Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2542 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Christian Meyer, Stefan Wenzel, Dragos Pancescu und Helge Limburg (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Polizeiliche Beobachtung von Journalistinnen und Journalisten aus Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Christian Meyer, Stefan Wenzel, Dragos Pancescu und Helge Limburg (GRÜNE), eingegangen am 26.11.2018 - Drs. 18/2197 an die Staatskanzlei übersandt am 29.11.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 10.01.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Wie durch diverse Medienberichte am 19.11.2018 bekannt geworden ist, wurde ein Fotojournalist im polizeiinternen Informationssystem INPOL bundesweit zur Beobachtung ausgeschrieben. Bekannt wurde dies durch die fehlerhafte Übermittlung von Informationen der Polizei Görlitz an den Anwalt des Betroffenen, die eigentlich an den Staatsschutz in Göttingen gesendet werden sollten. Obwohl am 18.08.2018 ein Auskunftsersuchen über die gespeicherten personenbezogenen Daten erfolgt ist, wurde der Betroffene über diese Ausschreibung nicht in Kenntnis gesetzt und laut seinem Anwalt auch kein Sperrvermerk durch die Polizei Göttingen verfügt. Nach Bekanntwerden des Vorfalls veröffentlichten die Polizeidirektionen Göttingen und Görlitz widersprüchliche Pressemitteilungen . Die PD Görlitz beschrieb, dass die entsprechenden Dokumente von der Göttinger Polizeiinspektion angefordert und die Ausschreibung veranlasst worden war.1 Gegenüber dem Göttinger Tageblatt widersprach die Polizeidirektion Göttingen dieser Darstellung.2 Vorbemerkung der Landesregierung Am 19.11.2018 erhielt die Polizeidirektion (PD) Göttingen von einer Anwaltskanzlei Kenntnis, dass ein Schreiben anstatt an die Polizei an die betreffende Kanzlei gesandt worden war. Inhaltlich enthält das Schreiben u. a. Angaben über eine vermeintliche Ausschreibung zu einer sogenannten Polizeilichen Beobachtung in dem bundesweiten Informationssystem der Polizei (INPOL). Das sogenannte Verbundsystem INPOL setzt sich aus den Anwendungen „Personenfahndung“, „Haftdatei“, „KAN“ und „Erkennungsdienst“ zusammen. Das INPOL dient u. a. der Verhütung und Verfolgung von Straftaten mit länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung, der Fahndung und erkennungsdienstlichen Zwecken. Zu Einzelheiten bezüglich des INPOL wird auf die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Wer speichert was, warum, wieso und wie lange, und an wen kann es weitergegeben werden?“ (Drs. 16/2270) verwiesen. Vor diesen Hintergründen überführt die Polizei in das INPOL in Abhängigkeit des Ergebnisses einer Prüfung der sogenannten Verbundrelevanz gegebenenfalls Daten zu Personen aus dem landesweiten Polizeilichen Auskunftssystem der Polizei Niedersachsen (POLAS). Das POLAS dient u. a. dem Nachweis und der Auskunft über Personen, die zur Fahndung ausgeschrieben sind, die einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen wurden, die inhaftiert sind bzw. waren oder über die eine Kriminalakte bei einer kriminalaktenführenden Dienststelle der 1 https://www.polizei.sachsen.de/de/MI_2017_60869.htm 2 http://www.goettinger-tageblatt.de/Die-Region/Goettingen/Goettinger-von-der-Polizei-beobachtet-oder-nicht Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2542 2 Polizei geführt wird. Darin bestehen u. a. die Bereiche POLAS-Personenfahndung, -Sachfahndung , -Erkennungsdienst, -Haftdatei und der Kriminalaktenindex (vgl. Drs. 16/2270). Die Speicherung personenbezogener Daten in Dateien erfolgt durch die Polizei Niedersachsen generell unter den Voraussetzungen gesetzlicher Bestimmungen. 1. Hat die Polizei Göttingen den Journalisten zur Beobachtung ausgeschrieben? Wenn nein, war der besagte Journalist bei INPOL zur Beobachtung ausgeschrieben? Wenn ja, von welcher Behörde wurde der Journalist zu welchem Zeitpunkt aus welchen konkreten Gründen wie lange zur polizeilichen Beobachtung ausgeschrieben? Nein, die Person wurde durch die Polizeiinspektion Göttingen nicht zur polizeilichen Beobachtung ausgeschrieben. Auf die Unterrichtung des Ausschusses für Inneres und Sport durch die Landesregierung am 29.10.2018 wird hingewiesen. 2. Wenn der Journalist nicht zur Beobachtung ausgeschrieben war: Aus welchen Gründen und auf welcher Rechtsgrundlage sollte die Polizeidirektion Görlitz die Polizeiinspektion Göttingen u. a. über die polizeiliche Beobachtung und sonstige Daten aus polizeilichen Informationssystemen über den Journalisten informieren? Da im vorliegenden Fall eine Datenerhebung durch die Polizeiinspektion Göttingen nicht erfolgte, obliegt die Angabe des Grundes und der Rechtsgrundlage der datenübermittelnden Polizeibehörde. 3. Wenn der Journalist von der Polizei Göttingen zur Beobachtung ausgeschrieben war: Wer hat diese Ausschreibung veranlasst, und wann hat das Polizeipräsidium und wann die Landesregierung davon erfahren? Warum wurde seitens der Polizei dann das Gegenteil behauptet? Entfällt. 4. Wie viele Journalistinnen und Journalisten aus Niedersachsen werden im polizeiinternen Informationssystem INPOL erfasst? Welche niedersächsischen Behörden haben die jeweilige Speicherung oder Ausschreibung zur Beobachtung veranlasst (nach Wohnort des/der Betroffenen und Behörde sowie Speicherung oder Ausschreibung zur Beobachtung aufschlüsseln)? Zu den Fragestellungen 4 und 5 besteht keine hinreichende Datengrundlage, sodass vor dem nachfolgend zusammengefassten Hintergrund eine valide Beantwortung der Fragen nicht erfolgen kann. Es liegt weder eine Auflistung tätiger Journalisten oder Anwälte aus Niedersachsen im Sinne der Anfrage vor, noch besteht eine obligatorische, auch Aktualitätsansprüchen genügende Speichervorgabe zur ausgeübten Tätigkeit durch die Erfassung im INPOL betroffener Personen. Eine Speicherung erfolgt nicht wegen eines durch eine betroffene Person ausgeübten Berufes, sondern insoweit als ergänzende Angabe zu Personen, zu denen eine rechtliche Speichervoraussetzung vorliegt , u. a. eine Kriminalakte besteht (vgl. Vorbemerkung). Daneben wird auch keine gesonderte Statistik geführt, die eine Beantwortung der Fragen ermöglicht . 5. Wie viele Anwältinnen und Anwälte aus Niedersachsen sind im polizeiinternen INPOL erfasst bzw. zur Beobachtung ausgeschrieben? Siehe Antwort zu Frage 4. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2542 3 6. Auf welcher Rechtsgrundlage werden im INPOL Menschen gespeichert? Auf welcher Rechtsgrundlage werden sie zur Beobachtung ausgeschrieben? Auf welcher Rechtsgrundlage muss über diese Speicherung bzw. Ausschreibung bei Auskunftsersuchen nicht unterrichtet werden? Unter Hinweis auf die Vorbemerkungen zu den integralen Bestandteilen und den Zwecken des INPOL erfolgen Speicherungen auf der Grundlage der im Einzelfall gegebenen Rechtsgrundlage gemäß § 486 i. V. m. §§ 483 bis 485 der Strafprozessordnung (StPO) oder gemäß §§ 38, 39, 42 Abs. 5 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG). Daneben sind Regelungen für den polizeilichen Informationsverbund wie insbesondere die §§ 29 Abs. 3, 30 Abs. 1 des Bundeskriminalamtsgesetzes (BKAG) und einschlägige Errichtungsanordnungen zu beachten. Die Ausschreibung einer Person zur sogenannten Polizeilichen Beobachtung basiert im Falle einer strafprozessualen Maßnahme auf der Rechtsgrundlage von § 163 e StPO oder im Falle gefahrenabwehrrechtlicher Gründe auf § 37 Nds. SOG. Zur Beauskunftung über Speicherungen respektive Ausschreibungen im Sinne der Fragestellung regelt § 84 BKAG u. a., dass über die in den §§ 57 und 58 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) enthaltenen Rechte der betroffenen Person hinaus gilt, dass bei Daten, die im polizeilichen Informationsverbund verarbeitet werden, das Bundeskriminalamt Auskunft erteilt. Gründe, deretwegen eine Auskunft an betroffene Personen nicht erfolgt, sind insbesondere in § 57 BDSG geregelt. Sofern ein Landeskriminalamt Auskunft aus dem Landessystem erteilt, kann es einen Hinweis auf einen vom Land in den polizeilichen Informationsverbund eingegebenen Datensatz geben. Über Ausschreibungen zur Polizeilichen Beobachtung ist die betroffene Person nach § 30 Abs. 4 Nds. SOG zu unterrichten. Das geschieht im Regelfall durch die sachbearbeitende Polizeidienststelle . Eine Unterrichtung der betroffenen Person nach § 30 Abs. 4 Nds. SOG kann nach § 30 Abs. 5 Nds. SOG zurückgestellt werden. (Verteilt am 14.01.2018)