Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2513 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dr. Thela Wernstedt, Uwe Schwarz, Holger Ansmann, Oliver Lottke, Immacolata Glosemeyer, Hanna Naber, Dr. Alexander Saipa, Matthias Möhle, Dr. Silke Lesemann und Dr. Christos Pantazis (SPD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur namens der Landesregierung Wie sind die Lehrstühle für Allgemeinmedizin an den medizinischen Fakultäten in Niedersachsen ausgestattet? Anfrage der Abgeordneten Dr. Thela Wernstedt, Uwe Schwarz, Holger Ansmann, Oliver Lottke, Immacolata Glosemeyer, Hanna Naber, Dr. Alexander Saipa, Matthias Möhle, Dr. Silke Lesemann und Dr. Christos Pantazis (SPD), eingegangen am 30.11.2018 - Drs. 18/2260 an die Staatskanzlei übersandt am 05.12.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur namens der Landesregierung vom 04.01.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Die Gestaltung und Sicherstellung einer flächendeckenden und wohnortnahen Gesundheitsversorgung der Menschen in Niedersachsen ist eine vordringliche Aufgabe. Für die medizinische Versorgung fehlen vor allem im ländlichen Raum Niedersachsens Hausärzte. So gehen bis 2030 knapp 20 %der Hausärzte in Rente. Dies ist fast jeder fünfte der aktuell rund 5 100 Hausärztinnen und Hausärzte. Aufgrund der demografischen Entwicklung der Bevölkerung und des hohen Altersdurchschnitts der praktizierenden Hausärzte wird sich dieses Problem in den nächsten Jahren weiter verschärfen und vermehrt auch städtische Regionen erfassen. Die Gesundheitsministerkonferenz hat im Masterplan 2020 verschiedene Empfehlungen gegeben, die die Anzahl der Hausärzte auf dem Land langfristig erhöhen sollen. Dazu zählen u. a. die Erhöhung der Studienplätze und die Unterstützung von Studierenden durch Stipendien sowie eine Veränderung der Vergabe von Medizinstudienplätzen („Landarztquote“). Vor diesem Hintergrund kommt auch der Ausgestaltung und Ausstattung des Faches Allgemeinmedizin an den medizinischen Fakultäten eine große Bedeutung zu, weil dieses eine unmittelbare Auswirkung auf die Attraktivität des Faches und damit direkten Einfluss auf die Entscheidung hat, welchen Facharztweg Studierende einschlagen. Vorbemerkung der Landesregierung Gemäß § 75 SGB V ist die ärztliche Selbstverwaltung für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zuständig. Sie hat dafür zu sorgen, dass in allen Regionen ein gleichmäßig verteiltes Leistungsangebot besteht, und regelt dies mit den Krankenkassen in der Bedarfsplanung. Der Bund und die Länder haben am 31.03.2017 den „Masterplan Medizinstudium 2020“ beschlossen . Der Masterplan knüpft u. a. an den Gemeinsamen Bericht der Gesundheitsministerkonferenz und der Kultusministerkonferenz „Fachkräftesicherung im Gesundheitswesen“ an und ist eine wichtige Grundlage zur Weiterentwicklung und Zukunftsfähigkeit der Medizinerausbildung. Mit der geplanten Reform des Medizinstudiums in Deutschland sollen u. a. die Allgemeinmedizin und damit die Tätigkeit des Hausarztes gestärkt werden. Da der Masterplan zahlreiche konkrete Maßnahmen enthält, die zu gravierenden strukturellen Veränderungen des Studiums der Humanmedizin an deutschen Hochschulen führen, verzichtet der Masterplan zum gegenwärtigen Zeitpunkt darauf, die Forderung nach einer generellen Erhöhung der Studienplatzkapazität aufzugreifen (Masterplan Medizinstudium 2020, S. 5). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2513 2 In Niedersachsen verfügen alle drei Medizinstandorte (Medizinische Hochschule Hannover - MHH, Universitätsmedizin Göttingen - UMG, Medizinische Fakultät der Universität Oldenburg - European Medical School Oldenburg-Groningen - EMS) über einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin. Die Beantwortung der nachfolgenden Fragen erfolgt im Wesentlichen durch eine entsprechende Abfrage bei den Hochschulen. 1. Wie sind die allgemeinmedizinischen Abteilungen und Institute an den drei medizinischen Hochschulstandorten in Niedersachsen ausgestattet (Professuren, Stellen für wissenschaftliches Personal und Ärzte in Forschung und Lehre)? Die Universität Oldenburg kann aufgrund des Oldenburger Kooperationsmodells nur Aussagen über das reine Universitätspersonal treffen, welches im Rahmen der Grundausstattung in der Aufbauphase der Fakultät VI - Medizin und Gesundheitswissenschaften wie folgt aussieht: eine Professur (W3), eine wissenschaftliche Mitarbeiterin/ein wissenschaftlicher Mitarbeiter TV-L E13/E14, 0,5 wissenschaftliche Mitarbeiterin/wissenschaftlicher Mitarbeiter TV-L E13. Die Professur ist in der Krankenversorgung an einer Praxis im Rahmen der Nebentätigkeit beschäftigt. Der Abteilung Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt Versorgungsforschung obliegt auch die Koordination des Lehrpraxen -Netzwerks (Kooperation mit über 130 Allgemeinmedizinpraxen; siehe auch Antwort zu Frage 4). Das Institut für Allgemeinmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ist im Bereich Forschung und Lehre mit einer Professur (W3) und vier VK-Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter ausgestattet. Hinzu kommen drei Stellen für nicht-wissenschaftliche Mitarbeiter (Sekretariat, Administration ). Das Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) verfügt über folgendes Personal: 1,0 VK W3-Professor (Leitung); 1,0 VK W2-Professur auf Zeit (im Besetzungsverfahren); 4,5 VK wissenschaftlicher Dienst. 2. Das Land Niedersachsen stellt den medizinischen Fakultäten (MHH, UMG, EMS) jeweils ein Budget für Forschung und Lehre zur Verfügung. Wie viel des Gesamtbudgets verwenden die medizinischen Fakultäten für das Fach Allgemeinmedizin (absolut und prozentual vom Gesamtetat)? Die Universität Oldenburg erhält im Rahmen der Aufbauphase momentan einen Landeszuführungsbeitrag von 17,9 Millionen Euro für die Universitätsmedizin. Auf die Abteilung Allgemeinmedizin entfallen dabei aktuell 304 987 Euro pro Jahr an Personal- und Sachmitteln, was einem Anteil von 1,75 % des Gesamtbudgets entspricht. Das Budget des Instituts für Allgemeinmedizin der MHH beträgt 795 000 Euro für Forschung und Lehre (FuL) im Jahr 2018. Dies entspricht ca. 0,39 % des Gesamt-Jahresplans der MHH in der Sparte Forschung und Lehre (Jahresplan MHH in FuL ca. 205 000.000 Euro). Nach Mitteilung der UMG müsste der Anteil des Landeszuführungsbetrags der für das Fach Allgemeinmedizin verwendet wird, aufwendig ermittelt werden. Das Budget des Instituts für Allgemeinmedizin der UMG ist diesbezüglich nicht aussagefähig. 3. Wie ist das Betreuungsverhältnis Studenten pro Professor im Fach Allgemeinmedizin (Betreuungsschlüssel Studenten/Professor)? An der Fakultät VI für Medizin und Gesundheitswissenschaften der Universität Oldenburg existiert momentan im Rahmen der Aufbauphase eine Professur (W3) für das Fach Allgemeinmedizin für insgesamt 40 Studierende, die pro Jahr aufgenommen werden (Betreuungsschlüssel 40:1). Insgesamt gibt es an der Fakultät bei sechs Jahren Studiendauer einen Betreuungsschlüssel von 240:1. Dieser Schlüssel wird sich mit dem Ausbau der Universitätsmedizin Oldenburg verändern. An der MHH kommen auf einen Professor für Allgemeinmedizin 1 680 Studierende (Gesamtzahl der aktiv Studierenden im Studiengang Humanmedizin, entsprechend 270 bis 290 Studierenden pro Studienjahr). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2513 3 An der UMG beträgt das Betreuungsverhältnis im Praktikum 1:15, im Seminar 1:20 und in der Vorlesung 1:150; in Kleingruppen gelingt zeitweise ein Betreuungsverhältnis von bis zu 1:6. 4. Wie viel Lehre entfällt auf das Fach Allgemeinmedizin? Welche Lehrkonzepte gibt es? Wie wird der hausärztlichen Tätigkeit in ländlichen Regionen Rechnung getragen? Auf die Allgemeinmedizin entfällt an der Universität Oldenburg ein im Vergleich mit anderen Universitäten sehr großer Anteil der Lehre. Praktika: – vier allgemeinmedizinische Hospitationen in den Lehrpraxen für alle Studierenden in den Jahren 1 bis 3 (Pflicht), – ein allgemeinmedizinisches Blockpraktikum in den Lehrpraxen für alle Studierenden in Jahr 5 (Pflicht), – ein Wahlpraktikum Allgemeinmedizin im Jahr 5 in den Lehrpraxen für interessierte Studierende (Wahl), – ein Wahltertial Allgemeinmedizin im PJ in den Lehrpraxen für interessierte Studierende (Wahl). Vorlesungen/Seminare: – Vorlesungsreihe Konsultation (acht Veranstaltungen (à 45 min) zu den grundlegenden Bausteinen ärztlichen Handelns) im ersten Modul. – 43 Vorlesungen (à 45 bis 90 min) in den ersten drei Jahren zu allgemeinmedizinischen Themen (eingebettet ins Wochenthema). – 59 Seminare (à 90 min) zum klinischen Denken in den Studienjahren 2 und 3 (jede Woche lösen jeweils eine Allgemeinmedizinerin/ein Allgemeinmediziner und eine Fachspezialistin/ein Fachspezialist einen Patientenfall gemeinsam mit Studierenden). – Im longitudinalen Pfad „Professionelle Entwicklung“ werden in den ersten drei Studienjahren die Studierenden in Kleingruppen (acht bis zehn Studierende) in acht Treffen pro Jahr von allgemeinmedizinischen Tutoren (niedergelassene Ärztinnen/Ärzte) begleitet. – Die Allgemeinmedizin ist stark in die Ausbildung der Studierenden im longitudinalen Pfad „Kommunikation“ (ca. 150 Stunden) eingebunden. Alle diese Veranstaltungen werden auch durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte aus dem Praxennetzwerk mitgestaltet. Der hausärztlichen Tätigkeit in ländlichen Regionen wird insbesondere in den Hospitationen Rechnung getragen. Innerhalb der ersten drei Studienjahre verbringen die Studierenden insgesamt sechs Wochen in ambulanten Praxishospitationen, davon vier in der Allgemeinmedizin. Die erste Hospitation liegt bereits in der 10. Studienwoche. Ziel ist es, Wissen und Fertigkeiten, die in den vorangegangenen Modulen gelehrt wurden, aufzugreifen und in der Praxis anzuwenden, unter Anleitung zu üben und zu vertiefen. Hierfür werden für die Hospitationen spezifische Themen vorgegeben , durch Campusveranstaltungen vorbereitet und durch konkrete Zielformulierungen und Aufgabenstellungen in der Praxis umgesetzt. Dafür wird für jede Hospitation ein eigenes Logbuch entwickelt . Die Studierenden werden ausschließlich in eigens für jede Hospitation geschulten Praxen aus dem gesamten Nordwesten Niedersachsens (Stadt- und Landpraxen) unterrichtet. Dabei müssen die Studierenden zwei Hospitationen in einer Landpraxis und zwei in einer Stadtpraxis verbringen, um einen Einblick in ein breites Spektrum von Versorgungsituationen zu erlangen. Die Hospitationen werden im o. g. Pfad „Professionelle Entwicklung“ gemeinsam mit den Tutoren vor- und nachbereitet . Das Institut für Allgemeinmedizin ist vom ersten bis zum letzten Studienjahr im Modellstudiengang HannibaL der MHH vertreten (jahrgangsübergreifende allgemeinmedizinische Ausbildung) (Übersicht : Abbildung 1). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2513 4 Abbildung 1: Übersicht jahrgangsübergreifende allgemeinmedizinische Lehre Den Schwerpunkt bilden die Module Allgemeinmedizin und Blockpraktikum Allgemeinmedizin: – Modul Allgemeinmedizin: Pflichtveranstaltung für alle Studierenden mit zehn Stunden Vorlesung , 18 Stunden Kurs, drei Stunden Exkursion in externe Einrichtungen mit Relevanz für die hausärztliche Versorgung (z. B. Pflegeheime, Apotheken, Hospize) sowie eine Stunde Repetitorium , – Blockpraktikum Allgemeinmedizin: Pflichtveranstaltung für alle Studierenden mit drei Stunden Vorlesung und 75 Stunden Praktikum in einer Hausarztpraxis (akademische Lehrpraxis). Das Institut betreut ein Lehrpraxennetz bestehend aus derzeit ca. 250 Lehrpraxen in der Region Hannover und verteilt über ganz Niedersachsen (siehe unten). Der Lehranteil der beiden Schwerpunkt-Module Allgemeinmedizin und Blockpraktikum Allgemeinmedizin am Studiengang HannibaL beträgt insgesamt ca. 6,3 %. Zusätzlich bietet das Institut für Allgemeinmedizin das Wahlfach „Langfristige Begleitung eines Patienten in der hausärztlichen Praxis“ mit Beginn im ersten Studienjahr an (zehn Plätze, Lehrumfang ca. 30 Stunden) und betreut Studierende mit Wahlfach Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr (PJ). Jährlich wählen ca. 20 bis 25 Studierende die Allgemeinmedizin im PJ, d. h. sie verbringen vier Monate in einer qualifizierten Lehrpraxis und erhalten Begleitseminare am Institut. Über die allgemeinmedizinische Lehre hinaus übernimmt das Institut für Allgemeinmedizin auch die Lehrverantwortung für die Palliativmedizin und die Co-Lehrverantwortung für die Geriatrie. Weiterhin beteiligen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts am Propädeutikum und am Modul Diagnostische Methoden. Der hausärztlichen Tätigkeit in ländlichen Regionen wird durch unterschiedliche Maßnahmen Rechnung getragen: Es bestehen Kooperationsverträge über den Großraum Hannover hinaus auch mit zahlreichen Lehrpraxen in ländlichen, peripher gelegenen Landkreisen und Kommunen (Abbildung 2). Mitarbeiter des MHH-Instituts besuchen die Lehrpraxen zur Weiterqualifizierung und zum Austausch zwischen Hochschule und Praxis. Ein Teil der Lehrärzte ist auch als Dozenten in die Kurse an der MHH eingebunden. Das Institut veranstaltet Lehrpraxentreffen und Fortbildungen („Tag der Allgemeinmedizin“) für die Praxen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2513 5 Abbildung 2: Übersicht zur landesweiten Verteilung der Lehrpraxen der MHH Als spezielles Programm wurde die „Landpartie“ entwickelt, eine Kooperation mit den Landkreisen Zeven/Bremervörde, Lüchow-Dannenberg, Heidekreis und Hameln-Pyrmont. Studierende, die in einer dieser Regionen ihr Blockpraktikum (s. o.) absolvieren, erhalten ein Komplettpaket mit Übernachtung , Hospitation in lokalen Gesundheitseinrichtungen (z. B. Krankenhaus), Kennenlernen von Betrieben und kommunalen Strukturen und weiteren lokal abgestimmten Maßnahmen, um über die Hausarztpraxis hinaus eine Bindung zu den Regionen zu entwickeln. Als Gemeinschaftsprojekt für Studierende und junge Ärztinnen und Ärzte wurde die Summerschool „Fit für den Arztberuf“ konzipiert und in diesem Jahr zum zweiten Mal erfolgreich in Visselhövede (Landkreis Rotenburg/W.) durchgeführt. Ziel ist es, den Übergang vom Studium ins Berufsleben optimal zu begleiten. Dafür setzen sich die Teilnehmer mit verschiedenen gesundheitsbezogenen Aspekten der ärztlichen Tätigkeit auseinander, z. B. Umgang mit Stress, Work-Life-Balance, Zusammenarbeit im Team und Reflektion der ärztlichen Rolle. Als Kennzeichen der Qualität der allgemeinmedizinischen Lehre an der MHH zeigen sich u. a.: – Die allgemeinmedizinischen Module liegen im MHH-internen Gesamtranking aller Lehrveranstaltungen an zweiter und dritter Stelle (von 45 Modulen; Lehrbericht 2016/2017). – Die Anzahl PJ-Studierender im Fach Allgemeinmedizin wurde verdreifacht (von acht Studierende im Jahr 2013 auf 24 im Jahr 2017). Das Fach Allgemeinmedizin ist an der Medizinischen Lehre der Universitätsmedizin Göttingen offiziell mit 43,7 LVS (Lehrveranstaltungsstunden) beteiligt. Diese Stundenzahl umfasst nur die obligatorischen Veranstaltungen, bestehend aus verschiedensten Lehr- und Unterrichtsformen. Die Gesamtzahl LVS im klinischen Abschnitt der UMG beträgt 2 053. Inhalte und Unterrichtsformen des Fachs Allgemeinmedizin folgen modernen Didaktik-Standards und sollen schon dadurch die Motivation für den Beruf wecken. Daher nimmt die klassische Vorlesung nur einen geringen Raum ein; Schwerpunkt des Kurses Allgemeinmedizin sind Seminare mit Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2513 6 maximal 18 Teilnehmern, im Regelfall gehalten von fachärztlichen Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern oder qualifizierten Lehrbeauftragten, die meist gleichzeitig als Allgemeinärzte praktizieren. Vermittlung kommunikativer und praktischer Fertigkeiten findet in Kleingruppen von sechs Studierenden statt (z. B. im Kurs „Medizinische Basisfertigkeiten“). Ein zentraler Baustein der allgemeinmedizinischen Lehre ist das 14-tägige Blockpraktikum, das Studierende des 5. klinischen Semesters in ausgewählten Hausarztpraxen absolvieren - unter fachlicher Anleitung der jeweiligen Lehrärzte. Das Blockpraktikum wird seit Jahren kontinuierlich evaluiert , um die Qualität sicherzustellen. Das Institut für Allgemeinmedizin beteiligt sich weiterhin an der Lehre in den sogenannten Querschnittsfächern (Prävention, Modul 6X, Gesundheitsökonomie), um auch hier die hausärztliche Sichtweise einzubringen. Besonderer Erwähnung bedarf auch, dass das Institut bereits vor vielen Jahren maßgeblich daran beteiligt war, eine klinisch-orientierte Prüfungsform, OSCE (Objective Structured Clinical Examination ) einzuführen, um auch auf diese Weise die praktischen Anforderungen ärztlicher Tätigkeit abzubilden . Diese Aspekte bringt das Institut auch in die mittlerweile obligatorische Klausur ein. In den letzten Jahren hat das Institut zunächst fakultativ, nun obligatorisch den PJ-Unterricht Allgemeinmedizin eingeführt. Es werden für ca. 12 bis 18 Studierende pro Jahr ein PJ-Wahltertial in einer der PJ-Lehrpraxen koordiniert und pro Tertial sechs Fortbildungen á 1,5 Stunden (neun Semesterstunden ) durchgeführt. Es werden regelmäßig externe Lehrbeauftragte und Lehrärzte fortgebildet (didaktische Weiterqualifizierung ), um die Qualität der Blockpraktika und der PJ-ausbildenden Praxen zu sichern. Durch das oben erwähnte Blockpraktikum lernen viele Studierende Lehrärzte/Praxen in ländlichen Regionen kennen. Externe Lehrbeauftragte, häufig in Landpraxen arbeitend, sind in den Prozess der Curriculums-Entwicklung für das Seminar Allgemeinmedizin aktiv eingebunden. Es werden zwei Vorlesungen zum Thema ambulante Versorgungsstrukturen und Berufsbild Hausarzt angeboten. Im Dezember 2018 Projekt ist das Projekt „medPJ+“gestartet. Das Interesse der Medizinstudierenden an einer Tätigkeit im Fach Allgemeinmedizin ist zu gering gegenüber dem Bedarf. Auch die Erwartung an den Beruf Arzt haben sich verändert. Mit dem Masterplan Medizinstudium 2020 rücken Hausärztinnen und Hausärzte als akademisches Ausbildungsfeld und die Qualifikation von Lehrärztinnen und Lehrärzten in den Fokus. Das Projekt medPJ+ wird 40 ländliche Praxen in Südniedersachsen als Lehrpraxen einschließen und Unterstützungsangebote der regionalen Akteure einbeziehen (Landkreise Holzminden, Northeim , Göttingen und Goslar). Eine webbasierte Plattform wird zum digitalen und personellen Knotenpunkt für Hausärzte, Medizinstudierende und Akteure der Regionen. Das erweitert die Ausbildungsplätze für Medizinstudierende, steigert die Attraktivität für die betreffenden Kommunen und bietet Qualifizierungsangebote für akademische Lehrpraxen. Als Kooperationspartner sind in diesem Projekt beteiligt: die Ämter für Regionale Landesentwicklung Braunschweig und Leine-Weser, das Projektbüro Südniedersachsen, die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (Bezirksstelle Göttingen), das Studiendekanat der Universitätsmedizin Göttingen, die Landkreise Göttingen, Northeim , Holzminden und Goslar sowie die Gesundheitsregion Göttingen/Südniedersachsen. 5. Welche Forschungsaktivitäten bestehen? Wie hoch sind die eingeworbenen Drittmittel? Wie viele Stellen werden über Drittmittel finanziert? Seit der Gründung der Abteilung an der Universität Oldenburg wurden mehrere Forschungskooperationen aufgebaut, u. a. mit den Groninger Abteilungen für Allgemeinmedizin, Mikrobiologie und Epidemiologie, mit Oldenburger Kliniken (HNO und Urologie am Klinikum, Notaufnahmen der drei Oldenburger Krankenhäuser) und mit der Jade Hochschule. Es wurden mehrere Forschungsanträge eingereicht (BMBF, Innovationsfonds, MWK, Volkswagenstiftung, INTERREG). Außerdem wurden im Rahmen von studentischen LFC-Arbeiten (longitudinales Forschungscurriculum, fünfmonatige Forschungsarbeiten im 5. Studienjahr) und Promotionsarbeiten verschiedene Forschungsthemen bearbeitet. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2513 7 Aktuell gefördert werden: – Innovationsfondsprojekt „HOMERN“ (Laufzeit: 06/2017 bis 05/2020), Drittmittel anteilig für Allgemeinmedizin Oldenburg: 100 800 Euro (E13-Stelle, 18 Personenmonate). Bewilligt wurde: – Innovationsfondsprojekt „KOPAL“ (Projektbeginn 01.06.2019, Laufzeit drei Jahre). Drittmittel anteilig für Allgemeinmedizin Oldenburg: 180 000 Euro (E13-Stelle, 24 Personenmonate plus Sachmittel). Über Drittmittel werden derzeit finanziert: – 50 % E13-Stelle Projekt HOMERN, – 33 % E13-Stelle Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin „KANN“, – 25 % E6-Stelle Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin „KANN“. Das Institut für Allgemeinmedizin der MHH ist langjährig national und international ausgewiesen in der Versorgungsforschung, besondere inhaltliche Schwerpunkte neben der Allgemeinmedizin sind die Palliativversorgung und Geriatrie. Als neue Schwerpunkte werden derzeit die Lehr- und Lernforschung sowie Studierenden- und Ärztegesundheit entwickelt. Das multiprofessionelle Forschungsteam vereint medizinische, gesundheits- und pflegewissenschaftliche sowie psychologische , soziologische und biometrische Expertise. Drittmittel: Derzeit werden 20 Drittmittel-geförderte Forschungsprojekte durchgeführt (Forschungsförderer : DFG, BMBF, EU, Innovationsfonds u. a.), der Gesamtumfang der eingeworbenen Drittmittel in den letzten fünf Jahren beträgt ca. 6 Millionen Euro. Mitarbeiterstruktur: Insgesamt sind gegenwärtig 42 Mitarbeiter (wiss. MA, nicht-wiss. MA, Ärzte, Hilfskräfte, jeweils überwiegend in Teilzeit) am Institut für Allgemeinmedizin beschäftigt, davon werden 25 Mitarbeiter ganz oder teilweise über Drittmittel finanziert. Die Forschungsaktivitäten des Instituts für Allgemeinmedizin der UMG untersuchen die Besonderheiten der hausärztlichen Versorgung und deren Auswirkungen auf die Versorgungsqualität. Da die Arzt-Patient-Beziehung eine so zentrale Rolle in der hausärztlichen Medizin spielt, ist es ein besonderes Anliegen des Instituts, strukturelle Probleme und Lösungen bereits im Medizinstudium und auch in der fachärztlichen Weiterbildung zu evaluieren, um durch die verbesserte Ausbildung zukünftiger Ärztinnen und Ärzte zu einer guten hausärztlichen Patientenversorgung beizutragen. Die einzelnen Forschungsprojekte sind vier Hauptgruppen zugeordnet: „Klinische Studien“, „Interprofessionelle Versorgungsforschung“, „Patienten im Fokus“ und „e-Health & Mobile Health“. Details zu den Forschungsprojekten finden sich unter: http://www.allgemeinmedizin.med.uni-goettingen.de/ de/content/forschung/510.html. Veröffentlichungen zu den Projekten finden sich unter: http://www.allgemeinmedizin.med.uni-goet tingen.de/de/content/forschung/135.html Drittmittel 2017: 1 124 262 Euro (ausschließlich begutachtete Drittmittel). Drittmittel-Stellen: – Wissenschaftliche Mitarbeiter: 5,5 Vollzeit-Stellen, – Studienassistenten/Verwaltung: 1,5 Vollzeit-Stellen. 6. Welche weiteren Aktivitäten gibt es über Forschung und Lehre hinaus im Bereich der universitären Allgemeinmedizin (z. B. Weiterbildung, Krankenversorgung)? In allen Bundesländern werden ab Mitte 2017 sogenannte Kompetenzzentren Weiterbildung (KW) gefördert. Das KW Niedersachsen ist ein Kooperationsprojekt der drei niedersächsischen Lehrstühle für Allgemeinmedizin in Göttingen, Hannover und Oldenburg sowie der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN), der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) und der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft. Das Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Göttin- Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2513 8 gen hat die Koordination und inhaltliche Leitung übernommen. Vertreter aller Kooperationspartner gehören einem übergeordneten Lenkungsgremium unter Vorsitz der ÄKN an. Das Niedersächsische Kompetenzzentrum hat sich den Namen KANN gegeben: Kompetenzzentrum zur Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin Niedersachsen. Seine Angebote stehen nicht nur Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung sowie Weiterbilderinnen/Weiterbildern in Niedersachsen , sondern auch in Bremen und den angrenzenden Landkreisen in Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Hessen offen: – jährlich vier ganztägige, dezentrale Veranstaltungen mit Inhalten, die für künftige Allgemeinärztinnen /Allgemeinärzte von besonderer Relevanz sind. Diese werden zunächst in Göttingen, Braunschweig, Bremen, Hannover und Oldenburg stattfinden, ab 2019 dann auch in weiteren Städten (z. B. Aurich oder Leer und gegebenenfalls in Osnabrück), – Gruppen-Mentoring durch hausärztliche Mentorinnen/Mentoren (regionale Gruppen), auf Wunsch auch Einzel-Mentoring, – „Train the Trainer“-Seminare für die weiterbildenden Hausärztinnen und Hausärzte, z. B. durch eineinhalbtägige Intensivseminare. Gemeinsames Ziel aller Kooperationspartner ist zugleich die Etablierung einer strukturierten, kontinuierlichen Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin mit verlässlichen Rotationen während der Klinikzeit . Seit dem Jahr 2013 ist das Institut für Allgemeinmedizin der MHH in die Patientenversorgung auf dem MHH-Campus eingebunden: – In der zentralen Notaufnahme (ZNA) sind werktags von 10 bis 18 Uhr Allgemeinärzte zusätzlich zu den anderen universitären Fachdisziplinen tätig, um schwerpunktmäßig fußläufige, ambulante Patienten zu versorgen (Kooperationsprojekt mit der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen ). – Allgemeinmedizinische Hochschulambulanz mit Sprechstunden für Allgemeinmedizin, Palliativmedizin (Schwerpunkt: Beratung) und Geriatrie (Schwerpunkt: Multimedikation). – Allgemeinmedizinischer Konsildienst für stationäre Patienten der MHH. Für diese Aktivitäten in der Krankenversorgung stehen insgesamt 2,5 Arztstellen zur Verfügung (finanziert nicht aus dem Budget für Forschung und Lehre, sondern KV-Budget). Weiterhin ist am Institut für Allgemeinmedizin der MHH eine Rotationsstelle für einen Arzt in Weiterbildung angesiedelt, der einen Teil der Weiterbildung Allgemeinmedizin am Institut und andere Abschnitte in den bettenführenden Kliniken der Inneren Medizin absolviert. Der Institutsdirektor verfügt über die Ermächtigung der Ärztekammer Niedersachsen zur Weiterbildung Allgemeinmedizin für zwölf Monate (sechs Monate hausärztliche Versorgung plus sechs Monate „freie Zeit“). 7. Gibt es gemeinsame Forschungs-, Lehr- oder Weiterbildungsaktivitäten der medizinischen Fakultäten in Niedersachsen? Gibt es gemeinsame Forschungs-, Lehr- und Weiterbildungsaktivitäten mit EU-Ländern?. Die drei niedersächsischen universitären Abteilungen bzw. Institute für Allgemeinmedizin haben aktuell (zusammen mit den Abteilungen der Universität Marburg und des Universitätsklinikums Eppendorf in Hamburg) beim Bundesministerium für Bildung und Forschung einen Antrag zur Förderung eines gemeinsamen Forschungspraxennetzwerks eingereicht (FamPrax Nordwest). Auch das vom Innovationsfonds geförderte Projekt KOPAL basiert auf einem gemeinsamen Förderantrag der Standorte in Hamburg, Oldenburg, Hannover und Göttingen. Bezüglich der Lehre gibt es eine bundesweite Kooperation der allgemeinmedizinischen Lehrstühle, die durch die Sektion „Lehre und Hochschule“ der Fachgesellschaft koordiniert wird. An den „Tagen für Allgemeinmedizin“ erfolgt ein gegenseitiger Austausch der Dozenten. Im Bereich der Weiterbildung gibt es eine besonders enge Zusammenarbeit im Bereich des gemeinsamen Kompetenzzentrum zur Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin Niedersachsen (KANN), gefördert nach §75a SGB V (siehe Antwort zur Frage 6). Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2513 9 Im Rahmen des Programms „Klinische Studien mit hoher Relevanz für die Patientenversorgung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) werden die gemeinsamen Projekte REGATTA und ICUTI der Institute für Allgemeinmedizin der MHH und der UMG gefördert. Im Rahmen des Maria-Goeppert-Mayer-Programms für Genderforschung des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur konnte vom Institut für Allgemeinmedizin der MHH eine Gastprofessur eingeworben werden (Laufzeit: 01.01.2019 bis 30.06.2019). Die Gastprofessur wird von Dr. Petra Verdonk (University Medical Center Amsterdam, Niederlande) eingenommen werden. Sie dient der Weiterentwicklung der Geschlechterforschung in der Lehre, Forschung und Versorgung der Allgemeinmedizin an der MHH und der weiteren Stärkung der Internationalisierung. Das Institut für Allgemeinmedizin der MHH ist darüber hinaus an den EU-geförderten Forschungsprojekten ADVANTAGE (Managing Frailty. A comprehensive approach to promote a disability-free advanced Age in Europe; Konsortialführung in Getafe, Spanien) und SIMPATHY (Stimulating Innovative Management of Polypharmacy and Adherence in the elederly, Konsortialführung: The Scottish Government) beteiligt. Das in der Antwort zu Frage 4 genannte Projekt medPJ+ wird nach Auskunft der UMG im nächsten Jahr zu allgemeinmedizinischen Instituten vor allem in Großbritannien und den Niederlanden Kontakt aufnehmen und eine regelmäßige Zusammenarbeit etablieren, da gerade in diesen beiden Ländern mit großem Erfolg Weiter- und Fortbildung für (zukünftige) Hausärzte stattfindet. Durch persönliche und institutionelle Mitgliedschaften bestehen darüber hinaus Kontakte zu den wesentlichen europäischen bzw. internationalen Organisationen (EGPRN; WONCA; EURACT), die die allgemeinmedizinische Lehre, Weiter- und Fortbildung gestalten bzw. innovativ weiterentwickeln . (Verteilt am 09.01.2019) Drucksache 18/2513 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Dr. Thela Wernstedt, Uwe Schwarz, Holger Ansmann, Oliver Lottke, Immacolata Glosemeyer, Hanna Naber, Dr. Alexander Saipa, Matthias Möhle, Dr. Silke Lesemann und Dr. Christos Pantazis (SPD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur Wie sind die Lehrstühle für Allgemeinmedizin an den medizinischen Fakultäten in Nieder-sachsen ausgestattet?