Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2597 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Denunzierung türkischer Regierungskritiker durch „EGM Mobil“ Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE), eingegangen am 12.12.2018 - Drs. 18/2414 an die Staatskanzlei übersandt am 18.12.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 17.01.2019 Vorbemerkung des Abgeordneten Das ARD-Magazin „Report Mainz“ berichtete im September 2018 über die App „EGM Mobil“ der Zentralbehörde der türkischen Polizei, mit der Erdogan-kritische Türken in Deutschland offenbar denunziert würden. Mit der App sei es laut „Report Mainz“ möglich, „kritische Kommentare türkischstämmiger Personen in sozialen Netzwerken direkt bei den türkischen Behörden anzuzeigen“. Hierzu stellte die Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag (Drs. 19/5151) eine Anfrage an die Bundesregierung zu den „Kenntnissen und Maßnahmen der Bundesregierung bezüglich der Smartphone-App EGM Mobil“. In der Antwort der Bundesregierung (Drs. 19/5499) heißt es, es sei nicht bekannt, „inwieweit es in der Türkei zu Festnahmen oder Befragungen von Personen kam, die auf der Übermittlung von Daten über die App ‚EGM Mobil‘ beruhen.“ Es sei bisher nicht ersichtlich, „dass die Nutzung der Anwendung an sich (das heißt bei Betrachtung unabhängig von den über sie übermittelten Inhalten) problematisch sein könnte“. Die Bundesregierung könne jedoch nicht ausschließen , dass „sie als Medium verwendet werde, um Regierungskritikerinnen und -kritiker zu denunzieren “. Nach Recherchen von „Report Mainz“ wurden in der Türkei im Jahr 2018 mehr als 20 000 Verfahren wegen regierungskritischer Äußerungen in sozialen Netzwerken eingeleitet. Dass die türkische Regierung vielfältige und auch geheimdienstliche Methoden nutzt, um Informationen über Erdogan-kritischen Türken zu erhalten, ist schon lange bekannt. In dem Online-Artikel der ZEIT vom 30. März 2017 berichtete die Journalistin Canan Topcu über die Tätigkeit des türkischen Geheimdienst MİT. Der MİT hatte damals dem Bundesnachrichtendienst (BND) eine Liste mit Namen von 300 Personen mit der Bitte um Unterstützung übergeben, die angeblich einer Terrororganisation angehören sollten. Vorbemerkung der Landesregierung Die Abkürzung EGM bezieht sich auf die Generaldirektion für Sicherheit der Zentralbehörde der türkischen Polizei mit Sitz in Ankara („Emniyet Genel Müdürlügü“). Die EGM ist dem türkischen Innenministerium unterstellt und zuständig für alle polizeilichen Aufgaben. 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Smartphone-App „EGM Mobil“ bezogen auf Anwendung, Verbreitung, mögliche Verbindungen zu welchen staatlichen Institutionen in der Türkei und durch den türkischen Staat in Niedersachsen geförderte Institutionen? Im September 2018 berichteten verschiedene Medien über die Smartphone-App „EGM Mobil“ der türkischen Polizei. Die bereits seit Längerem über den Play Store von Google sowie den App Store Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2597 2 bei Apple kostenfrei herunterladbare App ermöglicht es ihren Nutzern, den türkischen Strafverfolgungsbehörden weltweit Personen über das Smartphone anzuzeigen und entsprechende Daten an türkische Sicherheitsbehörden zu übermitteln. Die „EGM Mobil“-App beinhaltet eine Maske, in welcher die Personalien des Hinweisgebers, der Grund für die Anzeige, der angezeigte Sachverhalt und die Adresse sowie weitere Kontaktdaten der angezeigten Person eingegeben werden können. Zusätzlich erlaubt es die App, Bild- und Dokumentenmaterial beizufügen und zu übermitteln. Daneben können über die App etwa die Adresse der nächsten türkischen Polizeidienststelle und Ergebnisse von Aufnahmeprüfungen für den türkischen Polizeidienst abgefragt oder Falschparker angezeigt werden. Die App ist nicht Gegenstand staatsschutzpolizeilicher Ermittlungen in Niedersachsen, und auch nach der in der Vorbemerkung dargelegten Fernsehberichterstattung sind im LKA Niedersachsen dazu keine Informationen eingegangen. 2. Welche Erkenntnisse über die Gefährdung deutscher Staatsangehöriger mit und ohne türkische Herkunft oder in Niedersachsen lebende türkische Staatsangehörige im Falle einer Reise in die Türkei liegen der Landesregierung vor? Das für Reisehinweise zuständige Auswärtige Amt führt auf der Webseite https://www.auswaert iges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tuerkei-node/tuerkeisicherheit/201962 zur Türkei (abgerufen am 27.12.2018) u. a. aus: „In den letzten beiden Jahren wurden vermehrt auch deutsche Staatsangehörige willkürlich inhaftiert. Festnahmen und Strafverfolgungen deutscher Staatsangehöriger erfolgten mehrfach in Zusammenhang mit regierungskritischen Stellungnahmen in den sozialen Medien . Dabei können auch solche Äußerungen, die nach deutschem Rechtsverständnis von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, Anlass zu einem Strafverfahren in der Türkei geben. Ausreichend ist im Einzelfall das Teilen oder ‚Liken‘ eines fremden Beitrags entsprechenden Inhalts. Es muss davon ausgegangen werden, dass auch nichtöffentliche Kommentare in sozialen Medien etwa durch anonyme Denunziation an die türkischen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden.“ Konkrete Gefährdungserkenntnisse im Zusammenhang mit „EGM Mobil“ liegen den niedersächsischen Sicherheitsbehörden nicht vor. Gleichwohl kann nicht ausgeschlossen werden, dass die App auch als Medium verwendet wird, um Regierungskritikerinnen und -kritiker zu denunzieren. 3. Wird sich die Landesregierung ausführlicher mit diesem neuen Mittel der Denunziation beschäftigen und prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, dies zu unterbinden? Wenn nein, warum nicht? Im Rahmen der vonseiten des niedersächsischen Verfassungsschutzes geführten Sensibilisierungsgespräche wird generell auf die möglichen negativen Auswirkungen von Denunziationen hingewiesen . Zur Feststellung, ob im Zusammenhang mit der Smartphone-Anwendung ein Anfangsverdacht für eine in die Verfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof fallende Straftat vorliegt, hat der Generalbundesanwalt einen Prüfvorgang angelegt. Die Landesregierung sieht keine weitere Möglichkeit, Smartphone-Anwendungen zu unterbinden, sofern diese nicht gegen deutsches Recht verstoßen. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2597 3 4. Sind der Landesregierung in Niedersachsen geheimdienstliche Agententätigkeiten für den türkischen Geheimdienst MİT bekannt, und welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung dazu vor? Im Sinne der Fragestellung ist bekannt, dass in den Jahren 2014 und 2015, basierend auf Erkenntnissen beginnend aus 2013, durch den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) drei Ermittlungsverfahren gegen je einen Beschuldigten wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit eingeleitet wurden und das LKA Niedersachsen mit den Ermittlungen betraut war. Die Verfahren wurden nach Kenntnis des LKA im Jahr 2015 durch den GBA eingestellt. Die Angabe konkreter Erkenntnisse aus den Verfahren obliegt dem GBA. (Verteilt am 21.01.2019) Drucksache 18/2597 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Belit Onay (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Denunzierung türkischer Regierungskritiker durch „EGM Mobil“