Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2453 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung Die Zahnkrankheit „Kreidezähne“ Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD), eingegangen am 28.11.2018 - Drs. 18/2219 an die Staatskanzlei übersandt am 03.12.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 19.12.2018 Vorbemerkung des Abgeordneten Laut einem Bericht der Landeszeitung Online vom 25.07.2018 sind bis zu 15 % aller Kinder in Deutschland von der Krankheit Molaren-Inzisive-Hypomineralisation (MIH), den „Kreidezähnen“, betroffen. Bei den Zwölfjährigen soll die Quote sogar mehr als 30 % betragen1. Vorbemerkung der Landesregierung Die MIH ist eine spezielle Form der Schmelzbildungsstörung. Die Kreidezähne wachsen mit braunen Verfärbungen aus dem Kiefer. Betroffen sind die Milchzähne, aber auch die bleibenden Zähne. MIH befällt meist die ersten Backenzähne (Sechs-Jahr-Molaren). Der normalerweise sehr harte Zahnschmelz ist bei Kreidezähnen verfärbt und weich, etwa nur ein Zehntel so hart wie normaler Zahnschmelz. Dadurch kann der Zahn beim Kauen und Beißen dem auf ihn ausgeübten Druck nicht standhalten und zerbröselt. Wahrscheinlich entsteht MIH aufgrund einer Funktionsbeeinträchtigung oder Schädigung der normal angelegten zahnbildenden Zellen. Der Zeitpunkt/-raum, in dem diese Strukturstörung der Zahnhartsubstanz entsteht, ist nur grob zu bestimmen, denn die Schmelzbildung der meist betroffenen ersten bleibenden Backenzähne und der Schneidezähne findet während der pränatalen Phase bis hin zum Alter von etwa drei Jahren statt. Die genauen Ursachen der MIH sind bislang nicht bekannt, daher werden multifaktorielle bzw. multiple Ursachen vermutet. Expertinnen und Experten sind sich recht sicher, dass Kreidezähne nicht vererbt werden, sondern durch Umwelteinflüsse entstehen. Als mögliche Ursachen wurden/werden Atemwegserkrankungen und die Gabe von Antibiotika diskutiert . Neueste Forschungen haben jetzt den Verdacht erhärtet, dass Weichmacher, die in Plastik vorkommen, die Ursache für Kreidezähne sein könnten. 1. Hat die Landesregierung Kenntnisse über das Ausmaß der Verbreitung dieser Krankheit bei Kindern in Niedersachsen? Allein auf Niedersachsen bezogen liegen derzeit keine detaillierten Statistiken vor. Die in dem o. a. Bericht zitierten Zahlen stammen aus der Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V), die diese Zahlen in einem West-Ost-Vergleich veröffentlicht hat. 1 https://www.landeszeitung.de/blog/lokales/1753892-neue-volkskrankheit-kreidezaehne Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2453 2 Da die MIH epidemiologisch gut an kariesfreien Zähnen erkennbar ist, wenn noch keine Restaurationen vorliegen, wurde dieses Krankheitsbild in der DMS V exklusiv bei den zwölfjährigen Kindern erhoben und lediglich ein Vergleich zwischen den Prävalenzen in den neuen und alten Bundesländern angestellt. Die Zahnärztekammer Niedersachsen verweist hierzu auf die Kernaussagen des Studienleiters der DMS V, Professor Jordan, der die ermittelten Zahlen wie folgt einordnet: „Auch wenn sich für die MIH in der DMS V eine bemerkenswerte Prävalenz herausgestellt hat, weisen die Autorinnen und Autoren der Studie darauf hin, dass dies nicht automatisch eine hohe klinische Relevanz bedeutet. Die Interpretation der Datenlage sollte mit angemessener Umsicht erfolgen. Hohe Prävalenz bedeutet nicht automatisch hohe klinische Relevanz, denn Ausmaß (mittlere Anzahl der MIH-Zähne) und Schwere (maximaler Ausprägungsgrad) der Erkrankung liegen doch überwiegend auf niedrigem Niveau. Dies zeigt, dass die Prävalenz als alleinige epidemiologische Kennzahl nicht immer ausreichend ist, um sich ein vollständiges Bild über die Verteilung der Krankheit zu verschaffen.“ Bei dem jetzt im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen auffallend häufigeren Auftreten dieser Kreidezähne wird als deren mögliche Ursache auch diskutiert, ob es sich tatsächlich um ein Krankheitsbild handelt, das eine entsprechend hohe Neuerkrankungsrate (Inzidenz) aufweist, oder ob diese entwicklungsbedingten Zahnhartsubstanzdefekte in unseren heutigen Zeiten niedriger Kariesprävalenz epidemiologisch einfach besser erkannt werden, weil sie nicht frühzeitig durch Restaurationen kaschiert werden.2 2. Inwieweit werden etwaige bisherige medizinische Erkenntnisse über Ursache, Prophylaxe und Behandlungsmöglichkeiten in Bezug auf MIH in der zahnmedizinischen Praxis zum Erhalt der Zahngesundheit der Kinder in Niedersachsen bereits umgesetzt? Die ZKN führt dazu aus, dass die MIH in der Zahnmedizin schon seit vielen Jahren als Krankheitsbild bekannt sei. Kenntnisse aus Fachliteraturstudium und Fortbildungen würden sowohl in der universitären Lehre den Studierenden vermittelt als auch von den approbierten Zahnmedizinerinnen und Zahnmedizinern in deren Praxisalltag umgesetzt. So wurden allein im Mitteilungsblatt Niedersächsisches Zahnärzteblatt (NZB; www.nzb.de) der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und Zahnärztekammer Niedersachsen in den letzten Jahren mehrfach Fachartikel allein über die MIH veröffentlicht und zusätzlich im Sinne von „Continuing Medical Education“ (CME) das vermittelte Wissen über Fragestellungen online abgefragt. 3. Welche gesundheitsfördernden und präventiven Programme gibt es für Kinder und Jugendliche an den Schulen in Niedersachsen im Rahmen zahnmedizinischer Gruppenprophylaxe ? Entsprechend § 21 SGB V werden in Niedersachsen umfassende Maßnahmen zur Erkennung und Verhütung von Zahnerkrankungen durchgeführt. Diese sind u. a.: – zahnmedizinische Untersuchungen der Kinder bis zum 12. (gegebenenfalls bis zum 16.) Lebensjahr in Gemeinschaftseinrichtungen. Dabei wird der Mundgesundheitsstatus der Kinder erfasst und gegebenenfalls ein Besuch des Kindes bzw. seiner Familie bei niedergelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzten empfohlen, sofern ein Abklärungs- oder Behandlungsbedarf besteht . Die Untersuchungsergebnisse werden kumuliert zu Zwecken der Gesundheitsberichterstattung und daraus resultierenden weiteren politischen Präventionsmaßnahmen ausgewertet. Eine Erfassung von zusätzlichen, bevölkerungsmedizinisch relevanten Befunden, zu denen auch die MIH zählt, ist zukünftig flächendeckend geplant. – Zusätzlich werden bei Kindern mit besonders hohem Kariesrisiko spezielle Fluoridierungsmaßnahmen durchgeführt. 2 Zeitschrift Zahnmedizin 107, Nr. 5, 1.3.2017, (519) Seite 76 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2453 3 Durch die insgesamt 170 Prophylaxefachkräfte im Öffentlichen Gesundheitsdienst in Niedersachsen wird präventiv die zahnmedizinische Gruppenprophylaxe zur Festigung einer routinierten Zahnpflege in den Einrichtungen durchgeführt (ebenfalls für Kinder bis zum 12. bzw. 16. Lebensjahr ). Hier kommen neben dem Zahnputztraining auch noch altersentsprechende Unterrichtseinheiten zu Themen rund um die Zahngesundheit zum Einsatz. Besonders in den Kindertageseinrichtungen für Kinder unter sechs Jahren wird angestrebt, dass dort ein tägliches Zähneputzen für die Kinder als Ritualbildung praktiziert wird. Über die Arbeit mit den Kindern hinaus finden Öffentlichkeitsarbeit sowie Schulungen von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren (z. B. Erzieherinnen und Erzieher) und Eltern statt, um über die Bedeutung der Erhaltung einer guten Mundgesundheit sowie die Methoden, wie dies erreicht werden kann, zu informieren. (Verteilt am 21.12.2018) Drucksache 18/2453 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Stephan Bothe (AfD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Die Zahnkrankheit „Kreidezähne“