Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2463 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung „,Öffi‘-Gebühr für Autofahrer?“ (HAZ, 03.11.2018) - Wie beurteilt die Landesregierung die „Visionen“ der SPD Hannover? Anfrage des Abgeordneten Jörg Bode (FDP), eingegangen am 06.11.2018 - Drs. 18/2054 an die Staatskanzlei übersandt am 09.11.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung namens der Landesregierung vom 20.12.2018 Vorbemerkung des Abgeordneten Die HAZ berichtet am 03.11. und am 05.11.2018 über einen Vorschlag der SPD, Region Hannover, zur Verkehrspolitik. Gemäß der Berichterstattung „,Öffi‘-Gebühr für Autofahrer?“ und „,Immer neue Repressalien‘ - Eine Üstra-Jahreskarte für Autofahrer? SPD-Vorschlag erntet Kritik“ (HAZ, 05.11.2018) gibt es innerhalb der SPD Hannover Gedanken und „Visionen“ (Matthias Miersch, MdB, HAZ, 03.11.2018), den Nahverkehr durch „die Autofahrer finanzieren“ (ebenda) zu lassen. Demnach wird überlegt, dass Autofahrer die Innenstädte künftig nur noch befahren dürfen, wenn sie eine Jahreskarte für den ÖPNV haben. Man müsse das Verhalten der Menschen in den Bereichen Mobilität und Energieversorgung grundlegend ändern, heißt es in der Berichterstattung weiter. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung sieht in der Mobilität eine zentrale Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Dabei gilt es diese langfristig möglichst ohne fossile Energien zu erreichen. Die Landesregierung setzt auf einen weiteren gezielten Ausbau der Verkehrsinfrastruktur für die Verkehrsträger Straße und Schiene, aber auch bei Wasser- und Luftverkehr, und treibt diesen mit Nachdruck voran. Daneben unterstützt sie auch den Rad- und Fußverkehr. Entschieden setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass mittels des Einsatzes von erneuerbaren Energien im Verkehrsbereich die Freisetzungen von CO2-Emissionen verringert werden. Zur Mobilität gehört insbesondere auch der Individualverkehr. Eine generelle Begrenzung des Individualverkehrs wird von der Landesregierung nicht als geeignetes Mittel gesehen, um Mobilität zu gestalten. Deshalb hat Niedersachsen in der Vergangenheit auch die Pläne des Bundes zur Einführung einer Pkw-Maut abgelehnt. Allerdings stößt die Verkehrsinfrastruktur in den Ballungsräumen oft an ihre Grenzen. Parkplatznot, Staus, Lärm und Abgase können zu Belastungen der Menschen führen. Die Landesregierung begrüßt es daher grundsätzlich, wenn Vorschläge und Initiativen im Zusammenhang mit der Mobilität in den Innenstädten und zur attraktiven Gestaltung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) entwickelt und diskutiert werden. Das Land unterstützt die Kommunen beim Ausbau des ÖPNV mit erheblichen Finanzmitteln im Rahmen der gesetzlichen Finanzhilfen nach dem Niedersächsischen Nahverkehrsgesetz sowie durch das umfangreiche jährliche ÖPNV-Förderprogramm des Landes. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2463 2 1. Welche Kenntnis hat die Landesregierung, insbesondere Ministerpräsident und SPD- Landesvorsitzender Weil, über die in der Berichterstattung gemachten Vorschläge und „Visionen“ zur künftig möglichen Verkehrspolitik, inklusive Beeinflussung des Mobilitätsverhaltens von Menschen in Ballungsräumen? Von den Vorschlägen hat die Landesregierung durch die in der Anfrage zitierte Presseberichterstattung Kenntnis erlangt. Das gilt auch für Ministerpräsident Stephan Weil. 2. Wie beurteilt die Landesregierung den Vorschlag, dass Autofahrer, die in eine Innenstadt fahren wollen, ein Jahresabonnement des jeweiligen ÖPNV-Anbieters bei sich führen müssen? Die Landesregierung sieht es nicht als ihre Aufgabe an, einzelne Vorschläge in einem demokratischen Meinungsbildungsprozess auf kommunaler Ebene zu kommentieren. 3. Wie viele ÖPNV-Anbieter gibt es in Niedersachsen? Insgesamt verfügen in Niedersachsen 206 Verkehrsunternehmen über eine Genehmigung der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH (LNVG) zum Linienverkehr im ÖPNV nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG). 4. Wie viele ÖPNV-Anbieter sind in Ballungsräumen tätig, die von den „Visionen“ der SPD eingeschlossen/betroffen wären? Nach der Presseberichterstattung soll sich der Vorschlag offenbar primär auf das Gebiet der Innenstadt Hannover beziehen. Für das Stadtgebiet Hannover verfügen zwei Verkehrsunternehmen über Genehmigungen zum ÖPNV-Linienverkehr mit Bussen und Stadtbahnen. Darüber, ob der Vorschlag gegebenenfalls zusätzlich noch weitere Ballungsräume betreffen soll und gegebenenfalls welche, liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 5. Wie viele ÖPNV-Jahresabonnements bräuchte demnach ein Autofahrer, um sich in allen potenziell von dieser „Vision“ betroffenen niedersächsischen Ballungsräumen bewegen zu können? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Dazu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 6. Welche Einnahmenhöhe könnte durch Umsetzung der „Visionen“ für den ÖPNV in Niedersachsen erzielt werden? Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 7. Teilt oder unterstützt die Landesregierung den Gedankengang des Bundestagsabgeordneten Miersch (SPD), dass es „ein interessanter Gedanke“ (Matthias Miersch, MdB, HAZ, 03.11.2018) ist, wenn die Autofahrer den Nahverkehr finanzieren? Die Landesregierung hält es, auch aus Respekt vor dem freien Mandat direkt gewählter Abgeordneter , nicht für geboten, Gedankengänge von Abgeordneten zu innerparteilichen Initiativen oder kommunalpolitischen Themen zu bewerten oder zu kommentieren. 8. Welche Überlegungen stellt die SPD-geführte Landesregierung hierzu an? Keine. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2463 3 9. Plant die Landesregierung Bundesratsinitiativen in Richtung ÖPNV-Jahresabonnement- Pflicht für alle Autofahrerinnen/Autofahrer in Deutschland zur Entlastung von Ballungsräumen und Innenstädten? Nein. 10. Wenn ja, wann sind welche Initiativen angedacht oder geplant? Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. 11. Welche Autofahrer aus Niedersachsen/Deutschland/Ausland bräuchten demnach ein Jahresabonnement des GVH, um in der Innenstadt von Hannover einkaufen zu können, und wer wäre hiervon befreit? 12. Was macht ein Autofahrer, wenn er bei Erreichen des Ortseingangsschildes der jeweiligen Stadt kein Jahresabo des jeweiligen ÖPNV-Anbieters hat? 13. Welche Auswirkungen hätte die Umsetzung der „Vision“ auf den jeweiligen Einzelhandel in den betroffenen Ballungsräumen/Innenstädten? Zu den Fragen 11 bis 13 liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 14. Auf welcher rechtlichen Grundlage kann eine Stadt, ein Landkreis, eine Region Autofahrer zu Abonnements für den jeweiligen ÖPNV-Anbieter verpflichten? Die Nutzung öffentlicher Straßen durch Pkw ist Teil des bestimmungsgemäßen Gemeingebrauchs und steht insoweit nach den derzeitigen gesetzlichen Regelungen im Straßenrecht allen Fahrzeugführern kostenfrei zur Verfügung. Bei der Einführung einer Pflicht zum Erwerb einer ÖPNV-Jahreskarte als Voraussetzung für die Nutzung von innerstädtischen Straßen per Pkw würde es sich darüber hinaus im Übrigen nicht um eine zulässige kommunale Abgabe im Sinne des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) handeln. Das NKAG bietet keine Rechtsgrundlage für ein solches Vorgehen. Neben Steuern kennt das kommunale Abgabenrecht Gebühren und Beiträge. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehören zu der Gebühr öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass einer individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung dem Gebührenschuldner auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken. Beiträge werden dagegen für potenzielle Inanspruchnahme einer staatlichen Einrichtung oder Leistung erhoben. Beiträge sind dazu bestimmt, den Finanzmittelbedarf einer öffentlichen Einrichtung für Investitionen zu decken (vgl. BVerfGE 113, 128 [148]). Im Gegensatz zu Steuern, die allgemeine Deckungsmittel sind, sieht die Erhebung von Gebühren und Beiträgen immer eine individuell zurechenbare Leistung bzw. einen durch die potenzielle Inanspruchnahme möglichen wirtschaftlichen Vorteil vor, die Anknüpfungspunkt für die Kostendeckung bzw. den Finanzmittelbedarf sind. Bei der sogenannten „Öffi“-Gebühr geht es darum, dass Autofahrer innerstädtische Straßen als öffentliche Einrichtung mit ihrem Fahrzeug befahren dürfen. Eine zurechenbare Leistung könnte damit allenfalls in der Straßennutzung selbst liegen, keinesfalls aber in der durch die Pflicht zum Erwerb eines ÖPNV-Jahrestickets eröffneten abstrakten Nutzungsmöglichkeit des ÖPNV. Die angestrebte Verknüpfung der Straßennutzung durch Pkw mit der Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs ist deshalb nach dem NKAG unzulässig. Darüber hinaus stehen auch finanzverfassungsrechtliche Bedenken dem Vorschlag entgegen. § 111 Abs. 5 Nr. 1 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes sieht vor, dass die Gemeinden die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel, soweit vertretbar und geboten , aus speziellen Entgelten für die von ihnen erbrachten Leistungen erheben. Auch hier ist die erbrachte Leistung konkreter Anknüpfungspunkt für Entgelte. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2463 4 Entsprechend obigen Ausführungen können nach Auffassung der Landesregierung bestehende Rechtsgrundlagen nicht für die Einführung derartiger Gebühren herangezogen werden. 15. Welche Gesetzesänderungen sind oder wären zur Umsetzung der „Visionen“ der SPD Hannover zur Beeinflussung des Mobilitätsverhaltens von Autofahrern/Menschen in Ballungsräumen und Innenstädten nötig? Es wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen. Da die in der zitierten Presseberichterstattung aufgeführten Zielvorstellungen sehr pauschal sind, können konkret erforderliche Gesetzesänderungen daraus nicht belastbar abgeleitet werden. Erforderlich wären voraussichtlich mindestens Änderungen in den Straßengesetzen auf Bundes- und Landesebene. 16. Würde sich die Landesregierung für die hierfür erforderlichen Gesetzesänderungen einsetzen? Nein. 17. Welche positiven und welche negativen Auswirkungen wären mit der Umsetzung des Vorschlags der SPD, Jahreskarten des ÖPNV verpflichtend für Autofahrer einzuführen, für Niedersachsen verbunden? Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 18. Teilt die Landesregierung die Auffassung der SPD Hannover, dass man das Mobilitätsverhalten der Menschen grundlegend ändern müsse (bitte mit Begründung)? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Die Landesregierung hat großen Respekt vor der politischen Meinungsvielfalt, die in Kongressen, Veranstaltungen und bei weiteren Gelegenheiten in den Parteiorganisationen täglich gelebt wird. Sie sieht keinen Anlass, Meinungsäußerungen in diesem Zusammenhang zu bewerten. 19. Wird die Landesregierung das Verhalten der Menschen im Bereich Mobilität in den kommenden Jahren bewusst beeinflussen und, wenn ja, wie? Die Landesregierung verfolgt im Bereich der Mobilität die in der Vorbemerkung dargelegten Zielsetzungen . Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. (Verteilt am 21.12.2018) Drucksache 18/2463 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung „,Öffi‘-Gebühr für Autofahrer?“ (HAZ, 03.11.2018) - Wie beurteilt die Landesregierung die „Visionen“ der SPD Hannover?