Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2627 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung Videoüberwachung von Schlachthöfen - Welches Konzept verfolgt Ministerin Otte-Kinast (CDU)? Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte (GRÜNE), eingegangen am 14.12.2018 - Drs. 18/2436 an die Staatskanzlei übersandt am 19.12.2018 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 21.01.2019 Vorbemerkung der Abgeordneten Anfang Oktober wurde umfangreiches Bildmaterial veröffentlicht, welches die „SOKO Tierschutz“ über einen Monat hinweg in einem Rinderschlachthof in Bad Iburg angefertigt hatte. Die Aufnahmen zeigten zahlreiche Tierschutzverstöße und deckten die. Missachtung rechtlicher und ethischer Grundsätze auf. Ministerin Otte-Kinast (CDU) sprach im Plenum des Landtages am 24.10.2018 von einem „grausamen Umgang mit Tieren“ und einem „offenbar kollektiven Wegschauen vieler Beteiligter “. Kurz nachdem die Stilllegung des Betriebs erfolgt war, gelangten bereits die nächsten Bilder von tierquälerischeren und unsachkundigen Betäubungsversuchen in die Öffentlichkeit. Diesmal war ein Schlachthof aus Oldenburg betroffen, in dem Rinder offensichtlich unzureichend und fehlerhaft betäubt wurden. Auch in diesem Fall führten die verdeckten Ermittlungen eines Tierschutzvereins mittels Kameraüberwachung zur Aufdeckung der Taten. Neben den strafrechtlichen Ermittlungen, die derzeit in diesen und anderen Fällen laufen, stellt sich die Frage nach politischen Konsequenzen. Wie u. a. in der Anhörung des Agrarausschusses des Landtages vom 21.11.2018 deutlich wurde, bestehen Probleme in niedersächsischen Schlachthöfen insbesondere bei der fachgerechten Betäubung und dem Umgang mit den Tieren insgesamt. Genannt wurden Faktoren wie eine zunehmende „Verrohung“ der Mitarbeitenden, die sich u. a. auf einen steigenden Zeitdruck zurückführen ließen, da häufig im Akkord geschlachtete werde. Auch zuweilen unzureichende Sachkunde bzw. fehlende Schulungen wurden als Gründe für Tierschutzverstöße genannt. Teilweise, wie im Fall von Bad Iburg, ist es aber auch schlicht kriminelle Energie, die zur Missachtung gesetzlicher Regelungen geführt hat. Auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung von Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom Juni dieses Jahres (Drs. 18/1145) antwortete die Landesregierung dahin gehend, dass sie das Kontrollsystem in Tierschutzfragen grundsätzlich für wirksam halte, aber auch „Verbesserungspotenzial in qualitativer und quantitativer Hinsicht“ bestehe. Für das Landwirtschaftsministerium scheint diese Verbesserung des Kontrollsystems in erster Linie in einer flächendeckenden Videoüberwachung von Schlachthöfen zu liegen. Seit den Skandalbildern aus den Schlachthöfen in Bad Iburg und Oldenburg drängt Ministerin Otte-Kinast (CDU) immer mehr auf dieses Instrument und betonte zuletzt auf der Mitgliederversammlung des Landvolks am 05.12.2018, dass sie sich für „bundesweit verpflichtende Videoüberwachungen“ einsetzen werde . Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2627 2 Vorbemerkung der Landesregierung Tierschutzrelevante Missstände wurden in der letzten Zeit nicht nur aus niedersächsischen Schlachthöfen veröffentlicht. Neben Schlachthöfen in anderen Bundesländern waren auch Schlachtbetriebe in anderen Mitgliedstaaten der EU im Visier von Tierschutzorganisationen. Die Landesregierung erarbeitet derzeit eine Vereinbarung über die Einführung von kameragestützten Überwachungssystemen in niedersächsischen Schlachthöfen zur Verbesserung des Tierschutzes für Schlachttiere. Die Videoaufzeichnungen sollen für amtliche Überwachungszwecke auch der zuständigen Behörde zur Verfügung stehen. Des Weiteren bereitet die Landesregierung derzeit eine Bundesratsinitiative zur obligatorischen Einführung von kameragestützten Überwachungssystemen in Schlachthöfen zur Verbesserung des Tierschutzes für Schlachttiere vor. Die Fragen 1 und 8 werden gemeinsam beantwortet: 1. In welchen Bereichen des Schlachthofes müssten nach Meinung des Landwirtschaftsministeriums Kameras angebracht werden? 8. Wer bestimmt den Ort der Aufhängung? Vor allem die Bereiche Entladung, Zutrieb, Betäubung und Entblutung sind in Schlachthöfen besonders tierschutzrelevante Bereiche. Die Landesregierung sieht vor, in einem Schlachthof insbesondere die vorgenannten Bereiche kameragestützt zu überwachen, d. h. dort, wo mit lebenden Tieren gearbeitet wird. 2. Wie viele Kameras müssten durchschnittlich pro Schlachthof aufgehängt werden? Die Anzahl zu installierender Kameras ist von den jeweiligen betriebsspezifischen bzw. örtlichen Gegebenheiten abhängig. Die Fragen 3, 4 und 7 werden gemeinsam beantwortet: 3. Wer hängt die Kameras auf? 4. Wem gehören die Kameras? 7. Wer trägt diese Kosten? Verpflichteter/Verfügungsbefugter soll der Schlachthofbetreiber sein. 5. Soll es eine verpflichtende oder freiwillige Anbringung von Kameras geben? Die die o. g. Vereinbarung unterzeichnenden Verbände sollen bei ihren Mitgliedsbetrieben bis zu einer vorgesehenen gesetzlichen Regelung zur kameragestützten Überwachung in Schlachtbetrieben auf die Installation von Kamerasystemen hinwirken. Eine gesetzliche Regelung würde verpflichtenden Charakter haben. 6. Mit welchen Kosten rechnet das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für die Anbringung und den Betrieb der Kameras? Die Kosten für die Anbringung und den Betrieb der Kameras variieren je nach Kamerasystem und örtlicher Gegebenheit in einem Schlachthof. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2627 3 Die Fragen 9, 10, 11 und 21 werden gemeinsam beantwortet: 9. Falls eine Anbringung durch die Schlachthöfe geplant ist: Wie wird sichergestellt, dass die Kameras überhaupt aufgehängt werden? 10. Wer hat Zugriff auf das Bildmaterial? 11. Wie werden Möglichkeiten der Manipulation verhindert? 21. Wer überwacht den störungsfreien Betrieb der Kameras? Es ist vorgesehen, dass die Aufzeichnungen nicht nur dem Schlachtbetrieb, sondern auch für amtliche Überwachungszwecke zur Verfügung stehen. Im Falle einer Installation auf Basis der o. a. freiwilligen Vereinbarung soll der Schlachthofbetreiber die Anlage dort installieren, wo sich lebende Tiere befinden. Die Speicherung der aufgezeichneten Daten soll im Schlachtbetrieb erfolgen. Schlachtbetrieb wie auch Überwachungsbehörde sollen die Videoaufzeichnungen jederzeit einsehen können. Insofern achten Schlachtbetrieb und Behörde auf die Funktionsfähigkeit der Anlage. 12. Wie lange sollen die Aufnahmen gespeichert werden? Die Überlegungen zur Festlegung einer Mindestdauer zur Speicherung des Filmmaterials befinden sich noch in der Abstimmung. 13. Wo sollen die Daten gespeichert werden? Siehe Antworten auf die Fragen 9, 10, 11 und 21. 14. Wie viele Stunden Videomaterial entstehen voraussichtlich pro Tag? Die Dauer der Aufzeichnungen richtet sich grundsätzlich nach der Schlachtkapazität des jeweiligen Schlachthofs. Im Übrigen wird Bezug auf die Antworten zu den Fragen 9, 10, 11 und 21 genommen . 15. Wie soll datenschutzrechtlichen Bedenken entgegengewirkt werden? Sowohl freiwillige als auch gesetzliche Regelungen dürfen nur im Einklang mit dem europäischen und nationalen Datenschutzrecht getroffen werden. 16. Kann Videoüberwachung im Hinblick auf Tierschutzverstöße effektiv sein, wenn Mitarbeitende nicht auf den Aufnahmen zu sehen sind? Ja. So können etwa systemische Unzulänglichkeiten in bestimmten Bereichen eines Schlachthofs erkannt und aus tierschutzrechtlicher Sicht behoben werden. Die Fragen 17 und 27 werden gemeinsam beantwortet: 17. Sind Videoaufnahmen geeignet, Rückschlüsse auf den Betäubungszustand der Tiere zu ziehen (Pupillen-, Zungenreaktionen u. Ä.)? 27. Welche Tierschutzvergehen lassen sich gegebenenfalls durch Videoüberwachung aufdecken ? Durch Videoaufzeichnungen kann die nicht tierschutzgerechte Behandlung und Betreuung von unbetäubten Schlachttieren dokumentiert werden. So kann z. B. mittels Videodokumentation eine Anlieferung von Schlachttieren, die sich nicht ohne Hilfe bewegen können, festgestellt werden. Videoaufnahmen sind weiterhin geeignet, einen nicht tierschutzkonformen Umgang mit Tieren - so auch Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2627 4 den nicht rechtskonformen Einsatz elektrischer Treibgeräte - z. B. bei Entladung oder Zutrieb zu dokumentieren. Bei der Betäubung und Entblutung können eine fehlerhafte Beladung von Betäubungsgondeln , eine Überschreitung der rechtlich vorgegebenen Höchstdauer zwischen Betäubung und Entblutung, Hinweise auf eine unzureichende Betäubung (z. B. durch Dokumentation des Wiedereinsetzens der Atmung, gerichtete [Augen-]Bewegungen) oder das Auftreten von Anzeichen für ein Wiedererwachen betäubter Schlachttiere festgestellt werden. Die Fragen 18, 25 und 26 werden gemeinsam beantwortet: 18. Welche Organisationsebene soll das Bildmaterial auswerten (Landkreise, Land, andere )? 25. (in Bezug auf Frage 24: „Ist geplant, weiteres Personal zur Auswertung des Bildmaterials einzustellen ?): Falls ja, wo wären diese Mitarbeitenden angesiedelt? 26. Welche Qualifikation haben die Menschen, die das Bildmaterial auswerten sollen? Die tierschutzrechtliche Überwachung ist in Niedersachsen Aufgabe der kommunalen Behörden. Sie haben Organisationshoheit und erfüllen diese Aufgabe im Rahmen des übertragenen Wirkungskreises . Die Fragen 19 und 20 werden gemeinsam beantwortet: 19. Ist eine stichprobenhafte oder eine flächendeckende Auswertung des Bildmaterials vorgesehen? 20. Wie viel Prozent des Bildmaterials sollen ausgewertet werden? Amtliche Kontrollen erfolgen gemäß den rechtlichen Vorgaben betriebsbezogen risikoorientiert. Die Landesregierung beabsichtigt, Art und Intensität der amtlichen Verifizierung von betrieblichen Eigenkontrollen im Hinblick auf die Einhaltung von tierschutzrechtlichen Vorschriften näher zu spezifizieren und steht dazu auch in Kontakt mit den obersten Landesbehörden der anderen Bundesländer . Die Fragen 22, 23 und 24 werden gemeinsam beantwortet: 22. Mit welchen Kosten rechnet das Landwirtschaftsministerium für die Auswertung des Bildmaterials? 23. Wer trägt diese Kosten? 24. Ist geplant, weiteres Personal zur Auswertung des Bildmaterials einzustellen? Die Auswertung des Bildmaterials wird im Rahmen der amtlichen Überwachung stattfinden. Da neben der Auswertung von Bildmaterial weitere zusätzliche behördliche Überwachungsmaßnahmen zur Verifizierung von betrieblichen Eigenkontrollen in Vorbereitung sind, ist mit einem erhöhten behördlichen Personalbedarf zu rechnen. Die Kosten für amtliche Kontrollmaßnahmen an Schlachthöfen haben die Unternehmen zu tragen. 28. Hält das Landwirtschaftsministerium Videoüberwachung für eine geeignete Präventivmaßnahme , oder dient dies eher der Strafverfolgung? Das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geht davon aus, dass die Einführung von kameragestützten Überwachungssystemen in Schlachthöfen insbesondere präventiv der Verbesserung des Tierschutzes für Schlachttiere dienen kann. Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/2627 5 29. Welche Erfahrungen liegen dem Landwirtschaftsministerium bezüglich freiwilliger Videoüberwachung durch die Schlachtbetriebe selbst vor? Der Landesregierung liegen hierzu bisher nur einzelne Erfahrungsberichte kommunaler Behörden vor. 30. Hat freiwillige Videoüberwachung in der Vergangenheit zur Aufdeckung und Sanktionierung von Tierschutzverstößen beigetragen? Ja. 31. Gibt es Fälle in niedersächsischen Schlachthöfen, in denen es trotz (freiwilliger) Videoüberwachung zu Tierschutzverstößen gekommen ist? Ja. 32. Wie bewertet das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz den Fall des Schlachthofes in Gleidingen in Bezug auf die Effektivität der freiwilligen Videoüberwachung? Aus dem genannten Fall sind keine Rückschlüsse auf die Effektivität einer freiwilligen Videoüberwachung zu ziehen. (Verteilt am 22.01.2019) Drucksache 18/2627 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Videoüberwachung von Schlachthöfen - Welches Konzept verfolgt Ministerin Otte-Kinast (CDU)?