebenfalls dokumentiert. Der Sozialdatenschutz steht einer weitergehenden Beantwortung dieser Fragen entgegen, siehe Vorbemerkung. 6. Gab es unangemeldete Besuche durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes bei der Familie des betroffenen Jungen? Wenn ja, zu welchen Terminen bzw. mit welcher Regelmäßigkeit? Wurden Hilfeplangespräche dokumentiert? Auf die Beantwortung der Frage 5 sowie die Vorbemerkung wird verwiesen. 7. Wurden neben den Familiengesprächen auch vertrauliche Gespräche mit dem jungen Heranwachsenden geführt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wo fanden die Gespräche statt? Wurde auch der nähere Lebensraum (das eigene Zimmer) des Jungen angesehen ? Auf die Beantwortung der Frage 5 sowie die Vorbemerkung wird verwiesen. 8. Wie ist die Personalausstattung im Jugendamt Emsland? Wie viele Familien betreut eine VZ-Stelle? Finden anhand der Fallzahlen regelmäßige Überprüfungen des Personalschlüssels statt? Wenn ja, in welchen Abständen? Der Landkreis Emsland hat mitgeteilt, dass im Jahr 2014 eine Organisationsuntersuchung durch eine externe Beraterfirma im Jugendamt des Landkreises Emsland durchgeführt worden sei, in der u. a. eine Personalbemessung stattgefunden habe. Hierbei sei eine ausreichende Stellenplanung in der für Emsbüren zuständigen Außenstelle Lingen festgestellt worden. In den darauffolgenden Jahren habe sich dort kein personeller Mehrbedarf ergeben. Die Fallzahlen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Jugendamt des Landkreises Emsland würden monatlich durch einen internen Fachcontroller erhoben und dem Teamleiter und Abteilungsleiter des Allgemeinen Sozialdienstes vorgelegt. Hierbei sei zu beachten, dass das Jugendamt des Landkreises Emsland dezentral aufgestellt ist mit der Hauptverwaltung in Meppen und den beiden Außenstellen in Aschendorf und Lingen. Von daher variieren die Fallzahlen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund der Fahrtwege und der jeweiligen Aufgabenzuschnitte. 9. Wurden die Erkenntnisse von Besuchen dokumentiert? Auf die Beantwortung der Frage 5 sowie die Vorbemerkung wird verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2374 4 10. Wurden vorliegende Erkenntnisse des Jugendamtes Emsland mit Fachleuten in anderen Einrichtungen - z. B. Jugendämtern in anderen Landkreisen - beraten? Auf die Beantwortung der Frage 5 sowie die Vorbemerkung wird verwiesen. (Verteilt am 14.12.2018) Drucksache 18/2374 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Anja Piel und Meta Janssen-Kucz (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Der Missbrauchsfall in Emsbüren